Urteil des OLG Köln vom 16.10.1998
OLG Köln (gegen die guten sitten, antragsteller, uwg, höhe, erstellung, verhältnis zwischen, wettbewerb, einstweilige verfügung, vergütung, absicht)
Oberlandesgericht Köln, 6 U 38/98
Datum:
16.10.1998
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 U 38/98
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 81 O 159/97
Schlagworte:
Kfz-Schadensgutachten; Kostenerstattung durch Kfz-Versicherer
Normen:
UWG § 1
Leitsätze:
1. Wendet sich ein Kfz-Versicherer an Anspruchsteller, die u.a.
Erstattung von Sachverständigenkosten geltend machen, mit einem auf
sog. "Textbausteinen" beruhenden formularmäßigen Schreiben und
werden hierin unter Bezugnahme auf die Rechnung des vom
Anspruchsteller herangezogenen Kfz-Sachverständigen Bedenken
gegen dessen Abrechnung erhoben und zugleich auf für angemessen
gehaltene tabellarische Honorierungssätze bestimmter
KfzSachverständigen-Organisationen verwiesen, liegt hierin (auch) ein
Handeln des Versicherers im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des
Wettbewerbs. 2. Es verstößt gegen die guten Sitten im Wettbewerb in
Form kritisierende Herabsetzung, wenn ein Kfz-Versicherer ohne
konkreten Sachverhaltsbezug in Schreiben an Anspruchsteller unter
Bezugnahme auf den von diesem eingeschalteten KfzSachverständigen
unter anderem äußert, die von ihm -dem Versicherer- für gerechtfertigt
gehaltenen Ansprüche des Sachverständigen des Anspruchstellers
richteten sich nach den "Erhebungen bei Sachverständigen-
Organisationen und dem größten Berufsverband" und ergäben sich aus
"der beiliegenden Tabelle".
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 19. Dezember 1997
verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts
Köln - 81 O 159/97 - wird zurückgewiesen. Die Kosten des
Berufungsverfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Berufung der Antragsgegnerin ist zwar zulässig, insbesondere unter Wahrung der
vorgegebenen Fristen eingelegt und begründet (§§ 222 Abs. 1 u. 2 ZPO, 188 Abs. 3
BGB). In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg.
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Zu Recht hat das Landgericht in dem angefochtenen Urteil die zunächst im
Beschlußweg erlassene einstweilige Verfügung bestätigt, mit welcher der
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Antragsgegnerin die Unterlassung aufgegeben worden ist, sich wie in dem Schreiben
vom 20.08.1997 geschehen an Auftraggeber der Antragsteller zu wenden, und diesen
gegenüber in der konkret beanstandeten Form des erwähnten Schreibens die Höhe der
für die Erstellung von Kfz-Schadensgutachten in Rechnung gestellten
Sachverständigenvergütung zu beanstanden.
Das diesem Unterlassungsgebot zugrunde liegende Unterlassungsbegehren der
Antragsteller, dessen Dringlichkeit gem. § 25 UWG zu vermuten ist, erweist sich gemäß
§ 1 UWG unter dem Gesichtspunkt der Behinderung durch Geschäftsehrverletzung als
unlauter.
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Unlauter i. S. des Unterlassungstatbestandes des § 1 UWG handelt u. a. derjenige, der
zu Zwecken des Wettbewerbs entweder einen eigenen Mitbewerber oder aber den
Mitbewerber eines geförderten Dritten in seiner geschäftlichen Ehre herabsetzt. Es
widerspricht den Grundsätzen des Leistungswettbewerbes, einen Konkurrenten zur
Förderung eigenen oder fremden, unterstützten Wettbewerbs in seiner geschäftlichen
Wertgeltung herabzusetzen. Denn dadurch soll der eigenen oder fremden Leistung des
geförderten Wettbewerbers nicht durch deren Güte und/oder Preiswürdigkeit gegenüber
dem Konkurrenzprodukt, sondern dadurch auf dem Markt Geltung verschafft werden,
daß der kritisierte Konkurrent in seiner Ehre angegriffen und herabgesetzt wird (vgl.
Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 19. Aufl., Rn. 317 zu § 1 OWiG m. w. N.). Die
Antragsgegnerin hat sich mit dem verfahrensgegenständlichen Schreiben im Streitfall
nach diesen Maßstäben wettbewerblich unlauter verhalten.
