Urteil des OLG Köln vom 22.10.1999

OLG Köln: arglistige täuschung, bus, zustandekommen des vertrages, fristlose kündigung, widerklage, rückgabe, anfechtung, sparkasse, sicherheitsleistung, bürgschaft

Oberlandesgericht Köln, 19 U 138/98
Datum:
22.10.1999
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
19. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
19 U 138/98
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 20 O 124/98
Schlagworte:
arglistige Täuschung Mietkaufvertrag
Normen:
BGB §§ 123, 812; cic
Leitsätze:
1. Verschweigt der Verkäufer eines Reisebusses dem Käufer ihm
bekannte technische Probleme des Vorbesitzers des Busses beim
Einsatz des Reisebusses, kann der Käufer den zeitgleich
geschlossenen Mietkaufvertrag gegenüber dem Mietkaufvertragspartner
wegen arglistiger Täuschung anfechten, wenn der Verkäufer nicht Dritter
i.S.d. § 123 Abs. 2 BGB ist. 2. Läßt sich der Mietkäufer im Rahmen der
Rückabwicklung gezogene Nutzungen anrechnen, ist der
Mietkaufvertragspartner darlegungs- und beweispflichtig für ein höheres
anzurechnendes Nutzungsentgelt.
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln
vom 29.07.1998 - 20 O 124/98 - unter Zurückweisung der
weitergehenden Berufung teilweise abgeändert und wie folgt neu
gefasst: Die Klage wird abwiesen. Auf die Widerklage wird die Klägerin
verurteilt, an den Beklagten 18.406,23 DM nebst 5 % Zinsen aus
18.203,33 DM seit dem 16.04.1997 und aus weiteren 202,90 DM seit
dem 15.05.1998 zu zahlen. Im übrigen wird die Widerklage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des
Berufungsverfahrens werden zu 1,8 % dem Beklagten und zu 98,2 % der
Klägerin auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin
kann die Vollstreckung durch den Be-klagten durch Sicherheitsleistung
in Höhe von47.000,-- DM abwenden, wenn nicht der Beklagte vor-her
Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Der Beklagte kann die Vollstreckung
durch die Klä-gerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 600,00 DM
abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicher-heit in gleicher Höhe
leistet. Beiden Parteien wird nachgelassen, die jeweils zu erbringenden
Sicherheiten durch Beibringung einer selbstschuldnerischen Bürgschaft
einer deutschen Großbank, Volksbank oder öffentlich-rechtlichen
Sparkasse zu leisten.
T a t b e s t a n d :
1
Die Klägerin, die damals unter dem Namen C. Leasing GmbH firmierte, vermietete an
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den Beklagten für dessen Bustouristikunternehmen mit Mietkaufvertrag vom 29./30.
November 1995 einen gebrauchten I. Reisebus MAN, Typ Century. Diesen Bus hatte
der Beklagte zuvor bei der Firma I. Omnibusvertriebs GmbH in S. für 277.000,00 DM
bestellt, und zwar zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Fa. I. GmbH. In
diesen Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist unter Ziffer VII bestimmt, dass der
Kaufgegenstand unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung verkauft wird, wobei der
Anspruch auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung bei Fehlen zugesicherter
Eigenschaften unberührt bleiben sollte.
Der Kaufpreis von 277.000,00 DM wurde in dem Mietkaufvertrag der Parteien zur
Mietkaufberechnungsgrundlage gemacht. Als Mietbeginn wurde der 1. Januar 1996
vereinbart. Der Vertrag hatte eine Laufzeit von 61 Monaten. Es wurden folgende
Mietkaufraten vereinbart, die jeweils am 1. jeden Monats fällig waren:
3
Januar 1996 23.000,00 DM
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Februar und März 1996 jeweils 3.000,00 DM
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sodann für die Folgezeit:
6
in den Monaten
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April bis Dezember jeweils 5.050,00 DM
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in den Monaten
9
Januar bis März jeweils 3.000,00 DM
10
Januar 2001 (Schlusszahlung) 51.000,00 DM
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Der Bus wurde am 6. Dezember 1995 von dem Beklagten übernommen und auf ihn
zugelassen. Er wies zu diesem Zeitpunkt eine Gesamtlaufleistung von rund 340.000,00
km auf; die Erstzulassung des Busses war am 1. September 1992 erfolgt.
