Urteil des OLG Köln vom 07.04.2000
OLG Köln: grundsatz der unmittelbarkeit, eigentümer, beschwerdekammer, erwerb, glaubwürdigkeit, wiederherstellung, sondernutzung, aufteilungsplan, kaufvertrag, gestaltung
Oberlandesgericht Köln, 16 Wx 32/00
Datum:
07.04.2000
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
16. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 Wx 32/00
Vorinstanz:
Landgericht Aachen, 2 T 254/98 WEG
Tenor:
Auf die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners wird der
Beschluß der 2. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 20.1.2000 -
2 T 254/98 WEG - aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung
und Entscheidung - auch über die Kosten des
Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Landgericht Aachen
zurückverwiesen. Geschäftswert für das Verfahren der
Rechtsbeschwerde: 6.000,- DM
Gründe
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I.
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Die Antragsteller als Eigentümer der Wohnung 1 der betroffenen
Wohnungseigentumsanlage begehren von dem Antragsgegner als Eigentümer der
Wohnung 4 die Wiederherstellung eines in der Wohneinheit 4 und im Dachgeschoß
befindlichen 4-zügigen Kamins, den der Antragsgegner im Zuge des Ausbaus der
Wohnung 4 einschließlich des Einbaus einer Dachterrasse im September 1997 hat
beseitigen lassen. Die Antragsteller berufen sich auf eine unzulässige bauliche
Veränderung, für die die Zustimmung aller Eigentümer fehle. Eine "erste"
Eigentümerversammlung bereits vor der Versammlung vom 13.9.1997 habe nicht
stattgefunden. Der Antragsgegner macht dagegen geltend, die Entfernung des Kamins
sei baulich notwendig bedingt durch den Dachterrassenausbau, dem die
Antragsgegner bereits bei Ankauf ihrer Eigentumswohnung mit Vertrag vom 22.7.1996
zugestimmt hätten, verbunden mit dem Einverständnis mit damit in Zusammenhang
stehenden baulichen Veränderungen. Außerdem sei die Entfernung des Kamins in
einer Eigentümerversammlung vom 10.5.1996, mithin vor Erwerb der Antragsteller,
einstimmig beschlossen worden.
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Das Amtsgericht hat nach Anhörung von Zeugen den Antrag abgewiesen. Auf die
sofortige Beschwerde der Antragsteller hat das Landgericht den Antragsgegner
entsprechend dem erstinstanzlichem Begehren zur Wiederherstellung des Kamins
verurteilt, ohne eine Beweisaufnahme durchgeführt zu haben. Dagegen richtet sich die
weitere Beschwerde.
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II.
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Das gem. §§ 45, 43 I Nr. 1 WEG, §§ 22, 29 FGG zulässige Rechtsmittel hat in der
Sache insoweit Erfolg, als unter Aufhebung der landgerichtlichen Entscheidung die
Sache zurückzuverweisen ist. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts leidet an
verfahrensrechtlichen Mängeln, §§ 12, 15 FGG, 355 Abs. 1, 398 ZPO. Die
Beschwerdekammer hat den Sachverhalt nicht genügend aufgeklärt und dürfte die
Frage der Glaubwürdigkeit der in erster Instanz vernommenen Zeugen nicht ohne
deren wiederholte Vernehmung anders beurteilen als das Amtsgericht.
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Mit Recht ist das Landgericht von einem Anspruch gem. § 1004 Abs. 1 BGB in
Verbindung mit § 22 Abs.1 WEG auf Wiederaufbau des Kaminzugs ausgegangen. Die
Entfernung des Kaminzuges für die Schornsteine 11 - 14 von der Oberkante Fußboden
des Dachgeschosses bis zum Kaminkopf und der damit verbundene Abriß der
Schornsteine 11 - 14 stellt ohne Zweifel eine auf Dauer angelegte, gegenständliche
Veränderung des Gemeinschaftseigentums, mithin eine bauliche Veränderung iSd. §
22 Abs. 1 WEG dar ( vgl. beipielsweise Bärmann/Pick/Merle, WEG, 8.Aufl., § 22 Rz. 6
und Rz. 82 je m.w.N.; OLG Celle, WuM 95, 338,339; BayObLG, DWE 86,22 ).