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Soweit die Antragsgegnerin von vornherein in Abrede stellt, mit ihrem an den
Geschädigten, der sie u. a. auf Ersatz der für die Erstellung des Kfz-
Schadensgutachtens angefallenen Kosten in Anspruch nimmt, gerichteten Schreiben
vom 20.8.1997 überhaupt zu Zwecken des Wettbewerbs gehandelt zu haben, vermag
das nicht zu überzeugen. Vielmehr liegt auf seiten der Antragsgegnerin sowohl in
objektiver, als auch in subjektiver Hinsicht eine dem Anwendungsbereich des § 1 UWG
unterfallende Wettbewerbshandlung vor.
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Ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs liegt in jedem Verhalten, das äußerlich
geeignet ist, den Absatz oder Bezug einer Person zum Nachteil einer anderen Person
zu fördern und das subjektiv von der nicht völlig hinter andere Beweggründe
zurücktretenden Absicht getragen wird, eigenen oder fremden Wettbewerb auf Kosten
eines anderen Mitbewerbers zu fördern.
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Das von den Antragstellern beanstandete Schreiben der Antragsgegnerin ist nach
diesen Maßstäben objektiv zur Wettbewerbsförderung auf Kosten der Antragsteller
geeignet. Daran ändert der Umstand nichts, daß die Parteien als Kfz-Sachverständige
einerseits sowie als Haftpflichtversicherung andererseits unzweifelhaft weder generell in
einem Wettbewerbsverhältnis miteinander stehen, noch ad hoc durch das
streitgegenständliche Schreiben eine solche wettbewerbliche Beziehung zwischen den
Parteien hergestellt wird. Denn das erwähnte Schreiben ist eindeutig geeignet, den
Absatz oder Bezug dritter, ihrerseits in einem unmittelbaren Wettbewerbsverhältnis mit
den Antragstellern stehender Kfz-Sachverständiger, die sich Schadensgutachten unter
Heranziehung der dem Schreiben beigefügten Tabellenwerte vergüten lassen, zu
fördern. Entgegen der von der Antragsgegnerin vertretenen Ansicht kann dem
insbesondere nicht entgegengehalten werden, daß der jeweilige Empfänger des
beanstandeten Schreibens den Auftrag an den Sachverständigen, dessen Rechnung
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die Antragsgegnerin als angeblich übersetzt kritisiert, bereits erteilt habe. Denn selbst
wenn der Empfänger des Schreibens in diesem konkreten Schadensfall für andere,
insbesondere für die nach der Tabelle abrechnenden Kfz-Schadensgutachter "verloren"
sein sollte, ist die in dem Schreiben letztendlich zum Ausdruck gebrachte Kritik, einem
"billigem Ermessen" widersprechend abrechnenden Kfz-Sachverständigen
aufgesessen zu sein, geeignet, den Adressaten in künftigen Fällen auf andere
Sachverständige, insbesondere aber auf solche umzuleiten, die Schadensgutachten
anhand der beigefügten Tabellen berechnen. Denn derjenige, dem von einem
Unternehmen für eine bestimmte Leistung ein übersetztes Honorar berechnet wurde,
wird dieses Unternehmen nach aller Lebenserfahrung nicht ein weiteres Mal und auch
nicht für andere Leistungen beauftragen. Dabei beschränkt sich die Tätigkeit von Kfz-
Sachverständigen auch nicht auf die Erstellung von Gutachten über unfallbedingte Kfz-
Schäden. Der Tätigkeitsbereich von Kfz-Schadensgutachtern reicht vielmehr von der
Begutachtung diverser, unter Umständen als mangelhaft gerügter Reparaturleistungen
bis hin zu Schätzungen des Verkehrswertes von Fahrzeugen im Falle etwa
beabsichtigter Käufe oder Verkäufe. Aus all diesen Tätigkeitsbereichen, deren
Inanspruchnahme durch die angeschriebenen Unfallgeschädigten auch keineswegs als
unwahrscheinlich von der Hand gewiesen werden kann, vermag die in dem Schreiben
geäußerte Kritik die Antragsteller zu Gunsten anderer Sachverständiger aber zu
verdrängen. Letzteres gilt selbst in den Fällen, wo kein Schadensgutachten in Auftrag
gegeben werden soll. Denn die Frage, ob bei Schadensgutachten nach Tabellenwerten
abgerechnet wird, ist durchaus geeignet, zumindest bei einem nicht unerheblichen Teil
des Verkehrs als vertrauensbildende Maßnahme in die "Billigkeit" und
"Angemessenheit" der Ermittlung der Vergütung auch für andere Leistungen zu dienen,
wobei in diesem Zusammenhang auch die Wirkungen einer von den Empfängern der
verfahrensbefangenen Schreiben gegenüber potentiellen Auftraggebern der
Antragsteller ausgehenden Mundpropaganda nicht übersehen werden können.