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Im Januar 1996 machte der Beklagte mehrere Mängel des Busses gegenüber der
Klägerin geltend. Wegen dieser Mängel einigte er sich sodann mit dem Lieferanten
durch Vermittlung der Klägerin auf einen von diesem zu zahlenden Abstandsbetrag in
Höhe von 4.000,00 DM.
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Mit Schreiben vom 6. März 1997 machte der Beklagte erneut mehrere Mängel des
Fahrzeugs gegenüber der Klägerin geltend und forderte diese auf, die Mängel bis zum
10. April 1997 zu beseitigen. Nach Einholung eines Gutachtens der Fa. DEKRA AG
vom 13. März 1997, in dem festgestellt wurde, dass es Beweise und Indizien dafür gibt,
dass der Bus nicht unfallfrei ist, erklärte der Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 19.
März 1997 gegenüber der Klägerin die Anfechtung des Mietkaufvertrages wegen
arglistiger Täuschung. Der Beklagte stellte sodann die Mietzahlungen ein und forderte
die Klägerin mit Schreiben vom 9. April 1997 unter Hinweis darauf, dass der Bus zum
15. April 1997 abholbereit zur Verfügung steht, auf, die geleistete 1. Rate (=
Sonderzahlung) in Höhe von 23.000,00 DM abzüglich einer Nutzungsentschädigung
von 4.791,67 DM, insgesamt also 18.208,33 DM an ihn bis zum 15. April 1997
zurückzuzahlen. Eine Zahlung seitens der Klägerin erfolgte nicht.
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Nachdem der Beklagte auch die Rate für den Monat Mai 1997 nicht an die Klägerin
gezahlt hatte, kündigte diese den Mietkaufvertrag mit Schreiben vom 26. Mai 1997
fristlos und forderte den Beklagten zur unverzüglichen Herausgabe des Busses auf.
Nach Rückgabe des Busses veranlasste die Klägerin eine Wertschätzung des
Fahrzeugs durch einen Sachverständigen, der einen Händlereinkaufswert in Höhe von
80.000,00 DM ermittelte. Anschließend veranlasste sie eine Instandsetzung des
Busses. Insgesamt wandte die Klägerin für die Abholung des Fahrzeugs, die Einholung
des Sachverständigengutachtens und die Instandsetzung des Busses 16.044,21 DM
auf. Nach Instandsetzung verleaste die Klägerin den Bus an die Fa. S. auf der Basis
einer Leasingberechnungsgrundlage von 185.000,00 DM.
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Die Klägerin hat mit der Klage von dem Beklagten die Zahlung der bis zur Kündigung
ausstehenden Mietkaufraten, sowie als Schadensersatz die abgezinsten künftigen
Mietkaufraten zuzüglich einer Vorfälligkeitsentschädigung verlangt, die sie in Höhe von
9.211,90 DM an die refinanzierende Bank gezahlt habe will. Insgesamt hat die Klägerin
folgenden Anspruch gegen den Beklagten errechnet, den sie mit der Klage geltend
gemacht hat:
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ausstehende Mietkaufraten:
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8/96, 4/97 + 5/97 =
18
3 x 5.050,00 DM 15.150,00 DM
19
1/97 + 2/97 = 6.000,00 DM
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2 x 3.000,00 DM 21.150,00 DM 21.150,00 DM
21
abgezinste Mietkaufraten 220.055,02 DM
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./. Nettoverwertungserlös 168.955,79 DM
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51.099,23 DM 51.099,23 DM
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Vorfälligkeitsentschädigung 9.211,90 DM
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81.461,13 DM
26
./. Mehrwertsteuergutschrift 37.455,00 DM
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44.006,13 DM
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Sie hat die Ansicht vertreten, der Beklagte könne im Hinblick auf den vereinbarten
Gewährleistungsausschluss keine Gewährleistungsansprüche gegen sie geltend
machen. Er habe deshalb den Mietkaufvertrag auch nicht wegen der behaupteten
Mängel kündigen können.
