Urteil des OLG Köln vom 05.05.2009

OLG Köln: umkehr der beweislast, wiederherstellung des ursprünglichen zustandes, rechtliches gehör, schweres verschulden, vorschuss, abrede, verantwortlichkeit, verfügung, vollstreckung, verkehrswert

Oberlandesgericht Köln, 23 U 9/08
Datum:
05.05.2009
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
23. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
23 U 9/08
Vorinstanz:
Amtsgericht Wesel, 2 Lw 65/08
Tenor:
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts –
Landwirtschaftsgericht – Wesel vom 17.7.2008 (2 Lw 65/06) wird mit der
Maßgabe zurückgewiesen, dass der den Klägern zuerkannte Betrag von
82.500,-- € für die Beseitigung der Bodenverunreinigungen nur als
Vorschuss zugesprochen wird.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der in diesem
angefallenen Kosten des Streithelfers trägt der Beklagte.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung kann der
Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des
vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn vor der Vollstreckung nicht
Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages
geleistet wird.
4. Die Revision wird zugelassen.
Gründe:
1
I.
2
Die Kläger nehmen den Beklagten aus einem mit ihrer Rechtsvorgängerin am 31.3.1978
geschlossenen Landwirtschaftspachtvertrag auf Ersatz von Schäden in Anspruch, die
ihnen dadurch entstanden seien, dass ein etwa 2500 qm großer Teil der Pachtfläche,
eine ehemalige Bodensenke, während der Pachtzeit mit nicht ackerbaufähigem und
kontaminiertem Bodenmaterial aufgefüllt worden sei. Der Beklagte hat sich im
wesentlichen mit dem Einwand verteidigt, das Material sei nicht von ihm, sondern von
dem Streithelfer der Kläger, an den er die Fläche unterverpachtet hatte, aufgebracht
worden. Daher sei nicht er, sondern der Streithelfer verantwortlich. Außerdem sei der
geforderte Schadensersatz unverhältnismäßig. Das Landwirtschaftsgericht hat der
Klage stattgegeben. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des
3
erstinstanzlichen Streitstandes wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Mit der Berufung verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Abweisung der Klage fort. Zur
Begründung führt er im wesentlichen aus: Das Landwirtschaftsgericht habe
verfahrensfehlerhaft einen Schriftsatz des Beklagten aus dem Verfahren 2 Lw 64/06 AG
Wesel (Klage des Beklagten gegen den hiesigen Streithelfer) verwertet und aus diesem
eine Umkehr der Beweislast hergeleitet. Hätte das Landwirtschaftsgericht insoweit zuvor
rechtliches Gehör gewährt, so hätte er darauf hingewiesen, dass er in dem mit
Schriftsatz vom 24.1.2007 vorgelegten Schriftsatz aus dem Parallelverfahren vom
gleichen Tage nur ausgeführt habe, die Feststellungen des Gutachtens legten nahe,
dass der (dortige) Beklagte (= Streithelfer) den von ihm eingebrachten Sand nicht
vollständig entfernt habe und daher für die Kontaminationen verantwortlich sei. Das
Landwirtschaftsgericht habe zudem zu Unrecht nicht zwischen den beiden Ursachen a)
(erhöhte Werte an Schwermetallen und PCB) und b) (verunreinigtes und nicht
ackerfähiges, weil nicht durchwurzelbares Bodenmaterial) unterschieden. Ungeklärt sei
zunächst, ob das bei den Bodenproben festgestellte Verfüllmaterial durch den
Streithelfer als Unterpächter oder durch andere Verursacher zu früheren Zeiten
eingebracht worden sei. Grund zu weiterer Aufklärung habe bestanden, weil die Mulde
unstreitig seit jeher ein "Wasserloch" und für landwirtschaftliche Zwecke nur
eingeschränkt nutzbar gewesen sei. Möglicherweise hätten schon frühere Pächter oder
Rechtsvorgänger der Kläger die Fläche aufgefüllt. Ob bei dieser Situation mit dem
Landwirtschaftsgericht tatsächlich von einer Umkehr der Beweislast auszugehen sei,
erscheine eher zweifelhaft. Jedenfalls werde unter Beweis durch Auskunft des Kreises
Wesel und Zeugnis des Streithelfers gestellt, dass dieser den aufgebrachten Sand
wieder vollständig abgefahren habe. Im übrigen könne selbst dann, wenn die Ursache
b) erwiesen sei, dem Landwirtschaftsgericht hinsichtlich der Ursache a) nicht gefolgt
werden. Das Landwirtschaftsgericht habe verkannt, dass der gerichtliche Gutachter
PCB-Werte auch außerhalb der Bodensenke festgestellt habe (Gutachten Ziffer 4. = Bl.
