Urteil des OLG Köln vom 10.08.1982

OLG Köln (elterliche sorge, bundesrepublik deutschland, kind, mutter, dauer, wohl des kindes, eltern, erziehung, elternteil, deutschland)

Oberlandesgericht Köln, 21 UF 169/81
Datum:
10.08.1982
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
21. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
21 UF 169/81
Vorinstanz:
Amtsgericht Köln, 306 F 1262/79
Tenor:
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird das am 24. September
1981 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Köln - 306 F
1262/79 - unter Aufrechterhaltung seines Tenors im übrigen zu Ziffer 3.
seines Tenors geändert und wie folgt neu gefaßt:
Die elterliche Sorge über das am 7. Juli 1973 geborene Kind Kat ja der
Parteien wird dem Antragsgegner übertragen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander
aufgehoben.
G r ü n d e :
1
Die Parteien haben am 12.5.1972 vor dem Standesamt Köln-Ost - Heiratsregister-Nr.
591/1972 - miteinander die Ehe geschlossen. Aus ihrer Ehe ist ein Kind, die am
7.7.1973 geborene Tochter L. hervorgegangen. Die Antragstellerin besitzt die deutsche
Staatsangehörigkeit; der Antragsgegner ist jugoslawischer Staatsangehöriger. Die
Antragstellerin ist seit ihrem 13. Lebensjahr Vollwaise. Anschließend lebte sie
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im Haushalt ihrer kinderlos verheirateten Tante – einer Schwester ihrer verstorbenen
Mutter
-,
Jahren schloß sie ihre erste Ehe, womit es gemäß ihrer Darstellung folgende
Bewandtnis hatte: die Antragstellerin war ab ihrem 15. Lebensjahr von ihrem Onkel -
Ehemann ihrer vorgenannten Tante - fortwährend unsittlich belästigt worden und hatte
zunächst nicht den Mut, dies ihrer Tante mitzuteilen. Als ihr Bruder heiratete, vertraute
sie sich ihm an und bat ihn um Hilfe. Er vermittelte ihr die Bekanntschaft seines
Freundes, der ihr nach Kenntnisnahme von dem Vorgefallenen seinen Beistand
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versprach. Daraufhin faßte sie Mut und unterrichtete ihre Tante, worauf diese ihr zur
Heirat mit dem Freund ihres Bruders riet. Diese Ehe wurde nach kurzer Zeit u. a.
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deshalb geschieden, weil ihr Ehemann, was sie erst nach der Heirat entdeckte, ein
nichteheliches Kind hatte und die Beziehungen zur Mutter jenes Kindes auch nach
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seiner Verehelichung mit der Antragstellerin fortsetzte. Im Jahre 1964 heiratete die
Antragstellerin ein zweites mal. Ein Jahr später legt ihr zweiter Ehemann die
Meisterprüfung ab und beide gingen nach Südafrika, wobei abgesprochen war, daß
man
nach zwei- bis dreijährigem Auslandaufenthait in die Bundesrepublik Deutschland
zurückkehren werden. Da ihr Ehemann in der Folgezeit auf Dauer in Südafrika bleiben
wollte und die Antragstellerin ihr Heimweh nicht überwinden konnte, trennten
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die Eheleute sich vereinbarungsgemäß vorübergehend; die Antragstellerin kehrte allein
nach Deutschland zurück, wobei im Verlaufe eines sog. Probejahres festgestellt werden
sollte, ob die Ehe aufrechterhalten werden könne oder nicht. Kurz
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vor Ablauf jenes Trennungsjahres kam ihr Ehemann in die Bundesrepublik
Deutschland. Aufgrund einer Aussprache kamen beide überein, gemeinsam nach
Südafrika zurückzugehen und dort die Ehe miteinander forzusetzen. Die Antragstellerin
kündigte ihre Wohnung und ihr Arbeitsverhältnis und buchte den Rückflug. Anläßlich
einer Abschiedsfeier mit ihren Freundinnen lernte sie den Antragsgegner kennen, der
zunächst nur mit dem Ziel in die Bundesrepublik Deutschland gekommen war, so lange
hier zu bleiben und zu arbeiten, bis er das für die Anschaffung eines PKW benötigte
Geld zusammengespart haben werde. Nachdem die Parteien ihre Bekanntschaft
gemacht hatten, verfestigten sich .ihre Beziehungen. Die zweite Ehe der Antragstellerin
wurde geschieden und die Parteien heirateten. In der ersten Zeit lebten sie, auch nach
der Geburt des Kindes im norddeutschen Raum, wo der Antragsgegner als
Holzkaufmann beschäftigt war. Etwa ab Dezember 1974 bis etwa Mitte des Jahres 1975
war er vornehmlich im süddeutschen Raum berufstätig, während die Antragstellerin mit
dem Kind weiterhin in Norddeutschland lebte. Sodann wechselte er seine Arbeitsstelle
und ist seitdem als Leiter der Außenstelle Westerwald der Fa. I., des größten deutschen
Holzexportunternehmens in J. tätig und ansässig. Ende des Jahres 1975 übersiedelte
die Antragstellerin mit dem Kind nach J., wo die Parteien fortan in einer Mietwohnung
zusammenlebten.
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Seit dem 26.12.1977 leben sie infolge des Auszuges der Antragstellerin aus der
ehelichen Wohnung dauernd voneinander getrennt. L. befindet sich seitdem in der
Obhut ihrer Mutter.
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In der ersten Zeit der Trennung lebte die Antragstellerin mit dem Kind in M., wo sie eine
Zwei-Zimmer-Wohnung mit Küche, Diele und Bad angernietet hatte. Gleichzeitig nahm
sie ihren nach der Heirat der Parteien nicht mehr ausgeübten Beruf als Sekretärin
wieder auf. Während ihrer ganztägigen Tätigkeit war Kat ja in einem nahe gelegenen
Kinderhort untergebracht. In der Folgezeit machte die Antragstellerin die
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Bekanntschaft der Zeugin T., woraus sich ein freundschaftliches Verhältnis entwickelte.