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Die Klägerin hat beantragt,
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den Beklagten zur verurteilen, an sie 44.006,13 DM nebst Zinsen in Höhe von 5 % über
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dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank auf jeweils 3.000,00 DM seit
dem 01.01. und 01.02.1997 und auf jeweils 5.050,00 DM seit dem 01.08.1996, 01.04.
und 01.05.1997, sowie auf 22.856,13 DM seit dem 13.12.1997 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er hat widerklagend beantragt,
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die Klägerin zu verurteilen, an ihn 19.532,21 DM nebst 10 % Zinsen aus 18.203,33 DM
seit dem 16.04.1997 und aus weiteren 1.328,88 DM seit Zustellung der Widerklage zu
zahlen.
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Der Beklagte hat behauptet, die Fa. I. GmbH sei ihm als Lieferant von der Klägerin
vermittelt worden. Seit dem 29. Dezember 1995 habe er den Bus bis März 1997
insgesamt 15mal in Reparatur geben müssen. Gleichwohl hätten im März 1997 noch
erhebliche nicht behobene Defekte vorgelegen, durch die der Bus insbesondere für
Fernreisen untauglich gewesen sei. Bei dem Bus habe es sich um einen
Finanzierungsrückläufer gehandelt, der von der Klägerin bereits an einen Vorbesitzer
vermietet gewesen sei, von diesem aber zurückgegeben worden sei. Der Klägerin sei
die Reparaturanfälligkeit des Busses aufgrund der Angaben des Vormieters, des
Zeugen B., bekannt gewesen. Der Bus habe außerdem einen gravierenden
Unfallvorschaden gehabt, welcher der Klägerin ebenfalls bekannt gewesen sei. Er sei
deshalb zur Anfechtung des Vertrages berechtigt gewesen. Jedenfalls stehe ihm ein
Kündigungsrecht zu, da der Gewährleistungsausschluss in den Allgemeinen
Geschäftsbedingungen der Klägerin unwirksam sei.
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Mit seiner Widerklage hat der Beklagte von der Klägerin die Rückzahlung der von ihm
bei Vertragsbeginn geleisteten Sonderzahlung in Höhe von 23.000,00 DM abzüglich
einer Nutzungsentschädigung für 13 Monate à 319,44 DM = 4.152,72 DM und zuzüglich
der von ihm für das DEKRA-Gutachten und für eine Achsvermessung aufgewandten
Beträge von 361,23 DM und 323,70 DM verlangt.
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Die Klägerin hat beantragt,
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die Widerklage abzuweisen.
39
Durch Urteil vom 29.07.1998, auf dessen Inhalt wegen sämtlicher Einzelheiten Bezug
genommen wird, hat das Landgericht der Klage bis auf einen Teil der Zinsen
stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Es hat die Kündigung des
Mietkaufvertrages durch die Klägerin für wirksam gehalten, da der Beklagte weder durch
seine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung noch durch die fristlose Kündigung den
Vertrag zuvor wirksam beendigt habe.
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Gegen dieses ihm am 04.08.1998 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit am 02.09.1998
bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung
der Berufungsbegründungsfrist bis zum 02.11.1998 mit einem am selben Tag bei
Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
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In der Berufungsinstanz wiederholt und vertieft der Kläger sein erstinstanzliches
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Vorbringen. Er vertritt zusätzlich die Ansicht, dass der Mietkaufvertrag sowohl wegen
Wuchers als auch wegen Sittenwidrigkeit nichtig sei.
Der Beklagte beantragt,
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unter Abänderung des Landgerichtsurteils nach seinen erstinstanzlichen
Schlussanträgen zu erkennen, hilfsweise,
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dem Beklagten nachzulassen, etwaige Sicherheit durch die Beibringung einer
Bürgschaft einer deutschen Großbank, Volksbank oder Sparkasse erbringen zu können.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung des Beklagten kostenpflichtig zurückzuweisen; im Falle der Anordnung
einer Sicherheitsleistung der Klägerin nachzulassen, diese auch durch eine
selbstschuldnerische Bürgschaft einer
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deutschen Großbank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse zu leisten.
