Urteil des OLG Köln vom 03.01.2003
OLG Köln: arzneimittel, lebensmittel, schutz der gesundheit, produkt, einstweilige verfügung, verbraucher, dosierung, erzeugnis, versorgung, datenbank
Oberlandesgericht Köln, 6 U 140/02
Datum:
03.01.2003
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 U 140/02
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 81 O 65/02
Tenor:
1.
Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 05.07.2002
verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts
Köln - 81 O 65/02 - wird zurückgewiesen.
2.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.
3.
Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
1
Die in formeller Hinsicht einwandfreie und auch den sonstigen Voraussetzungen nach
zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
2
Zu Recht hat das Landgericht in dem angefochtenen Urteil die zuvor im Beschlussweg
erlassene einstweilige Verfügung bestätigt, mit welcher es der Antragsgegnerin
untersagt wurde, das Produkt G. in den Wirkstärken 250 mg und 500 mg in den Verkehr
zu bringen und/oder zu bewerben, solange für diese Präparate keine Zulassung des
BfArM gemäß §§ 21 ff AMG vorliegt. Die Antragstellerin hat die tatsächlichen
Voraussetzungen eines solchen Unterlassungsanspruchs, dessen Dringlichkeit gemäß
§ 25 UWG zu vermuten ist, in einer für den Erlass und die Aufrechterhaltung der
begehrten einstweiligen Verfügung ausreichenden Weise glaubhaft gemacht. Ihr steht
ein solcher Anspruch danach aus § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt des Normbruchs,
konkret wegen der Verletzung der arzneimittelrechtlichen Zulassungsbestimmungen der
§§ 21 ff AMG, gegen die Antragsgegnerin zu. Denn das von dieser in den beiden
genannten Wirkstärken vertriebene Präparat "G." ist als Arzneimittel einzuordnen,
welches ohne eine durch die zuständige Behörde nach Maßgabe der §§ 21 ff AMG
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erteilte Zulassung oder eine diese Zulassung ersetzende Anzeige im Inland nicht in den
Verkehr gebracht werden darf. Der Verstoß gegen diese außerwettbewerbsrechtlichen
Bestimmungen des AMG, bei denen es um sog. wertbezogene, dem Schutz der
Gesundheit der Bevölkerung und damit eines hochrangigen Gemeinschaftsguts
dienende Normen handelt, begründet zugleich den Vorwurf eines nach den Maßstäben
des § 1 UWG als wettbewerblich unlauter zu qualifizierenden und damit zu
unterlassenden Verhaltens.
Im Einzelnen:
4
1.
5
Die nach den vorstehenden Ausführungen entscheidungsrelevante und im Fokus der
Auseinandersetzung der Parteien stehende Frage, ob das von der Antragsgegnerin im
Inland in den Verkehr gebrachte Erzeugnis der Zulassungspflicht nach Maßgabe der §§
21 ff AMG unterliegt, hängt davon ab, ob es als ein dem Anwendungsbereich des AMG
einschließlich der dort formulierten Zulassungspflicht unterfallendes Arzneimittel
einzuordnen ist.
