Urteil des OLG Köln vom 30.11.2000
OLG Köln: entlastung, öffentliche urkunde, abstimmung, aufsichtsrat, gesellschaft, anfechtungsklage, tagesordnung, zustand, einberufung, nichtigkeit
Oberlandesgericht Köln, 18 U 116/00
Datum:
30.11.2000
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
18. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
18 U 116/00
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 91 O 178/99
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 09.02.2000 verkündete Urteil
des Landgerichts Köln - 91 O 178/99 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. DM
12.000,00 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung
in der selben Höhe Sicherheit leistet.
Die Sicherheitsleistungen können jeweils auch durch
selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank oder
öffentlich-rechtlichen Sparkasse erbracht werden.
T a t b e s t a n d :
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Der Kläger begehrt die Feststellung der Nichtigkeit des Beschlusses der
Hauptversammlung der Beklagten vom 17.09.1999, mit dem dem Aufsichtsrat die
Entlastung erteilt wurde.
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Der Kläger war zum Zeitpunkt dieser Hauptversammlung Aktionär der Beklagten.
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Die Einladung zur Hauptversammlung war am 07.08.1999 im Bundesanzeiger
veröffentlicht worden. Die in § 175 Abs. 2 Aktiengesetz genannten Unterlagen wurden
seit Montag, dem 09.08.1999, in den Geschäftsräumen der Beklagten zur Einsicht
ausgelegt.
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In der Hauptversammlung wurde unter Top 3 die Entlastung des Aufsichtsrates
beschlossen. Die Abstimmung über diesen Punkt erfolgte auf Vorschlag des
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Vorsitzenden der Hauptversammlung nach Aussprache im Wege der Einzelentlastung
jedes Aufsichtsratsmitgliedes.
An der Abstimmung nahmen auch die Aufsichtsratmitglieder G. und H. teil, wobei diese
allerdings wegen ihres Stimmverbotes bei der Abstimmung für ihre eigene Entlastung
nicht mitstimmten, sondern nur über die Entlastung des jeweils anderen. Wegen des
Ergebnisses der Abstimmung wird auf die notarielle Niederschrift (Bl. 22, 23) verwiesen.
Wegen des Ablaufs der Hauptversammlung wird desweiteren auf die notarielle
Niederschrift (Bl. 16-27), die Präsenzliste der Hauptversammlung (Bl. 93-99) sowie die
ergänzende notarielle Niederschrift vom 25.11.1999 (Bl. 100-102) Bezug genommen.
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Der Kläger erklärte hinsichtlich der Entlastung des Aufsichtsrates Widerspruch zu
Protokoll.
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Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die in der Hauptversammlung gefassten
Beschlüsse über die Entlastung des Aufsichtsrates verletzten das Gesetz und seien
anfechtbar, weil die in § 175 Abs. 2 Aktiengesetz genannten Urkunden entgegen dieser
Bestimmung nicht von der Einberufung an in den Geschäftsräumen der Beklagten
ausgelegt worden seien, sondern erst mit zwei Tagen Verspätung. Das
Teilnehmerverzeichnis sei nicht rechtzeitig erstellt oder jedenfalls vom Vorsitzenden
nicht unterschrieben worden. Aus dem Protokoll ergebe sich nicht, wie die nach dem
Subtraktionsverfahren abgegebenen Stimmen ermittelt und gezählt worden seien. Die
Zu- und Abgänge der Aktionäre während der Hauptverhandlung seien nicht festgehalten
worden, so dass die Präsenz bei den jeweiligen Beschlussfassungen nicht feststehe.
Die Aktionäre und Aufsichtsratsmitglieder G. und H. hätten sich nicht gegenseitig
entlasten dürfen, weil beide gemeinsam nachhaltig als Mittäter zum Schaden der
Gesellschaft zusammengewirkt hätten.
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Der Kläger hat beantragt,
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die Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 17.9.1999, durch
welche dem Aufsichtsrat (Punkt der 3 Tagesordnung) Entlastung erteilt wurde,
für nichtig zu erklären.
