Urteil des OLG Köln vom 16.05.2007

OLG Köln: aufwand, nachlass, zustellung, bestätigung, verfügung, grundstück, erfüllung, berufungsschrift, glaubhaftmachung, berufungsfrist

Oberlandesgericht Köln, 2 U 94/06
Datum:
16.05.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
2. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 U 94/06
Vorinstanz:
Landgericht Aachen, 12 O 710/04
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 22. Juni 2006 verkündete
Teilurteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Aachen – 12 O 710/04 –
wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
G r ü n d e
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I.
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Die Kläger begehren von der Beklagten im Wege der Stufenklage Auskunft und
Herausgabe hinsichtlich des unentgeltlichen Erhaltes von Vermögenswerten durch den
Vater der Beklagten, die dieser seinerseits als vermeintlicher Erbe aus dem Nachlass
der Frau K C, geborene I, erlangt haben soll.
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Durch das hiermit wegen aller Einzelheiten in Bezug genommene Teilurteil vom 22.
Juni 2006 hat das Landgericht die Beklagte verurteilt,
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den Klägern Auskunft darüber zu erteilen, was sie aus dem Nachlass der am
10.01.1965 verstorbenen K C, geborene I, erhalten hat, insbesondere
Auskunft darüber zu erteilen, welchen Betrag sie unentgeltlich von Herrn H I
aus dem ihm im Rahmen der Verteilung des Kauferlöses für das Grundstück
S-Platz 6, D-Mitte, von Herrn N W überwiesenen Betrages in Höhe von
1.448.200,14 DM erhalten (ergänze: hat).
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Durch einen am 27. Juli 2006 beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz hat
die Beklagte gegen das Urteil, das sie in Kopie beigefügt hat, Berufung eingelegt. Wann
das Urteil der Beklagten zugestellt worden ist, lässt sich nicht feststellen. Ausweislich
des Vermerks des Landgerichts vom 17. August 2006 (vgl. Bl. 239 d. A.) sind die
Nachweise (ergänze: Empfangsbekenntnisse) bezüglich der Zustellung des Teilurteils
vom 22. Juni 2006 trotz Nachforderung bei den Prozessbevollmächtigten nicht zu den
Akten gelangt. Das Zustellungsdatum wird auch in der Berufungsschrift vom 27. Juli
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2006 nicht mitgeteilt.
Durch Verfügung des Vorsitzenden vom 3. August 2006 (vgl. Bl. 261 d. A.) ist der
Beklagten unter Hinweis auf § 511 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 ZPO aufgegeben worden,
den Wert des Beschwerdegegenstandes anzugeben und glaubhaft zu machen. Der
Wert der Beschwer entspreche dem Aufwand an Zeit und Kosten, der für die Beklagte
mit der Erteilung der im Urteilstenor bezeichneten Auskunft verbunden sei. Wenn er die
Wertgrenze des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht übersteige, sei die Berufung nicht
zulässig, nachdem auch die Voraussetzungen des § 511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht erfüllt
seien.
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Nachdem die Berufungsbegründungsfrist auf Antrag der Beklagten bis zum 28.
September 2006 verlängert worden war (vgl. Bl. 271 d. A.), hat die Beklagte die
Berufung durch einen am 27. September 2006 beim Oberlandesgericht eingegangenen
Schriftsatz begründet. Der Wert des Beschwerdegegenstandes liege bei rund 1.000,00
€, jedoch jedenfalls mindestens bei 750,00 € und übersteige somit die
Zulassungsgrenze gem. § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Um die Auskunft zu erteilen, welche
Beträge sie insbesondere vor 10 bzw. 11 Jahren von ihrem Vater angeblich aus der
Verteilung eines Kauferlöses aus dem im Tenor genannten Grundstück D-Mitte erhalten
habe, sei es notwendig, Kontoauszüge von vor 10 bzw. 11 Jahren auf etwaige
Überweisungen hin durchzusehen. Nach einem derartig langen Zeitraum sei es keinem
Menschen möglich, diese Auskunft ohne Zurhilfenahme von Unterlagen zu erteilen.
Diese Kontoauszüge habe sie bereits vor vielen Jahren vernichtet, so dass sie bei ihrer
Bank eine Nacherstellung in Auftrag geben müsse. Die Kosten für die Anforderung der
Kontoauszüge von mindestens einem Jahr beliefen sich auf mindestens 750,00 €. Zur
Glaubhaftmachung überreicht die Beklagte eine Bestätigung der E-Bank AG vom 19.