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Durch diese bauliche Veränderung werden die übrigen Eigentümer der Wohnanlage in
ihren Rechten über das in § 14 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt. Die
ursprünglich vorhandenen 4 Kaminzüge ließen für die Wohnungseigentümer
verschiedene Nutzungsmöglichkeiten offen, und zwar entweder unmittelbar zum
Rauchabzug ( als Schornstein ) oder auf andere Weise ( beipielsweise zur Verlegung
von Versorgungsleitungen zugunsten aller Eigentümer ). Zwar müßte über eine
endgültige Art der Nutzung dieser Schächte durch die
Wohnungseigentümergemeinschaft insgesamt, und zwar regelmäßig einstimmig
entschieden werden, da sich jede Veränderung an den vorhandenen Kaminzügen als
bauliche Veränderung darstellt, mithin auch der von den Antragstellern geplante
Anschluß eines offenen Kamins der Zustimmung aller Wohnungseigentümer bedürfte (
vgl. OLG Frankfurt OLGZ 86, 43, 44 ) - ihnen deshalb auch nicht ohne weiteres ein
Anspruch auf Anschluß eines offenen Kamins zusteht -. Gleichwohl stünde der
Wohnungseigentümergemeinschaft als Ganzem nach wie vor die Möglichkeit einer
ihren Interessen entsprechende Nutzung der Kaminzüge offen, hätte der
Antragsgegner diese nicht eigenmächtig zugemauert und die Schornsteine entfernt.
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Etwas anderes würde allenfalls dann gelten, wenn bereits der der Teilungserklärung
zugrundeliegende Aufteilungsplan der Stadt A. vom 15.11.1995 eine bestimmte, genau
festgelegte Nutzung der Kaminzüge vorsehen würde, z.B. durch Zuordnung als
Sondernutzung zu einer der vier Wohnungen oder als Versorgungsschacht. Dafür
fehlen nach dem bisherigen Sachvortrag jegliche Anhaltspunkte. Indes sind auch
keine Feststellungen hierzu von den Vorinstanzen getroffen worden. Insbesondere ist
der Aufteilungsplan, der mit der Teilungserklärung vom 27.11.1995 verbunden ist,
bisher nicht eingesehen worden. Dies hätte allerdings der in § 12 FGG verankerte
Grundsatz der Amtsermittlung erfordert. Entgegen der Meinung der Vorinstanzen ist
nämlich für die Frage, welche Nutzung für die Schornsteine 11 - 14 rechtlich zulässig
ist und wem Nutzungsrechte zustehen, auf die Bestimmungen der Teilungserklärung
und im einzelnen auf den Inhalt des zugrunde liegenden Aufteilungsplanes
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abzustellen und nicht auf die Vereinbarungen des Kaufvertrages vom 22.7.1996 und
den dort beigezogenen Plänen. Letzterer regelt nur die kaufvertraglichen Beziehungen
zwischen den Beteiligten zu 1) und 2), indes nicht deren Rechte und Pflichten
innerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft, um die es hier im Rahmen des
Wohnungseigentumsverfahrens geht ( vgl. auch § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG ).
Ob die inzwischen zugunsten des Antragsgegners für die beiden Kaminzüge 11 und
12 eingeräumte Sondernutzung verbunden mit einer Änderung der Teilungserklärung,
die dieser für sich und in Vollmacht für die weiteren Eigentümer am 11.12.1997 erklärt
hat ( B. 157 ff ), wirksam ist und zu seinen Gunsten das Recht begründet, die
Schornsteine 11 und 12 zu entfernen, beurteilt sich danach, ob sich die Erklärungen
vom 11.12.1997 im Rahmen der Vollmachtserteilungen halten und - damit
zusammenhängend-, ob der Ausbau der Wohnung Nr.4, wie er mit den anderen
Eigentümern anläßlich des Verkaufs der übrigen Wohnungen vereinbart worden ist,
tatsächlich diese Nutzung der Kaminzüge 11 und 12 erfordert. Dies erscheint in
Hinblick auf die dem Kaufvertrag mit den Antragstellern v. 22.7.1996 beigefügten
Plänen zur Gestaltung des Ausbaus der Wohnung Nr. 4 ( Bl. 40, 41 ) sehr fraglich, da
diese Pläne die Kaminöffnung in der ursprünglichen Größe sowohl für das
Dachgeschoß wie für das Dach vorsehen. Auch diese Frage läßt sich indes nicht
abschließend ohne Bezugnahme auf den Inhalt der der Teilungserklärung vom
27.11.1995 zugrunde liegenden Pläne beantworten. Selbst bei Wirksamkeit einer
Änderung der Teilungserklärung erstreckte sich ein etwaiges Sondernutzungsrecht,
dessen Umfang i.e. zu klären wäre, lediglich auf 2 Kaminzüge, nicht auf alle 4
entfernten.