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Hilfsweise hat er beantragt,
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festzustellen, dass die Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom
17.9.1999, durch welche dem Aufsichtsrat (Punkt 3 der Tagesordnung)
Entlastung erteilt wurde, nichtig sind.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat die Ansicht vertreten, die angegriffenen Beschlüsse seien weder gemäß § 241
Aktiengesetz nichtig noch seien sie wegen einer Gesetzesverletzung anfechtbar. Die
Auslegung der Unterlagen gem. § 175 Abs. 2 Aktiengesetz sei nicht verspätet erfolgt, da
keine Pflicht bestehe, die Geschäftsräume auch am Wochenende geöffnet zu halten.
Das Teilnehmerverzeichnis sei vom Leiter der Hauptversammlung unterschrieben zum
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Handelsregister eingereicht worden. Die Zu- und Abgänge von Aktionären während der
Hauptverhandlung seien festgestellt und vermerkt worden, was sich auch aus der
Ergänzung der notariellen Niederschrift ergebe. Die wechselseitige Entlastung der
Aufsichtsratsmitglieder H. und G. beinhalte keinen Verstoß gegen ein
Stimmrechtsverbot. Selbst wenn ein Stimmrechtsverbot der Aufsichtsratsmitglieder
bestanden hätte und befolgt worden wäre, hätte dies auf das Beschlussergebnis keinen
Einfluss gehabt, weil auch bei Herausrechnen dieser Stimmen eine Mehrheit für die
Entlastung des Aufsichtsrates existiert hätte. Ein gesellschaftsschädigendes Verhalten
der Aufsichtsratsmitglieder G. und H. liege nicht vor. Entsprechende Vorwürfe seien
substantiiert und konkret in der Hauptverhandlung nicht erhoben worden.
Mit dem am 09.02.2000 verkündeten Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen
und im wesentlichen ausgeführt, die zu Tagesordnungspunkt 3 gefassten Beschlüsse
der Hauptverhandlung seien weder anfechtbar noch nichtig. Unter anderem hat das
Landgericht seine Entscheidung damit begründet, ein Stimmrechtsverbot der
Aufsichtsratsmitglieder G. und H. könne unterstellt werden, weil sich an dem Ergebnis
auch bei Einhaltung eines solchen Verbotes nichts geändert habe.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und der
Begründung der Kammer wird auf das Urteil (Bl. 125-129) Bezug genommen.
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Gegen dieses ihm am 24.05.2000 zugestellte Urteil hat der Kläger form- und fristgerecht
Berufung eingelegt und diese rechtzeitig begründet.
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Mit seiner Berufung wiederholt und vertieft der Kläger sein erstinstanzliches Vorbringen
und trägt weiter vor: Die Bestimmung des § 175 Aktiengesetz sei zwingendes Recht.
Eine einschränkende Auslegung sei nicht möglich. Die Einzelabstimmung über die
Entlastung der Aufsichtsratsmitglieder sei rechtsmissbräuchlich und verstoße gegen §
120 Abs. 1 Aktiengesetz, der eine Gesamtentlastung als Regel vorschreibe. Eine
Abstimmung über die Gesamtentlastung des Aufsichtsrates sei deshalb zwingend
gewesen, weil die Aktionäre und Aufsichtsratsmitglieder H. und G. kollusiv zum Nachteil
der Gesellschaft zusammengearbeitet hätten, indem sie Geldmittel der Beklagten zu
eigenen Zwecken genutzt und sich so persönliche Vorteile verschafft hätten.
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Der Kläger beantragt,
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unter Aufhebung des am 09.02.2000 verkündeten Urteil des Landgerichts
Köln - 91 O 178/99 - die Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten
vom 17.09.1999, durch welche dem Aufsichtsrat (Punkt 3 der Tagesordnung)
Entlastung erteilt wurde, für nichtig zu erklären,
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hilfsweise
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festzustellen, dass die Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom
17.09.1999, durch welche dem Aufsichtsrat (Punkt 3 der Tagesordnung)
Entlastung erteilt wurde, nichtig sind.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag und hebt insbesondere hervor,
die Einzelabstimmung über die Entlastung der Aufsichtsratsmitglieder verstoße nicht
gegen § 120 Abs. 1 Aktiengesetz und sei auch nicht rechtsmissbräuchlich.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
des angefochtenen Urteils sowie auf die Schriftsätze der Parteien nebst den
eingereichten Unterlagen verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
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Die Nichtigkeitsfestellungs- bzw. Anfechtungsklage ist zulässig, aber unbegründet.
