Urteil des OLG Köln vom 21.10.1996

OLG Köln: einstweilige verfügung, vertretung, mehrarbeit, beschränkung, ausnahme, anspruchshäufung, bedürfnis, beteiligter, kauf, vergünstigung

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Oberlandesgericht Köln, 17 W 326/96
21.10.1996
Oberlandesgericht Köln
17. Zivilsenat
Beschluss
17 W 326/96
Landgericht Köln, 31 0 632/95
Die Beschwerden werden zurückgewiesen. Die Kosten des Erinnerungs-
und Beschwerdeverfahrens - einschließlich der Gerichtsgebühr des
Beschwerdeverfahrens - haben die Antragstellerin zu 3/10 und die
Antragsgegner zu je 7/20 zu tragen.
G r ü n d e
Die Erinnerungen gelten gemäß § 11 Abs. 2 RpflG aufgrund ihrer Vorlage an den Senat als
sofortige Beschwerden. Beide Rechtsmittel sind formell bedenkenfrei, in der Sache aber
nicht begründet.
Die Annahme der Antragstellerin, daß sich der Widerspruch der Antragsgegner vom 27.
0ktober 1995 lediglich gegen die Kostenentscheidung der im Beschlußwege ergangenen
einstweiligen Verfügung gerichtet habe, findet in den Prozeßakten keine Stütze. Nach
einhelliger Ansicht, die der Senat teilt, setzt der spezielle Rechtsbehelf des
Kostenwiderspruchs zu seiner Zulässigkeit ( so zum Beispiel 0LG Schleswig, SchlHA
1990, 8 ), jedenfalls aber zu seiner Wirksamkeit (als Grundlage für die erstrebte
Kostenentscheidung nach § 93 ZP0) voraus, daß der Antragsgegner die einstweilige
Verfügung unter Verzicht auf einen
weitergehenden Widerspruch und die Rechte aus den §§ 926, 927 ZP0 als endgültig
anerkennt. Das war hier nicht der Fall. Die Antragsgegner haben ihren Widerspruch gegen
die von der Antragstellerin unter dem 18. September 1995 erwirkte Beschlußverfü-
gung mit dem Antrag verbunden, die einstweilige Verfügung aufzuheben, und hierzu
ausgeführt, daß die einstweilige Verfügung im Hinblick auf ihre strafbewehrte
Unterlassungserklärung vom 13. 0ktober 1995 keinen Bestand haben könne. Danach kann
ernstlich nicht bezweifelt werden, daß die Antragsgegner der einstweiligen Verfügung in
vollem Umfang widersprochen haben. So hat es seinerzeit auch die Antragstellerin selbst
gesehen, hat sie doch die Unterlassungserklärung der Antragsgegner zum Anlaß
genommen, das Verfügungsverfahren in der Hauptsache für erledigt zu erklären. Für die
Höhe der dem Prozeßbevollmächtigten der Antragsgegner erwachsenen Prozeßgebühr ist
deshalb entgegen der Ansicht der Antragstellerin nicht der Wert der bis zur Einlegung des
Widerspruchs angefallenen Kosten, sondern der vom Prozeßgericht auf 240.000,-- DM
festgesetzte Wert des ursprünglichen Verfahrensgegenstandes maßgebend. Im übrigen
würde der Prozeßgebühr des Rechtsanwalts, der mit der Einlegung eines auf die
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Kostenentscheidung einer einstweiligen Verfügung beschränkten Widerspruchs beauftragt
ist, als Streitwert nicht lediglich der Kostenwert zugrundegelegt werden können. Vielmehr
erhält der Rechtsanwalt, der für seinen Auftraggeber Kostenwiderspruch erhebt, in den
durch § 13 Abs. 3 BRAG0 gezogenen Grenzen neben einer 10/10 Prozeßgebühr nach dem
Kostenstreitwert eine weitere 5/10 Prozeßgebühr nach dem Streitwert des
Verfügungsverfahrens. Die hierfür maßgebenden Erwägungen hat der Senat in seinem in
JurBüro 1992, 803 = 0LG Köln 1993, 15 = Rpfl. 1993, 173 veröffentlichten Beschluß vom
31. Juli 1992 - 17 W 152/92 - dargelegt. Darauf wird Bezug genommen.
Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat die Rechtspflegerin einen Anspruch der
Antragsgegner auf Erstattung des als Mehrvertretungszuschlags zu der Prozeßgebühr ihres
Prozeßbe-
vollmächtigten geltend gemachten Betrages von 877,50 DM verneint. Dem Prozeßanwalt
der Antragsgegner ist eine erhöhte Prozeßgebühr nicht erwachsen, weil der Gegenstand
seiner im voran-
gegangenen Verfahren der einstweiligen Verfügung für die An-
tragsgegner entfalteten anwaltlichen Tätigkeit nicht derselbe war.
