Urteil des OLG Köln vom 15.12.1997

OLG Köln (kläger, behandlungsfehler, behauptung, untersuchung, befund, schmerzensgeld, zpo, höhe, ermessen, gutachten)

Oberlandesgericht Köln, 5 U 146/97
Datum:
15.12.1997
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
5. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 U 146/97
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 25 O 507/96
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 18. Juni 1997 verkündete Urteil
der 25. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 25 O 507/96 - wird
zurückgewiesen. Die Kosten der Berufung trägt der Kläger. Das Urteil ist
vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d
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Der 1931 geborene Kläger unterzog sich am 5. September 1994 in der m. des
Krankenhauses M. der Beklagten einer Linksherzkatheter-Untersuchung zur Abklärung
einer coronaren Herzerkrankung. Nach dem Eingriff bildete sich im Bereich der
Einstichstelle ein Hämatom aus, das am 9. September 1994 operativ entfernt wurde.
Postoperativ kam es zu einer Phlebo-Thrombose in einer Unterschenkelvene rechts und
zu Wundheilungsstörungen. Der Kläger hat die Beklagte mit der Behauptung auf
Schadensersatz in Anspruch genommen, die operative Entfernung des Hämatoms sei
vorwerfbar verzögert worden. Wegen der Verzögerung sei es zu Funktionsstörungen
beim Gebrauch des rechten Beines gekommen. Das Bein sei zudem entstellt und
bereite ständig Schmerzen. Er hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes
Schmerzensgeld zu zahlen, mindestens jedoch 18.000,00 DM,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine in das Ermessen des Gerichts gestellte
Schmerzensgeldrente zu zahlen, mindestens jedoch monatlich 500,00 DM,
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festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihm alle weiteren Schäden aus Anlaß
des ärztlichen Eingriffs vom 05.09.1994 zu ersetzen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat die Vorwürfe bestritten und Behandlungsfehler in Abrede gestellt.
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Gestützt auf das von der Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler bei der
Ä. eingeholte Gutachten des Prof. Dr. E. vom 9. August 1996 hat das Landgericht Köln
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die Klage abgewiesen, weil ein schadensursächlicher Behandlungsfehler nicht
bewiesen sei.
Dagegen wendet sich der Kläger mit der Berufung. Er behauptet, den Behandlern sei
bereits beim Punktieren ein Behandlungsfehler unterlaufen. Da beim ersten
Punktionsversuch der Leistenschlagader die Kanüle herausgefallen sei, habe das
Gefäß ein zweites Mal punktiert werden müssen. Das sei ein vermeidbarer Fehler. Im
übrigen sei zu vermuten, daß bei dem Eingriff eine Vene verletzt worden sei. Im Verlaufe
des 6. September 1994 sei den Behandlern klargeworden, daß sich das Blutgefäß
entgegen der Erwartung nicht geschlossen habe und weiterhin Blut austrete. Dieser
Zustand habe sich am 7. und 8. September 1994 noch verstärkt. Es sei ein 3/4 Liter Blut
ausgetreten. Er sei viel zu spät zur gefäßchirurgischen Behandlung überstellt worden.
Überdies sei die Operationsnaht insuffizient gewesen. Er leide nunmehr unter einer
erheblichen Gehbehinderung, Gartenarbeiten könne er gar nicht mehr verrichten.
Außerdem sei er impotent geworden. All dies seien Folgen der Fehlbehandlung.
Deswegen sei es auch zu einer tiefen Venenthrombose gekommen. Er beantragt,
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unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein
angemessenes Schmerzensgeld in Höhe von 10.000,00 DM zuzüglich 4 % Zinsen seit
Zustellung der Klageschrift und für die Zeit ab 01.10.1994 eine Schmerzensgeldrente
in Höhe von 250,00 DM monatlich zuzüglich 4 % Zinsen auf die Rückstände zu
zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie tritt der Berufung entgegen und verteidigt das angefochtene Urteil.
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Wegen aller Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf Tatbestand und
Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils sowie die im Berufungsrechtszug
gewechselten Schriftsätze verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die form- und fristgerecht eingelegte und prozeßordnungsgemäß begründete Berufung
ist in der Sache nicht gerechtfertigt. Das Landgericht hat die Klage mit Recht
abgewiesen. Der Senat macht sich die zutreffende Begründung zu eigen und nimmt
darauf Bezug, um unnötige Wiederholungen zu vermeiden (§ 543 Abs. 1 ZPO). Das
Berufungsvorbringen gibt zu weiterer Beweiserhebung keinen Anlaß.