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1.
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Soweit Zweifel hinsichtlich der wirksamen Zustellung der Anfechtungsklage bestanden,
weil die Zustellung der Klageschrift nur an den Vorstand und nicht auch an ein
Aufsichtsratsmitglied erfolgte (vgl. Hüffer, Aktiengesetz, 4. Aufl., § 246 Rdnr. 30, 32; BGH
NJW 1992, 2099 f; BGH NJW 1960, 1006), sind diese Bedenken ausgeräumt.
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Der Aufsichtsrat hat von dem Prozess Kenntnis erhalten, die Vorgehensweise der
Prozessbevollmächtigten durch Erklärung vom 09.10.2000 (Bl. 195 d.A.) genehmigt und
die Beklagte hat sich gem. § 295 ZPO rügelos eingelassen.
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Die Monatsfrist gem. § 246 Aktiengesetz für die Erhebung der Anfechtungsklage wurde
eingehalten. Die Klageschrift ging am Montag ,dem 18.10.1999, bei Gericht ein.
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2.
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Wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, ist die Klage aber unbegründet, weil die
Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 17.09.1999 bezüglich der
Entlastung des Aufsichtsrates weder nichtig noch anfechtbar sind.
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Ein Anfechtungsgrund ergibt sich nicht aus dem Umstand, dass die in § 175 Abs. 2
Aktiengesetz erwähnten Unterlagen erst am Montag, dem 09.08.1999, für die Aktionäre
zur Einsicht zugänglich waren und nicht bereits zum Zeitpunkt der Einberufung, am
Samstag, dem 07.08.1999. Zwar ist dem Kläger darin zuzustimmen, dass die in § 175
Abs. 2 S. 1 Aktiengesetz genannten Unterlagen von der Einberufung an, also mit
Bekanntmachung (§ 121 Abs. 2 Aktiengesetz), ausgelegt werden müssen. Wie das
Landgericht legt aber auch der Senat die Vorschrift des § 175 Abs. 2 Aktiengesetz
dahingehend aus, dass die Verpflichtung zum Auslegen der Urkunden auf die üblichen
Geschäftszeiten der Gesellschaft beschränkt ist. Die Gesellschaft ist nach Auffassung
des Senats nicht verpflichtet, die Geschäftszeiten zu erweitern und den Aktionären etwa
am Wochenende die Möglichkeit zur Einsicht in die Unterlagen zu gewähren.
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Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, dass die vom Kläger angeführte Verzögerung von
zwei Tagen sich möglicherweise ursächlich auf die Beschlussfassung in der
Hauptversammlung vom 17.09.1999 ausgewirkt hat. Der Ursachenzusammenhang
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zwischen einem - unterstellten - Gesetzesverstoß und dem Beschlussergebnis ist aber
für die Begründetheit der Anfechtungsklage erforderlich (BGH NJW 1987, 2580, 2582).
Soweit der Kläger in seinem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 16.11.2000 vorträgt,
am Geschäftssitz der Beklagten, H.66, befinde sich weder eine Hinweistafel auf die
Gesellschaft noch eine Klingelknopfbezeichnung, bietet dieser neue Vortrag keinen
Grund, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen. Der heutige Zustand sagt nichts
über den Zustand des Gebäudes vor der Hauptversammlung vom 17.09.1999 aus. Aus
der Behauptung des Klägers, ihm sei mitgeteilt worden, dass der von ihm festgestellte
Zustand bereits seit weit mehr als einem Jahr andauere, ergibt sich nach Ansicht des
Senats nicht mit der erforderlichen Sicherheit, dass der jetzt vorgefundene Zustand auch
bereits vor dem 17.09.1999 herrschte. Die vom Kläger gemachte Zeitangabe ist zu
unbestimmt und seine Informationsquelle hat er nicht mitgeteilt.