Etwa im September 1979 übersiedelte sie mit L. von M. nach Q.-E., wo sie im Hause der
Familie T. eine DreiZimmer-Wohnung mit Küche, Diele und Bad bezog. Am 5.8.1980
wurde L. eingeschult. Nach Schulschluß besuchte sie weiterhin einen Kinderhort.
Ansonsten wurde sie von ihrer zunächst noch voll berufstätigen Mutter, im Bedarfsfalle
auch von der Zeugin T. betreut. Im Spätsommer 1981 verzog die Antragstellerin mit L.
von Q.-E. nach N.-X., wo sie im sog. W. Zentrum, einem Hochhausikomplex eine im 14.
Stock gelegene Drei-Zimmer-Wohnung mit Küche, Diele und Bad angernietet hat, in der
L. ein eigenes, kindgerecht eingerichtetes Zimmer zur Verfügung steht. Zur Zeit besucht
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L. die 2. Klasse der Albert-Schweitzer-Grundschule in X.. Im Anschluß an den
Schulbesuch geht sie in einen Kinderhort, von wo aus sie in einer benachbarten Mensa
,das Mittagessen einnimmt. Die Antragstellerin hat die Dauer ihrer beruflichen Tätigkeit
auf die Zeit von 8,30 Uhr bis 14,30 Uhr reduziert und holt L. nach Arbeitsschluß im Hort
:ab. Etwa im Jahre 1980 hatte die Antragstellerin einen damals verheirateten Tunesier
namens N., Angehörigen der Botschaft seines Landes in der Bundesrepublik
Deutschland kennen, gelernt. Diese Beziehung ist gemäß ihren Angaben inzwischen
beendet. Gegenwärtig unterhält sie ein eheähnliches Verhältnis zu einem verheirateten
Ägypter namens G., der in der Bundesrepublik Deutschland als Versicherungskaufmann
tätig ist, und den sie ggffls. nach dem Ausspruch der Scheidung seiner Ehe heiraten will.
Seitdem die Parteien dauernd voneinander getrennt leben, bestehen zwischen dem
Antragsgegner und L. häufige Besuchskontakte, wobei die einzelnen Besuchszeiten
einschließlich regelmäßiger gemeinsamer Urlaubszeiten des Antragsgegners und des
Kindes bislang ohne gerichtliche Regelung nach jeweiliger Absprache der Eltern
erfolgen. Im Juli 1979 hatte die Antragstellerin bei dem Familiengericht Köln - 307 F
1173/79 - den Antrag gestellt, ihr für die Dauer des Getrenntlebens gemäß § 1672 BGB
die elterliche Sorge über L. zu übertragen. Nachdem in der Folgezeit das von beiden
Parteien betriebene Ehescheidungsverfahren anhängig geworden war, ist das
vorgenannte Verfahren als Verfahren der einstweiligen Anordnung im Rahmen des
Ehescheidungsverfahrens - 307 F 1269/79 EA - So - fortgeführt worden. Im Termin zur
mündlichen Verhandlung vom 17.12.1979 hat der Antragsgegner i sich damit
einverstanden erklärt, daß der Antragstellerin für die Dauer des Getrenntlebens die
elterliche Sorge über L. übertragen werde, worauf das Familiengericht mit Beschluß
vom gleichen Tage zu ihren Gunsten eine auf jene Vereinbarung gestützte einstweilige
Anordnung erlassen hat. Etwa ein Jahr später hat der Antragsgegner beantragt,
nunmehr ihm für die Dauer des Getrenntlebens die elterliche Sorge über das Kind zu
übertragen. Das Familiengericht hat diesen Antrag als Abänderungsantrag gemäß §
620 b ZPO aufgefaßt und durch Beschluß vom 13.7.1981 - 306 F 1269/79 b EA - So
-,
dessen Inhalt hiermit in Bezug genommen wird, zurückgewiesen. Die vom
Antragsgegner gegen diesen Beschluß eingelegte sofortige Beschwerde ist durch
Senatsbeschluß vom 10.9.1981- 21 WF 107/81 OLG Köln
-,
ebenfalls in Bezug genommen wird, verworfen worden. Im Verfahren betreffend die
Regelung der nachehelichen elterlichen Sorge (Scheidungsfolgesache) haben beide
Parteien mit einander widerstreitenden Anträgen die Übertragung der elterlichen Sorge
zu ihren Gunsten erstrebt.
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Das Familiengericht hat den Sachverhalt von Amts wegen aufgeklärt und zu diesem
Zweck u
.
Jugendämter eingeholt und über die Frage, bei welchem Elternteil die Entwicklung
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und Erziehung des Kindes auf Dauer besser gewährleistet ist, Beweis erhoben durch
Einholung eines schriftlichen psychologischen Sachverständigengutachtens, mit
dessen Erstattung der Direktor des Psychologischen Instituts der Universität N.,
Professor Dr. rer. nat. V. beauftragt worden ist, der das Sachverständigengutachten am
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11.3.1981 erstattet hat.
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Durch am 24.9.1981 verkündetes Verbundurteil hat das Familiengericht die Ehe der
Parteien geschieden, den öffentlich rechtlichen Versorgungsausgleich durchgeführt und
die elterliche Sorge für L. für die Zeit nach rechtskräftiger Ehescheidung der
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die elterliche Sorge für L. für die Zeit nach rechtskräftiger Ehescheidung der
Antragstellerin übertragen.
Zur Begründung der nachehelichen Sorgerechtsentscheidung hat das Familiengericht
im wesentlichen ausgeführt, da nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht
festgestellt werden könne, daß einer der beiden Elternteile die eindeutig bessere
Gewähr für das Kindeswohl biete, habe zugunsten der Antragstellerin das sog.