128 d.A.). Es sei nicht erwiesen, dass diese Kontamination während der Pachtzeit des
Beklagten verursacht worden sei. Denkbar seien Schwermetallimmissionen aus dem
nahen Ruhrgebiet während der Vor- oder Nachkriegszeit. Er – der Beklagte – habe die
Ackerflächen nur herkömmlich genutzt und üblich gedüngt. Bis 1988 habe er mit
Klärschlamm des Lippeverbandes gedüngt, der nach dem Schreiben des
Lippeverbandes vom 15.12.2006 (Bl. 106 = 236 d.A.) entsprechend der
Klärschlammverordnung untersucht und ordnungsgemäß gewesen sei, so dass kein
Zusammenhang mit den Bodenverunreinigungen bestehe. Die Verantwortlichkeit des
Beklagte für die Ursache a) könne auch nicht dahingestellt bleiben, weil er für die
Ursache b) einzutreten habe. Jede Auskofferung und Entsorgung nicht geeigneten
Materials würde letztlich im wesentlichen die gleichen Kosten verursachen, wie sie der
Gutachter ausgewiesen habe. Daher sei das Auskofferungsverlangen gegenüber dem
Beklagten unverhältnismäßig und widerspreche § 251 Abs. 2 BGB. Überhaupt sei zu
berücksichtigen, dass es sich um einen minderwertigen Grundstücksbereich handele,
der für die landwirtschaftliche Nutzung nur eingeschränkt geeignet sei. Diese könne
ohnehin nur durch eine aufwändige Sanierung erzielt werden, so dass sich das Problem
der Sowieso-Kosten und Vorteilsausgleichung stelle. Vom Austausch des Bodens sei
selbst unter Berücksichtigung der PCB-Belastung abzusehen, da hiervon keine
erheblichen Umweltgefahren ausgingen.
4
Die Kläger beantragen die Zurückweisung der Berufung und erwidern: Zwar habe der
Beklagte erstinstanzlich schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung vorgetragen,
dass er die Mulde nicht selbst verfüllt habe. Es sei aber nicht nachzuvollziehen, weshalb
5
der Beklagte nun in Abrede stelle, dass die Verunreinigungen während der Pachtzeit
herbeigeführt worden seien. Unstreitig sei, dass sich noch während der Pachtzeit in der
Mulde ein "Wasserloch" befunden habe. Da die Mulde bei Rückgabe des Pachtobjekts
zum 1.1.2006 nicht mehr vorhanden gewesen sei, müsse die Verfüllung während der
Pachtzeit erfolgt sein. Da das Material nach den Feststellungen des Sachverständigen
kontaminiert und wasserundurchlässig sei, müsse notwendigerweise dieses belastete
und wasserundurchlässige Material während der Pachtzeit aufgebracht worden sein.
Soweit der Beklagte die Verursachung der Kontamination durch frühere Pächter oder
Rechtsvorgänger der Kläger oder Immissionen aus dem Ruhrgebiet behaupte, handele
es sich um Spekulation und zudem verspäteten Vortrag. Hinsichtlich des Einwandes,
dass auch außerhalb der verfüllten Senke – möglicherweise durch Düngungen
verursachte - PCB-Werte festgestellt worden seien, verweisen sie darauf, dass nur die
im Bereich der Senke vorgefundenen Profile 2 und 3 die Einstufung Z 1.2 aufwiesen, bei
der eine agrarische Nutzung untersagt sei. Eine von ihnen nicht hinzunehmende
Verschlechterung des Boden sei unabhängig davon entstanden, ob der Boden in den
tieferen Schichten wasserundurchlässig sei. Der Einwand der Unverhältnismäßigkeit
des Schadensersatzverlangens sei unbegründet. Sie forderten nur die Kosten für die
Beseitigung der Verfüllung. Den insoweit verlangten Betrag von 82.500,-- € für die
Beseitigung machen die Kläger als Vorschussanspruch geltend.