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Auch die Klägerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie tritt den
Ausführungen des Beklagten zum Wucher und zur Sittenwidrigkeit des Vertrages
entgegen. Darüber hinaus vertritt sie insbesondere die Ansicht, dass das
Kündigungsrecht gem. § 542 BGB durch Ziff. 2.8 ihrer Allgemeinen
Geschäftsbedingungen ausgeschlossen sei.
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Der Senat hat gem. Beweisbeschluss vom 23.04.1999 (Bl. 213, 213R d. A.) Beweis
erhoben durch Vernehmung der Zeugen B., Sch. und Schw. sowie des
sachverständigen Zeugen N.. Wegen der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf Bl.
231 ff. d. A. verwiesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den
vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst
eingereichter Unterlagen Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
52
Die form- und fristgerecht eingelegte und auch im übrigen zulässige Berufung des
Beklagten hat in der Sache überwiegend Erfolg. Der Klägerin stehen gegen den
Beklagten keine Ansprüche aus der von ihr erklärten Kündigung des Mietkaufvertrags
zu, da der Beklagte den Vertrag bereits zuvor wirksam angefochten hatte. Hingegen
stehen dem Beklagten gegen die Klägerin Ansprüche in Höhe von 17.721,30 DM gem.
812 Abs. 1 BGB und in Höhe von 684,93 DM aus Verschulden bei Vertragsschluss zu.
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I.
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Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats
fest, dass die Klägerin den Beklagten bei Abschluss des Mietkaufvertrages arglistig
getäuscht hat, indem der Zeuge S., dessen Handeln sich die Klägerin zurechnen lassen
muss, dem Beklagten - jedenfalls - die Reparaturanfälligkeit des Busses sowie die
bestehenden Probleme mit den Vorderreifen verschwiegen hat. Allein dieser Umstand
berechtigte den Beklagten zur Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung,
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ohne dass es noch darauf ankommt, ob der Bus einen - nicht ordnungsgemäß
reparierten - Unfallschaden aufweist, wofür allerdings nach Ansicht des Senats alles
spricht.
Dass es sich bei dem Bus um ein sehr reparaturanfälliges Fahrzeug handelte, der
insbesondere ein - in den Ursachen damals nicht abschließend geklärtes - Problem im
Bereich der Vorderachse hatte, und dass dem Zeugen S. dies im Zeitpunkt des
Abschlusses des Mietkaufvertrages bekannt war, steht nicht nur aufgrund der Aussage
des Zeugen B., sondern auch aufgrund der Aussage des Zeugen S. fest.
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Der Zeuge B. hat glaubhaft bekundet, dass die hohe Reparaturanfälligkeit (Kupplung,
Getriebe, Reifen etc.) und der damit verbundene häufige Ausfall des Busses ihn
wirtschaftlich derartig belastet haben, dass er die Raten für den Bus nicht mehr zahlen
konnte, zumal im Zeitpunkt der Rückgabe des Busses an den Zeugen S. schon wieder
Reparaturen in Höhe eines Betrages von 20.000,00 DM angestanden hätten. Er hatte
während seiner nur ca. 2jährigen Besitzzeit bereits Reparaturkosten von rund 70.000,00
DM aufgewandt. Darüber hinaus hat nach seinen Angaben an dem Bus ein ungeklärtes
Problem an der Vorderachse bestanden. Die Vorderreifen seien jeweils nach
ungewöhnlich kurzer Laufzeit beide innen abgefahren gewesen. Er habe deshalb
während seiner Besitzzeit 3 Reifensätze verschiedener (Marken-) Firmen montiert und
bei allen den schnellen Verschleiß gehabt. Im Zeitpunkt der Rückgabe des Busses
seien die Vorderreifen bereits wiederum - wie beschrieben - abgefahren gewesen.