Kontinuitätsprinzip den Ausschlag geben müssen.
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Die Parteien haben in Ansehung dieses Verbundurteils mit Ausnahme der
Sorgerechtsentscheidung auf die Einlegung von Rechtsmitteln, Anschlußrechtsmitteln
und das Antragsrecht nach § 629 c ZPO verzichtet.
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Der Antragsgegner hat gegen das ihm am 12.10.1981 zugestellte Urteil bezüglich der
Sorgerechtsentscheidung, deren weiterer Inhalt hiermit in Bezug genommen wird, mit
einer am 15.10.1981 bei dem Oberlandesgericht eingegangenen Schrift
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Beschwerde eingelegt und das Rechtsmittel am 16.11.1981 - Montag - begründet.
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Der Antragsgegner beantragt,
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unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils vom 24.9.1981 die
elterliche Sorge über das Kind L.auf ihn zu übertragen.
22
Die Antragstellerin beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
24
:Wegen des Vorbringens der Parteien wird auf den in der mündlichen Verhandlung
vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst sämtlichen
Anlagen ergänzend Bezug genommen. Der Senat hat weitere Amtsermittlungen
durchgeführt. Zu diesem Zweck hat er ergänzende Berichte der verfahrensbeteiligten
Jugendämter eingeholt, die Parteien, das Kind sowie die Vertreterin des Jugendamtes
der Stadt N. angehört, die Zeuginnen T. und B. - letztere ist die derzeitige
Lebensgefährtin des Antragsgegners - vernommen und den Sachverständigen
Professor Dr. V. um Erläuterung seines schriftlichen Gutachtens gebeten, die im Termin
zur
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mündlichen Verhandlung vom 16.2.1982 erfolgt ist.
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Ferner hat der Senat auf der Grundlage der hiermit in Bezug genommenen Beschlüsse
vom 2.3. und vom 22.6.1982 Beweiserhebung durch Einholung weiterer
psychologischer Sachverständigengutachten (Hauptgutachten und
Ergänzungsgutachten) angeordnet, mit deren Erstattung der Leiter des
Gerichtspsychologischen
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Instituts der Universität C., Dr. D. oder dessen Vertreter im Amt beauftragt worden ist.
Diese Gutachten, auf deren Inhalt verwiesen wird, sind am 12.5. und 20.7.1982 erstattet
und von der Verfasserin, der am vorgenannten Institut tätigen Dipl. Psychologin Dr. U. in
der mündlichen Verhandlung vom 27.7.1982 erläutert worden.
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Wegen des Ergebnisses der sonstigen, im zweiten Rechtszuge durchgeführten
29
Amtsermittlungen wird auf die Berichte der verfahrensbeteiligten Jugendämter vom 26.1.
und vom 5.2.1982 nebst Anlagen und den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom
27.7.1982 verwiesen.
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Die Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig (§§ 629 a Abs. 2 Satz 1,621 Abs. 1 Nr.
1, 621 e Abs. 1, Abs. 3,516, 519 Abs. 1, Abs. 2 ZPO) und sachlich gerechtfertigt.
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Die Entscheidung der Frage, welcher der beiden inzwischen rechtskräftig geschiedenen
Parteien die elterliche Sorge über L. zu übertragen ist, beurteilt sich nach deutschem
materiellen Recht. Das ergibt sich aus den Bestimmungen des Übereinkommens über
die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des
Schutzes von Minderjährigen - MSA - vom 5.10.1961 (BGBI 1971 11 217), wonach sich
die internationale Entscheidungszuständigkeit der Gerichte und ebenso das von ihnen
anzuwendende Recht bezüglich der Maßnahmen zum Schutz der Person und des
Vermögens des Minderjährigen danach bestimmen, wo der Minderjährige seinen
gewöhnlichen Aufenthalt hat; Art. 1,2 MSA. Das Kind der Parteien hat seinen
gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland, wo es seit seiner Geburt
ständig lebt. Zu den Maßnahmen im Sinne des vorgenannten Abkommens rechnet auch
die Entscheidung über die Regelung der nachehelichen
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elterlichen Sorge (vergI. BGHZ 60, 68; BayOblGE 1974, 106; 1978, 115; KG FamRZ
1974, 144).
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Da die geschiedenen Eltern des Kindes L. keinen gemeinsamen, inhaltlich
übereinstimmenden Vorschlag gemacht haben, muß der Senat von sich aus diejenige
Regelung treffen, die dem Wohle des Kindes am besten entspricht, wobei seine
Bindungen, insbesondere seine Bindungen an die Eltern zu berücksichtigen sind; §
1671 Abs. 2 BGB. Ferner bestimmt § 1671 Abs. 4 BGB, daß die nacheheliche elterliche
Sorge abgesehen von dem hier nicht einschlägigen Sonderfall ihrer Aufteilung
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(Aufspaltung) in Personen- und Vermögenssorge einem Elternteil übertragen werden
muß.
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Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen mußte die nacheheliche elterliche Sorge
dem Antragsgegner übertragen werden. Diese Regelung wird auf grund des
Ergebnisses der gesamten Amtsermittlungen, vornehmlich der in beiden Instanzen
eingeholten Sachverständigengutachten dem Wohle des minderjährigen Kindes L.
gegenwärtig am besten gerecht.
