Urteil des OLG Köln vom 23.12.2009
OLG Köln (auslegung, vertragsschluss, abgabe, bieter, zpo, ausschreibung, verschulden, leistung, pos, trennung)
Oberlandesgericht Köln, 11 U 173/09
Datum:
23.12.2009
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
11. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
11 U 173/09
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 5 O 469/08
Tenor:
(ohne Tenor)
I.
1
Der Senat beabsichtigt, die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil die
Voraussetzungen in § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 ZPO vorliegen.
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Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Darauf, ob es bereits an einer
Anordnung im Sinne von § 1 Nr. 3 VOB/B fehlt, kommt es dabei nicht an. Jedenfalls geht
die von der Klägerin ausgeführte Bauleistung nicht über die vereinbarte Leistung
hinaus. Dies hat das Landgericht zutreffend ausgeführt. Zur Klärung der Frage, welche
Leistung durch die Leistungsbeschreibung erfasst wird, ist die Vereinbarung der
Parteien nach den §§ 133, 157 BGB auszulegen. Beruht der Vertragsschluss – wie hier
- auf einem Vergabeverfahren, so ist die Ausschreibung mit dem Inhalt der Auslegung
zugrunde zu legen, wie ihn der Empfängerkreis verstehen muss. Grundlage der
Auslegung ist der objektive Empfängerhorizont dieser potentiellen Bieter. Neben dem
Wortlaut der Ausschreibung sind die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen
(BGH NJW 2002, 1954, 1955 = BauR 2002, 935 = NZBau 2002, 234; BGHZ 176, 23 =
NJW 2008, 2106 = BauR 2008, 1131 unter Tz. 32). Aus der Sicht des potentiellen Bieter
ist es eindeutig oder zumindest naheliegend, dass mit der im Leistungsverzeichnis
enthaltenen Kennzeichung der Fugenspalten mit den Maßen "28 – 30 mm" bzw. "8 - 40
mm" die Minimal- und Maximalbreite der Fugespalten bezeichnet worden ist. Für einen
potentiellen Bieter ist es offenkundig, dass bei einer zu sanierenden Fahrbahn infolge
der langjährigen Abnutzung die Fugenspaltbreite nicht – wie beim Neubau –konstant,
sondern variabel ist. Dies kommt auch in dem von der Klägerin vorgelegten, ein
späteres Bauvorhaben betreffenden (und insofern für die Auslegung unerheblichen)
Leistungsverzeichnis zum Ausdruck, in dem die Fugenspaltbreite mit "15 bis 40 mm"
ausgeschrieben ist (Anl. K 3, dort Pos. 04.00008). Dass mit den obigen Angaben nicht
Fugenspaltbreite und Fugenspalttiefe bezeichnet werden, ergibt sich aus Sicht des
potentiellen Bieters auch daraus, dass in dem dem streitgenständlichen Auftrag
zugrundliegenden Leistungsverzeichnis unter Pos. 02.02 die Fugenspaltmaße Breite
und Tiefe durch die Trennung mit einem "/" angeführt werden (Anl. B 11). Dasselbe gilt
für die jeweiligen Positionen "Fugenkanten abfasen", die mit den Kantenmaßen "3/3"
ausgeschrieben sind.
3
Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auch nicht unter dem Gesichtspunkt
des Schadensersatzes aus Verschulden bei Vertragsschluss zu, wie das Landgericht zu
Recht ausgeführt hat. Der Auftragnehmer darf ein erkennbar lückenhaftes oder unklares
Leistungsverzeichnis nicht einfach hinnehmen, sondern muss sich daraus ergebende
Zweifelfragen vor Abgabe des Angebotes klären. Ähnlich ist es, wenn sich für ihn aus
dem Leistungsverzeichnis und den ihm unterlassenen Unterlagen die Bauausführung in
bestimmter Weise nicht mit hinreichender Klarheit ergibt, er darauf aber bei der
Kalkulation maßgebend abstellen will. Auch dann muss er versuchen, insoweit
aufkommende Zweifel vor Abgabe des Angebots auszuräumen (BGH NJW-RR 1987,
1306 = BauR 1987, 683; NJW-RR 1988, 785 = BauR 1988, 338 = MDR 1988, 666;
BGHZ 176, 23, 28 f. = NJW 2008, 2106 = BauR 2008, 113 unter Tz. 37; Senat IBR 2008,
562). Unterlässt er dies, so fehlt es an einem schutzwürdigen Vertrauen als Grundlage
für einen Anspruch aus Verschulden bei Vertragsschluss. So liegt es hier. Wie
ausgeführt, ist das von der Klägerin angenommene Verständnis der
Ausschreibungspositionen bei der gebotenen objektiven Auslegung aus Sicht eines
potentiellen Bieters irrig oder zumindest fernliegend. Die Klägerin wäre daher gehalten
gewesen, sich vor der Abgabe des Angebotes durch Nachfrage bei der Beklagten zu
vergewissern.
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II.
5
Die Klägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb
von drei Wochen
Zugang dieses Beschlusses. Die Frist kann nach § 224 Abs. 2 ZPO nur verlängert
werden, wenn der Gegner zustimmt oder erhebliche Gründe glaubhaft gemacht werden.
Auf die Möglichkeit einer kostengünstigeren Zurücknahme des Rechtsmittels wird
hingewiesen (Nr. 1222 Kostenverzeichnis zu § 3 Abs. 2 GKG).
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