Urteil des OLG Köln vom 04.02.2000
OLG Köln: rücktritt, wichtiger grund, vertragliche haftung, programm, reiseveranstalter, schüler, schule, strafverfahren, unterlassen, anzahlung
Oberlandesgericht Köln, 6 U 99/99
Datum:
04.02.2000
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 U 99/99
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 26 0 80/98
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 05.05.1999 verkündete
Urteil der 26. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 26 0 80/98 - teilweise
geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst: 1. Unter Abweisung der
weitergehenden Klage wird der Beklagte verurteilt, es bei Vermeidung
eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden
Ordnungsgeldes bis zu 500.000,00 DM und für den Fall, dass dieses
nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu
6 Monaten, jeweils zu vollziehen an den Vorstandsmitgliedern des
Beklagten, verurteilt, es zu unterlassen, in seinen
Teilnahmebedingungen die nachfolgenden o-der inhaltsgleiche
Klauseln zu verwenden, ausge-nommen bei Verträgen mit einem
Kaufmann im Rahmen eines Handelsgeschäftes, mit einer juristischen
Person oder einem öffentlich-rechtlichen Sonder-vermögen: a. Nach
Erhalt der Bestätigung wird eine Anzahlung in Höhe von 10% der
Programmkosten für jede ange-meldete Person fällig. Die Restzahlung
muss 30 (dreissig) Tage vor Programmbeginn bei uns einge-gangen
sein bzw. richtet sich nach dem Zahlungs-plan, den Sie mit
Rechnungsstellung von uns er-halten ..... Der Teilnehmer erhält einen
Reise-preissicherungsschein nach § 651k BGB. b. Preis- und
Leistungsänderungen: Preisänderungen sind nach Abschluss des
Reisever-trages aus sachlich berechtigten, erheblichen und nicht
vorhersehbaren Gründen (z.B. Änderung von Treibstoffkosten, Steuern,
Gebühren, Abgaben, Ta-rife) in dem Umfang möglich, wie die
sachlichen Gründe das Ausmaß der Preiserhöhung rechtfertigen ..... c.
Rücktritt: Rücktritt von einem gebuchten Programm durch den
Teilnehmer ist jederzeit möglich. Bei Rücktritt oder Nichtantritt des
Programms entstehen dem Teilnehmer folgende Rücktrittsgebühren .....
ab dem 7. Tag vor Programmbeginn 70 % des Programm-preises. d.
Haftung: ... Für Fremdleistungen haften nur die von der P. International
e.V. beauftragten Leis- tungsträger. 2. Die weitergehende Berufung wird
zurückgewiesen. 3. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Be-
klagte 4/5 und der Kläger 1/5. 4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die zulässige Berufung des Beklagten ist zum überwiegenden Teil unbegründet. Sie hat
nur insoweit Erfolg, als der Kläger mit seiner Klage verlangt hat, der Beklagte solle die
Verwendung der nachfolgenden Klausel unterlassen:
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"PI ist berechtigt, die Annahme rückgängig zu machen, sofern sich aus den
Bewerbungsunterlagen oder im weiteren Verfahren Gründe ergeben, die einer
Teilnahme am Programm entgegenstehen (z.B. mangelhafte Schulleistungen,
Fehlverhalten in der Schule, Strafverfahren, etc.) bzw. die Annahme erfolgt unter der
Bedingung, dass sich bis zur Abreise keine Anhaltspunkte ergeben, die einer
Programmteilnahme entgegenstehen (z.B. gravierende Verschlechterung der
Schulnoten, Verwarnung von der Schule, etc.)."