Liegt danach auf seiten der Antragsgegnerin den objektiven Voraussetzungen nach
eine Wettbewerbshandlung vor, gilt dies weiter aber auch in subjektiver Hinsicht.
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Die Antragsgegnerin hat in der nicht vollständig von anderen Beweggründen
verdrängten Absicht gehandelt, den Wettbewerb anderer Kfz-Schadensgutachter zu
fördern, die ihre Vergütungen unter Heranziehung der aus der Tabelle ersichtlichen
Honorarsätze ermitteln. Allerdings ist es richtig, daß - wie dies regelmäßig bei objektiv
zur Wettbewerbsförderung geeigneten Äußerungen von miteinander im Wettbewerb
stehenden Gewerbetreibenden im geschäftlichen Verkehr der Fall ist (vgl.
Baumbach/Hefermehl, a. a. O., Rn. 235 Einleitung UWG m. w. N.) - die
Wettbewerbsförderungsabsicht im Streitfall nicht vermutet werden kann, sondern eigens
festzustellen ist. Denn die Antragsgegnerin kann im vorliegenden Fall für ihr Schreiben
bzw. die darin enthaltenen, u. a. auf die Antragsteller bzw. deren
Honorarermittlungspraxis bezogenen Aussagen einen Beweggrund in Anspruch
nehmen, der als solcher keinen Wettbewerbsbezug aufweist. Erkennbar liegt dem
Schreiben der Antragsgegnerin die Absicht zugrunde, sich gegenüber einem an sie
herangetragenen Schadensersatzanspruch - sei es als über den Direktanspruch des § 3
Nr. 1 Pflichtversicherungsgesetz selbst in Anspruch Genommene, sei es als gem. § 10
Abs. 4 AKB bevollmächtigte Vertreterin ihres Versicherungsnehmers - zu verteidigen.
Soweit die Antragsgegnerin daher die Höhe der ersetzt verlangten Kosten für die
Erstellung des Schadensgutachtens mit bestimmten, aus ihrer Sicht für maßgeblich
gehaltenen Argumenten beanstandet, sollte das eindeutig der Rechtsverteidigung,
nämlich der Abwehr eines der Höhe nach für unberechtigt gehaltenen
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Schadensersatzanspruchs dienen. In einem solchen Fall, in dem der Handelnde, der
objektiv den Wettbewerb eines anderen fördert, selbst nicht Wettbewerber des
Angegriffenen ist und für sein Handeln (auch) andere, nicht spezifisch
wettbewerbsbezogene, zudem - im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 GG - grundrechtsrelevante
Beweggründe in Anspruch nehmen kann, verbietet sich aber die Annahme einer
tatsächlichen Vermutung, daß die objektiv den Wettbewerb fördernde Handlung auch
subjektiv mit eben einer solchen Wettbewerbsförderungsabsicht korreliert. Das
Vorhandensein einer derartigen, nicht völlig von den erwähnten wettbewerbsneutralen
Motiven in den Hintergrund gedrängten Wettbewerbsförderungsabsicht ist dann nicht
durch die bloße objektive Eignung der angegriffenen Handlung, eigenen oder fremden
Wettbewerb zu fördern, indiziert, sondern muß besonders festgestellt werden (vgl.