Richtig ist, daß die gemeinsame Prozeßvertretung in einer Gesellschaft bürgerlichen
Rechts zusammengeschlossener Antragsteller, die einen ihnen in gesamthänderischer
Verbundenheit zustehenden Unterlassungsanspruch gerichtlich geltend machen, die
Prozeßgebührenerhöhung nach Maßgabe des § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAG0 auslöst (vgl.
Senat, Beschluß vom 10. Mai 1993 - 17 W 120/903 - 0LG Köln 1993, 187 = VersR 1993,
1034 = JurBüro 1994, 157). Das gilt indessen nach der in ständiger Rechtsprechung
vertretenen Auffassung des Senats (vgl. den in JurBüro 1993, 671 = MDR 1993, 1021
veröffentlichten Beschluß vom 24. Februar 1992 - 17 W 33/93 - ) nicht für den hier
gegebenen Fall einer gemeinsamen anwaltlichen Vertretung mehrerer Streitgenossen, die
sich gegen einen Anspruch auf Unterlassung wettbewerbswidriger Handlungen zur Wehr
setzen. Die Inanspruchnahme mehrerer Personen auf Unterlassung begründet für deren
gemeinsamen Prozeßbevollmächtigten auch dann verschiedene Gegenstände der
anwaltlichen Tätigkeit, wenn das Unterlassungsbegehren gleichermaßen gegen jeden der
Beklagten oder Antragsgegner gerichtet war und aus ein und derselben Rechtsverletzung
hergeleitet worden ist. Auch eine gemeinsame Verletzungshandlung führt nicht dazu, daß
jeder der Unterlassungsschuldner verpflichtet und in der Lage wäre, "die ganze Leistung"
an den Unterlassungsgläubiger zu bewirken, wie dies § 421 BGB voraussetzt. Die
Unterlassungsverpflichtung kann ihrer Natur nach jeder Unterlassungsschuldner nur für
sich selbst schulden und erfüllen. Derjenige, der sich an das Verbot hält und damit seiner
Unterlassungsverpflichtung nachkommt, befreit nicht auch die anderen
Unterlassungsschuldner von ihrer eigenen - inhaltsgleichen - Unterlassungspflicht, wie es
bei der Gesamtschuld der Fall wäre ( § 422 BGB). Demgemäß wird in der Rechtsprechung
bei Verfolgung von Unterlassungsansprüchen gegen Streitgenossen der Gegenstand der
anwaltlichen Tätigkeit auch dann nicht als der selbe im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 2
BRAG0 angesehen, wenn gegen die Streitgenossen Verbote gleichen Inhalts angestrebt
werden. Die inhaltliche Übereinstimmung der Rechtsverteidigung in ein und demselben
gerichtlichen Verfahren verbindet die anwaltliche Tätigkeit für die Beklagten oder
Antragsgegner zwar zu derselben Angelegenheit im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 BRAG0,
so daß der Anwalt die Gebühren nur einmal erhält; auf denselben Gegenstand im Sinne
von Satz 2 der genannten Bestimmung bezieht sich die anwaltliche Tätigkeit für mehrere
Unterlassungsbeklagte jedoch nicht. Bei mehreren Gegenständen der anwaltlichen
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Tätigkeit beschränkt sich die gebührenrechtliche Vergünstigung des Anwalts darauf, daß
die Werte der mehreren Gegenstände gegebenenfalls nach § 7 Abs. 2 BRAG0
zusammengerechnet werden. Aber auch dann, wenn - etwa wegen wirtschaftlicher Identität
des Gläubigerinteresses - keine Streitwertaddition stattfindet, muß es bei der insoweit
eindeutigen Regelung des § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAG0 verbleiben (vgl. Senat, JurBüro 1987,
1182 = Rpfl 1987, 263 = Anwaltblatt 1987, 242).
Anders als die Antragsgegner geltend machen, kann die analoge Anwendung der
genannten Vorschrift in Fällen der vorliegenden Art nicht mit der Erwägung gerechtfertigt
werden, das Gesetz gehe davon aus, daß die mit der Vertretung mehrerer Auftraggeber
meist verbundene Mehrarbeit des Anwalts entweder durch Streitwertaddition nach § 7 Abs.