Der Streithelfer der Kläger schließt sich deren Berufungsantrag an und stellt unter
Beweis, dass der von ihm aufgebrachte Sandboden nicht belastet gewesen sei. Da die
Einbringung des Sandbodens für ihn unwirtschaftlich gewesen sei, habe er den Boden
nach kurzer Zeit wieder vollständig entfernen lassen. Die Mulde müsse daher schon vor
Beginn des Unterpachtverhältnisses im wesentlichen aufgefüllt gewesen sein.
6
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze
der Beteiligten sowie die sonstigen zu den Akten gereichten Unterlagen verwiesen.
7
II.
8
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
9
Das Landwirtschaftsgericht hat der Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung
stattgegeben. Die Einwendungen der Berufung greifen nicht durch.
10
1.
11
Fest steht, dass die Mulde während der Pachtzeit des Beklagten verfüllt worden ist. Dies
ist erstinstanzlich zunächst nicht bestritten worden (auch nicht vom Streithelfer, was aber
schon deshalb unerheblich ist, weil dieser auf Seiten der Kläger beigetreten ist). Erst in
dem in der letzten mündlichen Verhandlung beim Landwirtschaftsgericht übergebenen
Schriftsatz vom 26.6.2008 hat er ganz pauschal in Abrede gestellt, dass die Einbringung
der Bodenverunreinigungen innerhalb der Pachtzeit erfolgt sei. Das ist wie sein jetziger
Vortrag völlig unsubstantiiert und steht im Widerspruch dazu, dass alle Beteiligte – ins –
12
besondere auch gegenüber den Sachverständigen (gerichtliches Gutachten des
Sachverständigen I vom 29.6.2007, S. 9 = Bl. 133 d.A., vorgerichtliche Gutachten des
Sachverständigen H vom 19.6.2006, S. 2 = Bl. 33 d.A.) – angegeben haben, dass die
Mulde vor der Pachtzeit noch nicht aufgefüllt war. Selbst in dem Schriftsatz vom
26.7.2007, in dem der Beklagte die Einholung einer ergänzenden Stellungnahme des
13
Sachverständigen beantragt hat, hat er dies nicht bestritten. Damit ist als feststehend
davon auszugehen, dass die von den Sachverständigen untersuchte etwa 1,5 m dicke
Bodenschicht während der Pachtzeit aufgefüllt worden ist.
2.
14
Aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen I steht ferner fest, dass das
aufgebrachte Material mit Teerresten, Ziegeln und Betonresten verunreinigt sowie als
tonig schluffiger Boden nicht durchwurzelbar ist und daher keinem ackerfähigen Boden
entspricht (Gutachten vom 29.6.2007, S. 7 = Bl. 131 d.A.; Ursache b). Außerdem ist es
mit Schwermetallen und PCB verunreinigt (Ursache a). Die hiergegen erhobenen
Einwände des Beklagten sind zum einen im Berufungsverfahren neu und daher nach §
531 Abs. 2 ZPO verspätet. Sie sind aber auch sachlich unbegründet. Der
Sachverständige hat die hohen Belastungen, die eine agrarische Nutzung ausschließen
und eine Entfernung des Materials erfordern (Werte Z 1.2), bei den Profilen 2 und 3
ermittelt (Gutachten vom 29.6.2007, S. 3 = Bl. 127 f.). Diese liegen in dem verfüllten
Bereich (Gutachten vom 29.6.2007, S. 10 = Bl. 134 d.A.). Das Profil 6 hat er nicht
analysiert, weil es den Profilen 2 und 3 entsprach. Also ist davon auszugehen, dass
dieses ebenfalls im Bereich der verfüllten Mulde aufgefundene Material in gleichem
Maße kontaminiert war. Demgegenüber wiesen die Profile aus dem nicht verfüllten
Bereich nur Werte von Z 0 und Z 1.1 auf. Der in der mündlichen Verhandlung
vorgebrachte Einwand, die in der Senke aufgefundenen erhöhten Kontaminationswerte
beruhten möglicherweise darauf, dass Schadstoffe von außerhalb der Mulde in diese
hineingespült worden seien, ist unerheblich. Denn dies würde nichts daran ändern, dass
das aufgebrachte Material kontaminiert worden ist. Dazu wäre es nicht gekommen,
wenn die Senke nicht verfüllt worden wäre. Mit der Klage wird aber nur Ersatz für die
Beseitigung dieses Materials verlangt. Dass ohne den Auftrag des Bodenmaterials
ebenfalls ein entsprechender Beseitigungsaufwand angefallen wäre, hat der Beklagte,
der für diesen Einwand von Sowieso-Kosten darlegungs- und beweispflichtig ist
(Helling in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Handbuch der Beweislast, 3. Aufl., § 249 Rdn.