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Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG sind Arzneimittel u.a. Stoffe, die nach ihrer Art und
allgemeinen Bestimmung ausschließlich oder überwiegend dazu dienen, durch
Anwendung am oder im Körper Leiden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu
lindern oder zu verhüten. Der Arzneimittelbegriff wird durch § 2 Abs. 3 AMG dahin
eingeschränkt, dass Lebensmittel i.S. von § 1 Abs. 1 LMBG, zu denen auch
Nahrungsergänzungsmittel und Diätetika zählen, keine Arzneimittel sind. Dasselbe
Erzeugnis kann daher nicht gleichzeitig Lebensmittel und Arzneimittel sein. Nach der in
§ 1 Abs. 1 LMBG enthaltenen allgemeinen Begriffsbestimmung sind Lebensmittel Stoffe,
die ihrer Zweckbestimmung nach aus Gründen der Ernährung und/oder des Genusses
verzehrt werden. Eine - als solche gesetzlich nicht definierte - Form der Lebensmittel
stellen die sog. Nahrungsergänzungsmittel dar, die wegen ihres Nährwerts verzehrt
werden, um die tägliche, gewöhnliche Nahrung gesunder Personen zu ergänzen, deren
Zufuhr an einem oder mehreren Nährstoffen aus dieser gewöhnlichen Nahrung
möglicherweise marginal, zweifelhaft oder (vorübergehend) unzureichend ist
("suboptimale Versorgung"); das angestrebte Ziel ist eine ausreichende Versorgung des
Körpers mit diesen Nährstoffen. Entscheidend für die Einordnung eines Produkts als
Arznei- oder Lebensmittel ist seine an objektive Merkmale anknüpfende überwiegende
Zweckbestimmung, wie sie sich für einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen
und verständigen Durchschnittsverbraucher darstellt (vgl. BGH MD 2002, 975/979 -
"Muskelaufbaupräparate"-; ders. WRP 2000, 510/512 = GRUR 2000, 528 - "L-Carnitin"- ;
ders. GRUR 1995, 419/420 = WRP 1995, 386 -"Knoblauchkapseln"- ). Die
Verkehrsauffassung knüpft regelmäßig an eine schon bestehende Auffassung über den
Zweck vergleichbarer Mittel und ihre Anwendung an, die wiederum davon abhängt,
welche Verwendungsmöglichkeiten solche Mittel ihrer Art nach haben. Die Vorstellung
der Verbraucher von der Zweckbestimmung des Produkts kann weiter durch die
Auffassung der pharmazeutischen und medizinischen Wissenschaft beeinflusst sein,
ebenso durch die dem Mittel beigefügten oder in Werbeprospekten enthaltenen
Indikationshinweise und Gebrauchsanweisungen sowie die Aufmachung, in der das
Mittel dem Verbraucher allgemein entgegentritt. Ein verständiger
Durchschnittsverbraucher wird im Allgemeinen nicht annehmen, dass ein als
Nahrungsergänzungsmittel angebotenes Präparat tatsächlich ein Arzneimittel sei, wenn
es in der empfohlenen Dosierung keine pharmakologischen Wirkungen hat (BGH a.a.O.
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- "Muskelaufbaupräparate"-). Die anhand der dargestellten Kriterien vorzunehmende
Bestimmung, ob es sich bei einem Produkt um ein Arzneimittel oder um ein
Lebensmittel handelt, orientiert sich dabei an einem Regel-Ausnahmeverhältnis: Stoffe,
die zum menschlichen Verzehr bestimmt sind, sind grundsätzlich als Lebensmittel
anzusehen; lässt sich nicht feststellen, welcher Verwendungszweck überwiegt, wird das
Erzeugnis regelmäßig als Lebensmittel eingeordnet. Um ein Arzneimittel handelt es sich
nur und erst dann, wenn positiv festzustellen ist, dass es überwiegend zu anderen als
Ernährungs- und Genusszwecken - hier konkret zu arzneilichen - Zwecken
eingenommen wird (vgl. Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Band I, § 2 AMG Rdn. 30;
Meyer, Lebensmittelrecht,S. 9 - jeweils m. w. N.).
Das in den jeweiligen Wirkstärken 250 mg und 500 mg von der Antragsgegnerin
angebotene Präparat "G." ist danach als Arzneimittel einzustufen.
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a)
9
Das erwähnte G.-Produkt der Antragsgegnerin trifft auf ein Vorstellungsbild des
Verbrauchers, welches durch die Marktpräsenz des bereits seit 1969 im Inland als
(immer noch) fiktiv zugelassenes Arzneimittel vertriebenen, den in Frage stehenden
Stoff G. als arzneilichen Wirkstoff ausweisenden Produkts der Antragstellerin D. 200-S
geprägt ist. Von 1969 bis Ende 1994 war D. 200-S unstreitig als
verschreibungspflichtiges Arzneimittel im Verkehr. Ab 1995 wurde D. S-200 bzw.
dessen unstreitig mit G. identischer Wirkstoff D-G. aufgrund der zu § 48 Abs. 2 Nr. 1
AMG erlassenen 33. VO zur Änderung der Verordnung über verschreibungspflichtige
Arzneimittel bei oraler Anwendung zwar von der Verschreibungspflicht ausgenommen
(vgl. Anlage BE 3). Diese "Rückstufung" lässt jedoch die Arzneimitteleigenschaft im
übrigen unberührt; D. 200-S der Antragstellerin wurde und wird vielmehr seit 1995 in der
zur oralen Anwendung vorgesehenen Ausstattung als apothekenpflichtiges Arzneimittel
im Inland in den Verkehr gebracht. Es handelt sich dabei unstreitig um das äußerst
umsatzstarke einzige Arzneimittel mit dem Wirkstoff G..