Letzteres wird bestätigt durch das aus Anlass der Rückgabe des Busses durch den
Zeugen B. von der Klägerin eingeholte DAT-Schätzgutachten vom 16.11.1995 (Bl. 247
ff. d. A.), demzufolge die Vorderreifen Marke Dunlop innen abgefahren waren (Bl. 248,
251 d. A.). Zudem hat der Zeuge B. bekundet, dass er dem Zeugen S. bei Rückgabe
eine Mängelliste übergeben habe, aus der sich unter anderem ergeben habe, dass die
Bremsen des Busses nicht mehr hielten, obwohl noch der halbe Bremsbelag vorhanden
war. Auch dies wird durch das bereits genannte DAT-Gutachten bestätigt, demzufolge
die Bremswerte nicht in Ordnung waren (Bl. 251 d. A.).
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Der Zeuge S. hat diese Aussage des Zeugen B. weitgehend bestätigt. Ihm war nach
seinen Angaben bekannt, dass der Zeuge Probleme mit den Schaltzügen zum Getriebe,
dem Getriebe und der Kupplung sowie insbesondere mit den Vorderreifen hatte. Er hat
alledem lediglich kein Gewicht bei beigemessen, was daraus folgt, dass er den
Verschleiß der Vorderreifen auf die - nach Aussage des Zeugen B. und dem DAT-
Gutachten nicht vorhandene - schlechte Qualität der von dem Zeugen B. aufgezogenen
Reifen geschoben hat. Nach seinen eigenen Worten hat er sich um dieses Problem
überhaupt nicht gekümmert.
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Der Zeuge S. hat es unterlassen, dem Beklagten diese ihm bekannten Informationen
über den Bus mitzuteilen, obwohl er dazu verpflichtet gewesen wäre. Denn sowohl die
hohe Reparaturanfälligkeit des Busses als auch insbesondere das - in seiner Ursache
damals ungeklärte - Problem des schnellen Abfahrens der Vorderreifen waren
offenbarungspflichtige Tatsachen. Derartige Umstände sind ersichtlich für den Kauf-
/Mietkaufentschluss eines Busunternehmers, der darauf angewiesen ist, dass er den
Bus ständig einsetzen kann, von ausschlaggebender Bedeutung. Sie müssen daher
ungefragt offenbart werden. Dies war dem Zeugen S., der in dieser Branche seit Jahren
tätig ist, auch bewusst. Er war daher zur Offenbarung dieser Umstände verpflichtet,
selbst wenn er möglicherweise aufgrund der ihm ebenfalls bekannten
Vermessungsergebnisse bei der Fa. M. davon überzeugt war, dass diese einen
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"harmlosen" Hintergrund hatten. Jedenfalls wusste er aufgrund des DAT-Gutachtens,
das nach seinen Bekundungen für ihn stets Grundlage der dann bei ihm durch die
Klägerin in Auftrag gegebenen Reparatur des Busses war, dass z. B. das
Vorderreifenproblem weiterhin bestand. Indem er dem Beklagten all dies verschwiegen
hat, obwohl er um die Bedeutung dieser Umstände für den Kaufentschluss des
Beklagten wissen musste, hat er diesen arglistig getäuscht. Diese bei Abschluss des
Kaufvertrages mit dem Zeugen S. erfolgte arglistige Täuschung hat fortgewirkt auf den
nahezu zeitgleich von dem Beklagten abgeschlossenen Mietkaufvertrag mit der
Klägerin.
Die Klägerin muss sich die arglistige Täuschung durch den Zeugen S. anrechnen
lassen, da er nicht Dritter im Sinne des § 123 Abs. 2 BGB ist. Dritter ist nur ein am
Geschäft Unbeteiligter. Kein Dritter ist, wer auf Seiten des Erklärungsgegners (hier der
Klägerin) steht und maßgeblich am Zustandekommen des Vertrages mitgewirkt hat.
