Urteil des OLG Köln vom 24.06.1997

OLG Köln (scheidung, zpo, härte, auskunft, antragsteller, interesse, unterhalt, kind, auflösung, dauer)

Oberlandesgericht Köln, 14 UF 215/96
Datum:
24.06.1997
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
14. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
14 UF 215/96
Vorinstanz:
Amtsgericht Königswinter, 7 F 135/92
Tenor:
Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das Teilanerkenntnis- und
Schlußurteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Königswinter vom
12.7.1996 (7 F 135/92) aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten
Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Das Amtsgericht hat auch über die Kosten der Berufungsinstanz zu
entscheiden.
T A T B E S T A N D
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Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht die 1968 geschlossene Ehe der
Parteien, aus der drei Kinder hervorgegangen sind, geschieden, das Sorgerecht
betreffend die damals noch minderjährige jüngste Tochter S. geregelt, sowie zum
Versorgungsausgleich, Kindesunterhalt und nachehelichen Unterhalt entschieden.
Das Verfahren betreffend den Zugewinnausgleich hat es - gegen den Widerspruch
der Antragsgegnerin - gem. § 628 Abs.1 Nr. 3 ZPO abgetrennt.
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Zur Begründung für die Abtrennung hat das Amtsgericht ausgeführt:
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"Die Folgesache Zugewinnausgleich ist nicht entscheidungsreif. Hierzu hat die
Antragsgegnerin Zwangsgeldantrag zur Erzwingung einer vollständigen Erteilung
einer Auskunft über den Vermögensbestand des Antragstellers zum Stichtag
18.9.1992 gestellt. Dieser Zwangsgeldantrag hat Erfolg, wie im einzelnen im
abgetrennten Zugewinnausgleichsverfahren durch Beschluß vom 12.7.1996
ausgeführt ist. Derzeit ist nicht absehbar, wann die erforderliche vollständige
Auskunft erteilt sein wird und wann das Zugewinnausgleichsverfahren nach
Bezifferung abgeschlossen werden kann. Eine solche weitere Verzögerung würde
aber den Scheidungsausspruch außergewöhnlich hinausschieben. Das
Scheidungsverfahren ist nunmehr fast vier Jahre anhängig und damit
außergewöhnlich lange. Ein Aufschub würde für den Antragsteller eine unzumutbare
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Härte darstellen, da er beabsichtigt, nach Scheidung wieder zu heiraten und das aus
der neuen Bezeihung hervorgegangene Kind zu legalisieren. Auch unter
Berücksichtigung der Bedeutung der Folgesache Zugewinnausgleich erscheint eine
Abtrennung geboten. Daß es zu einer Verzögerung des
Zugewinnausgleichsverfahrens gekommen ist, hat (auch) die Antragsgegnerin zu
vertreten. Der Antragsteller hat nämlich seine - allerdings unvollständige - Auskunft
durch Vorlage eines Bestandsverzeichnisses bereits unter dem 15.12.1994 erteilt. Es
ist nicht nachvollziehbar, warum dann die Antragsgegnerin bis zur Stellung ihres
Zwangsgeldantrags nahezu 1 1/2 Jahre gewartet und diesen erst im
Verhandlungstermin vom 24.4.1996 überreicht hat. Das entspricht nicht mehr einer
auf Förderung des Verfahrens bedachten Vorgehensweise, zumal der Antragsteller
schon im Herbst 1995 (unter anderem mit Schriftsatz vom 21.9.1995) die Vorlage
weiterer Unterlagen bzw. Auskünfte abgelehnt hatte. Das Gericht verkennt nicht, daß
mit der Scheidung der Antragsgegnerin ein Druckmittel im Rahmen des
Zugewinnausgleichsverfahrens genommen wird; andererseits ist zu berücksichtigen,
daß der Antragsteller selbst zugesagt hat, mit Rechtskraft des Scheidungsurteils
einen nicht unbeträchtlichen Zugewinnausgleich an die Antragsgegnerin zu zahlen.
