Urteil des OLG Köln vom 19.06.2006
OLG Köln: vergütung, aufwand, mehrarbeit, ausnahme, pauschalierung, form, bezahlung, abrechnung, datum, wechsel
Oberlandesgericht Köln, 16 Wx 120/06
Datum:
19.06.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
16. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 Wx 120/06
Vorinstanz:
Landgericht Bonn, 4 T 192/06
Tenor:
Die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2.) gegen den
Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 09. März
2006 – 4 T 192/06 – wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
1
I.
2
Für den Betreuten wurde erstmals im September 2004 Betreuung angeordnet, mit der
seine Ehefrau als ehrenamtliche Betreuer bestellt wurde. Da diese sich in der Folgezeit,
auch wegen eines inzwischen eingetretenen Erbfalls mit den Aufgaben der Betreuung
überfordert fühlte, wurde sie mit Beschluss vom 21.10.2005 als Betreuerin entlassen
und stattdessen der Beteiligte zu 2. als Berufsbetreuerin eingesetzt. Dieser verlangt nun
für den Zeitraum vom 25.10.2005 bis 24.01.2006 eine Vergütung entsprechend dem
Zeitaufwand, der bei der erstmaligen Bestellung eines Betreuers anfällt. Zur
Begründung verweist er darauf, dass für den schwerstkranken Betreuten seit März 2005
Heimkosten in beträchtlicher Höhe angefallen seien, um deren Bezahlung die frühere
Betreuerin sich bisher nicht gekümmert habe. Auch sei bisher ein
Vermögensverzeichnis nicht erstellt worden. Das Vormundschaftsgericht hat mit
Beschluss vom 27.03.2006 für den Zeitraum 25.10.2005 bis 15.12.2005 eine Vergütung
in Höhe von 189,20 € bewilligt, wobei der für eine bereits seit über 12 Monaten
bestehende Betreuung vorgesehene Arbeitsaufwand zugrunde gelegt worden ist.
Hinsichtlich des Zeitraumes ab dem 15.12.2005 hat das Gericht den Betreuer auf die für
das nächste Quartal anfallende Abrechnung verwiesen, was der Rechtsmittelführer nicht
angegriffen hat. Die wegen der vom Vormundschaftsgericht angenommenen
Stundensätze eingelegte sofortige Beschwerde blieb erfolglos. Mit seinem vom
Landgericht zugelassenen Rechtsmittel verfolgt der Beteiligte zu 2. seinen
Vergütungsanspruch mit dem Ziel der höheren, für eine Neueinrichtung der Betreuung
maßgebenden Stundensätze weiter.
3
II.
4
Die sofortige weitere Beschwerde ist infolge ihrer Zulassung statthaft (§§ 69e S. 1, 56g
Abs. 5 S. 2 FGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt.
5
In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Die Entscheidung des
Landgerichts hält der rechtlichen Überprüfung stand (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO).
6
Der Senat ist mit den Vorinstanzen der Auffassung, dass für die Bemessung der
Betreuervergütung nach § 5 Abs.2 VBVG die erstmalige Begründung des
Betreuungsverhältnisses auch in den Fällen maßgebend ist, in denen ein Wechsel von
einem ehrenamtlichen Betreuer zu einem Berufsbetreuer stattfindet. Dies entspricht dem
im Gesetzeswortlaut objektivierten Willen des Gesetzgebers sowie Sinn und Zweck der
Regelung. Der Senat hat sich in seiner Entscheidung vom 14. Juni 2006 (16 Wx 109/06)
insoweit in vollem Umfang den Ausführungen der Oberlandesgerichte Schleswig
(Beschlüsse vom 02.02.2006 – 2 W 12/06 – und vom 25.01.2006 – 2 W 240/05) und
München (Beschluss vom 09.02.2006 – 33 Wx 237/05 = FamRZ 2006, 647 ff.)
angeschlossen und hierzu ausgeführt:
7
"Bereits nach dem Wortlaut des § 5 Abs. 2 VBVG wird für die verschiedenen
Vergütungsstufen allein auf die Dauer der Betreuung abgestellt und nicht auf die Dauer
der Tätigkeit des anspruchstellenden Betreuers.
8
Dass die gestaffelten Stundensätze an dem Zeitpunkt der Einrichtung der Betreuung zu
orientieren sind, entspricht auch dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers, wie er in
der Begründung des Gesetzentwurfs des Bundesrates zum Zweiten
Betreuungsrechtsänderunggesetz - 2. BtÄndG (BT-Drs. 15/2494 S. 34) wie folgt zum
Ausdruck kommt:
9
"Um den mit der Pauschalierung verfolgten Zweck der Vereinfachung und
Streitvermeidung nicht zu vereiteln, müssen Ausnahmen von dem vorgeschlagenen
Pauschalierungsmodell soweit wie möglich begrenzt werden. Zu dem sind in den vom
ISG ausgewerteten Akten die Fälle besonderer Betreuungssituationen enthalten und
somit in die gebildeten Pauschalen eingeflossen. Aus den oben dargestellten Gründen
enthält der Entwurf im Fall eines Betreuerwechsels keine Ausnahme von dem
vorgeschlagenen Pauschalierungsmodell. Der mit einem Betreuerwechsel regelmäßig
einhergehende Mehrbedarf ist in den vom ISG erhobenen Zahlen enthalten.