September 2006. In dieser an den Prozessbevollmächtigten der Beklagten gerichteten
Bestätigung heißt es wörtlich unter anderem wie folgt:
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"Wir bestätigen Ihnen den Gebührensatz für die Nacherstellung von
Kontoauszügen; älter als 8 Jahre.
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Die Nacherstellung für ein komplettes Jahr kostet mind. € 750,00 (bei mehr als
Stck.-500- Buchungen p.a. kann sich der Betrag erhöhen)."
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Zu diesem Aufwand an Kosten für die Nacherstellung der Kontoauszüge sei zusätzlich
der Aufwand an Zeit zu addieren, der für die Durchsicht von Kontoauszügen von einem
Jahr erforderlich sei. Nacherstellte Kontoauszüge seien nicht so übersichtlich und leicht
verständlich, wie dies bei den zeitnah versandten Kontoauszügen der Fall sei. Die
ausführliche tabellarische Übersicht mit bankinternen Kürzeln sei regelmäßig nur von
einem Kundigen zu verstehen. Die Beklagte würde daher "höchstwahrscheinlich auch
darauf angewiesen sein, einen Steuerberater o. ä. zu Unterstützung heranzuziehen, um
die Kontoauszüge auszuwerten". Danach ergebe sich ein Aufwand an Zeit und Kosten
für die Beklagte von mindestens 1.000,00 €, so dass die Berufung zulässig sei.
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Sie sei auch in der Sache begründet (wird ausgeführt, vgl. Bl. 247 ff. d. A.).
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Die Beklagte beantragt,
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das am 22. Juni 2006 verkündete Urteil des Landgerichts Aachen – 12 O
710/04 – abzuändern und die Klage abzuweisen.
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Die Kläger beantragen,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie halten die Berufung bereits für unzulässig, weil der Wert der Beschwer für die
Klägerin 600,00 € nicht erreiche. Auch in der Sache sei die Berufung nicht begründet.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das angegriffene
Urteil sowie die in der ersten und zweiten Instanz von den Parteien gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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II.
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Die Berufung ist unzulässig und deshalb gem. § 522 Abs. 1 S. 2 ZPO zu verwerfen,
wobei die Entscheidung gem. § 522 Abs. 2 S. 3 ZPO durch Beschluss ergehen kann.
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1. Allerdings folgt die Unzulässigkeit nicht bereits aus der Versäumung der
Berufungsfrist des § 517 ZPO. Hiernach ist die Berufung grundsätzlich innerhalb eines
Monats ab Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils einzulegen.
Vorliegend lässt sich eine Zustellung des angefochtenen Urteils an die
Prozessbevollmächtigten der Beklagten nicht feststellen, weil das Empfangsbekenntnis
nicht zurückgesandt worden ist und auch die Berufungsschrift – entgegen verbreiteter
Übung – den Tag der Zustellung des Urteils nicht mitteilt. Wenn sich – wie hier – die
formgerechte Zustellung eines Schriftstückes nicht nachweisen lässt, so gilt es gem. §
189 ZPO in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem das Schriftstück der Person, an die die
Zustellung dem Gesetz gemäß gerichtet war oder gerichtet werden konnte, tatsächlich
zugegangen ist. Da die Prozessbevollmächtigen der Beklagten mit der Berufungsschrift
vom 27. Juli 2006 die Kopie einer Ausfertigung des Urteils vorgelegt haben, muss es
ihnen spätestens an jenem Tag vorgelegen haben. Spätestens mit diesem Zeitpunkt ist
deshalb die Berufungs- und damit auch die Berufungsbegründungsfrist in Lauf gesetzt
worden. Die Berufungsfrist ist deshalb gewahrt worden. Entsprechendes gilt auch für die
zweimonatige Berufungsbegründungsfrist (§ 520 Abs. 2 S.1 ZPO), da die
Berufungsbegründung am 27. September 2006 bei dem Oberlandesgericht
eingegangen ist. Unabhängig davon war die Berufungsbegründungsfrist auch durch
Verfügung vom 11. September bis zum 28. September 2006 verlängert worden.
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2. Die Berufung ist jedoch deshalb unzulässig, weil der Wert des
Beschwerdegegenstandes 600,00 € nicht übersteigt und das Gericht des ersten
Rechtzuges die Berufung im Urteil auch nicht zugelassen hat (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 und 2
ZPO).