2 BRAG0 bzw. nach § 5 ZP0 (in Verbindung mit § 8 Abs. 1, 9 Abs. 1 BRAG0, 12 Abs. 1
GKG) oder durch Anwendung des § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAG0 besonders abgegolten werden
müsse. Der Senat verkennt nicht, daß infolge der gesetzlichen Beschränkung des
Mehrvertretungszuschlages auf die Tätigkeit zu "demselben" Gegenstand Fallgestaltungen
möglich sind, in denen der Anwalt nur das Honorar wie bei Vertretung eines einzelnen
Mandanten erhält. Das rechtfertigt jedoch nicht
die Annahme, es handele sich um eine vom Gesetzgeber offensichtlich nicht bedachte
Lücke, die durch entsprechende Anwendung des § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAG0 zu schließen
sei. Das Additi-
onsprinzip der §§ 5 ZP0, 7 Abs. 2 BRAG0 erfährt ohnehin zahlreiche Ausnahmen, die sich
teils unmittelbar (wie etwa in den Fällen der §§ 5, 2. Halbsatz, 6 Satz 2 ZP0, 12 Abs. 3, 16
Abs. 3, 18, 19 Abs. 1 Satz 3, 19a Abs. 1 Satz 2 GKG), teils mittelbar (etwa beim auch hier
eingreifenden Additionsverbot für verschiedene Teilstreitgegenstände, denen ein
wirtschaftlich einheitliches Gläubigerinteresse zugrundeliegt) aus dem Gesetz ergeben und
dazu führen, daß die Streitwertaddition bei objektiver wie auch subjektiver
Anspruchshäufung eher Ausnahme als Regel des prozessualen Alltags ist. Diese
Additionsverbote schlagen gebührenrechtlich über § 9 BRAG0 auch für den Anwalt durch,
der mehrere Prozeßparteien zu jeweils verschiedenen Gegenständen vertritt, ohne daß
seine Tätigkeit - wie dies für eine gesonderte (höhere) Bewertung seiner Tätigkeit nach §
10 BRAG0 erforderlich wäre - über diejenige des Gerichts hinausgeht. Die Verwendung
des Gegenstandsbegriffs in § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAG0 bietet - wie der Senat in seinem
unveröffentlichten Beschluß vom 17. Februar 1992 - 17 W 339/91 - im einzelnen ausgeführt
hat - keinen Ansatz zu einer ergänzenden Auslegung. Sie entspricht der auf eine gewisse
Schematisierung hinauslaufenden Systematik des Kostenrechts. Diese hat nicht nur ganz
vereinzelt zur Folge, daß zwischen der gerichtlichen bzw. anwaltlichen Leistung einerseits
und den entsprechenden Gebühren andererseits kein völlig einleuchtender Gleichklang
besteht. Ein Bedürfnis, solche Lücken im anwaltlichen Gebühreninteresse durch
ausdehnende Deutung der Gebührentatbestände zu schließen, kann nicht anerkannt
werden. Der Gesetzgeber hat sie in Kauf genommen.
Zu Unrecht meinen die Antragsgegner, sich für ihre Ansicht, daß dem Anwalt, dem die
Streitwertkummulation des § 7 Abs. 2 BRAG0 - aus welchen Gründen auch immer - nicht
zugute komme, jedenfalls die Prozeßgebührenerhöhung zuzubilligen sei, auf den Be-
schluß des Bundesgerichtshofs vom 11. Juni 1981 - VI ZA 27/78 -NJW 1981, 2757 berufen
zu können. Dort hat der Bundesgerichtshof die Auffassung vertreten, daß der im Wege der
Prozeßkosten-
hilfe beigeordnete Rechtsanwalt der Gebührenerhöhung gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAG0
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auch dann teilhaftig werden müsse, wenn er die Vertretung mehrerer Auftraggeber zu
verschiedenen Gegenständen übernommen habe. Dabei hat sich der Bundesgerichtshof
indessen von der (Billigkeits-) Erwägung leiten lassen, daß dem beigeordneten
Rechtsanwalt eine gebührenrechtliche Streitwertkummulation über den Wert von - damals
20.000,-- DM, jetzt - 50.000,-- DM hinaus durch die Vorschrift des § 123 BRAG0 ohnehin
verschlossen ist. Daraus läßt sich folglich nichts für den Standpunkt der Antragsgegner
herleiten, daß die mit der Betreuung mehrerer Personen verbundene Mehrarbeit des
Wahlanwalts stets durch eine Erhöhung der Prozeßgebühr (sei es nach § 6 Abs. 1 Satz 2
BRAG0 oder mittelbar durch eine Streitwertaddition gemäß § 7 Abs. 2 BRAG0) zu
entschädigen sei. Wie der Mehrvertretungszuschlag einerseits nicht davon abhängt, ob
dem Rechtsanwalt tatsächlich Mehrarbeit erwächst, zu deren Ausgleich die Erhöhung der
Prozeßgebühr bestimmt ist, so muß es andererseits als Folge der "typisierenden und
generalisierenden Regelung" (BGH, NJW 1987, 2240) hingenommen werden, daß die mit
der Vertretung mehrerer Beteiligter zu verschiedenen Gegenständen etwa verbundene
Mehrarbeit auch nicht über einen höheren Streitwert ausgeglichen wird. Im übrigen kann im
Streitfall unbedenklich davon ausgegangen werden, daß der auf 240.000,-- DM
festgesetzte Streitwert das mit dem einstweiligen Verfügungsantrag verfolgte
Gesamtinteresse der Antragstellerin gegen beide Antragsgegner ausreichend abdeckt. Zu
einer Anhebung des Streitwertes, wie von den Antragsgegnern hilfsweise beantragt, sieht
der Senat jedenfalls keinen Anlaß.
Es muß mithin bei dem angefochtenen Beschluß verbleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZP0.
Streitwert des Erinnerungs- und Beschwerdeverfahrens: 3.137,50 DM.