Baumbach/Hefermehl, a. a. O., Einleitung UWG, Rn. 236 f. m. w. N.). Die den
gegebenen Fall kennzeichnenden besonderen Umstände lassen indessen nicht nur
überhaupt das Vorhandensein einer Wettbewerbsförderungsabsicht der
Antragsgegnerin feststellen, sondern machen ferner deutlich, daß diese Absicht nicht
vollständig hinter die vorbezeichneten anderen Beweggründe zurücktritt. Die
Antragsteller haben mit ihrem Schriftsatz vom 19. November 1997 u. a. den unstreitig
von der Antragsgegnerin verwendeten "Leitfaden Beweisführung/Gutachten"
(Rundschreiben 42/95) vorgelegt, in dem es u.a. heißt, daß es "unser Ziel ... sein" muß,
"... gegen die schwarzen Schafe unter den Sachverständigen, die horrende
Gebührenrechnungen stellen, vorzugehen. Deshalb sollten wir Gebührenrechnungen
erst ab einer Überschreitung von ca. 40 % der entsprechenden DEKRA-Gebühr
beanstanden. Liegt allerdings eine derartige Überschreitung vor, rechnen wir nur mit der
entsprechenden DEKRA-Gebühr ab und nicht mit der um 40 % erhöhten Gebühr" (vgl.
Bl. 78 f. d. A.). Diese Ausführungen belegen, daß es der Antragsgegnerin nicht nur um
eine genaue Überprüfung der Berechtigung der im Einzelfall für die Einholung eines
Kfz-Schadensgutachtens ersetzt verlangten Kosten, sondern gerade auch darum geht,
einer bestimmten Art der Ermittlung des Sachverständigenhonorars ("Gebühr aus der
Höhe des festgestellten Schadens/Tabellenwerte") sowie darüberhinaus bestimmten,
für angemessen gehaltenen Beträgen für Kfz-Unfallschadensgutachten - konkret
möglichst den DEKRA-Werten angenäherte Beträge - allgemein auf dem Markt,
zumindest aber als Orientierungs- und Ausgangswerten, Geltung zu verschaffen. Der
Umsetzung eben dieses Ziels sollen dabei auch gerade die von den Antragstellern
weiter vorgelegten, ebenfalls von der Antragsgegnerin empfohlenen und verwendeten
Schreiben gem. den "Pflichtbausteinen" (Bl. 87 ff d. A.) und den diesen wiederum als
Anlage beigefügten "Gebühren"-Tabellen dienen (vgl. "Ergänzung des Rundschreibens
Nr. 42/95" = Bl. 93 d. A.). Daß die Empfänger der Schreiben letztere den
Sachverständigen vorhalten, die eine höhere Vergütung als die in den Tabellenwerten
angegebenen für ihre Tätigkeit berechnen, und die Sachverständigen hierdurch
veranlaßt werden sollen, künftig die Tabellenwerte abzurechnen, ist von der
Antragsgegnerin ersichtlich angestrebt und dient als Maßnahme der Einwirkung auf die
Sachverständigen, deren Vergütungsverhalten die Antragsgegnerin auf diese Weise
mittelbar zu disziplinieren sucht. Dies offenbart aber nicht nur, daß die Antragsgegnerin
über die Abwehr für übersetzt gehaltener Sachverständigenhonorare im Einzelfall
hinaus "preisordnend" auf den Mark für Kfz-Schadensgutachten dahingehend Einfluß
nehmen will, daß die Vergütungen hierfür sich möglichst an der "DEKRA-
Gebührentabelle" orientieren sollen, sondern legt zugleich die Absicht der
Antragsgegnerin offen, die Stellung derjenigen Sachverständigen im Wettbewerb zu
fördern, die zumindest nicht mehr als die von ihr mitgeteilten Kosten für die Erstellung
eines Schadensgutachtens liquidieren. Denn das allgemeine preisordnende, aus der
Sicht der Kfz-Schadensversicherungen sicherlich erstrebenswerte Ziel, die Kosten für
die Kfz-Schadensbegutachtung möglichst niedrig und transparent zu halten, ließe sich
jedenfalls nach der aus den antragstellerseits vorgelegten internen Unterlagen der
Antragsgegnerin ersichtlichen differenzierenden Abrechungspraxis nur auf politischem
Wege durch eine allgemeinverbindliche Gebührentabelle für Kfz-Sachverständige,