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Bereits die äußeren Lebensumstände des Vaters - Wohnlage und näheres Umfeld - sind
dem Wohlergehen des Kindes dienlicher als die entsprechenden Lebensverhältnisse
der Mutter, wenngleich diesem Gesichtspunkt bei der zu treffenden Entscheidung
keineswegs ein ausschlaggebender Stellenwert beigemessen
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werden kann, er hierfür vielmehr allenfalls von sekundärer Bedeutung ist. Der
Antragsgegner bewohnt seit Juni 1981 ein von ihm am Stadtrand von J. neu erbautes
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Einfamilienhaus, zu dem ein Garten gehört, und das nahe am Wald liegt. Deshalb ist es
gerechtfertigt, von mehr ländlichen als städtischen Wohn- und Umweltverhältnissen auf
seiten des Antragsgegners auszugehen. Demgegenüber hat die Antragstellerin
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gegenwärtig eine im sog. Hochhauszentrum in N.-X. im 14. Stock gelegene Wohnung
inne, so daß ihre Wohnverhältnisse einschließlich des näheren Umfeldes
von ausgesprochen städtischen Charakter sind. Diese unterschiedlichen äußeren
Lebensverhältnisse beider Eltern mögen jeweils für sich eine Reihe einzelner Vor- und
Nachteile bieten, die indessen im vorliegenden Fall keiner näheren Erörterung
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und Abwägung bedürfen. Denn entscheidend ist, daß L. gemäß den gutachtlichen
Feststellungen der Sachverständigen Dr. U. - vergI. etwa S. 11, 15 des Gutachtens
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vom 12.5.1982 -, die sich gleichermaßen auf Beobachtungen des kindlichen Verhaltens
und das Ergebnis etlicher psychologischer Testverfahren gründen, von ihrer gesamten
Interessenlage her weit mehr ein Landkind als ein Stadtkind ist. Ihre Vorliebe
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gehört der Beschäftigung mit allem Lebendigen - Tiere, Bäume, Blumen - in freier Natur,
wo sie sich viel lieber aufhält und entsprechend beschäftigt als in der Wohnung. Daß so
gesehen die äußeren Lebensverhältnisse des Antragsgegners dem Kind die
ungehinderte Entfaltung und Betätigung seiner Neigungen besser ermöglichen, bedarf
keiner weiteren Begründung.
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Ausschlaggebendes Gewicht für die zu treffende Entscheidung kommt indessen der
Beantwortung der Frage zu, welcher Elternteil angesichts seiner gesamten
Persönlichkeit, vornehmlich seiner charakterlichen Veranlagung und Befähigung
voraussichtlich in besserer Weise die Gewähr für die Beförderung des geistig-
seelischen Teilbereiches des kindlichen Wohlergehens zu bieten vermag. Diese Frage
ist nach Ansicht des Senats dahin zu beantworten, daß hierfür zur Zeit der
Antragsgegner die bessere Gewähr bietet. Um diese für die Entscheidung letztlich
ausschlaggebende Feststellung treffen zu können, mußte vornehmlich ergründet
werden, wie die wechselseitigen Neigungen und Bindungen des Kindes und des
jeweiligen Elternteils in quantitativer und qualitativer Hinsicht beschaffen sind und ob
sich bei vergleichender Gegenüberstellung spürbare Unterschiede erkennen lassen.
Art, Umfang und Intensität dieser wechselseitigen Neigungen und Bindungen, denen
auch der Gesetzgeber gemäß § 1671 Abs. 2 BGB besonderes Gewicht zuerkannt hat,
kommt für die Entscheidung aus dem Grunde maßgebliche Bedeutung zu, weil ein Kind
nach gesicherten psychologischen Erkenntnissen und Erfahrungen jedenfalls auf Dauer
gesehen nur dann von Schäden oder ernstlicher Gefährdung seines Wohlergehens
bewahrt bleiben kann, wenn es sich in einer wechselbezüglichen, genügend
tragfähigen und vor allem stetigen Bindung zu dem betreffenden Elternteil behütet und
geborgen weiß und vermöge dieser Grundlage zu einem für die erfolgreiche
Bewältigung, aller Probleme und Konflikte des Daseins genügend gerüsteten,
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lebenstauglichen Menschen heranwachsen kann. Gleichermaßen ist auch eine
erfolgreiche, für die Gewährleistung des Kindeswohls unerläßlich wichtige Erziehung
ohne Erfüllung der vorgenannten Voraussetzungen auf Dauer nicht möglich; jede
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Erziehung, die dem Kind vornehmlich die für seine ordnungsgemäße, ungestörte
Entwicklung notwendige Fähigkeit zur Integration in vielfältige soziale Gemeinschaften -
Kindergarten, Hort, Schule, Spielgemeinschaften etc. - durch eigenes Verhalten
vorleben und auf diese Weise vermitteln muß, weil sich ein Leben in unserem
Kulturkreis nur innerhalb solcher Gemeinschaften bei notwendiger Befolgung der damit
an den Einzelnen vorgegebenen Anforderungen in sinnvoller Weise vollziehen kann, ist
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für das Kind, soll sie von ihm angenommen und befolgt werden, mit Verzichtenmüssen
verbunden.
Diese Verzichtsleistungen wiederum werden vom Kind in jungen Lebensjahren
zunächst nur aus Liebe und Zuneigung zur Erziehungsperson erbracht; die rationale
Bestätigung oder Ablehnung schließt sich erst in späteren Lebensjahren an Kinder,
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die ohne stetige und genügend stabile wechselseitige Zuneigungen und Bindungen
zwischen ihnen und dem erziehenden Elternteil aufwachsen, sind zur Erbringung
derartiger Verzichtsleistungen nicht bereit, können es notwendigerweise auch nicht
sein, weil ihnen die dafür erforderliche Liebe und Zuwendung der Erziehungsperson
fehlt, die sich im steten Wechselspiel mit ihrer Annahme und Erwiderung durch das Kind
vollziehen muß. Besteht ein solches Defizit, dann können diese Kinder die Bildung von
Normen und Werten, vornehmlich Ein- und Unterordnung bezüglich der Anforderungen
des Lebens in der Gemeinschaft, das ohne intakte ElternKind-
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Beziehung als gewissermaßen kleinster Nenner menschlicher Gemeinsamkeit nicht
erfahren und erlebt werden kann, später auf rationalem Wege allein nicht mehr
ausgleichen, was geradezu zwangsläufig zu Gefährdungen und letztlich auch Schäden
des Kindeswohls bis hin zu schwerwiegenden Verhaltensstörungen führen muß.
