Urteil des OLG Köln vom 13.05.2009

OLG Köln: internationale zuständigkeit, geschäftsführung ohne auftrag, goa, abmahnung, anwaltskosten, gebühr, verschulden, sicherheit, verfügung, eigentum

Oberlandesgericht Köln, 6 U 217/08
Datum:
13.05.2009
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 U 217/08
Vorinstanz:
Landgericht Aachen, 42 O 40/08
Tenor:
1.) Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 2. Kammer für Han-
delssachen des Landgerichts Aachen - 42 O 40/08 - vom 31.10.2008
teilweise abgeändert und die Beklagte über die Verurteilung durch das
Landgericht hinaus zur Zahlung von 800 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.6.2008 verurteilt.
2.) Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
B e g r ü n d u n g
1
I
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Wegen des Sachverhaltes wird gem. § 540 Abs.1 S.1 Ziff.1 ZPO auf den Tatbestand der
angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Mit der Berufung verfolgt die Klägerin -
gestützt auf Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag - §§ 677 ff. BGB – im
Folgenden GoA - den erstinstanzlich geltend gemachten Anspruch auf Ersatz der
Anwaltskosten für die Abmahnung weiter.
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Die Beklagte ist auch in zweiter Instanz anwaltlich nicht vertreten.
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II
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Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist die Erwachsenheitssumme von 600 € (§ 511
Abs. 2 Nr. 1 ZPO) mit der Forderung von 800 € überschritten. Das Rechtsmittel hat auch
in der Sache Erfolg. Die Beklagte ist über die erstinstanzliche Verurteilung hinaus auf
entsprechenden Antrag der Klägerin gemäß §§ 539 Abs. 2 und 3, 331 Abs. 2 ZPO durch
Versäumnisurteil zur Zahlung von 800 € nebst Zinsen zu verurteilen, weil auf der
Grundlage des Klägervortrags auch dieser in zulässiger Weise geltend gemachte
Klageantrag begründet und die Beklagte trotz am 17.3.2009 ordnungsgemäß erfolgter
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Ladung zum Verhandlungstermin am 24.4.2009 nicht erschienen ist.
1.) Das Verfahren richtet sich gegen eine niederländische Beklagte mit Sitz in den
Niederlanden, weswegen die internationale Zuständigkeit nach der EuGVVO zu
bestimmen ist. Ob neben den Gerichten der Niederlande als Mitgliedsland des
Wohnsitzes der Beklagten im Sinne der Art. 2 Abs. 1, 60 Abs.1 lit. a EuGVVO auch die
deutschen Gerichte international zuständig sind, ist ungeachtet der Regelung des § 513
Abs. 2 ZPO, wonach die Berufung nicht auf die Unzuständigkeit des erstinstanzlichen
Gerichts gestützt werden kann, auch im Berufungsverfahren von Amts wegen zu prüfen
(vgl. BGH NJW 2003, 426; Zöller-Heßler, ZPO, 27. Auflage, § 513 Rz 8 m.w.N.). Die
internationale Zuständigkeit ist indes aus Art. 5 Nr. 3 EuGVVO gegeben.
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a) Die internationale Zuständigkeit besteht allerdings nicht für Ansprüche aus §§ 683,
677, 670 BGB, auf die sich die Klägerin ausdrücklich beruft. Ansprüche aus GoA gegen
den Geschäftsherrn auf Erstattung von Aufwendungsersatz sind von den allein in
Betracht kommenden Nr. 1 und 3 des Art. 5 EuGVVO nicht erfasst: es handelt sich
weder um vertragliche, noch um deliktische Ansprüche.
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Im Schriftum wird die Anwendung des Art. 5 EuGVVO auf Ansprüche aus GoA teilweise
entschieden verneint (Geimer EuZVR, 2. Aufl., Art. 5 Rz 46; MünchKomm/Gottwald, 3.
Aufl., Art. 5 RZ 11; Raucher/Leible, Europäisches Zivilprozessrecht Art. 5 Rz 21).
Demgegenüber deutet Wieczorek/Schütze/Hausmann, ZPO, 3. Aufl., Anh. I Art. 40 Rz 8
unter Hinweis auf eine Urteilsrezension von Schlosser in IPrax 84, 66 an, die weite
Auslegung des Begriffes "Ansprüche aus einem Vertrag" durch den EuGH lege es nahe,
den Gerichtsstand auch für vertragsähnliche Ansprüche zur Verfügung zu stellen, wobei
"an GoA zu denken" sei. Dessen lediglich als Diskussionsbeitrag in den Raum
gestellten Überlegungen betreffen indes Ansprüche nicht gegen den Geschäftsherrn,
sondern gegen den Geschäftsführer ohne Auftrag und damit die Konstellation des
vorliegenden Falles von vornherein nicht. Beide Fundstellen beziehen sich zudem nicht
auf die EuGVVO, sondern die frühere, allerdings ähnliche Regelung in Art. 5 EuGVÜ.