Maßgebend für die Anwendung der Pauschalen ist daher die erstmalige Bestellung
eines Betreuers. Dies soll auch dann gelten, wenn es sich hierbei um einen
ehrenamtlichen Betreuer handelt und später ein Berufsbetreuer bestellt wird. Geschieht
dies z.B. im dritten Jahr einer Betreuung, kann der Berufsbetreuer nur die Pauschale für
den Zeitraum ab dem 2. Jahr beanspruchen."
10
Einer solchen Sichtweise steht auch die systematische Stellung der Vorschrift über die
Vergütungssätze im VBVG nicht entgegen. Auch wenn Ansprüche auf Vergütung
ausschließlich bei berufsmäßig geführten Betreuern entstehen, schließt dies nicht
denknotwendig aus, hierbei mit der Dauer der Betreuung an ein Merkmal anzuknüpfen,
das auch bei zuvor ehrenamtlicher Führung der Betreuung erfüllt sein kann.
11
Schließlich entspricht es auch Sinn und Zweck der Regelung in § 5 VBVG, im Falle
eines Betreuerwechsels den Zeitpunkt der Anordnung der Betreuung als maßgeblich
anzusehen. Die mit dem zweiten BtÄndG eingeführten Pauschalen sollen das
Abrechnungssystem vereinfachen und sowohl den Betreuer als auch das für die
Festsetzung der Vergütung zuständige Vormundschaftsgericht von der Erfassung der im
Einzelfall aufgewendeten Zeit entbinden (BT-Drs 15/2494 S. 31). Aus diesem Grunde
12
hat der Gesetzgeber Ausnahmen von dem in § 5 VBVG niedergelegten
Pauschalierungssystem nicht vorgesehen (BT-Drs 15/2494 S. 33).
Die Erfahrungswerte, die den Pauschalen des § 5 VBVG zu Grunde liegen – dass
nämlich im Regelfall der Betreuungsaufwand, nach Spitzenwerten während der ersten
drei Monate, kontinuierlich und stark abnimmt, wobei in den Phasen vom 4. bis 6. Monat,
vom 7. bis 12. Monat und ab dem 2. Jahr merkliche Verringerungen festzustellen sind
(BT-Drs 15/2494 S. 31 ff.) – sind auch dann zu unterstellen, wenn ein ehrenamtlicher
Betreuer wegen fehlender Eignung oder persönlicher Überforderung nach § 1908b Abs.
1 S. 1 BGB entlassen und nunmehr ein Berufsbetreuer bestellt wird. Auch wenn der
Arbeitsaufwand des Berufsbetreuers in derartigen Fällen vielfach dem einer erstmaligen
Betreuung ähnelt, so ist auch dieser erhöhte Aufwand von den Pauschalen des § 5
VBVG erfasst, denen eine "Mischkalkulation zwischen aufwendigen und weniger
aufwendigen Fällen innerhalb der Fallgruppen zu Grunde liegt" (BT-Drs 15/2494 S. 33).
Auf eine Differenzierung zwischen leichten und schwierigen Konstellationen hat der
Gesetzgeber bewusst verzichtet. Dem würde es jedoch widersprechen, Fälle, die einen
besonders hohen Zeitaufwand erwarten lassen, vergütungsrechtlich zu privilegieren. Es
sind durchaus mehrere Fallgestaltungen denkbar, in denen mit einem Betreuerwechsel
anfangs mehr oder weniger Mehrarbeit für den neuen Berufsbetreuer verbunden ist.
Würden diese jeweils eine Einzelfallprüfung eröffnen, ob eine vergütungsrechtlich zu
privilegierende Konstellation vorliegt, würde das durch die Neuregelung eingeführte
vereinfachte Abrechnungssystem unzulässig unterlaufen, dessen Sinn und Zweck es
auch ist, Streitigkeiten über eine Höhe der Betreuervergütung im Einzelfall zu
vermeiden."
13
An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen
das Pauschalierungssystem des § 5 VBVG teilt der Senat nicht, so dass die
Rechtsbeschwerde zurückzuweisen ist.
14
Die vom Senat vertretene Auffassung nötigt im Hinblick auf die Entscheidung des
Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 06.03.2006 – 3 W 3/06 – nicht zur Vorlage an den
BGH nach § 28 Abs. 2 FGG. Das OLG Zweibrücken hat in dieser Entscheidung für die
Anwendung der Pauschalen des § 5 VBVG im Falle des durch Pflichtwidrigkeit des
ehrenamtlichen Betreuers veranlassten Betreuerwechsels ausnahmsweise auf die
erstmalige Bestellung des Berufsbetreuers abgestellt, weil wesentliche Aufgabe des
neuen Betreuers die neben der Vermögenssorge als besonderer Wirkungskreis
angeordnete Geltendmachung von Regressansprüchen in Höhe von über 140.000,00 €
gegen den früheren Betreuer war. Insoweit unterscheidet sich der der Entscheidung des
Oberlandesgerichts Zweibrücken zu Grunde liegende Sachverhalt maßgebend von dem
hier zu beurteilenden Sachverhalt. Anlass für den Betreuerwechsel war eine
persönliche Überforderung der ehrenamtlichen Betreuerin, was zu einer gewissen
Mehrarbeit des Berufsbetreuers geführt haben dürfte, der von der früheren Betreuerin
vernachlässigte Aufgaben nachholen musste. Diese Tätigkeit ist indes von Umfang und
Arbeitsaufwand nicht vergleichbar mit dem für die Prüfung und Geltendmachung von
Regressforderungen in Höhe von über 140.000,00 € gegenüber einem früheren
Betreuer erforderlichen Aufwand.
15
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
16