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Aus allen diesen Gründen spielen Art, Umfang und Intensität der wechselseitigen
emotionalen Bindungen und Neigungen zwischen dem Kind und dem betreffenden
Elternteil für die Sorgerechtsentscheidung eine besonders bedeutsame Rolle.
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Aufgrund des ausführlichen, eingehend und sorgfältig begründeten Gutachtens der
Sachverständigen Dr. U., das in seinem Kern mit den von dem Sachverständigen
Professor Dr. V. getroffenen Feststellungen in Einklang steht, ist der Senat davon
überzeugt, daß die wechselseitigen emotionalen Bindungen zwischen dem
Antragsgegner und L. ebenso wie die beiderseitigen Neigungen stärker und auch
stabiler sind als das auf Seiten und gegenüber der Antragstellerin der Fall ist. Daß es
sich - jedenfalls zur Zeit - so verhält, ist das Ergebnis bestimmter Entwicklungsprozesse
und der in ihrem Verlauf von Kat ja gewonnenen Erfahrungen, die durch die ihnen
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zugrundeliegenden, unterschiedlichen Veranlagungen ihrer Eltern bestimmt worden
sind. Der Antragsgegner hat eine außerordentlich enge Beziehung zu L., mit der er sich,
nachdem das Kind dem Babyalter entwachsen war, gemäß den übereinstimmenden
Angaben der Parteien gegenüber der Sachverständigen Dr. U. in vielfältiger Weise
eingehend beschäftigt hat, was bei ihm im Laufe der Zeit zu einem besonders engen
Verbundenheits- und Zusammengehörigkeitsgefühl mit dem Kind geführt hat, welches
von dem Kind vorbehaltlos angenommen und in gleicher Weise erwidert wird. Für die
intensive Beschäftigung des Antragsgegners mit dem Kind und ihre positiven
Auswirkungen im vorgenannten Sinne legt abgesehen von
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allem anderen insbesondere die Tatsache beredtes Zeugnis ab, daß L. von ihm die
slowenische Sprache derart weitgehend erlernt hat, daß sie diese inzwischen perfekt
beherrscht, wobei beide dieses spezifische Kommunikationsmittel gelegentlich ganz
bewußt einsetzen, um einen nur ihnen verständlichen und folglich nur von ihnen
erlebbaren Umgang miteinander pflegen zu können; von der Sachverständigen Dr. U.
sehr anschaulich als sog. inselgleiche Kommunikation umschrieben. Ausfluß der sehr
engen Vater-Kind-Bindung ist weiter, daß L. für den Antragsgegner eine geradezu
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dominierende Rolle spielt: zum einen findet er sich mit seinen Persönlichkeitsanlagen
und seinen Interessenschwerpunkten in seiner Tochter gleichsam widergespiegelt, was
ein Erleben höher Übereinstimmung und Verbundenheit nach sich zieht. Zum anderen
spielte das Kind für ihn in der Vergangenheit, nachdem die Ehe der Parteien bereits vor
ihrem endgültigen Scheitern nicht mehr harmonisch verlaufen war, eine bedeutsame
Rolle als Partnerersatz, was allerdings eine gewisse Gefährdung des angesichts seines
Lebensalters mit dieser Rolle überforderten und hierdurch in eine zu starke
Abhängigkeit vom Antragsgegner gedrängten Kindes besorgen ließ. Inzwischen ist
diese Gefahr indessen ausgeräumt, nachdem der Antragsgegner, wie noch in
anderweitigem Zusammenhang näher darzulegen sein wird, eine eheähnliche
Beziehung zu einer anderen Frau, die er in Kürze heiraten wird, aufgebaut hat, was
wiederum zur Folge haben wird, daß er das Kind aus der drohenden zu starken Bindung
zu entlassen vermag. Die enge Bindung des Antragsgegners an das Kind wird von L.
vorbehaltlos angenommen und erwidert, was nach den gutachtlichen Feststellungen
nicht zuletzt auch darauf zurückzuführen ist, daß L.das an geltenden Normen
ausgerichtete, konservativer Einstellung entsprechende Erziehungsverhalten
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des von ihr als echter Autoritätsperson erlebten und empfundenen Vaters voll akzeptiert.
Nach alledem müssen die engen und stabilen wechselbezüglichen, zwischen dem
Antragsgegner und dem Kind bestehenden emotionalen Bindungen und Neigungen und
die Art der Erziehung, wie sie der Antragsgegner entsprechend seinen Vorstellungen
und seiner gesamten Mentalität dem Kinde angedeihen läßt, als dem Kindeswohl
förderlich und günstig bezeichnet werden: L. findet bei ihrem Vater Halt, Geborgenheit
und Sicherheit; sie weiß sich ihm in gegenseitiger, liebevoller und vertrauender
Zuwendung verbunden und empfindet ihn als Vorbild und Autoritätsperson, wobei er ihr
vermöge seiner ausgeglichenen, genügend selbstsicheren Persönlichkeit und seines
Festhaltens an bestimmten Wertvorstellungen und Prinzipien eine stete, konsequent
durchgeführte Erziehung vermitteln kann.