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Ansprüche aus GoA sind nach Auffassung des Senats nicht als vertraglich oder
vertragsähnlich anzusehen, weil sie nur in Betracht kommen, wenn ein Auftrag gerade
nicht erteilt worden, mithin ein Vertrag oder auch eine vertragsähnliche Vereinbarung
nicht zustande gekommen ist.
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b) Demgegenüber ist die internationale Zuständigkeit für in Betracht kommende
deliktische Ansprüche aus Art. 5 Abs. 1 Nr. 3 EuGVVO ohne weiteres gegeben: die
Beklagte kann danach nicht nur in den Niederlanden, sondern auch in Deutschland
verklagt werden, weil ihr eine Eigentumsbeeinträchtigung im Sinne des § 1004 BGB
durch Befüllen des im Eigentum der Klägerin stehenden Tanks und damit eine
Handlung vorgeworfen wird, die im Sinne der Vorschrift einer unerlaubten Handlung
gleichgestellt (vgl. Geimer a.a.O., RZ 23) und in Deutschland erfolgt ist und aus der der
geltend gemachte Schaden in Form der Abmahnkosten entstanden ist.
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2.) Für die demnach allein in Rede stehenden deliktischen Ansprüche folgt die
Anwendbarkeit deutschen Rechts aus dem in Art. 40 EGBGB normierten Tatortprinzip.
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3.) a) Der Anspruch kann – insoweit trifft die Auffassung des Landgerichts zu - nicht auf
§ 12 Abs. 1 S. 2 UWG gestützt werden, weil das beanstandete Befüllen des Tanks der
Klägerin bei dem Kunden T. nicht als wettbewerbswidrig, insbesondere nicht als
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unlautere Behinderung im Sinne des § 4 Nr. 10 UWG zu qualifizieren ist (vgl. dazu BGH
NJW-RR 2006, 1378 f – "Flüssiggastank", Rz 12).
b) Der Anspruch folgt aber aus § 823 Abs.1 BGB. Das Befüllen fremder Gastanks, die
der Eigentümer seinen Kunden zur Verfügung gestellt hat, um ihn vertragsgemäß mit
Flüssiggas beliefern zu können, stellt nach gefestigter Rechtsprechung (BGH GRUR
2004, 263 – "Gasbelieferung"; GRUR 2006, 270) eine gem. § 1004 Abs. 1 BGB
unzulässige Eigentumsbeeinträchtigung dar. Die durch die Beauftragung von
Rechtsanwälten entstandene Kostenforderung bildet einen Schaden, der adäquat
kausal durch diese rechtswidrige Eigentumsbeeinträchtigung entstanden ist, weil die
Klägerin sich zur Durchsetzung ihres Anspruches auch vorprozessual anwaltlicher Hilfe
bedienen durfte. Der Klägerin steht daher bei Verschulden der Beklagten ein
Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs.1 BGB zu (vgl. Palandt-Bassenge, BGB, 67.
Aufl., § 1004, Rz 49). Dieses Verschulden ist ohne weiteres zu bejahen, weil der
Behälter, wie aus den Anlagen K 3 und K 4 zur Klageschrift ersichtlich ist, mit einem
Aufkleber versehen war, der u.a. den Text "Dieser Behälter steht im Eigentum der Q."
enthielt.
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c) Der Schadensersatzanspruch ist begründet, obwohl die Klägerin nicht vorgetragen
hat, die Kosten schon beglichen zu haben. Der Anspruch auf Ersatz der durch eine
Abmahnung verursachten Anwaltskosten mag gemäß dem Prinzip der
Naturalherstellung (§ 249 Abs. 1 BGB) vor Bezahlung der Kosten durch die Partei
zunächst auf Befreiung (Freistellung) von der (Honorar-) Verbindlichkeit gerichtet sein
(LG Karlsruhe, NJW 2006, 1526; Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Aufl., § 250, Rn. 2;
offengelassen für § 12 Abs. 2 S. 2 UWG von OLG München, OLGR 2007, 66 f). Damit
der Befreiungsanspruch in einen Zahlungsanspruch übergeht, genügt es aber, wenn die
Inanspruchnahme des Befreiungsgläubigers (der Partei) durch den Dritten (den
Rechtsanwalt) mit Sicherheit zu erwarten ist (RGZ 78, 26, 34; Staudinger/Bittner, a.a.O.,
Rn. 8; MünchKomm/Krüger, BGB, 5. Aufl., § 257, Rn. 5). Auch kann der
Befreiungsgläubiger sogleich und nicht erst im Vollstreckungsverfahren über § 887 Abs.