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a) Nach ständiger Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs, der der Senat folgt,
bestimmt sich der Wert der Beschwer eines zu Auskunft verurteilten Beklagten nach
dem Aufwand an Zeit und Kosten, den die Erfüllung des titulierten Anspruchs erfordert
(vgl. hierzu nur BGHZ – Großer Senat – 128, 85 ff.). Hierauf und auf das Erfordernis der
Glaubhaftmachung (§ 511 Abs. 3 ZPO) ist die Beklagte durch Verfügung des
Vorsitzenden des Senats vom 3. August 2006 ausdrücklich hingewiesen worden.
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b) Vorliegend behauptet die Beklagte, der Aufwand für die Erfüllung der titulierten
Forderung liege bei rund 1.000,00 €, jedoch jedenfalls mindestens bei 750,00 €. Der
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von der Beklagten hierzu gemachte Vortrag genügt jedoch zur Glaubhaftmachung nicht.
Nach Auffassung des Senats beläuft sich dieser Aufwand maximal auf einen Betrag von
300,00 € und bleibt damit unter der Wertgrenze des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
aa) Die Beklagte hat sich im Verlaufe des bisherigen Rechtsstreits nicht dazu geäußert,
ob sie überhaupt etwas von ihrem Vater erhalten hat, das aus dem Nachlass der am 10.
Januar 1965 verstorbenen K C, geborene I, stammte. Sie hat sich vielmehr gegen die
Zulässigkeit der gegen sie erhobenen Klage gewandt und das Bestehen eines
entsprechenden Herausgabeanspruches der Kläger grundsätzlich in Abrede gestellt.
Wenn die Beklagte aber aus dem Nachlass nichts erhalten hätte, insbesondere von dem
hier in erster Linie in Rede stehenden Kauferlös betreffend das Grundstück S-Platz 6,
wäre es für sie ein minimaler Aufwand, den titulierten Auskunftsanspruch der Kläger
durch das schlichte Verneinen des Erhalts entsprechender Gegenstände bzw. Beträge
zu erfüllen. Da diese Möglichkeit aufgrund des Prozessverhaltens der Beklagten
jedenfalls nicht ausgeschlossen ist, scheidet bereits aus diesem Grunde eine über
600,00 € hinausgehende Beschwer der Beklagten aus.
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bb) Wird – im Hinblick auf die Zulässigkeit der Berufung – zugunsten der Beklagten
davon ausgegangen, dass sie überhaupt etwas aus dem Nachlass der Erblasserin
erhalten hat, ist nicht, jedenfalls nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass sie für die
Erteilung der Auskunft auf die Nacherstellung von Kontoauszügen, die angeblich einen
Aufwand von mindestens 750,00 € erfordern sollen, überhaupt angewiesen ist.
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(1) Nach dem Vortrag der Beklagten bleibt offen, ob es überhaupt Überweisungen von
Seiten des Vaters an sie gegeben hat. Nicht ausgeschlossen sind insoweit auch
Barzahlungen, die durch die Durchsicht von Kontoauszügen nicht festgestellt werden
könnten. Auch hier wirkt es sich zum Nachteil der Beklagten aus, dass sie sich zu dem
Erhalt des Geldes überhaupt nicht äußert.
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(2) Sollte es tatsächlich Überweisungen des Vaters der Beklagten an diese gegeben
haben und die Beklagte – wie sie vorträgt – über die Kontoauszüge nicht mehr verfügen,
besteht zunächst die einfachere und kostengünstigere Möglichkeit, die titulierten
Informationen von ihrem Vater zu erfragen. Zumindest hat die Beklagte nicht dargelegt,
warum sie von ihrem Vater die entsprechenden Informationen nicht erhalten kann. Es ist
deshalb nicht ausgeschlossen, dass ihr Vater seinerseits über Kontoauszüge –
gegebenenfalls durch Nacherstellung – oder sonstige Informationen verfügt, aus denen
sich etwaige Überweisungen an die Beklagte ergeben und die er auch der Beklagten
zur Verfügung stellen könnte, damit diese ihrer Auskunftspflicht gegenüber den Klägern
nachkommen könnte.
