Urteil des OLG Köln vom 22.12.2005

OLG Köln: treu und glauben, post, lebensversicherung, trennung, kündigung, zustellung, belastung, versorgung, rückkaufswert, lebensstandard

Oberlandesgericht Köln, 25 UF 135/05
Datum:
22.12.2005
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
25. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
25 UF 135/05
Vorinstanz:
Amtsgericht Köln, 317 F 195/04
Tenor:
1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin vom 08. Juli 2005 und unter
Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen wird die
Versorgungsausgleichsentscheidung im Urteil des Amtsgerichts -
Familiengericht – Köln vom 02. Juni 2005 – 317 F 195/04 – wie folgt
abgeändert:
Zum Ausgleich der von der Antragstellerin erworbenen
Rentenanwartschaften werden von dem Konto Nr. ####1 der
Antragstellerin bei der Deutsche Rentenversicherung Rheinland auf das
Konto des Antragsgegners Nr. ####2 bei der Deutsche
Rentenversicherung Rheinland in Entgeltpunkte umzurechnende
Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 55, 01 EUR, bezogen auf
den 31.07.2004, übertragen.
Zum Ausgleich der von der Antragstellerin erworbenen
Rentenanwartschaften werden von dem Konto Nr. ####1 der
Antragstellerin bei der Deutsche Rentenversicherung Rheinland auf das
Konto des Antragsgegners Nr. ####2 bei der Deutsche
Rentenversicherung Rheinland in Entgeltpunkte umzurechnende
Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 1,51 EUR, bezogen auf
den 31.07.2004, übertragen.
Zu Lasten der Versorgungsanwartschaften der Antragstellerin bei der
Versorgungsanstalt der Deutschen Bundespost (Versicherungsnummer
####3) werden auf dem Versicherungskonto des Antragsgegners Nr.
####2 bei der Deutsche Rentenversicherung Rheinland in
Entgeltpunkte umzurechnende Rentenanwartschaften in Höhe von
monatlich 0,50 EUR, bezogen auf den 31.07.2004, begründet.
2. Im Übrigen verbleibt es bei dem angefochtenen Urteil.
3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander
aufgehoben.
G r ü n d e :
1
Die Parteien haben am 07. Mai 1990 die Ehe geschlossen. Auf den dem Antragsgegner
am 05. August 2004 zugestellten Scheidungsantrag der Antragstellerin hat das
Amtsgericht Köln durch Urteil vom 02. Juni 2004 die Ehe der Parteien geschieden und
den Versorgungsausgleich in der Weise durchgeführt, dass von dem
Versicherungskonto der Antragstellerin bei der LVA Rheinland Nr. ####2 auf das Konto
der Antragsgegners Nr. ####1 bei der LVA Rheinland in Entgeltpunkte umzurechnende
Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 165,03 EUR sowie zusätzlich 6,02 EUR,
bezogen auf den 31.10.2004, übertragen werden.
2
Gegen dieses der Antragstellerin am 09.06.2005 zugestellte Urteil hat diese mit am
08.07.2005 eingegangenem Schriftsatz vom selben Tage Beschwerde eingelegt und
diese damit begründet, dass zu Unrecht der Versorgungsausgleich nicht
ausgeschlossen worden sei. Ferner sie die Übertragung der 6,02 EUR unzutreffend,
weil dieser Betrag dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich hätte vorbehalten
bleiben müssen.
3
Die Beteiligten hatten Gelegenheit zu Stellungnahme.
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Die Beschwerde der Antragstellerin ist gem. §§ 629a, 621e, 516 f ZPO zulässig, aber
nur teilweise begründet.
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Nach den vorliegenden und unbeanstandet gebliebenen Auskünften der Deutsche
Rentenversicherung Rheinland sowie der Deutsche Post Rentenservice haben die
Parteien während der Ehezeit im Sinne des § 1587 Abs. 2 BGB ( 01. 05. 1990 bis 31.
07. 2004) folgende ausgleichspflichtige Versorgungsanwartschaften erworben:
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Antragstellerin:
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Rentenanwartschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung (Deutsche
Rentenversicherung Rheinland) 431, 84 EUR.
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Unverfallbare Anwartschaften auf eine betriebliche Altersversorgung wegen
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Alters und Invalidität bei der Deutsche Post TV BZV i.H.v. jährlich 1.716,72 EUR;
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die Versorgung ist im Leistungsstadium volldynamisch. Diese Anwartschaften
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sind vom Familiengericht unangefochten und zutreffend in einen dynamischen
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Rentenwert von 9,07 EUR
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umgerechnet worden. Wegen der Einzelheiten wird auf das angefochten Urteil Bezug
genommen.