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Der durch die aufgezeigte über dreissigjährige Marktpräsenz des den Stoff G. als
arzneilichen Wirkstoff ausweisenden Produkts D. 200-S der Antragstellerin und dessen
eindeutige Aufmachung als Arzneimittel eingetretenen Prägung des Vorstellungsbildes
der Verbraucher steht auch nicht der Umstand entgegen, dass D. S-200 in Österreich in
das "Warenverzeichnis III für Gesundheitsprodukte, Ernährungssortiment" eingetragen
war, was unstreitig besagt, dass das Produkt in Österreich als Lebensmittel in den
Verkehr gebracht worden ist und werden durfte. Im gegebenen Zusammenhang bedarf
es dabei nicht der Entscheidung, ob der Umstand, dass ein im Inland als Arzneimittel
auf dem Markt präsentes Produkt im Ausland als Lebens- bzw.
Nahrungsergänzungsmittel angeboten und "frei" erhältlich ist, der Vorstellung des
(inländischen) Verkehrs entgegenzuwirken vermag, es handele sich um ein
überwiegend arzneilichen Zwecken dienendes Produkt. Denn die Antragstellerin hat
jedenfalls durch Vorlage der Korrespondenz mit der das vorgenannte Warenverzeichnis
III herausgebenden Österreichischen Apotheker-Verlagsgesellschaft m. b. H. (vgl.
Anlagen BE 11 ff) sowie den die Aufnahme von D. S-200 in das Warenverzeichnis III
bewirkenden M.. pharm. Dr. P. G. und M.. pharm. F. G. (Stadapotheke J.) glaubhaft
gemacht, dass die Registrierung von D. S-200 als Nahrungsmittel in Österreich ohne ihr
Wissen und Wollen erfolgte und zwischenzeitlich auch rückgängig gemacht ist (vgl.
Anlagen BE 15 und BE 16). Danach wird D. S-200 ausschließlich als Arzneimittel in
den Verkehr gebracht, entsprechend geprägt ist die dessen Wirkstoff G. betreffende
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Vorstellung der Verbraucher, auf welche die streitbefangene, von der Antragsgegnerin
vertriebenen G.-Produkte treffen.
Soweit die Antragsgegnerin demgegenüber darauf verweist, dass der Stoff G. in einem
Teil des europäischen Auslands und in den USA nicht als Arzneimittel, sondern als
Nahrungsergänzungsmittel/Lebensmittel angeboten und erhältlich sei, ist das nicht
geeignet, der auf das Inland bezogenen Vorstellung entgegenzuwirken, dass es sich
hierbei um einen arzneilichen Wirkstoff handelt. Dem Verkehr ist bekannt, dass die
Regelungen betreffend die Einordnung und Verkehrsfähigkeit eines Präparats als
Arzneimittel - auch in Europa und dort in den Mitgliedstaaten der EU - (noch) nicht
harmonisiert, sondern uneinheitlich sind, und dass daher international jeweils
unterschiedliche Einordnungen betreffend die Arzneimittel- oder
Lebensmitteleigenschaft ein und desselben Produkts existieren können. Vor diesem
Hintergrund spricht selbst das Wissen, dass ein Stoff im Ausland als Lebens- bzw.