2 ZPO die Zahlung des erforderlichen Geldbetrages an sich verlangen, wenn er dem
Ersatzpflichtigen erfolglos eine Frist zur Freistellung nach § 250 BGB gesetzt hat
(Palandt/Heinrichs, a.a.O., Vorb. v. § 249, Rn. 46; Bamberger/Roth/Grüneberg, BGB,
2003, § 249, Rn. 5; MünchKomm/Oetker, § 250, Rn. 3, 13). Dem steht es gleich, wenn
der Ersatzpflichtige die geforderte Herstellung oder überhaupt jeden Schadensersatz
ernsthaft und endgültig verweigert (st. Rspr.: BGH NJW 2004, 1868 f. m.w.N.). Danach
schuldet die Beklagte die Zahlung der Abmahnkosten: Die Inanspruchnahme der
Klägerin durch ihre Anwälte ist mit Sicherheit zu erwarten, zudem zeigt das Verhalten
der Beklagten, die auf die Abmahnung in ihrem Schreiben vom 07.11.2007 allein eine
Bereitschaft hat erkennen lassen, der Klägerin die durch die Tankfüllung entstandene
Gewinneinbuße zu ersetzen, dass sie den Kostenerstattungsanspruch der Klägerin
nicht erfüllen will.
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Allerdings hat die Klägerin sich nicht auf Schadensersatzansprüche, sondern
ausdrücklich nur auf Ansprüche aus GoA gestützt. Gleichwohl ist die Berufung
begründet, ohne dass die Klägerin eine Klageänderung vornehmen müsste. Denn es
handelt sich bei dem Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB gegenüber dem
Aufwendungsersatzanspruch aus GoA nicht um einen anderen Streitgegenstand, wenn
auch anstelle der Aufwendungen der Ersatz eines Schadens verlangt wird: Die Klägerin
verlangt die Erstattung der Anwaltskosten, die durch die Abmahnung der Beklagten
wegen der eigentumsbeeinträchtigenden Befüllung des Tanks entstanden sind. Nach
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welchen rechtlichen Vorschriften dieser Lebenssachverhalt zu beurteilen ist, hat das
Gericht selbst zu befinden.
4.) Der Anspruch ist auch der Höhe nach begründet. Der Klägerin steht ungeachtet der
von ihr vorgenommenen teilweisen Anrechnung der gerichtlichen Verfahrensgebühr
gem. Nr. 2300 des Kostenverzeichnisses zu § 3 Abs. 2 GKG ein Anspruch in Höhe einer
1,3 Gebühr aus einem Gegenstandswert von 75.000 € zu.
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a) Zu Recht hat die Klägerin ihrer Forderung einen Gegenstandswert von 75.000 €
zugrunde gelegt. Der Gegenstandswert für die Abmahnung entspricht dem Streitwert
des erstinstanzlichen Verfahrens und ist von dem Landgericht mit 20.000 € zu niedrig
angesetzt worden. Auch wenn speziell wettbewerbsrechtliche Anspruchsgrundlagen
nicht begründet sind, handelt es sich doch um eine Auseinandersetzung zwischen
Wettbewerbern. Die Klägerin, deren Interesse für die Bemessung des
Gegenstandswertes maßgeblich ist (§§ 48 Abs.1 GKG, 3 ZPO), hat das Ziel verfolgt, die
Beklagte daran zu hindern, zukünftig bei anderen Kunden die Tanks zu befüllen. Hieran
hatte sie ein existenzielles Interesse, weil sie auf die Erfüllung der Verträge mit den
Kunden angewiesen ist. Es besteht danach kein Grund, die Wertangabe der Klägerin in
der Abmahnung und der Klageschrift mit 75.000 €, die zu einem Zeitpunkt gemacht
worden sind, als der Ausgang des Verfahrens noch offen war, als zu hoch anzusehen.
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b) Zu Recht legt die Klägerin ihrer Klageforderung das Entstehen einer 1,3 Gebühr
zugrunde. Der einschlägige Gebührenrahmen der Nr. 2300 des Kostenverzeichnisses
zu § 3 Abs. 2 GKG erfasst die Spanne von 0,5 bis 2,5 Gebühren. Der Ansatz einer 1,3
Gebühr ist im Streitfall angemessen, weil die Sache auch angesichts der mit dem
Auslandsbezug entstehenden Fragen nicht ganz einfach gelagert war.
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Der Anspruch der Klägerin beläuft sich daher entsprechend der von ihr vorgenommenen
Berechnung einschließlich der Auslagenpauschale von 20 € auf 1.580,00 €. Der mit
Rücksicht auf eine von der Klägerin vorgenommene teilweise Verrechnung mit der
gerichtlichen Verfahrensgebühr in Höhe von nur 800 € geltend gemachte Anspruch ist
damit in vollem Umfang begründet.
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Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1 S. 2, 288 BGB. Der Klägerin stehen danach
Rechtshängigkeitszinsen zu, die Rechtshängigkeit ist mit Zustellung der Klageschrift (§§
253 Abs.1, 261 Abs. 1 ZPO) eingetreten, die am 26.6.2008 erfolgt ist.
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III
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1 ZPO.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 2 ZPO.
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Streitwert für das Berufungsverfahren: 800 €.
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