Urteil des OLG Köln vom 19.08.1992

OLG Köln (gesetzlicher vertreter, mieter, eltern, kläger, bezug, beurteilung, vermieter, kenntnis, haus, zustand)

Oberlandesgericht Köln, 19 U 56/92
Datum:
19.08.1992
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
19. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
19 U 56/92
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 28 0 403/91
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 15. Januar 1992 verkündete
Urteil der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 28 0 403/91 - wird auf
seine Kosten zurückgewiesen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
1
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Dem Kläger stehen
Schadensersatzansprüche gegen die Be-klagte aufgrund des Unfalls vom 21.
September 1990 unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
2
Soweit wegen materieller Schäden des Klägers Ansprüche aus den §§ 537, 538 BGB in
Betracht kommen könnten, sind diese schon deshalb ausgeschlossen, weil unstreitig
die Eltern des Klägers als Mieter der Wohnung bei Abschluß des Mietvertrages den
angeblichen Mangel, nämlich den Zustand des Heiz-körpers im Kinderzimmer, kannten
(§ 539 BGB). Auf die Kenntnis der Eltern als gesetzlicher Vertreter des Klägers kommt
es nach § 166 Abs. 1 BGB an (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 51.Aufl., § 166 Rdn. 4 m.
N.). Diese Kenntnis ist von der Beklagten mit Schriftsatz vom 16. Dezember 1991
vorgetragen und vom Kläger nicht bestritten worden.
3
Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung des Mietvertrages - soweit diese neben
einem Anspruch aus § 538 BGB überhaupt in Betracht kommen (vgl. hierzu
Palandt/Putzo a.a.O. § 538 Rdn. 5) -und aus unerlaubter Handlung (§§ 823, 847 BGB)
scheiden aus, weil die Beklagte Schutz- und Fürsorgepflich-ten, insbesondere eine
Verkehrssicherungspflicht gegenüber dem Kläger nicht verletzt hat.
4
Ist - wie hier - in einer Mietwohnung ein Flachheizkörper eingebaut, der aus zwei
parallelen Heizplatten ohne Zwischenlamellen besteht und der nach oben nicht
abgedeckt ist, so haftet der Vermieter nicht wegen Verletzung der Verkehrssi-
cherungspflicht, wenn ein vierjähriges Kind der Mieter wie seinerzeit der Kläger auf den
Heizkörper klettert, dabei mit dem Fuß zwischen die Heizplat-ten gerät und sich verletzt.
Die Gefahr, die von einem solchen Heizkörper für Kleinkinder ebenso wie von einem
herkömmlichen Rippenheizkörper, von scharfkantigen Gegenständen insbesondere in
Kopf-höhe des Kindes, von Steckdosen und von anderen Gegenständen in der
Wohnung ausgeht, liegt für die Eltern als Mieter offen zu Tage und ist von ihnen ohne
unzumutbaren Aufwand durch geeignete Maßnahmen wenn nicht ganz zu verhüten, so
5
doch jedenfalls wesentlich einzugrenzen. Im Rahmen der Rechtspre-chung zur
Verkehrssicherungspflicht ist mit Recht anerkannt, daß der Verkehrssicherungspflichtige
in geeigneter und objektiv zumutbarer Weise alle, aber auch nur diejenigen Gefahren
ausräumen und erfor-derlichenfalls vor ihnen warnen muß, die für einen Benutzer - hier
die Mieter -, der die erforderliche Sorgfalt walten läßt, nicht oder nicht rechtzeitig
erkennbar sind und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzurichten vermag (vgl.
z. B. KG, VersR 1983, 1162 m. w. N.). Deutlich erkennbare Ge-fahren, die vor sich selbst
warnen, können für eine Verkehrssicherung ausscheiden, wenn bei verständi-ger
Beurteilung anzunehmen ist, daß der zu Schüt-zende ihnen ausweichen kann und wird
(RGRK/Steffen, BGB 12.Aufl. § 823 Rdn. 144; vgl. auch Erman/Schie-mann, BGB 8.
Aufl.,§ 823 Rdn. 80; MK-Mertens, BGB 2.Aufl., § 823 Rdn. 190 a; Geigel/Schlegelmilch,
Haftpflichtprozeß, 20.Aufl., Kapitel 14 Rdn. 12). Im vorliegenden Fall hat die Beklagte
den Eltern des Klägers durch Mietvertrag vom 5. März 1990 das Haus in K. , I. , als so-
genanntes Miet-Familienheim vermietet. Wie bereits oben ausgeführt, war den Mietern
zum damaligen Zeitpunkt der Zustand des jetzt beanstandeten Heizkörpers bekannt.
Die Mieter waren auch bereits Eltern des damals schon fast vierjährigen Klägers und
hatten als solche das Wissen und die Erfahrung in Bezug auf das Verhalten des Klägers
als eines damals noch kleinen Kindes einerseits und in Bezug auf die Gefahren
andererseits, die möglicherweise von dem Heizkörper insbesondere dann ausgehen
konn-ten, wenn sie in dem Zimmer das Kinderzimmer des Klägers einrichteten, in dem
sich dieser Heizkörper befand. Diesen Heizkörper abzudecken oder ihn auch mit Hilfe
der Beklagten abdecken zu lassen, wäre den Eltern des Klägers ein Leichtes gewesen.
Nach den oben dargelegten Grundsätzen bestand unter sol-chen Umständen eine
Verkehrssicherungspflicht der Beklagten auch dann nicht, wenn es sich wie gesagt hier
um ein "Miet- Familienheim" handelte. Im Gegenteil ist von Mietern mit Kindern, die ein
solches Haus in der Regel beziehen werden, ganz besonders zu erwarten, daß sie
Gegenstände erkennen, von denen Gefahren für ihre Kinder ausgehen können. Es wäre
lebensfremd und nicht sachgerecht, in derartigen Fällen die Verkehrssicherungspflicht
dem Vermieter aufzubürden, weil die spezifische Gefähr-dung, die hier von dem
Heizkörper ausging, für die Eltern des Klägers als Mieter viel eher zu erkennen war als
für die Beklagte, zumal die Verwirklichung der Gefahr nicht zuletzt auch davon abhing,
wie die Mieter den Raum nutzen wollten, in dem sich der Heizkörper befand. Diese
Beurteilung ist von der zwischen den Parteien streitigen Frage unabhängig, ob der
beanstandete Heizkörper DIN-gerecht war oder nicht.
Da die Berufung keinen Erfolg hatte, hat der Kläger ihre Kosten nach § 97 Abs. 1 ZPO
zu tragen.
6
Das Urteil ist nach den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO vor-läufig vollstreckbar.
7
Wert der Beschwer des Klägers: 15.058,00 DM.
8