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Die Behauptung des Klägers, die Leistenschlagader habe wegen einer vorwerfbaren
Unachtsamkeit der Behandler ein zweites Mal punktiert werden müssen, findet in der
Behandlungsdokumentation keine Stütze. In dem Operationsbericht vom 9. September
1994, der den intraoperativ vorgefundenen Befund wiedergibt und das Ausräumen des
Hämatoms sowie das Verschließen der Arterie beschreibt, ist nur von einem Stichkanal
die Rede. Folgerichtig hat der Sachverständige festgestellt, das Punktionsloch der
arteria femoralis sei quer arteriotomiert worden. Danach bestehen keine Anhaltspunkte
dafür, die Arterie könne zweimal punktiert worden sein, so daß eine erneute
Begutachtung mangels neuer tatsächlicher Anknüpfungspunkte nicht in Betracht kommt.
Desgleichen ist eine Vernehmung der Behandler Prof. Dr. G. und W. nicht angezeigt,
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weil in deren Wissen nicht die hier streitige Behauptung gestellt ist. Ob es aus anderen
Gründen zu einer Verzögerung bei dem Ersteingriff (Herzkatheter-Untersuchung)
gekommen ist, kann mangels Schadensursächlichkeit dahinstehen. Daß es zu einer
Verletzung einer Vene gekommen sein könnte, ist nach dem Operationsbericht
ebenfalls auszuschließen. Anderweitige Erkenntnismöglichkeiten stehen nicht zur
Verfügung.
Der Senat sieht auf der Grundlage der Feststellungen des Sachverständigen Prof. E. in
Verbindung mit der Behandlungsdokumentation auch keine Veranlassung, die
Nachbehandlung erneut sachverständig überprüfen zu lassen. Der Kläger verkennt, daß
der Behandler in aller Regel davon ausgehen kann, daß sich die Einstichstelle spontan
schließt (so Prof. E. Gutachten vom 09.08.1996 Seite 2). Selbst wenn es wider aller
Erwartung - wie hier - zu einem Blutaustritt in größerem Umfang kommt
(Hämatombildung), nötigt dies nicht zum sofortigen operativen Eingreifen, weil eine
unmittelbare Gefährdung sensibler Strukturen wie Nerven zunächst nicht besteht.
Erforderlich ist vielmehr zunächst nur eine engmaschige Kontrolle und die
Hinzuziehung des Gefäßchirurgen, wenn eine entsprechende Revision nötig wird. Das
ist hier geschehen. Am Tag nach der Punktion (06.09.1994) zeigte sich ein weiches,
gering schmerzhaftes Hämatom, das keinen Grund zur Besorgnis oder gar zu
besonderen therapeutischen Maßnahmen gab. Am Folgetag ergab sich gegen 18.00
Uhr ein abklärungsbedürftiger Befund, weil sich das Hämatom vergrößerte und die
Schmerzen zugenommen hatten. Darauf haben die Behandler angemessen reagiert,
indem sie mittels Ultraschall die nötige Diagnostik durchführten. Dabei ergaben sich
weder Schwirren, Geräusche noch eine Fistel oder ein Aneurysma, so daß dringender
Handlungsbedarf nicht bestand. Es genügte vielmehr, ein neurologisches Konsil zu
veranlassen und eine eventuell nötig werdende gefäßchirurgische Revision
vorzubereiten. Beides ist für den 08.09.1994 geschehen, woraufhin es dann am
09.09.1994 zum Revisionseingriff gekommen ist. Das ist nach den überzeugenden
Darlegungen von Prof. E. nicht zu beanstanden.
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Schließlich bleibt anzumerken, daß auch kein Aufklärungsversäumnis festzustellen ist.
Ausweislich des bei den Behandlungsunterlagen befindlichen Aufklärungsbogens, den
der Kläger unterschrieben hat, ist er am 4. September 1994 über sämtliche relevanten
Risiken aufgeklärt worden. Diese Aufklärung betrifft die in Rede stehende
Linksherzkatheteruntersuchung. Der vom Kläger in Kopie vorgelegte Aufklärungsbogen
vom 07.09.1994 betrifft eine venöse Herzkatheter-Untersuchung, die offenbar
vorgesehen war (vgl. Arztbrief vom 29.11.1994, Bl. 51 der Dokumentation), zu der es
aber (wohl wegen der aufgetretenen Komplikation) nicht mehr gekommen ist. Daß die
die Revisionsoperation betreffende Risikoaufklärung in den vorliegenden
Behandlungsunterlagen nicht dokumentiert ist, ist ohne Belang. Darum geht es im
Streitfall nicht.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713
ZPO.
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Wert der Beschwer des Klägers: unter 60.000,00 DM.
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