Nahrungsergänzungsmittel "frei" erhältlich ist, nicht gegen die durch eine abweichende
Praxis im Inland geprägte Vorstellung, dass diesem Stoff arzneiliche Wirkungen
zukommen bzw. dass ein Präparat, welches diesen Stoff enthält, ("an sich") als
Arzneimittel einzuordnen ist. Die unterschiedliche Handhabung bzw. international
verschiedene Einordnung des Charakters ein und desselben Produkts als Arznei- oder
Lebensmittel spricht danach allenfalls dafür, dass die Anforderungen an die
Arzneimitteleigenschaft - je nach dem betroffenen Land - enger oder weiter gesehen
werden können als im Inland. Über die tatsächliche Wirksamkeit bzw. objektive
Zweckbestimmung dieses Produkts lässt dies indessen keine Aussage zu. Dies
dokumentiert augenfällig die Internetpräsentation der Fa. G. P. - der in Österreich
ansässigen Herstellerin der von der Antragsgegnerin vertriebenen streitbefangenen G.
gemäß Anlage BE 21, die im wesentlichen dem im Termin zur mündlichen Verhandlung
vor dem Senat durch die Antragstellerin überreichten Internetausdruck entspricht. Auch
wenn dort G. als Nahrungsergänzungsmittel ("G. - Die ideale Nahrungsergänzung für
gesunde Gelenke, Bänder, Sehnen, Bindegewebe, Haut und Arterienwände") zum
Versand angeboten wird, werden im übrigen nach dem durch die inländischen
Verhältnisse geprägten Verbraucherverständnis gleichwohl eindeutig arzneiliche
Wirkungen ausgelobt: Es werden nicht nur "...Intensive Forschungen..." angesprochen,
die "... klar gezeigt..." hätten, "...dass G. eine signifikante und bedeutende Rolle in der
Zellphysiologie einnimmt", sondern für "... G....eine Reihe therapeutischer Wirkungen
wie Stimulation der Proteoglykansynthese, Hemmungen der Elastasefreisetzung aus
den aktivierten Granulozyten ...." angekündigt. Zum Beleg der dargestellten Wirkungen
erwähnt die Internetpublikation überdies "...zwei multizentrisch randomisierte
doppelblinde parallele Kurzzeitstudien an ....Patienten mit Gonarthrose...", in denen sich
erwiesen habe, dass "...Glucosamin einerseits wirksamer als Placebo und anderseits
gleich effektiv wie Ibuprofen" gewesen sei. In einer weiteren "...doppelblind und
randomisiert laufenden Vergleichsstudie....an... Gonarthrose-Patienten..." habe gezeigt
werden können, dass "...die Wirkung auch nach Beendigung der Therapie im
Gegensatz zu den NSAR zumindest noch weitere 2 Monate..." angehalten habe. In der
Internetpräsentation heißt es zu den beworbenen G.-Produkten ferner:
"Nebenwirkungen wurden keine beobachtet. G. wird in einer Dosierung von 750 - 1.500
mg/Tag für eine Therapiedauer zwischen 6 und 12 Wochen verabreicht". Sowohl von
der Sprachwahl als auch vom sachlichen Themenbezug her wird den beworbenen G.-
Produkten auf diese Weise ein Auftritt gegeben, wie er für Arzneimittel charakteristisch
ist. Die verwendeten Begriffe "therapeutische Wirkungen", "Patienten", "Therapie ",
"Placebo", "Nebenwirkungen", "Therapiedauer" u.ä. entstammen dem
arzneimitteltypischen Ausdrucksrepertoire. Der gesetzte Themenbezug zu
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Krankheitsbilden wie "Ostheorarthritis" sowie ferner der Umstand, dass man sich zum
Beleg für die ausgelobten therapeutischen Wirkungen auf - wie dies für
Wirksamkeitsnachweise von Arzneimitteln charakteristisch ist - doppelblinde klinische
Studien beruft, die zudem teilweise einen Vergleich mit dem als Arzneimittel bekannten
Wirkstoff Ibuprofen vornehmen, stellen die beworbenen G, in der Internetpräsentation
des Herstellers als Arzneimittel dar.
b)
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Auch die weiter heranzuziehende, das Vorstellungsbild der Verbraucher
mitbeeinflussende Auffassung der medizinischen/pharmazeutischen Wissenschaft
spricht für die Arzneimitteleigenschaft des Produkts G. bzw. dafür, dass dieses
überwiegend arzneilichen Zwecken, nämlich der Vorbeugung und Heilung krankhafter
Mangelzustände und nicht zuvorderst der ausreichenden Bedarfsdeckung des
gesunden, lediglich suboptimal versorgten menschlichen Körpers zu dienen bestimmt
ist.