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Die Behauptung des Klägers, das Teilnehmerverzeichnis sei zum Zeitpunkt der
Hauptversammlung entgegen der notariellen Niederschrift noch nicht erstellt, zumindest
aber noch nicht vom Vorsitzenden unterschrieben gewesen, führt ebenfalls nicht zur
Nichtigkeit der angefochtenen Beschlüsse gem. §§ 241 Nr. 2, 130 Abs. 2 Aktiengesetz
oder zu ihrer Anfechtbarkeit gem. § 243 Aktiengesetz. Die vom Kläger aufgestellten
Behauptungen basieren erkennbar auf Vermutungen, weil er aus der Tatsache, dass
dem Telefax vom 14.10.1999 kein unterschriebenes Teilnehmerverzeichnis beigefügt
war, darauf schließt, dass dieses nicht existierte. Eine solche reine Vermutung ist nicht
geeignet, die Beweiskraft der Niederschrift des Notars, die eine öffentliche Urkunde
gem. § 415 ZPO darstellt, zu entwerten oder mit dieser Behauptung den Gegenbeweis
gem. § 415 Abs. 2 ZPO zu erbringen. Die Richtigkeit der notariellen Urkunde über das
Vorliegen des Teilnehmerverzeichnisses wird im übrigen durch die genaue Angabe der
Stimmenzahl von 409.059 (Bl. 21 d.A.) belegt, die der Kläger selbst nicht in Zweifel
zieht. Ein Beweismittel für die Unrichtigkeit der notariellen Niederschrift hinsichtlich des
Vorliegens des Teilnehmerverzeichnisses vor den Abstimmungen (§ 415 Abs. 2 ZPO)
hat der Kläger nicht angeboten.
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Schließlich hat das Landgericht zutreffend ausgeführt, dass die Unterschrift des
Teilnehmerverzeichnisses auch bis zur Einreichung der Teilnehmerliste zum
Handelsregister erfolgen kann (Hüffer,a.a.O., § 129 Rdnr. 14).
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Das Vorbringen des Klägers, für die Ermittlung der Abstimmungsergebnisse fehlten in
der notariellen Niederschrift ebenso Angaben wie für die Feststellung der jeweiligen
Stimmenpräsenz, führt ebenfalls nicht zur Nichtigkeit der Beschlüsse gem. §§ 241 Nr. 2,
130 Abs. 2 Aktiengesetz oder zu deren Anfechtbarkeit. Aus der Urkundenergänzung des
Notars vom 25.11.1999 ergibt sich, dass die Abstimmungsergebnisse nach der
Subtraktionsmethode ermittelt wurden, wobei die Nein-Stimmen und Enthaltungen
durch Zuruf von Stimmzählern erfasst, notiert und nach Addition den Vorsitzenden zur
Kontrolle vorgelegt wurden. Diese Vorgehensweise ist nicht zu beanstanden. Soweit
der Kläger durch Vernehmung des Zeugen P. Beweis dafür anbietet, dass diese
Ergänzung der Niederschrift des Notars falsch ist, brauchte der Senat dem nicht
nachzugehen. Der Vortrag ist nicht ausreichend substantiiert , weil der Kläger nicht dazu
Stellung nimmt, wie es denn, wenn nicht durch Zuruf, zu der Feststellung der Nein-
Stimmen und der Enthaltungen bei der Entlastung der Aufsichtsratsmitglieder
gekommen ist.
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Aus der erwähnten Urkundenergänzung vom 25.11.1999 ergibt sich zudem, dass die
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Zu- und Abgänge von Aktionären vor den jeweiligen Beschlussfassungen festgestellt
wurden, so dass die vom Kläger im Hinblick auf diesen Punkt geäußerten Bedenken
ebenfalls nicht greifen. Für seine Behauptung, eine Kontrolle sei nicht erfolgt, hat der
Kläger zudem kein Beweismittel ( § 415 Abs 2 ZPO ) angegeben .