26 ff.), nicht dargetan; dies ist auch sonst nicht ersichtlich.
15
3.
16
Darauf, wer die Mulde während der Pachtzeit verfüllt hat, der Beklagte oder der
Streithelfer, kommt es nicht an, da der Beklagte - wie das Landwirtschaftsgericht richtig
ausgeführt hat – auch für seinen Unterpächter, den Streithelfer der Kläger, haftet (§ 589
Abs. 2 BGB). Die hierauf bezogenen Ausführungen in der Berufungsbegründung zur
Frage der Beweislastumkehr (und die damit zusammenhängende Frage der Verwertung
des dortigen Vortrages aus dem Parallelprozess 2 Lw 64/06 AG Wesel) betreffen daher
allein das Verhältnis zum Streithelfer. Für das vorliegende Verfahren sind sie ohne
Belang. Da feststeht, dass die Verfüllung während seiner Pachtzeit erfolgt ist, müsste
der Beklagte eine von ihm nicht zu vertretende Ursache dartun und beweisen (vgl.
Münchener Kommentar/Bieber, BGB, 5. Aufl., § 538 Rdn. 7; Palandt/Weidenkaff, BGB,
68. Aufl., § 538 Rdn. 4). Daran fehlt es.
17
4.
18
Als Schadensersatz können die Kläger die von ihnen ausschließlich eingeklagten und
in der Höhe von mindestens 82.500,-- € nicht mehr in Abrede gestellten Kosten für die
Beseitigung des aufgefüllten Bodens verlangen (sowie die Gutachterkosten von 1.653,--
19
€).
a) Der Boden muss nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen zum
einen wegen der Kontamination ausgetauscht werden. Seine Einschätzung, dass die
Beseitigung des aufgebrachten Bodens zur Vermeidung von Umweltgefahren
erforderlich ist, hat der Sachverständige auch in seinem Ergänzungsgutachten vom
10.1.2008 aufrechterhalten. Der Austausch ist darüber hinaus notwendig, um anderen
ackerbaufähigen Boden auffüllen zu können. Dass die Mulde durch Aufbringung
geeigneten Bodens ungeachtet der darunter liegenden Verdichtung agrartauglich
gemacht werden kann, nimmt der Sachverständige ohne weiteres an (Gutachten vom
29.6.2007, S. 9 unten /10 oben = Bl. 133 f. d.A.). Auch gegen diese überzeugende
Feststellung bestehen keine Bedenken.