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Andererseits ist der Senat schon aufgrund des persönlichen Eindrucks, den er von der
Antragstellerin gewonnen hat, davon überzeugt, daß auch sie dem Kind von Herzen
zugetan und willens ist, sein Wohlergehen in der erforderlichen, vorstehend
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näher beschriebenen Weise nach besten Kräften zu befördern. Zur Erreichung dieses
Ziels ist sie jedoch, bedingt durch ihre andersartige, letztlich schicksalhaft geprägte
Persönlichkeit nicht in gleichem Maße befähigt wie der Antragsgegner. Davon, daß es
sich so unterschiedlich verhält, muß nach Ansicht des Senats auf grund des
Ergebnisses der gesamten Amtsermittlungen, vornehmlich aufgrund des Ergebnisses
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der in beiden Rechtszügen erstatteten Sachverständigengutachten ausgegangen
werden. Das Erziehungsverhalten der Antragstellerin gegenüber dem Kind wird eher
durch Nachgiebigkeit und gewährende Haltung bestimmt. Dies wiederum ermöglicht es
L. nicht genügend, die Mutter als echte Autoritätsperson zu empfinden, gibt dem Kind
das Gefühl des gelegentlichen Alleingelassenseins, der nicht immer genügend
vorhandenen mütterlichen Zuwendung, wobei hinzukommt, daß L. in der Angst lebt, die
Mutter zu verlieren: das Kind ist sich, auf einen kurzen Nenner gebracht, im Gegensatz
zum Vater der Mutter nicht ganz sicher. Die maßgebliche Ursache dieses dem
Kindeswohl in vergleichender Gegenüberstellung zur Gewährleistung dieser
Voraussetzung durch den Antragsgegner weniger günstigen Umstandes dürfte nach
den gutachtlichen Feststellungen beider Sachverständiger in der letztlich schicksalhaft
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geprägten Persönlichkeit der Antragstellerin geIegen sein, die einerseits nicht ohne
einen Partner leben kann, andererseits aber Schwierigkeiten hat, im persönlichen
Lebensbereich auf Dauer angelegte Partnerschaftsbeziehungen einzugehen
und durchzustehen. Dies zeigt sich unter notwendiger Zugrundelegung der zur
Beurteilung ihrer Eignung als Trägerin der nachehelichen elterlichen Sorge gebotenen
Gesamtschau und Gesamtwertung ihrer Persönlichkeit nicht nur an der Tatsache
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ihrer drei gescheiterten Ehen, insbesondere daran, daß sie bei der außerehelichen
Partnersuche und Partnerwahl solche Konstellationen bevorzugt, denen gleichsam von
vornherein nur wenig Verläßlichkeit auf Bestandskraft beigemessen werden kann. Nach
der Trennung der Parteien hat sie unter Zugrundelegung ihres eigenen Vorbringens
nacheinander eheähnliche Beziehungen zu zwei jeweils verheirateten Ausländern
angeknüpft, was mit Blick auf die Ungewißheit eines Ehescheidungsverfahrens und des
dauernden Verbleibs des jeweiligen Partners in der Bundesrepublik Deutschland bzw.
die im Falle von der Antragstellerin beabsichtigter Eheschließung mit einem solchen
Partner ggffls. bestehende Notwendigkeit,
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den inskünftigen Lebensmittelpunkt ins Ausland verlagern zu müssen, nicht
unproblematisch ist. Soweit es die daraus erwachsenen Auswirkungen auf das
Kindeswohl angeht, gilt im weiteren folgendes: L. hat die Mutter als den Elternteil erlebt
und in Erinnerung behalten, der die Familie verlassen hat. Daraus und aus dem Verlauf
der späteren Partnerschaften der Antragstellerin hat sich die Angst des Kindes
entwickelt, es könne die Mutter verlieren. Um dieses Angstgefühl verdrängen zu können,
hat L. bestimmte Abwehrmechanismen entwickelt, sie hat sich den Wünschen und
Erwartungen der Mutter derart weitgehend angepaßt, daß die Antragstellerin in ihrer
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subjektiven Vorstellung davon überzeugt ist, es handle sich jeweils um die eigenen
Vorstellungen und Wünsche des Kindes, sie bewege sich, bildlich ausgedrückt, mit ihm
auf einer Ebene, während aber das Kind in Wirklichkeit, von der Mutter unbemerkt, aus
den angeführten Gründen seine wahren Wünsche und Vorstellungen nicht äußert. Wie
wenig dienlich dieser Anpassungsprozeß dem kindlichen Wohlergehen ist, haben die
psychologischen Feststellungen deutlich ergeben: L. vermeidet
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mit ängstlicher Sorgfalt jede Konfliktsituation, ist nie agressiv und vermittelt so aller Welt
den - täuschenden - Eindruck eines unbeschwerten, fröhlichen, allezeit ausgeglichenen
und rundum zufriedenen Kindes. Daraus ist ein Unvermögen des Kindes zu befürchten,
sich Konflikten erforderlichenfalls zu stellen, sich mit ihnen in der gebotenen Weise
auseinanderzusetzen und sie auf diese Weise erfolgreich bewältigen zu können. Die
Bindungsschwierigkeiten der Mutter bedeuten für das Kind desweiteren, daß ihm ein
Vorbild fehlt, welches ihm die Befürwortung stetiger Bindungen mit dem erkennbaren
Vorteil des eigenen Halts in derartigen Bindungen vermittelt. L. hat an ihrer Mutter keine
solche Stütze, wie sie eine auf Dauer angelegte, in sich gefestigte Gemeinschaft ihren
Mitgliedern zuteil werden läßt. Das Kind hat kein Vertrauen in die Dauerhaftigkeit von
Bindungen zu entwickeln vermocht und kann sich der Unterstützung anderer nicht
sicher fühlen - auch insoweit erklärt sich seine ständige Angst, die Mutter zu verlieren
-,
weil es in seinem unmittelbaren
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kindlichen Lebensbereich derartige, auf Dauer angelegte Bindungen noch nicht erlebt
und erfahren hat. Endlich wird auch der Wert derartiger dauerhafter Bindungen in den
Augen des Kindes herabgesetzt, weil die Antragstellerin als die für seine bisherige
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Entwicklung maßgebliche Bezugsperson ihm diese nicht als ein erstrebenswertes Ziel
vorzuleben vermocht hat. Aus den im persönlichen Bereich folgenden
Unsicherheiten resultiert verständlicherweise auch ihre nachgiebige, gewährende
Erziehungshaltung dem Kind gegenüber, was seinem Wohlergehen schon deshalb
nicht förderlich sein kann, weil es auf diese Weise derjenigen Lenkung und Leitung
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ermangelt, die es nach dem Ergebnis des vom Senat eingeholten
Sachverständigengutachtens voll akzeptiert und auf sich angewendet wissen will:
konsequente, genügend autoritäre Erziehung durch den maßgeblichen Elternteil. Dafür,
daß im
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persönlichen Lebensbereich der Mutter und ihrem gesamten Verhalten dem Kinde
gegenüber in näherer Zukunft ein grundlegender Wandel eintreten könnte, ist
gegenwärtig nichts ersichtlich. Eher muß nach den sachverständigen Feststellungen der
Gutachter befürchtet werden, daß sie weiterhin auf der Suche nach Bindungen bleiben,
hierauf einen nicht unerheblichen Teil ihrer Emotionalität und Lebensenergie
verwenden, weiterhin Unruhe in das Leben des Kindes hineintragen und insbesondere
seine Angst vor dem Verlust der Mutter nicht abbauen können wird.