14
aa)
15
Nach der gemäß § 25 Abs. 7 AMG (a.F.) erstellten Aufbereitungsmonografie - Stand
31.01.1992 - (Anlage AS 8) kommt G. auch bei oraler Verabreichung eine nachweisbare
pharmakologische Wirkung zur Minderung von Schmerz und Verbesserung der
Funktion bei leichter bis mittelschwerer Kniegelenksarthrose zu. Diese in der
Aufbereitungsmonographie vorgenommene Beurteilung erfolgt dabei auf der Grundlage
einer Auswertung ("Aufbereitung") des einschlägigen wissenschaftlichen
Erkenntnismaterials durch die jeweils gebildete(n) Fachkommission(en). Danach ist
aber der Stoff "G." als Arzneimittel einzuordnen; dass dessen Wirksamkeit danach nur
für einen bestimmten Indikationsbereich als ausreichend klinisch belegt eingeordnet
wird, ändert an dieser grundsätzlichen Einstufung nichts.
16
bb)
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In die gleiche Richtung weist der Umstand, dass G. als Arzneistoff in den Hauptteil des
von dem Institut für Arzneimittelverordnung in der gesetzlichen Krankenversicherung
erstellten Entwurfs der Vorschlagsliste zur sog. Positivliste verordnungsfähiger
Arzneimittel für die vertragsärztliche Versorgung nach § 33 a SGB V aufgenommen
worden ist (vgl. Anlage BE 8). Dieser Entwurf dient der Erstellung der endgültigen bzw.
"definitiven" "Positivliste", die zur Vorbereitung der Rechtsverordnung gemäß § 33 a
Abs. 1 SGB V dem Bundesministerium für Gesundheit vorgelegt wird. Darin werden
Fertigarzneimittel aufgenommen, die nach gesetzlich vorgegebenen Kriterien (§ 33 a
Abs. 6 und Abs. 7 SGB V) und medizinischer Bewertung für eine zweckmäßige,
notwendige und ausreichende Behandlung von Krankheiten und erheblichen
Gesundheitsstörungen geeignet sind. Bei den im Hauptteil des Listenentwurfs
aufgeführten Arzneistoffen handelt es sich um solche, die bis März 2001 in der
Datenbank AMIS des BfArM und in der ABDA - Datenbank des Bundesverbandes der
Berufsvertretungen der deutschen Apotheker als wirksame Bestandteile von
Fertigarzneimitteln ausgewiesen waren. In das Bewertungsverfahren einbezogen wurde
außerdem die allgemein zugängliche, publizierte Literatur und es wurden weitere
Recherchen in Datenbanken durchgeführt; Literaturbelege wurden methodisch und
insbesondere hinsichtlich der therapeutischen Bedeutung medizinisch gewürdigt. Wenn
danach - wie im Streitfall der Stoff Glucosamin - ein Produkt als Arzneistoff in den
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Entwurf der Vorschlagsliste verordnungsfähiger Arzneimittel aufgenommen worden ist,
so spricht das für dessen belegbare pharmakologische Wirkung und
Arzneimitteleigenschaft.
cc)
19
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Einwand der Antragsgegnerin, in den hier
zu beurteilenden Wirkstärken (250 mg bzw. 500 mg ) bzw. der sich nach den
Anwendungsempfehlungen ergebenden Tagesdosis von maximal 750 mg bzw. 1000
mg trete eine pharmakologische Wirkung nicht ein. Zwar trifft es zu, dass die in der
gutachterlichen Stellungnahme des sich gegen eine Einordnung von G. als Arzneimittel
aussprechenden und dessen Eigenschaft als Lebensmittel bejahenden Dipl. Chemikers
und Assessors d.L. F. R. (Anlage AG 4- Bl. 81 ff d.A.) zitierte Studie von J. M. P. "Double
blind clinical evaluation of oral glucosamine", wonach G. bei einer oral verabreichten
Tagesdosis von 750 mg zu als signifikant bewerteten Verbesserungen des
Zustandsbildes bei nachgewiesener Osteoarthrose geführt habe, in dieser Form
unzutreffend wiedergegeben ist. Denn nach der in dem Anlagenkonvolut AG 13 (Bl. 121
ff d.A.) in vollständiger Fassung vorgelegten Studie von P. wurde den Probanden drei
mal täglich die Dosis von jeweils 2 G. verabreicht (vgl. Bl. 122 d.A.: "Two capsules of
either glucosamine sulphate (250 mg) or placebo were administered 3-times daily...."),
so dass die beschriebene - für eine arzneiliche Wirksamkeit und gegen die von R.