20
b) Bei den als Ersatz geforderten Aufwendungen handelt es sich ersichtlich nicht um
Sowieso-Kosten, so dass der diesbezügliche Einwand des Beklagten fehl geht. Auch
sein schadensrechtlicher Einwand der Unverhältnismäßigkeit greift nicht durch. Der
Beklagte meint, im Hinblick auf den geringen Bodenwert sei der von den Klägern
geltend gemachte Schadensersatz unverhältnismäßig i.S.v. § 251 Abs. 2 BGB. Dies ist
– wie das Landwirtschaftsgericht zutreffend ausgeführt hat - jedenfalls mit Rücksicht auf
die Kontamination des aufgebrachten Bodens mit Giftstoffen zu verneinen. Bei
ökologischen Schäden kann die Verhältnismäßigkeitsgrenze nicht mit dem materiellen
Wert des beschädigten Gutes gleichgesetzt werden (Oetker in: Münchener Kommentar §
251 Rdn. 57 m.w.N.; Palandt/Heinrichs § 251 Rdn. 8). So bestimmen § 16 Abs. 1
UmweltHG und § 32 Abs. 7 GenTG, dass Aufwendungen für die Wiederherstellung des
ursprünglichen Zustandes nicht allein deshalb unverhältnismäßig sind, weil sie den
Wert der Sache übersteigen. Je nach Bedeutung des Gutes sind Abstufungen bei der
Beurteilung der Verhältnismäßigkeit möglich (Oetker a.a.O.). Im Hinblick auf die die
häufig große ökologische Bedeutung geringwertiger Sachen darf sich die
Unverhältnismäßigkeit nicht vor allem am Sachwert des zerstörten oder beschädigten
Gegenstandes orientieren. Im Umwelthaftungsrecht müssen vielmehr andere Maßstäbe
gelten (vgl. Gesetzesbegründung zu § 16 UmweltHG, BT-Drucksache 11/7104 S. 21,
auch abgedruckt bei Schmidt-Salzer, Kommentar zum Umwelthaftungsrecht, § 16
UmweltHG Rdn 1). Die Obergrenze des Aufwendungsersatzes für die
Schadensbeseitigung ist nach den Gegebenheiten des Einzelfalls unter
Berücksichtigung des entstandenen ökologischen Schadens und des Grundsatzes der
Verhältnismäßigkeit festzulegen (vgl. Gesetzesbegründung zu § 16 UmweltHG a.a.O.).
Diese Maßstäbe gelten für den Ersatz von Umweltschäden auch außerhalb des von
UmweltHG und GenTG erfassten Bereichs, wobei letztlich dahinstehen kann, ob dies
aus einer Analogie zu den genannten Vorschriften folgt (in diese Richtung etwa Salje,
UmweltHG, § 16 Rdn. 15; wohl auch Oetker und Palandt/Grüneberg jew. a.a.O.;
dagegen Kohler in: Staudinger, BGB, Umwelthaftungsrecht, Bearb. 2005, § 16
UmweltHG Rdn. 15; offen lassend BGH NJW 2006, 1424, 1425) oder aus einer
entsprechend dem Leitbild der §§ 16 Abs. 1 UmweltHG und 32 Abs. 7 GenTG
weiterentwickelten Auslegung des § 251 Abs. 2 BGB (so wohl Kohler a.a.O.).
21
Danach bestehen hier keine durchgreifenden Bedenken gegen die volle Zuerkennung
des begehrten Schadensersatzes. Von einer Beseitigung des ungenehmigt und auch
nicht genehmigungsfähig aufgebrachten Bodenmaterials müssen die Kläger nicht
absehen. Dies wäre allenfalls bei eindeutig unbedenklichen Kontaminationswerten der
Fall. Dass die Kläger die ernsthafte Absicht haben, das Material zu beseitigen, zeigt sich
daran, dass sie im Berufungsverfahren klargestellt haben, die entsprechenden Kosten
22
nur als abzurechnenden Vorschuss geltend zu machen. Dabei ist zum einen zu
berücksichtigen, dass die Entfernung des Materials erforderlich ist, um anderen
ackerbaufähigen Boden auffüllen zu können. In die Prüfung der Unverhältnismäßigkeit
fließen ferner Verschuldensgesichtspunkte ein. Schon für allgemeine, nicht ökologische
Schäden ist anerkannt, dass bei der Frage nach der Unverhältnismäßigkeit nicht nur
das reine Wertverhältnis, sondern auch andere Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind.
So können bei vorsätzlichen Vertragsverletzungen oder sonstigem schweren
Verschulden dem Schuldner sonst unverhältnismäßige Aufwendungen zuzumuten sein
(BGH NJW 1988, 699, 700 = MDR 1988, 213; OLG Celle NJW-RR 2004, 1681). So
verhält es sich hier. Das kontaminierte Bodenmaterial ist entweder durch den Beklagten
selbst oder durch den Streithelfer aufgebracht worden. Das Aufbringen erfolgte in jedem
Falle vorsätzlich und ist als schweres Verschulden zu werten, wobei ein etwaiges
Verschulden des Streithelfers der Kläger dem Beklagten nach § 589 Abs. 2 BGB
zuzurechnen ist. Das in der mündlichen Verhandlung unterbreitete Angebot des
Beklagten, den Klägern eine Ersatzfläche zur Verfügung zu stellen, fällt bei der
Abwägung schon deshalb nicht ins Gewicht, weil nicht feststeht, dass die Ersatzfläche
für die Kläger ihrer räumlichen Lage nach im Hinblick auf die Bewirtschaftung der
Gesamtfläche gleichwertig ist.