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Diese Verlustangst wiederum ist es, welche die Bindungen und Neigungen des Kindes
gegenüber der Mutter jedenfalls zur Zeit maßgeblich bestimmt, verbunden mit seiner
Hoffnung, daß die von L. bislang nicht immer als zureichend empfundene
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Beachtung und Erfüllung ihrer Vorstellungen und Wünsche ihr durch die Antragstellerin
doch nocht zuteil werden würde, wenn die Beziehung zur Mutter aufrechterhalten wird.
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Nach alle dem ist zur Überzeugung des Senats die Folgerung gerechtfertigt, daß die
wechselseitigen Neigungen und Bindungen zwischen dem Kind und seinem Vater
stärker, insbesondere erheblich stabiler, weil nicht mit Ängsten und Unsicherheiten
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des Kindes belastet sind, wobei der Antragsgegner auch die bessere Gewähr für
stetiges, konsequentes Erziehungsverhalten zu bieten vermag.
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Dabei verkennt der Senat nicht, daß gerade bei noch jüngeren Kindern dem sog.
Kontinuitätsprinzip, d. h. dem Grundsatz der Gewährleistung stetiger gedeihlicher
Entwicklung und Erziehung eine ganz besondere Bedeutung zukommt. Gemessen
daran wird bei solchen Kindern ein Wechsel der Person des sorgeberechtigten
Elternteils ihrem Wohle in aller Regel abträglich und deshalb nur beim Vorliegen triftiger
Gründe gerechtfertigt sein (OLG Köln, OLGZ 1973, 181; Farn RZ 1976, 32, 33 ff; Hinz im
Münchener Kommentar zum BGB, § 1671, Rz 35; Palandt-Diederichsen, BGB, 41. AufI.,
§ 1671 Anm. 3 b; Simitis, Kindeswohl, eine interdisziplinäre Untersuchung über seine
Verwirklichung in der vormundschaftsgerichtlichen Praxis, S. 266; vergI. auch die amtl.
Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der elterlichen
Sorge, BT-Drucks. 8/2788, S. 61).
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Auch unter diesem bedeutsamen Aspekt konnte der Beschwerde des Antragsgegners
der sachliche Erfolg entgegen der Ansicht der Antragstellerin indessen nicht versagt
bleiben. Der Umstand, daß L. sich seit der endgültigen Trennung ihrer
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Eltern (26.12.1977), also inzwischen seit über 4 1/2 Jahren abgesehen von ihren
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häufigen Besuchen beim Antragsgegner in der ständigen Obhut der Antragstellerin
befindet, ist zunächst nur rein äußerlicher Natur und läßt sich vornehmlich nicht als
Kontinuitätsprinzip in die Waagschale werfen, weil von diesem Prinzip und seiner
Entscheidungserheblichkeit nur ausgegangen werden kann, wenn der betreffende
Elternteil innerhalb einer längerfristigen Zeitspanne dem Kind eine stetige Entwicklung,
Geborgenheit und konsequent durchgeführte Erziehung hat angedeihen lassen, die
allein um ihrer Stetigkeit willen für das Wohl des Kindes förderlich und aus diesem
Grunde nach Möglichkeit bei Bestand zu belassen ist. Gerade das ist hier aber nicht der
Fall, vielmehr sind die Entwicklung und die Erziehung, die der Antragsgegner dem Kind
angesichts seiner Persönlichkeit und LebenseinsteIlung
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vermitteln kann, dem Wohlergehen des Kindes aus allen dargelegten Gründen
dienlicher, wobei hinzukommt, daß L. mit ihrem Vater und seinem gesamten
Lebensbereich bestens vertraut ist.
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Schließlich hatte der Senat zu erwägen, wie es sich voraussichtlich auf das
Wohlergehen des Kindes auswirken wird, daß der Antragsgegner inzwischen eine ehe
ähnliche Partnerschaft mit der Zeugin B. eingegangen ist, wobei beide Ende Oktober
1982 die Ehe miteinander schließen wollen und ferner vorgesehen ist, daß die beiden
minderjährigen, aus der geschiedenen Ehe der Zeugin hervorgegangenen Kinder fortan
mit ihr und dem Antragsgegner in häuslicher Gemeinschaft leben sollen, wie es auch
derzeit schon der Fall ist. Daß der Antragsgegner und die Zeugin B. sich ernstlich
entschlossen haben, eine dauernde, auf alsbaldige Heirat angelegte und durch sie
bestärkte Partnerschaft einzugehen, kann nach Ansicht des Senats nicht bezweifelt
werden. Sie haben sich gemäß ihren inhaltlich übereinstimmenden, glaubhaften
Angaben im Januar 1982 kennengelernt und leben seit Ende Juni 1982 mit den beiden
Kindern der Zeugin im Hause des Antragsgegners. Daß es sich dabei um eine auf
Dauer angelegte Wohn- und Lebensgemeinschaft handelt, ergibt sich nicht zuletzt auch
daraus, daß die als Volksschullehrerin tätige Zeugin ausweislich der zu den Akten
überreichten Bescheinigung der Bezirksregierung O. vom 26.7.1982 um die Versetzung
ihres bisherigen Tätigkeitsortes X. nach P./Y. eingekommen ist und daß von der
Bezirksregierung beabsichtigt ist, sie nach dort zu versetzen und zum
nächstmöglichenZeitpunkt mit der Schulleitung zu betrauen.
