Urteil des OLG Köln vom 10.12.1998

OLG Köln (aufnahme einer erwerbstätigkeit, zpo, scheidung, dauer, unterhalt, zeitpunkt, trennung, treffen, anordnung, beschwerde)

Oberlandesgericht Köln, 14 WF 191/98
Datum:
10.12.1998
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
14. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
14 WF 191/98
Vorinstanz:
Amtsgericht Brühl, 32 F 117/98
Tenor:
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Prozeßkostenhilfe
teilweise verweigernden Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht -
Brühl vom 6. November 1998 - 32 F 117/98 - wird zurückgewiesen.
G r ü n d e :
1
Die nach § 127 ZPO statthafte und auch im übrigen formell unbedenkliche Beschwerde
der Antragstellerin bleibt in der Sache ohne Erfolg. Weitergehende Prozeßkostenhilfe,
als sie das Amtsgericht mit dem angefochtenen Beschluß bewilligt hat, kann der
Antragstellerin schon deswegen nicht gewährt werden, weil es jedenfalls an der
Bedürftigkeit fehlt. Auf die Frage, inwieweit die Rechtsverfolgung Aussicht auf Erfolg
bietet, kommt es deshalb nicht an.
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1. Prozeßkostenhilfe soll als besondere Form der Sozialhilfe im Bereich der
Rechtspflege nur solchen Personen zugute kommen, die bedürftig sind, also die Kosten
der Prozeßführung nicht oder nur zum Teil oder nur ratenweise aus eigenen Mitteln
aufbringen können, § 114 ZPO. Dabei hat die betreffende Partei in zumutbarem
Rahmen auch ihr Vermögen einzusetzen, § 115 II 1 ZPO. Zum Vermögen im Sinne
dieser Vorschrift gehört ein Anspruch auf Zahlung eines Prozeßkostenvorschusses (vgl.
u.a. Wendl/Thalmann, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 4. Auflage
1997, Rdn. 63 zu § 8). Eine Prozeßkostenvorschußpflicht besteht gemäß §§ 1361 IV 3,
1360a IV BGB auch zwischen getrennt lebenden Ehegatten, soweit es um
Rechtsstreitigkeiten geht, die persönliche Angelegenheiten betreffen. Dazu zählen nach
einhelliger Meinung unter anderem Unterhaltssachen (vgl. nur Wendl/Scholz, a.a.O.,
Rdn. 28 zu § 6). Daß der Antragsgegner hinreichend leistungsfähig ist, auch die Kosten
der Prozeßführung für die Antragstellerin aufzubringen, kann nach seinen
Einkommensverhältnissen, so wie er sie selbst dargestellt hat, nicht in Zweifel gezogen
werden. Anhaltspunkte dafür, daß die Durchsetzung eines
Prozeßkostenvorschußanspruchs auf ernsthafte Schwierigkeiten stoßen könnte, sind
nicht ersichtlich. Als Mittel der prozessualen Geltendmachung käme eine einstweilige
Anordnung nach § 127a ZPO in Betracht.
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Nach alledem müßte die Antragstellerin also - sollte die von ihr beabsichtigte
Rechtsverfolgung in weiterem Umfang, als vom Amtsgericht angenommen,
aussichtsreich sein - auf den gegenüber der Prozeßkostenhilfe vorrangigen
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Prozeßkostenvorschußanspruch gegen den Antragsgegner zurückgreifen.
2. Für die weitere Sachbehandlung weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:
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a) Bei der Frage, ob die Antragstellerin eine Erwerbsobliegenheit trifft und ihr fiktiv
Eigeneinkünfte zuzurechnen sind, kann auch von Bedeutung sein, wie die Parteien den
Ehegattenunterhalt während der Trennungszeit durch jahrelange Handhabung
tatsächlich geregelt haben. Wenn auch vieles für die Auffassung des Amtsgerichts
sprechen mag, die von der Antragstellerin behauptete Vereinbarung der Parteien
anläßlich ihrer Trennung sei vernünftigerweise nicht in dem Sinne zu verstehen
gewesen, daß der Antragsgegner die Antragstellerin auf Dauer von eigenen
Erwerbsbemühungen freistellen wollte, so ist doch andererseits zu berücksichtigen, daß
der Antragsgegner mehr als 7 Jahre (bis Juli 1998 ) monatlich 2.000,00 DM - einige
Monate sogar 2.200,00 DM - Unterhalt an die Antragstellerin gezahlt hat. Daß er in
diesem Zeitraum von der Antragstellerin die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gefordert
hat, ist jedenfalls bisher nicht dargetan. Von daher ist die Annahme eines
"Vertrauenstatbestandes" nicht fernliegend (vgl. allgemein zu diesem Gesichtspunkt
OLG Hamm FamRZ 1995, 1580). Dies würde zwar nicht ohne weiteres bedeuten, daß
die Antragstellerin nunmehr keine Erwerbsbemühungen mehr entfalten müßte. Es kann
ihr aber im Hinblick auf die jahrelange tatsächliche Handhabung eine nicht zu kurz
bemessene Übergangsfrist zuzubilligen sein, während der die fiktive Anrechnung von
Eigeneinkünften ausscheidet. Insoweit wird dann auch eine Rolle spielen, daß es zum
jetzigen Zeitpunkt im Hinblick auf das Lebensalter der Antragstellerin schwierig, wenn
nicht gar ausgeschlossen sein dürfte, noch eine angemessene Arbeit zu finden. Daß die
Erwerbsaussichten zum lange zurückliegenden Zeitpunkt der Trennung noch erheblich
günstiger gewesen sein mögen, ist unerheblich. Insoweit können der Antragstellerin
entgegen der Auffassung des Amtsgerichts nicht "Versäumnisse" vorgehalten werden,
falls nicht der Antragsgegner seinerseits rechtzeitig auf eigene Erwerbsbemühungen der
Antragstellerin gedrängt haben sollte.
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b) Bei dem von der Antragstellerin eingereichten Antrag auf Erlaß einer einstweiligen
Anordnung handelt es sich nicht um eine Folgesache. Folgesachen sind nach der
gesetzlichen Begriffsbestimmung in § 623 Abs. 1 ZPO solche Familiensachen, die für
den Fall der Scheidung zu treffen sind. Die Antragstellerin macht - jedenfalls auch, wenn
nicht sogar ausschließlich - Unterhalt für die Dauer des Getrenntlebens der Parteien
geltend (vgl. Bl. 53 der Teilakten EA-UE). Es liegt auf der Hand, daß eine Entscheidung
hierüber nicht für den Fall der Scheidung zu treffen ist. Abgesehen davon gehören aber
Verfahren auf Erlaß einstweiliger Anordnungen wegen ihrer gänzlich anderen Struktur
ohnehin nicht zu den Folgesachen. Über letztere ist nämlich grundsätzlich im Verbund
mit der Ehescheidung zu entscheiden, und zwar durch Urteil, §§ 623 ff ZPO. Über
Anträge auf Erlaß einstweiliger Anordnungen entscheidet das Gericht hingegen
unabhängig von der Scheidung und fakultativ im Beschlußwege ohne mündliche
Verhandlung, die Anfechtbarkeit der Entscheidung ist, anders als bei Folgesachen, stark
eingeschränkt, §§ 620b II, 620c ZPO.
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