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Für eine entsprechende Informationsmöglichkeit bei ihrem Vater spricht im übrigen auch
der Umstand, dass der Vater der Beklagten ausweislich der Akte seinerseits bereits
durch das Urteil des Landgerichts Berlin vom 14. August 2002 – 19 O 524/01 – dazu
verurteilt worden, den Klägern darüber Auskunft zu erteilen, was er aus dem Nachlass
der Erblasserin erhalten hat. Die Auskunft erstreckt sich insbesondere darauf, welche
Beträge er für das Grundstück S-Platz 6 erhalten hat. Darüber hinaus muss der Vater der
Beklagten den Klägern auch Auskunft über den Verbleib der Nachlasswerte erteilen.
Die hiergegen gerichtete Berufung des Vaters der Beklagten hat das Kammergericht
durch Urteil vom 28. September 2005 als unzulässig verworfen. Wie die Kläger in der
Berufungserwiderung unbestritten vorgetragen haben, ist die Auskunftsverurteilung des
Vaters der Beklagten zwischenzeitlich rechtskräftig, nachdem der Bundesgerichtshof mit
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Beschluss vom 28. November 2006 die Nichtzulassungsbeschwerde des Vaters der
Beklagten gegen das Urteil des Kammergerichts vom 28. September 2005
zurückgewiesen hat.
cc) Selbst wenn die Beklagte darauf angewiesen wäre, ihrerseits für einen bestimmten
Zeitraum Kontoauszüge nacherstellen zu lassen, genügt die von ihr vorgelegte
Bestätigung der E-Bank vom 19. September 2006 nicht, um von einem Kostenaufwand
in Höhe von mindestens 750,00 € ausgehen zu können. Die Bestätigung der E-Bank ist
sehr allgemein gehalten und an den Prozessbevollmächtigten der Beklagten gerichtet.
Ein konkreter Bezug zu der Person der Beklagten wird nicht hergestellt, insbesondere
findet sich auch kein Hinweis auf eine etwaig konkrete Kontoverbindung der Beklagten
bei der E-Bank. Insoweit ist es nicht ausgeschlossen, dass es sich bei der Bestätigung
um eine allgemeine Auskunft der E-Bank zu den üblichen Kosten für die Nacherstellung
von Kontoauszügen handelt. Wie die Kläger in der Berufungserwiderung aber zu Recht
einwenden, bedürfte es einer auf die tatsächlich bestehende Kontoverbindung der
Beklagten bezogene Auskunft zu etwaigen Kosten der Nacherstellung von
Kontoauszügen, die sich unter Umständen deutlich von den allgemeinen Gebühren
unterscheiden könnten. So ist es nicht ungewöhnlich, dass bestimmten, langjährigen
Kunden, auch Sonderkonditionen eingeräumt werden. Nach Auffassung des Senats
erscheint aber auch ein Kostenaufwand in Höhe von 750,00 € sehr hoch gegriffen.
Zumindest hat die Beklagte nicht glaubhaft gemacht, dass die Nacherstellung von
Kontoauszügen für ihr Konto tatsächlich einen Betrag in Höhe von 750,00 € erfordern
würde.
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dd) Soweit die Beklagte schließlich auf den Zeitaufwand für die Durchsicht von
Kontoauszügen und darauf verweist, darauf angewiesen zu sein, einen Steuerberater
"o. ä." zur Unterstützung heranzuziehen, um die Kontoauszüge auszuwerten, ist auch
hierdurch eine über 600,00 € hinausgehende Beschwer nicht hinreichend dargelegt und
erst recht nicht glaubhaft gemacht. Auch für einen nicht besonders Kundigen ist nach
Auffassung des Senats mit geringem Aufwand möglich, nacherstellten Kontoauszügen
den überwiesenen Betrag, den Überweisenden und den Verwendungszweck zu
entnehmen. Eine besondere Sachkunde ist hierfür nicht erforderlich.
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ee) Mangels weiterer näherer Anhaltspunkte geht der Senat davon aus, dass für die
Erfüllung der der Beklagten obliegenden Auskunftsverpflichtung ein Zeitaufwand von
höchstens 10 Stunden erforderlich ist. Legt man insoweit als Vergleichsmaßstab den
Höchstsatz für die Entschädigung eines Zeugen gem. §§ 20, 22 JVEG zugrunde, ergibt
dies einen Aufwand in Höhe von 10 x 17,00 € = 170,00 €. Addiert man sonstige
Auslagen wie Fahrtkosten, Telefonkosten etc. hinzu, errechnet sich ein Aufwand von
maximal 300,00 €, der unter der Wertgrenze des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO bleibt. Eine
höhere Beschwer hat die Beklagte nicht glaubhaft gemacht.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Berufungsstreitwert: bis 300,00 €
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