Schließlich sind die angegriffenen Beschlüsse über die Entlastung der
Aufsichtsratsmitglieder G. und H. auch nicht deshalb nichtig oder anfechtbar, weil über
die Entlastung für jedes Aufsichtsratsmitglied gesondert abgestimmt wurde. Nach
Ansicht des Senats ist es nicht zu beanstanden, dass über die Frage der Einzel- oder
Gesamtentlastung des Aufsichtsrates kein gesonderter Beschluss der
Hauptversammlung herbeigeführt, sondern diese Vorgehensweise vom
Versammlungsleiter angeordnet wurde. In der tatsächlich vorgenommenen
Einzelentlastung liegt zugleich ein entsprechender Beschluss der Hauptversammlung
gemäß § 120 Abs. 1 S. 2 Aktiengesetz (vgl. Großkommentar Aktiengesetz, 3. Aufl., Band
I, Barz, § 120 Anm. 18).
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Ein mögliches Stimmrechtsverbot der Aufsichtsratsmitglieder G. und H. gem. § 136 Abs.
1 S. 1 Aktiengesetz betraf die Frage der Abstimmungsmodalität nicht. § 136 Abs. 1 S. 1
Aktiengesetz lässt keine Erweiterung auf andere als die in dieser Vorschrift genannten
Interessenkollisionen zu (Hüffer,a.a.O., § 136, Rdnr. 18; OLG München, AG 1995, 382).
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Die vorgenommene Einzelentlastung war entgegen der Ansicht des Klägers zudem
nicht rechtsmissbräuchlich. Insoweit unterscheidet sich der zu beurteilende Sachverhalt
von dem vom Kläger zitierten, vom Oberlandesgericht München entschiedenen Fall (AG
1995, 381 f.), so daß es nicht darauf ankommt, ob dieser Entscheidung gefolgt werden
kann. Bei dem dort beurteilten Fall waren der Abstimmung Kritik an der
Geschäftsführung, die Beantragung einer Sonderprüfung über Vorgänge in
vergangenen Geschäftsjahren und der Antrag, keine Entlastung zu erteilen,
vorausgegangen. Solche Streitigkeiten gab es im vorliegenden Fall vor der Abstimmung
nicht. Es ist weder vorgetragen noch aus der Hauptversammlungsniederschrift
ersichtlich, dass die nunmehr gegen die Aufsichtsratsmitglieder G. und H. erhobenen
Vorwürfe bereits damals in dem jetzt vorgetragenen Umfang in der Welt waren und zum
Gegenstand von Erörterungen in der Hauptversammlung gemacht wurden.
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Selbst wenn man der Ansicht sein sollte, die Einzelentlastung der Aufsichtsratmitglieder
G. und H. sei wegen der Umgehung des Stimmrechtsverbotes gem. §§ 120 Abs. 1 S. 2,
136 Aktiengesetz rechtsmissbräuchlich gewesen, führt dieser - unterstellte -
Gesetzesverstoß angesichts der Mehrheitsverhältnisse nicht zur Anfechtbarkeit der
Beschlüsse gem. § 243 Aktiengesetz. Auch wenn man die Stimmen aller
Aufsichtsratsmitglieder abzieht, verbleibt es bei einer Mehrheit für die Entlastung der
beiden genannten Aufsichtsratmitglieder. Diese Mehrheit hätte bei dem
Aufsichtsratsmitglied G. bei 158.053 Ja-Stimmen zu 44.149 Nein-Stimmen und 4300
Enthaltungen und bei dem Aufsichtsratsmitglied H. bei 156.922 Ja-Stimmen zu 44.049
Nein-Stimmen und 4300 Enthaltungen gelegen. Damit war eine mögliche
Gesetzesverletzung für die Beschlussergebnisse ohne Einfluss und nicht relevant (vgl.
Hüffer, a.a.O., § 243 Rdnr. 19). Auch hieran scheitert die Anfechtungsklage, die daher
abzuweisen war.
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3.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Streitwert und Beschwer: 100.000,00 DM
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