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Hierzu ist zunächst festzustellen, dass der Beklagte ausweislich seiner vom Kläger zu
den Akten gereichten Teilnahmebedingungen (Anlage K 1 zur Klageschrift, Blatt 8 d.A.)
in Ziffer 1 2 Satz 2 der Bedingungen lediglich den mit den Worten "PI ist berechtigt, die
Annahme rückgängig ..." beginnenden Satz und im Zusammenhang mit der
Annahmebestimmung nicht auch die Klausel verwendet, die Annahme erfolge unter der
Bedingung, dass sich bis zur Abreise keine Anhaltspunkte ergäben, die einer
Programmteilnahme entgegenstünden. Zu beurteilen ist demnach lediglich die
Zulässigkeit der Klausel "PI ist berechtigt, die Annahme rückgängig zu machen, sofern
sich aus den Bewerbungsunterlagen oder im weiteren Verfahren Gründe ergeben, die
einer Teilnahme am Programm entgegenstehen (z.B. mangelhafte Schulleistungen,
Fehlverhalten in der Schule, Strafverfahren etc.)", allerdings mit einer Besonderheit: Der
Kläger hat seine Auffassung, die Klausel verstoße gegen das Transparenzgebot und
namentlich § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG, stets - verkürzt wiedergegeben - damit begründet,
nach ihrem Wortlaut lasse sie den Rücktritt auch bei sachlich unberechtigten,
unerheblichen oder vom Beklagten zu vertretenden Gründen zu, außerdem sei zu
bemängeln, dass in der Klausel die Rückzahlungspflicht von Anzahlungen nicht
vorgesehen sei. Nicht Streitgegenstand war demgegenüber die Tatsache, dass der
Wortlaut der von dem Beklagten verwendeten Klausel den Rücktritt auch für den Fall
zuläßt, dass ihm die Gründe, die einer Teilnahme am Programm entgegenstehen,
bereits vor Abschluss des Reisevertrags bekannt waren. Diese Problematik ist vielmehr
erstmals vom Senat im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 10.12.1999, und zwar
im Zusammenhang mit seinen Bemühungen, die Parteien zu einer gütlichen Beilegung
des Rechtsstreits zu veranlassen, angesprochen worden, ohne dass der Kläger seinen
Angriff stillschweigend oder gar ausdrücklich auch auf diesen Aspekt gestützt hätte. Für
die Annahme eines stillschweigenden Aufgreifens durch den Kläger ist schon deshalb
kein Raum, weil dann eine streitwerterhöhende Klageerweiterung in Rede gestanden
und der Beklagte die Möglichkeit gehabt hätte, diesen dann im Wege der
Klageerweiterung verfolgten Anspruch mit der für ihn günstigen Kostenfolge des § 93
ZPO sofort anzuerkennen. Soweit der Kläger diese Thematik in seinem nicht
nachgelassenen Schriftsatz vom 04.01.2000 aufgegriffen hat und jetzt rügt, in der
angegriffenen Fassung sei die Klausel jedenfalls insoweit bedenklich, als durch sie ein
Rücktritt des Beklagten auch dann möglich sei, wenn bereits die Bewerbungsunterlagen
und das weitere Verfahren vor Erklärung der Annahme Gründe hierfür ergäben, ist
dieser Vortrag ersichtlich verspätet und deshalb bei der Entscheidungsfindung nicht zu
berücksichtigen.