befürwortete Einordnung als Lebensmittel sprechende - Verbesserung des
Zustandsbildes der Osteoarthrose bei einer Tagesdosierung von insgesamt 1.500 mg
erzielt wurde. Gleiches gilt hinsichtlich der in der gutachterlichen Stellungnahme R.
weiter erwähnten Studie von W. N. ( "G. in osteoarthritis of the knee"), wonach bei
Personen mit Osteoarthritis des Knies ein anhand des Punktesystems nach L. als
hochsignifikant bewerteter Nutzen bei einer Tagesdosios von nur 500 mg festgestellt
worden sei. Auch hier ergibt der Blick in die in dem Anlagenkonvolut AG 13 vorgelegte
vollständige Fassung der Studie (Bl. 127 ff d.A.), dass 3 X täglich 500 mg, also
insgesamt 1.500 mg G. pro Tag appliziert wurden (vgl. S. 127/129 d.A.: "Patients were
treated with either placebo or oral g. s. mg t. i. d. for 4 weeks...";"The drug regimen was 2
tablets a day (1.500 mg/day of g. s.) ..."). Indessen spricht allein der Umstand, dass die
erwähnten Studien von P. und von N. die therapeutische Wirksamkeit von G. bei einer
Tagesdosis von 1.500 mg untersucht und festgestellt haben, nicht notwendig gegen
eine solche Wirksamkeit bei einer diese Tagesdosis unterschreitenden Einnahme. Sie
sind daher nicht geeignet, die von der Antragsgegnerin behauptete pharmakologische
Unwirksamkeit von G. bei einer Tagesdosis von 750 mg bzw. 1000 mg zu belegen, und
tragen die in der gutachterlichen Stellungnahme des Diplomchemikers und Assessors
d.L. R. vorgenommene Einordnung von G. als Lebensmittel nicht. Aus diesem Grund
gibt auch der als Anlage AG 3 vorgelegte Aufsatz des Prof. Dr. W. P. nichts für die
dargestellte prozessuale Position der Antragsgegnerin her, in dem von Studien berichtet
wird, in denen die orale Gabe von G. in einer Tagesdosis von 1200 bis 1500 mg einen
günstigen Einfluss auf die Beschwerdesymptomatik bei "trivialer Arthrose" ausübte. Das
lässt nicht ohne weiteres den Rückschluss darauf zu, dass bei einer geringeren
Tagesdosis keine pharmakologische Wirksamkeit erreicht werden kann. Dafür, dass G.
auch in den hier zu beurteilenden empfohlenen Tagesdosen und Wirkstärken (bereits)
eine pharmakologische Wirkung zeitigt, sprechen indessen die in der oben bereits
erwähnten Aufbereitungsmonographie vorgegebenen klinischen Angaben betreffend
die Dosierung und Anwendung von D-G.. Danach sollen Erwachsene täglich eine Dosis
von 3 X 250 mg G. einnehmen und tritt daher die beschriebene stoffcharakteristische
arzneiliche Wirkung bei einer Tagesdosis von 750 mg auf. Hinzu kommt vor allen
20
Dingen aber auch, dass die Herstellerin des von der Antragsgegnerin vertriebenen G.-
Produkts selbst die in der Internetpublikation aufgezeigte arzneiliche Wirkung ihres
Produkts bei einer Dosierung ab 750 mg pro Tag auslobt ("G. wird in einer Dosierung
von 750 - 1.500 mg/Tag jeweils für eine Therapiedauer zwischen 6 und 12 Wochen
verabreicht").