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Die Zeugin hat anläßlich ihrer Vernehmung durch den Senat einen positiven Eindruck
hinterlassen. Nach Ansicht des Senats ist sie eine energische, lebensbejahende Frau,
die genau weiß, was sie will, und welche die mit dem Erfordernis, an L. demnächst
Mutterstelle vertreten zu müssen, zweifellos verbundenen Probleme bewußt annimmt
und sie nach menschlichem Ermessen auch erfolgreich zum Wohle des Kindes
bewältigen wird. Mit diesem Eindruck deckt sich das Ergebnis der sachverständigen
Begutachtung der Zeugin. Danach verfügt sie über die Spontaneität und Flexibilität, die
beim Antragsgegner nicht so ausgeprägt ist, so daß beide sich voraussichtlich gut
ergänzen können. Ihre Beziehung zu L. ist von einer sehr positiven Einstellung
getragen; die Zeugin B. ist kinderlieb, hat ein offenes und unbeschwertes, auch bei ihrer
Vernehmung deutlich zu Tage getretenes Auftreten und ist, zumal sie in einem
harmonischen Elternhaus aufgewachsen ist, zum kindgerechten Umgang mit Kindern
gut befähigt. Wenngleich L. zur Zeit jeglicher Zuwendung ihrer
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Eltern an einen anderen Partner ablehnend gegenübersteht und der Zeugin B. aus
diesem Grunde gegenwärtig noch reserviert begegnen mag, steht gleichwohl zu
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erwarten, daß es angesichts der sehr engen, gefestigten Bindung des Kindes an seinen
Vater und der natürlichen Kontaktfähigkeit und Anpassungsbereitschaft der Zeugin B.
alsbald gelingen wird, dem Kind den bleibenden Rückhalt einer echten familiären
Gemeinschaft zu vermitteln. Bei alledem kann es für L. voraussichtlich auch nur von
Vorteil sein, daß in diese Gemeinschaft zwei weitere Kinder integriert worden sind, weil
auch dies dazu beitragen dürfte, daß einer zu starken Abhängigkeit
des Kindes von seinem Vater im Sinne einer zu starken Fixierung auf seine Person und
seine Persönlichkeit vorgebeugt wird.
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Die Versorgung, Beaufsichtigung und Betreuung des Kindes im väterlichen Haushalt
bringt keine Schwierigkeiten mit sich, weil die Zeugin B. nur noch halbtags berufstätig
sein wird und sich deshalb nach Schulschluß hinreichend um L. kümmern kann.
Außerdem hält sich auch der Antragsgegner unbeschadet seiner beruflichen
Obliegenheiten, die er zu einem nicht geringen Teil von seinem im Hause gelegenen
Büro aus
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erledigt, relativ viel zu Haus auf. Mit der Übersiedlung in den väterlichen Haushalt ist für
L. ein neuerlicher Schulwechsel allerdings unumgänglich erforderlich. Daraus
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erwachsen dem Kind nach Ansicht des Senats aber schon deshalb keine ernstlichen
Schwierigkeiten, weil es gemäß dem Sachverständigengutachten über eine sehr gute
Begabung verfügt, aufgeschlossen und wißbegierig ist, und nicht zuletzt auch von der
als Lehrerin tätigen Zeugin B. in der erforderlichen Weise gefördert werden kann.
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Nach alledem konnte der Beschwerde des Antragsgegners der sachliche Erfolg nicht
versagt bleiben.
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Abschließend sieht der Senat Veranlassung, die Parteien mit Nachdruck auf folgendes
hinzuweisen:
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Beide Eltern müssen unbedingt darauf achten - dasselbe gilt natürlich in gleicher Weise
für die Zeugin B.
-,
Verfahrens, insbesondere mit den eingeholten Sachverständigengutachten nicht
vertraut gemacht wird, weil das in dem sehr sensiblen Kind gegenwärtig und auch in
näherer Zukunft seinem Wohlergehen mit Sicherheit sehr abträgliche Schuldgefühle
erzeugen würde, so gänzlich unangebracht diese objektiv auch sind.
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Ferner muß der Antragsgegner der Antragstellerin ein ebenso großzügig bemessenes
Umgangsrecht mit dem Kind einräumen und gewährleisten, wie es ihm bislang zuteil
geworden ist. Darauf, daß dies geschieht, ist L., die sehr an ihrer Mutter hängt, aus
Gründen ihres kindlichen Wohlergehens unerläßlich angewiesen. Der Antragsgegner
mag sich schon jetzt vor Augen halten, daß es ein Grund für die Abänderung der vom
Senat getroffenen Entscheidung bedeuten kann, wenn er der Antragstellerin dieses
Recht aus von ihm zu vertretenden Gründen streitig machen oder dessen regelmäßige
Ausübung in sonstiger Weise vereiteln oder nachhaltig erschweren sollte.
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Die Antragstellerin sollte ihrerseits die Ausübung des Umgangsrechts mit dem Kind
vornehmlich dazu nutzen, dem Kind die Angst vor dem Verlust der Mutter durch
unbeschwertes, natürliches Verhalten und Verständnis und liebevolles Eingehen auf
seine Vorstellungen und Wünsche nehmen. Auf diese Weise können beide Eltern nach
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Ansicht des Senats, wozu sie hiermit besonders aufgerufen sind, das zukünftige
Wohlergehen ihres Kindes voraussichtlich am besten befördern.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 93 a ZPO.
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Beschwerdewert: 5.000,-- DM.
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