Wenn sie dieses Angebot nicht zum Anlaß genommen hat, zumindest einen
entsprechenden Teilantrag im Termin zu beziffern, kann dies nicht zu Lasten des
Antragstellers gehen. Vielmehr hält das Gericht unter Würdigung aller Umstände
vorliegend insbesondere im Hinblick auf die lange Verfahrensdauer und der
persönlichen Verhältnisse des Antragstellers eine Abtrennung ausnahmsweise für
gerechtfertigt."
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Gegen die Entscheidung des Amtsgerichts richten sich die - selbständigen -
Berufungen beider Parteien.
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Der Antragsteller wendet sich dagegen, daß über den anerkannten Betrag von 1600,-
DM hinaus weiterer nachehelicher Unterhalt zuerkannt worden ist.
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Die Antragstellerin wendet sich in erster Linie gegen die Scheidung der Ehe unter
teilweiser Abtrennung des Kindesunterhalts und voller Abtrennung des
Zugewinnausgleichs. Sie stellt außerdem Hilfsanträge zu Auskunft und Unterhalt, auf
die Bezug genommen wird.
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Von der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird gemäß § 543 I ZPO
abgesehen.
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E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E
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I.
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Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin, die sich gegen eine Scheidung unter
Abtrennung des Zugewinnausgleichs richtet, ist begründet.
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Die Rüge, die Auflösung des Verbundes sei zu Unrecht erfolgt, also dem
Scheidungsantrag zu Unrecht vor der Entscheidung über eine Folgesache
stattgegeben worden, ist im Wege der Anfechtung des Scheidungsausspruchs zu
erheben (BGH FamRZ 1996, 1333 = NJW-RR 1996, 1025; BGH FamRZ 1996, 1071).
Bei dieser Sachlage ist die ergangene Entscheidung aufzuheben und die Sache an
das Amtsgericht zurückzuverweisen (BGH FamRZ 1996, 1071), so daß es einer
Entscheidung über die Hilfsanträge der Antragsgegnerin und über die Berufung des
Antragstellers gegen Folgesachenentscheidungen nicht bedarf.
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II.
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Der Senat vermag der ausführlichen und sorgfältig begründeten Entscheidung des
Amtsgerichts hinsichtlich der Abtrennung des Zugewinnausgleichs im Ergebnis nicht
zu folgen, wobei auch das weitere Verhalten der Parteien in der Berufungsinstanz zu
berücksichtigen war.
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1)
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Das Amtsgericht hat mit Recht nur eine Abtrennung gem. § 628 I Nr.3 ZPO in
Erwägung gezogen, denn der Fall des § 628 I Nr. 1 ZPO setzt voraus, daß eine
Entscheidung über eine Folgesache nach § 621 Nr.8 ZPO "nicht möglich" ist, d.h.
aus Rechtsgründen wegen der Abhängigkeit vom Scheidungsausspruch nicht
möglich ist (Zöller/Philippi, 20. Aufl. (1997), §§ 628 Rn.3, 623 Rn. 17 ff.). Solche
Fallgestaltungen liegen nicht vor, die bloße Tatsache eines noch schwebenden
Auskunftsverfahrens reicht nicht aus, denn dieses ist Teil der Folgesache
Zugewinnausgleich.
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2)
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Zu Recht ist das Amtsgericht davon ausgegangen, daß die Verfahrensdauer von der
Rechtshängigkeit bis zur Entscheidung des Amtsgerichts außergewöhnlich lang war,
denn sie erreichte schon zur Zeit der Entscheidung des Amtsgerichts nahezu vier
Jahre und damit das Doppelte der gewöhnlichen Verfahrensdauer im Sinne des §
628 ZPO (BGH FamRZ 1991, 687 (689); OLG Celle FamRZ 1996, 1485 m.w.N. stellt
auf durchschnittliche Verfahrensdauer beim entscheidenden Gericht ab). Es kann
daher dahinstehen, ob auch die Dauer des Berufungsverfahrens der Verfahrensdauer
hinzuzurechnen ist, wenn die Berufung sich gegen die zu Unrecht erfolgte
Abtrennung richtet bzw. ob die weitere voraussichtliche Verfahrensdauer zu
berücksichtigen ist.