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In Zusammenhang mit diesen Erwägungen steht weiter die Frage, ob das Begehren
der Antragsteller rechtsmißbräulich sein kann, weil sie aufgrund der Teilungserklärung
sowie ihrer vertraglichen Verpflichtungen verpflichtet sein könnten, einer Änderung der
ursprünglichen Teilungserklärung im Sinne des Antragsgegeners zuzustimmen.
Wenngleich hierfür derzeit keine ausreichenden Anhaltspunkte vorliegen, läßt sich
dies ebenfalls erst nach vollständiger Aufklärung des Zustandes entscheiden, der zur
Zeit der Teilung des Wohneigentums bestand.
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Nach dem jetzigen Verfahrensstand - vorbehaltlich des Ergebnisses einer
vollständigen Aufklärung des Sachverhalts - hat der Antragsgegner mit der
Veränderung der Schornsteine eine bauliche Veränderung vorgenommen, die für die
übrigen Eigentümer nachteilig nach §§ 22 Abs. 1 S. 1 und 2 iVm. 14 WEG ist, so dass
diese nur wirksam ist, wenn sie mit Zustimmung aller Eigentümer erfolgt ist. Dies wäre
nur dann der Fall, wenn bei der behaupteten Eigentümerversammlung v. 10.5.1996,
d.h. vor dem Erwerb des Wohneigentums durch die Beteiligten zu 1) und 4),
einstimmig diese Maßnahme des Beteiligten zu 2) gebilligt worden wäre. Eine spätere
Zustimmung ist nicht erfolgt.
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Das Amtsgericht hat zu der Frage, ob eine solche Eigentümerversammlung
stattgefunden hat, im Wege dese "Strengbeweises" eine förmliche Beweisaufnahme
durchgeführt. Will die Beschwerdekammer das Ergebnis dieser Beweisaufnahme aus
Grunden der Glaubwürdigkeit einer Zeugin abweichend beurteilen, so gilt auch im
Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit der Grundsatz der Unmittelbarkeit der
Beweisaufnahme, § 355 Abs.1 ZPO. Das Landgericht hat - mit guten Gründen -
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dargelegt, warum durchgreifende Zweifel dagegen sprechen, dass bereits am
10.5.1996 eine Eigentümerversammlung stattgefunden hat, und der Zeugin Frantzen,
die die Durchführung dieser Eigentümerversammlung bestätigt hat, letzlich nicht
geglaubt. Nach den Grundsätzen der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme hätte die
Beschwerdekammer allerdings die vom Amtsgericht vernommenen Zeugen, insbes.
die Zeugin Frantzen, erneut vor der Kammer hören müssen, um sich auch unter dem
persönlichen Eindruck eines jeden Zeugen ein eigenes Urteil zur Frage bilden zu
können, ob die bestrittene Eigentümerversammlung tatsächlich stattgefunden hat, §
398 ZPO ( zum FGG-Verfahren : OLG Zweibrücken, OLGZ 89, 295;
Keidel/Kuntze/Kahl, FGG, 14.Aufl., § 23 Rz. 8 ; zur ZPO in ständ. Rspr. BGH, NJR-RR
89,380; NJW 88,484; 82,1052 ).
Somit kann die Beweiswürdigung des Beschwerdegerichts keinen Bestand haben und
ist unter Beachtung der in § 355 Abs. 1 ZPO niedergelegten Grundsätze erneut
durchzuführen, wobei zugleich die oben erwähnte Sachaufklärung zum Zustand der
Wohnanlage im Zeitpunkt der Teilung sowie zum Inhalt der der Teilungserklärung
beigefügten Pläne erfolgen kann.
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Das Landgericht wird darüberhinaus über die Kosten des
Rechtsbeschwerdeverfahrens zu entscheiden haben, § 47 FGG.
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Die Entscheidung über den Geschäftswert folgt aus § 48 Abs. 3 WEG und steht in
Einklang mit der nicht beanstandeten Festsetzung in den vorangegangenen Instanzen.
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