c)
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Was schließlich die auf das Vorstellungsbild der Verbraucher einwirkende Aufmachung
der streitbefangenen Produkte der Antragsgegnerin angeht, so sprechen zwar die auf
den Etiketten der Verpackung angebrachten Hinweise "Zur Nahrungsergänzung" und
"Verzehrempfehlung" eher gegen eine Arzneimitteleigenschaft. Diese wird indessen
nach der sonstigen Aufmachung des Produkts wiederum bestärkt. Das G. der
Antragsgegnerin wird in weißen Dosen angeboten, wie sie dem Verkehr von Salben
und ähnlichen, in der Apotheke nach ärztlicher Verordnung hergestellten Arzneimitteln
zur Verpackung verwendeten Gefäßen bekannt ist. Auch das im übrigen unauffällige,
eher zurückhaltend gestaltete grafische Design des Etiketts und der sonstigen
Angaben/Kennzeichnungen deutet auf eine arzneimitteltypische Aufmachung.
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Vor dem Hintergrund der dargestellten, auf die Verbrauchervorstellung bereits seit
langem einwirkenden und diese prägenden objektiven Umstände reicht daher die
insgesamt eher "neutrale" äußere Aufmachung des von der Antragsgegnerin
vertriebenen G.-Produkts nicht aus, um das Bild eines jedenfalls überwiegend
arzneilichen Zwecken dienenden Präparats zu entkräften. Gleiches gilt für die bereits
erwähnte gutachterliche Stellungnahme des Diplomchemikers und Assessors d.L. R..
Unabhängig davon, ob dessen Sachkunde als öffentlich bestellter und vereidigter
Sachverständiger für Sportlernahrung und allgemeine diätetische Lebensmittel die hier
zu beurteilenden Fragen umfasst, steht allein seine Einstufung von G. als Lebensmittel
der nach den oben aufgezeigten Umständen indizierten Arzneimitteleigenschaft nicht
entgegen.
23
2.
24
Handelt es sich bei G. nach alledem um ein nach nationalen Bestimmungen und
Rechtsgrundsätzen als zulassungspflichtiges Arzneimittel einzustufendes Präparat, so
stellt die Unterlassungsverfügung des Landgerichts schließlich auch weder einen
Verstoß gegen § 73 Abs. 2 Nr. 6 a AMG noch einen solchen gegen § 47 a LMBG dar.
Letztgenannte Bestimmung ist hier schon deshalb nicht anwendbar, weil sie sich nur auf
"Erzeugnisse im Sinne dieses Gesetzes", also auf Lebensmittel und
Bedarfsgegenstände bezieht. Das streitbefangene G.-Produkt der Antragsgegnerin ist
indessen als Arzneimittel einzustufen. § 73 Abs. 2 Nr. 6 a AMG scheidet seinem
Anwendungsbereich nach ebenfalls aus. Danach dürfen zulassungspflichtige
Arzneimittel, die im Herkunftsland auch ohne Zulassung in den Verkehr gebracht
werden, ausnahmsweise dann in den Geltungsbereich des AMG verbracht werden,
wenn sie - neben anderen Voraussetzungen - aus einem Mitgliedstaat der EU oder
einem Vertragsstaat des Europäischen Wirtschaftsraums bezogen werden. Unabhängig
davon, ob es sich bei dem von der Antragsgegnerin in den Verkehr gebrachten
Erzeugnis um ein aus einem solchen Herkunftsland bezogenes Produkt handelt, greift
die erwähnte Bestimmung jedenfalls nur dann, wenn das in Frage stehende Erzeugnis
(auch) im Ausland als Arzneimittel in den Verkehr gebracht werden darf (BGH a.a.O.,
S.982 -"Muskelaufbaupräparate"-). So liegt der Fall hier aber nicht, weil das G.-Produkt
25
der Antragsgegnerin im Ausland als Nahrungsergänzungsmittel und eben nicht als
Arzneimittel in den Verkehr gebracht wird.
3.
26
Das nach alledem auszusprechende Verbot verstößt - sollte die Antragsgegnerin ihr
Produkt aus dem EU-Ausland importieren - schließlich auch nicht gegen Art. 28 EG-
Vertrag, weil es nach Maßgabe von Art. 30 des EG-Vertrages zum Schutz der
menschlichen Gesundheit erforderlich ist (vgl. BGH a.a.O.; S. 983 -
"Muskelaufbaupräparate"-).
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Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.
28
Das Urteil ist gemäß § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO mit seiner Verkündung rechtskräftig.
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Wert: 125.000,00 EUR.
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