nämlich eine "Taxe" i. S. von § 632 Abs. 2 BGB verwirklichen. Wie die nicht zuletzt aus
den eigenen Kostenermittlungstabellen der Antragsgegnerin hervorgehenden
unterschiedlichen Tabellen der verschiedenen Verbände belegen, ist das aber bislang
gescheitert oder aber zumindest sehr zeitaufwendig, schwierig und in weite Ferne
gerückt. Wenn die Antragsgegnerin stattdessen versucht, dieses Ziel im Verhältnis
gegenüber den einzelnen, von ihren Versicherungsnehmern geschädigten
Anspruchstellern dadurch zu erreichen, daß sie den "Kundenstrom" bewußt zu
denjenigen Sachverständigen hinleiten will, die sich ihren Honorarvorstellungen gemäß
verhalten, kalkuliert die Antragsgegnerin ein, daß die Geschädigten, denen durch die
von ihnen beauftragten Sachverständigen angeblich "unbillige" bzw. "unangemessene",
über den Tabellenwerten liegende Honorare in Rechnung gestellt wurden und die daher
nach dem Schreiben der Antragsgegnerin riskieren, auf einem Teil des Schadens
"sitzen zu bleiben", dazu tendieren, künftig andere Sachverständige zu beauftragen,
welche anhand der Tabellenwerte liquidieren. Zugleich offenbart dies aber auch, daß
die Antragsgegnerin über den eingangs erwähnten Beweggrund der Rechtsverteidigung
im konkreten Einzelfall hinaus in der nicht völlig in den Hintergrund gedrängten Absicht
gehandelt hat, die wettbewerbliche Position der von ihr favorisierten Sachverständigen,
die ihre Vergütungen für die Erstellung von Kfz-Schadensgutachten entsprechend den
vorbezeichneten Tabelleneinteilungen und -werten ermitteln, gerade zu Lasten
derjenigen Kfz-Sachverständigen zu fördern, die hiervon abweichend höhere
Vergütungen für die nämliche Tätigkeit liquidieren.
Ist nach alledem auf seiten der Antragsgegnerin bei dem Versenden des
streitbefangenen Schreibens ein Verhalten im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des
Wettbewerbs zu sehen, stellt sich dieses Verhalten weiter auch als unlauter i. S. von § 1
UWG dar.
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Denn die Antragsgegnerin hat durch das in Rede stehende Schreiben die Antragsteller
in einer Weise herabgesetzt, die mit den guten wettbewerblichen Sitten nicht vereinbar
ist.
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Daß die in dem Schreiben enthaltenen Aussagen der Antragsgegnerin betreffend die
generelle "Erstattungsfähigkeit" von Sachverständigenkosten aus der Sicht des
Empfängers als eine gerade die Abrechnungsweise der Antragsteller als
"unangemessen" bzw. "unbillig" kritisierende und deren geschäftliche Wertgeltung als
Kfz-Sachverständige herabwürdigende Äußerung verstanden wird, hat bereits das
Landgericht in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils (dort S. 10/11 =
Bl. 151/152 d. A.) überzeugend ausgeführt. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt
der Senat insoweit gem. § 543 Abs. 1 ZPO Bezug auf das genannte Urteil der ersten
Instanz. Mit dem Landgericht und den Antragstellern ist weiter aber auch im Ergebnis
davon auszugehen, daß dieser sich als unmittelbarer Reflex aus der Rechtsverteidigung
der Antragsgegnerin ergebende Angriff auf die Geschäftsehre der Antragsteller als Kfz-
Sachverständige im konkreten Fall eine mit den guten wettbewerblichen Sitten
unvereinbare Verhaltensweise darstellt. Denn die in der o. g. Rechtsverteidigung
liegende Wahrnehmung berechtigter Interessen allein ist nicht von vornherein geeignet,
die Antragsgegnerin von dem wettbewerblichen Unlautbarkeitsvorwurf freizusprechen.