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3)
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§ 628 I 3 ZPO verlangt aber weiter, daß die durch die Entscheidung über die
Folgesache bedingte Verzögerung auch unter Berücksichtigung der Bedeutung
dieser Folgesache eine unzumutbare Härte darstellen würde. Schon aus dem Begriff
der "unzumutbaren Härte" folgt, daß strenge Maßstäbe für die ausnahmsweise
Auflösung des Verfahrens- und Entscheidungsverbundes angelegt werden müssen
(OLG Bamberg FamRZ 1988, 531 m.w.N.), der eine Schutzfunktion für den sozial
schwächeren sich der Scheidung widersetzenden Ehepartner hat.
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Diese Voraussetzung ist nach Überzeugung des Senats nicht erfüllt.
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Unzumutbar ist die Härte nur, wenn das Interesse des Antragstellers an einer
baldigen Scheidung das Interesse der Antragsgegnerin an einer Scheidung nur
zusammen mit den Folgesachen deutlich überwiegt (vgl. Zöller/Philippi, a.a.O., § 628
Rn. 6 m.w.N.). Die Zeitdauer als solche begründet keine unzumutbare Härte, wenn
sie auch bei der Abwägung zu berücksichtigen ist.
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Die Verzögerung des Zugewinnausgleichsverfahrens ist ganz wesentlich darauf
zurückzuführen, daß der Antragsgegner die geschuldete Auskunft nicht vollständig
erteilt hat. Der Umstand, daß die Antragstellerin das Erzwingungsverfahren mit
größerer Beschleunigung hätte betreiben können, ändert daran nichts. Wer am
Abschluß des Scheidungsverfahrens interessiert ist, muß von sich aus die
Voraussetzungen für die Entscheidungsreife der Folgesachen herbeiführen. Erteilt er
geschuldete Auskünfte nach erfolgter Auskunftstitulierung nicht, kann er sich nicht
darauf berufen, dazu sei er nicht mit der gebotenen Beschleunigung gezwungen
worden. Insoweit vermag eine durch die Verzögerung der vollständigen Auskunft
eingetretene Verzögerung des Scheidungsverfahrens im Streitfall keine unzumutbare
Härte zu begründen.
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Der Umstand, daß der Antragssteller wegen einer neuen Partnerschaft und einem
daraus hervorgegangenen Kind eine neue Ehe eingehen möchte (vgl. BGH FamRZ
1986, 898 m.w.N.), begründet eine unzumutbare Härte abgesehen von dem
geschilderten Verhalten bei der Auskunftserteilung gleichfalls im Ergebnis nicht,
wenn die Ehe -wie hier - von langer Dauer war und die langjährige Ehefrau ein
berechtigtes Interesse an der Klärung der vermögensrechtlichen Folgen zusammen
mit der Scheidung hat. Diesen Gesichtspunkt hat auch das Amtsgericht
herangezogen, aber gemeint, die Antragstellerin hätte dann jedenfalls Teilansprüche
beziffern müssen. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Im Streitfall handelt es sich
ungeachtet der Angebote des Antragstellers um so erhebliche noch ungeklärte
Positionen - Streit um die Berücksichtigung des Zugewinns in Gestalt eines
umfangreichen in Ostdeutschland gelegenen schon lange vor der Wiedervereinigung
ererbten Vermögens -, daß ein Hinausschieben dieser Klärung auf einen Zeitpunkt
nach der Scheidung die Antragsgegnerin unangemessen benachteiligen würde. Aus
dem bisherigen Auskunftsverhalten des Antragsgegners ergibt sich, daß die
Antragstellerin mit Recht befürchtet, eine Klärung ohne den Druck eines
Scheidungsverfahrens auf Jahre hinaus nicht erreichen zu können. Auch wenn die
Klärung der Zugewinnausgleichsansprüche nicht von existenzsichernder Bedeutung
ist, kann bei einer vor über 25 Jahren geschlossenen Ehe, aus der drei Kinder
hervorgegangen sind, das Interesse des der Scheidung widersprechenden
Ehepartners an einer Gesamtlösung der Ehefolgen nicht gering veranschlagt werden.
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Die Kostenentscheidung, auch über das Berufungsverfahren, obliegt dem
Amtsgericht.
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Streitwert für die Berufung der Antragsgegnerin: 60.000 DM; Streitwert für die
Berufung des Antragstellers : 25.200 DM.
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