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Unverfallbare Anwartschaften aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes
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bei der Versorgungsanstalt der Deutschen Bundespost (VAP) i.H.v. monatlich
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25,99 EUR = jährlich 311,88 EUR; die Versorgung ist in der Leistungsphase statisch.
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Zur Herstellung der Vergleichbarkeit dieser Versorgungsanrechte mit denen
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aus der gesetzlichen Rentenversicherung sind die Versorgungsanrechte gem.
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§ 1587a Abs. 3 Nr. 2 BGB unter Anwendung der Barwertverordnung
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Tabelle 1 in volldynamische Anrechte umzurechnen. Dies ergibt eine
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volldynamische Versorgungsanwartschaft in Höhe von 2,98 EUR.
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Wegen der Einzelheiten wird auf die zutreffende Berechung des
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Familiengerichts Bezug genommen.
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Insgesamt stehen der Antragstellerin somit dynamische Versorgungsanwartschaften in
Höhe von (431,84 + 9,07 + 2,98 =) 443,98 EUR zu.
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Antragsgegner:
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Rentenanwartschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung (Deutsche
Rentenversicherung Rheinland) 101, 79 EUR.
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Gem. § 1587a Abs. 1 BGB ist der Ehegatte mit den höheren Anrechten
ausgleichspflichtig; dem ausgleichsberechtigten Ehegatten steht als Ausgleich die
Hälfte des Unterschiedes der Anwartschaften zu. Die Differenz der Anwartschaften der
Parteien beträgt (443,98 - 101,79 =) 342,10 EUR. Auszugleichen ist die Hälfte dieses
Betrages, also 171,05 EUR. Die beiderseitigen Anwartschaften aus der gesetzlichen
Rentenversicherung sind dabei gem. §§ 1587, 1587a Abs. 1, 1587b Abs. 1 BGB in der
Weise auszugleichen, dass zugunsten des ausgleichsberechtigten Ehegatten
monatliche Rentenanwartschaften in Höhe der Hälfte des Wertunterschiedes dieser
Anwartschaften (431,84 – 101,79 = 330,05), also in Höhe von 165,03 EUR übertragen
werden.
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Die verbleibende Differenz von 6,02 EUR ist durch Ausgleich der betrieblichen
Altersversorgungen durchzuführen. Dabei hat der Ausgleich der Anwartschaften bei der
Deutsche Post TV BZV gem. § 3b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG durch erweitertes Splitting, der
Ausgleich des Betrages bei der VAP im Wege des Quasi-Splittings gem. §§ 1 Abs. 3
VAHRG stattzufinden, weil es sich um eine öffentlich-rechtlichen Träger handelt, was
die Beschwerde übersieht. Dies geschieht im Wege einer quotierten Verteilung (vgl.
BGH FamRZ 1994, 90) sowohl zu Lasten der Versorgungsanwartschaften der
Antragstellerin bei der Deutsche Post TV BZV wie der VAP. Die Quotierung ist in der
Weise vorzunehmen, dass das jeweilige Anrecht, das nicht aus der gesetzlichen
Rentenversicherung oder der Beamtenversorgung herrührt, durch die Summe der
Anrechte, die nicht aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder der
Beamtenversorgung herrühren, geteilt wird, und die sich so ergebende Summe mit dem
- maximal - auszugleichenden Betrag multipliziert wird. Es ergeben sich demnach
folgende Werte:
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Deutsche Post TV BZV: 9,07 : 12,05 x 6,02 = 4,53 EUR
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VAP: 2,98 : 12,05 x 6,02 = 1,49 EUR.
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Der Monatsbetrag der zu begründenden Rentenanwartschaften ist in Entgeltpunkte
umzurechnen.
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Dieser Versorgungsausgleich ist jedoch gem. § 1587c Nr. 1 BGB teilweise
ausgeschlossen.
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§ 1587c Nr. 1 BGB setzt voraus, dass die Inanspruchnahme der Antragstellerin als
Verpflichtete unter Berücksichtigung der beiderseitigen Verhältnisse, insbesondere des
beiderseitigen Vermögenserwerbs während der Ehe oder im Zusammenhang mit der
Scheidung, grob unbillig wäre (BGH NJW-RR 1989, 134) und damit die
uneingeschränkte Durchführung des Versorgungsausgleichs dem Grundgedanken des
Versorgungsausgleichs in unerträglicher Weise widersprechen würde (vgl. BGH,
Beschl. v. 24.3.2004, XII ZB 27/99, FamRZ 2004, 862, 863; Palandt/Brudermüller, BGB,
64. Aufl. 2005, § 1587c Rn 6 m.w.N.). § 1587c BGB stellt damit eine spezielle
Ausformung des allgemeinen Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) dar,
wobei allerdings an das Merkmal der groben Unbilligkeit wesentlich strengere
Maßstäbe anzulegen sind. Bei dieser Regelung handelt es sich um einen
Ausnahmetatbestand, für den maßgebend jedoch stets die konkreten Umstände des
Einzelfalles sind.