Vielmehr hat die Antragsgegnerin bei der Art und Weise, wie sie das als solches
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billigenswerte Interesse der Abwehr eines für unberechtigt gehaltenen Anspruchs im
konkreten Fall wahrnimmt, auf die Belange davon betroffener Unternehmen gebührend
Rücksicht zu nehmen und insbesondere die Grenzen der wettbewerblichen Lauterkeit
zu wahren. Dies führt zur Notwendigkeit einer Abwägung einerseits des Interesses der
Antragsgegnerin, ihrer Rechtsverteidigung zur Geltung zu verhelfen, sowie andererseits
des Interesses der Antragsteller an der Wahrung ihrer wettbewerblichen Belange, die
durch die grundsätzlich anerkennenswerte Interessenwahrnehmung der
Antragsgegnerin nur in einem damit notwendig verbundenen und sachlich gebotenen
Umfang in ihrer wettbewerblichen Position gegenüber anderen Mitbewerbern
beeinträchtigt werden dürfen. Diese Abwägung ergibt vorliegend aber die
Unzulässigkeit der sich in dem konkret angegriffenen Schreiben niederschlagenden
Vorgehensweise der Antragsgegnerin. Letzteres schießt vielmehr erheblich über das
damit vordergründig verfolgte Ziel der Rechtsverteidigung hinaus. Die konkret zur
Abwehr des ihr gegenüber geltend gemachten Anspruchs auf Ersatz der
Sachverständigenkosten in dem Schreiben enthaltenen Ausführungen sind nicht nur im
rechtlichen Ansatz unzutreffend, zumindest aber mißverständlich, sondern
darüberhinaus auch teilweise nicht erforderlich und erkennbar allein von der Erwägung
getragen, ihrem Rechtsstandpunkt besondere Autorität zu verleihen:
Schon der von der Antragsgegnerin dargestellte rechtliche Ansatz, wie die Vergütung
des Schadensgutachters gegenüber seinem Auftraggeber - hier also dem Geschädigten
- der Höhe nach zu ermitteln ist, stellt sich als zumindest mißverständlich dar. Zwar trifft
es zu, daß die Höhe der für die Erstellung eines Kfz-Unfallschadensgutachtens geltend
gemachten Vergütung gem. § 632 Abs. 2 BGB zu ermitteln ist. Das von der
Antragsgegnerin in dem verfahrensbetroffenen Schreiben erwähnte "billige Ermessen"
gem. § 315 BGB kommt jedoch nur in einem Sonderfall, nämlich erst dann als Maßstab
der Bestimmung des Sachverständigenhonorars in Betracht, wenn eine "übliche" (und
nicht notwendigerweie zugleich auch angemessene) Vergütung für die betreffende
Leistung nicht feststellbar ist. Davon, daß eine "übliche" Vergütung für die Erstellung
von Kfz-Schadensgutachen nicht existiert bzw. feststellbar ist, dürfte zwar nach den im
vorliegenden Verfahren vorgelegten Tabellen, die jeweils unterschiedliche Werte
aufweisen, auszugehen sein. Bereits in diesem Zusammenhang suggeriert die
Antragsgegnerin jedoch in dem Schreiben Anderes. Ihre Formulierungen im dritten
Absatz des Schreibens ("Erhebungen bei Sachverständigenorganisationen und dem
größten Berufsverband ... haben ergeben, daß in der Regel Kosten gem. der
beiliegenden Tabelle berechnet werden") vermitteln gerade den Eindruck, daß die
Kosten gem. der beigefügten Tabelle der "Üblichkeit" entsprechen. Im Zusammenhang
mit den Ausführungen im vorangegangenen Absatz des Schreibens, wonach sich die
"Erstattungsfähigkeit ... gegenüber dem Auftraggeber" angeblich "... nach billigem
Ermessen gem. §§ 632 Abs. 2, 315 BGB ..." richteten, drängt dies für den in aller Regel
rechtsunkundigen Empfänger des Schreibens aber die Schlußfolgerung auf, daß nur
diese Kosten üblich seien und ferner billigem Ermessen entsprächen. Vermittelt die
Antragsgegnerin auf diese Weise ein zumindest "schiefes" Bild betreffend die
Berechtigung der Höhe des von den Antragstellern im Verhältnis gegenüber dem
Geschädigten ermittelten Honorars, gilt im Ergebnis gleiches hinsichtlich der
Ersatzfähigkeit des Sachverständigenhonorars im Verhältnis gegenüber dem
einstandspflichtigen Schädiger bzw. der Antragsgegnerin als dessen
Haftpflichtversicherung. Zutreffend ist in diesem Verhältnis zwar die in diesem
Zusammenhang erwähnte Bestimmung des § 249 BGB als solche. Alle anderen in
diesem Zusammenhang gemachten Ausführungen gehen aber an der tatsächlichen
Rechtslage vorbei. Denn die Antragsgegnerin ist - in den Grenzen der den
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Geschädigten gem. § 254 BGB treffenden Obliegenheit zur Schadensgeringhaltung -
verpflichtet, selbst Kosten für unbrauchbare Gutachten oder der Höhe nach überzogene
Kosten für Schadensgutachten zu ersetzen (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 56. Aufl., Rn
22 zu § 249 BGB; Steimle, DAR 1996, 296 - jeweils m. w. N.). Die Antragsgegnerin
argumentiert demgegenüber in ihrem Schreiben insgesamt damit, nur die im Verhältnis
zwischen dem Sachverständigen und seinem Vertragspartner nach Maßgabe von § 632
Abs. 2 BGB berechtigte Vergütung ersetzen zu müssen. Zwar macht allein diese,
zumindest rechtlich angreifbare Argumentation der Antragsgegnerin, mit welcher das
Honorarverhalten der Antragsteller deutlich als unbillig und unangemessen kritisiert
wird, ihre Rechtsverteidigung noch nicht unlauter i. S. von § 1 UWG. Denn auch
rechtsfehlerhafte und im Ergebnis rechtlich nicht überzeugende Standpunkte, die u. U.