Darauf, ob die Kläger zu befürchten haben, dass sie behördlich in vollem Umfang auf
Beseitigung des kontaminierten Bodenmaterials in Anspruch genommen werden
können oder ob diese Inanspruchnahme nach den vom BVerfG aufgestellten
Maßstäben auf den Verkehrswert der beeinträchtigten Grundstücksfläche begrenzt wäre
(dazu BVerfGE 102, 1 = NJW 2000, 2573), kommt es nicht entscheidend an. Die vom
Beklagten zur Stützung seines gegenteiligen Standpunktes herangezogene
Entscheidung des OLG Hamm vom 18.12.2008 – 5 U 104/08 – überzeugt nicht. Ihr kann
nicht gefolgt werden, soweit dort die für die öffentlich-rechtliche Verantwortlichkeit des
Grundstückseigentümers geltende Beschränkung des zumutbaren Aufwandes auf den
Verkehrswert auf die im Verhältnis zwischen zivilrechtlichem Schädiger und
Geschädigten vorzunehmende Prüfung der Unverhältnismäßigkeit nach § 251 Abs. 2
BGB übertragen wird. Dabei mag dahinstehen, ob der dieser Entscheidung zugrunde
liegende Sachverhalt in allen wesentlichen Punkten – namentlich hinsichtlich der vom
geschädigten Eigentümer beabsichtigten weiteren Nutzung des beschädigten
Grundstückes und in Bezug auf ein etwaiges Verschulden des Schädigers – mit dem
vorliegenden Fall übereinstimmt.
23
c) Der Schadensersatz steht den Klägern, soweit er wegen der Beseitigung der
ökologischen Schäden über die Verhältnismäßigkeitsgrenze des § 251 Abs. 2 BGB
hinausgeht, allerdings nicht zur freien Verfügung zu, sondern nur als Vorschuss, den sie
zur tatsächlichen Beseitigung der Schäden verwenden und gegenüber dem Beklagten
abrechnen müssen (vgl. § 16 Abs. 2 UmweltHG und § 32 Abs. 7 S. 2 GenTG);
anderenfalls ist er zurückzuerstatten (Oetker a.a.O. Rdn. 67; Knerr in: Geigel,
Haftpflichtprozess, 25. Aufl., 3. Kap. Rdn. 125). Im Berufungsverfahren haben die Kläger
klargestellt, dass sie den für die Beseitigung des verunreinigten Bodens verlangten
Betrag von 82.500,-- € als Vorschuss geltend machen.
24
d) Der nicht nachgelassene Schriftsatz des Beklagten vom 5.3.2009 enthält keine
wesentlichen neuen Gesichtspunkte, die zu einer abweichenden Beurteilung Anlass
geben könnten.
25
III.
26
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97, 101 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
27
Die Revision hat der Senat im Hinblick auf die rechtsgrundsätzliche Frage der
Bestimmung der Unverhältnismäßigkeitsgrenze des § 251 Abs. 2 BGB bei ökologischen
Schäden zugelassen, die auch Gegenstand der nichtrechtskräftigen Entscheidung des
OLG Hamm vom 18.12.2008 – 5 U 104/08 – ist.
28
Berufungsstreitwert und erstinstanzlicher Streitwert: 87.153,--€ (Klageantrag zu 1.
84.153.-- € und Klageantrag zu 2. 3000,-- €). Das Landwirtschaftsgericht hat auch den
Antrag zu 3. mit 2.107,49 € in Ansatz gebracht, der aber nur eine unselbständige
Nebenforderung betrifft. Der erstinstanzliche Streitwert ist deshalb entsprechend
herabzusetzen.
29