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Vornehmlichstes Ziel des Versorgungsausgleichs ist es, ehebedingte
Versorgungsnachteile (keine Erwerbstätigkeit wegen Haushaltsführung und/oder
Erziehung gemeinsamer Kinder) auszugleichen. Derartige Nachteile hat der
Antragsgegner hier nicht erlitten. Auch genügt allein die Tatsache, dass in der
Doppelverdienerehe der Ausgleichsberechtigte im Gegensatz zum
Ausgleichsverpflichteten eine wesentlich geringere eigene Altersversorgung aufgebaut
hat, für sich allein nicht für einen Ausschluss (vgl. OLG Hamm FamRZ 1981, 574). Hier
kommen jedoch besondere Umstände hinzu.
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Die Antragstellerin war während der Ehe neben der Erziehung zweier Kinder und der
Haushaltsführung in erheblichem Umfang auch noch erwerbstätig. Aus dieser Tätigkeit
stammen die auszugleichenden Rentenanwartschaften. Sie hat während der Ehezeit
also eine dreifache Belastung getragen. Der Antragsgegner war von März 1992 bis
einschließlich Juli 2001 selbständig tätig, und daher in 2/3 der Ehezeit nicht
rentenversichert.
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Während dieser Zeit seiner Selbstständigkeit hat der Antragsgegner Beiträge zu einer
im Jahre 1992 auf 100.000 DM abgeschlossenen Lebensversicherung gezahlt, die als
Altersversorgung dienen sollte. Nach der Trennung der Parteien, jedoch vor Zustellung
des Scheidungsantrags hat der Antragsgegner diese Lebensversicherung gekündigt.
Den ausgezahlten Teil-Betrag von 13.799,49 EUR hat der Antragsgegner vor Zustellung
des Scheidungsantrags verbraucht, so dass die Antragstellerin hieran im Wege des
Zugewinnausgleichs nicht mehr partizipieren konnte. Insoweit macht der Antragsgegner
geltend, das Geld zum Ausgleich des ehelichen Kontos sowie für die Anschaffung von
Hausrat benötigt zu haben.
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Zwar ist es in der Regel so, dass durch die Trennung bedingte Mehrkosten anfallen. Ob
und in welcher Größenordnung dies hier der Fall war, ist nicht bekannt. Eben so wenig
wie die Höhe des auszugleichenden Minus auf dem ehelichen Konto. Hinsichtlich des
Hausrats ist jedoch festzuhalten, dass insoweit vornehmlich ein
Hausratsverteilungsverfahren durchzuführen ist, und im Übrigen der Antragsgegner zu
seiner Lebensgefährtin zog, also nicht komplett einen neuen Hausstand gründen
musste. Die Kündigung einer Lebensversicherung ist dabei immer mit erheblichem
Verlust verbunden, weil nur der Rückkaufswert ausbezahlt wird. Durch dieses Verhalten
wurde die Antragstellerin also doppelt belastet: zum einen wurde durch die Kündigung
der Wert der Versicherung erheblich verringert, zum anderen fiel der Auszahlungsbetrag
nicht mehr in den Zugewinnausgleich. Der Antragstellerin war ein ähnliches Verhalten
nicht möglich, weil sie auf ihre Rentenanwartschaften keinen Zugriff hat.
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Hinzu kommt, dass sich die beiden 1996 geborenen ehelichen Kinder bei der
Antragstellerin befinden. Sie wird daher auch noch weitere Jahre mit der dreifachen
Belastung leben müssen, oder aber sie wird keiner Vollzeittätigkeit nachgehen und
dadurch geringere Rentenanwartschaften aufbauen können als der Antragsgegner, der
seit August 2001 einer rentenversicherungspflichtigen Tätigkeit nachgeht.
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Angesichts dieser Umstände wäre es grob unbillig, wenn der Versorgungsausgleich voll
durchgeführt würde. Andererseits muss davon ausgegangen werden, dass ein Teil des
Einkommens des Antragsgegners auch einem höheren Lebensstandard während der
Ehe diente und die Antragstellerin daran partizipiert hat, weil der monatliche Beitrag zur
Lebensversicherung lediglich 224 DM betrug. Bei Abwägung aller Umstände erscheint
es daher sachgerecht, dass der Versorgungsausgleich nur zu einem Drittel
durchgeführt, also zu 2/3 ausgeschlossen wird. Dementsprechend waren die sich oben
ergebenden Werte entsprechend zu kürzen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 93a ZPO.
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Beschwerdewert: 1.000 EUR
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