nachteilige Auswirkungen auf einen Dritten haben, dürfen im Rahmen des Gebotenen
und Sachlichen vertreten werden. Eben dieser Rahmen ist im Streitfall jedoch
überschritten. Denn die Antragsgegnerin macht ihre rechtlichen Ansatzpunkte nicht etwa
als bloßen Rechtsstandpunkt oder als bloße Meinung erkennbar. Bereits die
apodiktische Formulierung des rechtlichen Ansatzes, anhand dessen das
Sachverständigenhonorar angeblich zu ermitteln sei, erweckt vielmehr den Eindruck,
hier handele es sich um eine feststehende und keiner Diskussion unterworfene
Tatsache ("... Erstattungsfähigkeit richtet sich gegenüber dem Auftraggeber nach
billigem Ermessen ..."). Hinzu kommt vor allem aber auch der letzte Absatz des
Schreibens, in dem u. a. anheimgestellt wird, den Sachverständigen im Hinblick auf
seine etwa verbleibende Honorardifferenz unmittelbar an die Antragsgegnerin zum
Zwecke der Abklärung zu verweisen und in dem weiter darum gebeten wird, sich im Fall
der Honorarklage des Sachverständigen mit der Antragsgegnerin in Verbindung zu
setzen. Dieser Hinweis auf ein etwaiges Klageverfahren suggeriert aber aus der Sicht
jedenfalls eines nicht unerheblichen Teils des in aller Regel rechtsunkundigen
Laienpublikums, daß die in dem Schreiben dargestellte Rechtslage "so sicher" sei, daß
an ihr auch im Rahmen einer gerichtlichen Prüfung nicht "gerüttelt" werden könne. In
diesem Zusammenhang kann dabei schließlich auch nicht übersehen werden, daß die
Antragsgegnerin als in der Schadensabwicklung nach Kfz-Unfällen erfahrene und
spezialisierte Haftpflichtversicherung bei zumindest einem nicht unbeachtlichen Teil des
Publikums in mit diesem Sachbereich verbundenen Rechtsfragen eine besondere
Autorität genießt. All diese Umstände in ihrer Gesamtheit würdigend, erweckt daher die
Antragsgegnerin mit dem Schreiben den Eindruck, ihr zur (teilweisen) Abwehr des
geltend gemachten Anspruchs vorgetragener Standpunkt gebe die eindeutige und
außerhalb jeglicher Diskussion stehende Rechtslage und nicht lediglich eine von ihr
vertretene Rechtsmeinung wieder. Diese konkrete Form der Rechtsverteidigung, mit
welcher die geschäftliche Wertgeltung der Antragsteller mittelbar herabgewürdigt wird,
geht aber über die Grenzen der sachlich gebotenen Wahrnehmung berechtigter
Interessen hinaus und ist als i. S. von § 1 UWG unlauterer Angriff auf die Geschäftsehre
der Antragsteller zu qualifizieren.
Die gegenüber dem danach zu bejahenden Unterlassungsanspruch der Antragsteller
erhobene Einrede der Verjährung greift nicht. Denn im Hinblick darauf, daß die
Antragsgegnerin, die das Schreiben für inhaltlich zulässig hält und sich berechtigt sieht,
dieses weiterhin zu verbreiten, einen entsprechenden Textbaustein ("Pflichtbaustein")
entwickelt hat, besteht jedenfalls die Gefahr künftiger Begehung. Für diese unter dem
Gesichtspunkt der Erstbegehungsgefahr zu befürchtende Verwendung des
wettbewerblich unzulässigen Schreibens ist die Verjährung gem. § 21 UWG
unzweifelhaft aber noch nicht eingetreten.
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Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig (§ 545 Abs. 2 ZPO).
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