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Aufgrund der Aussage des Zeugen S. steht
fest, dass sich die Klägerin dessen Täuschungshandlung zurechnen lassen muss. Denn
zwischen der Klägerin und dem Zeugen S. bestand bezüglich dieses Busses eine
ständige Geschäftsbeziehung. So war es schon der Zeuge S., der für den Zeugen B.
während dessen Vertragslaufzeit mit der Klägerin Ansprechpartner für alles war, was
den Bus anbetraf. Sodann hat der Zeuge B. den Bus auf Weisung der Klägerin dem
Zeugen S. zurückgegeben. Dort ist er im Auftrag der Klägerin -jedenfalls behauptet der
Zeuge S., dass dies immer so geschehen sei- repariert worden und sodann vom Zeugen
S. von der Klägerin zurückgekauft wurde. Ganz entscheidend ist aber, dass der
Beklagte durch den Mitarbeiter der Klägerin, den Zeugen H., an den Zeugen S.
verwiesen worden ist, als der Beklagte einen Bus suchte, den er über die Klägerin
finanzieren wollte. Dies hat der Zeuge S. entgegen der Darstellung der Klägerin
ausdrücklich und vor allem ungefragt bei seiner Vernehmung erklärt.
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Aufgrund der nach alledem wirksamen Anfechtung des Mietkaufvertrages durch den
Beklagten ist dieser gem. § 142 Abs. 1 BGB als von Anfang an nichtig anzusehen mit
der Folge, dass dem Beklagten gegen die Klägerin der geltend gemachte Anspruch auf
Rückzahlung der Sonderzahlung aus § 812 Abs. 1 BGB zusteht. Im Rahmen der
Saldotheorie muss sich der Beklagte allerdings die von ihm gezogenen Nutzungen
anrechnen lassen. Dem hat der Beklagte Rechnung getragen, indem er ein auf die
Laufzeit des Mietkaufvertrages bezogenes monatliches Nutzungsentgelt errechnet und
dieses mit der Zahl der Monate, während der er den Bus benutzt hat, multipliziert hat.
Hierbei ist ihm allerdings insoweit ein Fehler unterlaufen, als er von einer
Vertragslaufzeit von 72 Monaten ausgegangen ist. Tatsächlich sollte diese jedoch nur
61 Monate betragen (Bl. 1 AH). Dementsprechend ergibt sich folgende Berechnung:
61
23.000,00 DM : 61 = 377,05 DM
62
377,05 DM x 14 Monate (01/96 - 02/97)
63
= 5.278,70 DM Nutzungsentgelt.
64
Abgezogen von 23.000,00 DM ergibt sich damit eine Rückzahlungsforderung des
Klägers in Höhe von 17.721,30 DM.
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Die Klägerin, die für ein höheres anzurechnendes Nutzungsentgelt darlegungs- und
beweispflichtig ist, hat nur gerügt, dass der von dem Beklagten vorgenommene Abzug
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zu gering sei. Dies reicht erkennbar nicht aus und trifft zudem deshalb nicht zu, weil der
Beklagte während der Laufzeit des Mietkaufvertrages ohnehin schon über 35.000,00
DM Miete, mithin Nutzungsentgelt, gezahlt hat.
II.
67
Der Anspruch des Beklagten auf Ersatz der Gutachter- und Vermessungskosten in Höhe
von 684,93 DM folgt aus Verschulden bei Vertragsschluss (c.i.c.). Hätte der Zeuge S.,
dessen Verhalten, wie ausgeführt, die Klägerin sich zurechnen lassen muss, den
Beklagten über die Reparaturanfälligkeit und insbesondere den nicht geklärten Fehler
im Bereich der Vorderreifen aufgeklärt, hätte der Beklagte den Bus nicht gekauft. Er ist
daher so zu stellen, wie er ohne den Vertragsschluss stehen würde. Dann hätte er die
Untersuchungskosten nicht aufwenden müssen. Sie stellen daher einen ersatzfähigen
Schaden dar.
68
III.
69
Zinsen stehen dem Beklagten als Kaufmann lediglich in Höhe von 5 % gem. §§ 284,
286 BGB, § 352 HGB zu. Die Klägerin hat die von dem Beklagten geltend gemachten
Zinsen in Höhe von 10 % bestritten; der Beklagte hat für einen weitergehenden
Zinsschaden nichts dargelegt und auch keinen Beweis angetreten.
70
IV.
71
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91,92, 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Streitwert für das Berufungsverfahren: 63.538,34 DM.
73
Wert der Beschwer für die Klägerin: 62.412,36 DM.
74
Wert der Beschwer für den Beklagten: 1.125,98 DM.
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