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In der Sache teilt der Senat nicht die Auffassung des Klägers und auch des
Landgerichts, die in der angegriffenen Klausel genannten Rücktrittsgründe seien zu
vage formuliert und unzureichend konkretisiert, sie würden dem für die Allgemeinen
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Geschäftsbedingungen geltenden Transparenzgebot nicht gerecht. Zwar ist es richtig,
dass der Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Rechte und Pflichten
seines Vertragspartners durch eine entsprechende Ausgestaltung seiner Allgemeinen
Geschäftsbedingungen und eine geeignete Formulierung der Vertragsbedingungen
durchschaubar, richtig, bestimmt und möglichst klar darstellen muss. Die Formulierung
in der beanstandeten Klausel, es müssten Gründe bestehen, die einer Teilnahme am
Programm entgegenstehen, reicht jedoch aus, weil namentlich durch den
Klammerzusatz hinreichend deutlich gemacht wird, welche tatsächlichen, beispielhaft
aufgezählten Ereignisse wie z.B. mangelhafte Schulleistungen, Fehlverhalten in der
Schule oder Strafverfahren der Teilnahme eines reisewilligen Schülers an dem
Langzeitprogramm des Beklagten entgegenstehen sollen. Dabei ergibt die Auslegung,
dass nach den von dem Beklagten verwendeten allgemeinen Vertragsbedingungen
nicht jedwedes möglicherweise beanstandenswertes Verhalten eines Schülers dazu
führen können soll, dass der Schüler von der Reiseteilnahme ausgeschlossen wird,
sondern dass ein wichtiger Grund vorliegen muss, der unter Abwägung der Interessen
beider Vertragsteile zu der Annahme führt, die Teilnahme des betreffenden Schülers
könne wegen dessen Fehlverhalten namentlich in der Schule dem Beklagten nicht
zugemutet werden. Eine zutreffend solchermaßen verstandene Rücktrittsklausel
begegnet nach Auffassung des Senats keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken,
so dass das angefochtene Urteil insoweit zu ändern war. Die in diesem Zusammenhang
vorgetragene Auffassung des Klägers, die angegriffene Klausel halte einer
Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG jedenfalls deshalb nicht stand, weil sie nicht
ausdrücklich vorsehe, dass im Falle des Rücktritts geleistete Anzahlungen von dem
Beklagten zu erstatten seien, überzeugt nicht. Einer ausdrücklichen Regelung der
Rückzahlungsverpflichtung bedurfte es nicht, weil sich im Falle der Erklärung des
Rücktritts in Ermangelung einer anderen von den gesetzlichen Regelungen
abweichenden Vereinbarung aus Gesetz, nämlich aus §§ 346 ff. BGB, ergibt, wie die
empfangenen Leistungen einander zurückzugewähren sind.
Der weitergehenden Berufung des Beklagten ist allerdings aus den Gründen, die der
Senat mit den Parteien im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 10.12.1999 bereits
ausführlich erörtert hat, der Erfolg versagt. Dabei ist von streitentscheidender
Bedeutung, dass der Beklagte rechtlich als Reiseveranstalter anzusehen ist und sich
die von ihm verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen deshalb an den
zwingenden Vorschriften der §§ 651 a ff. BGB messen lassen müssen.
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Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW 1995, 2629, 2630)
unterscheidet sich die Veranstaltung einer Reise im Sinne der §§ 651 a ff. BGB von
einer Leistung im Zusammenhang mit einer sonstigen, nicht von einem
Reiseveranstalter angebotenen Individualreise unbeschadet teilweiser
Übereinstimmung in einem wesentlichen Punkt: Eine individuell und in eigener Initiative
organisierte Reise wird meistens nur mit Hilfe von Leistungen verschiedener
Vertragspartner im Bereich des Transportes, des Aufenthaltes, der Gestaltung der
Urlaubstage etc. zustandekommen. Auch Individualreisende bedienen sich der
Eisenbahn, eines Hotels, eines Skilifts, einer Badeeinrichtung und dergleichen. Der
Gegenstand der entsprechenden Verträge erschöpft sich dort in der Transportleistung,
der Unterkunft, dem Beschäftigungsangebot. Demgegenüber besteht die
Reiseveranstaltung als Gegenstand des Reisevertrags nicht bloß in den beispielhaft
genannten Teilleistungen, vielmehr umfasst sie über solche Leistungen hinaus die
Reise selber. Der Veranstalter verspricht mit ihr eine bestimmte Gestaltung der Reise
(BGH, a.a.O.). Im Streitfall bedeutet die Anwendung dieser Grundsätze: Will ein Schüler
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an den von dem Beklagten angebotenen Langzeitprogrammen in Form des
Austauschprogramms für Irland oder England teilnehmen, kann er das nur, wenn der
Beklagte für ihn mehrere Dinge koordiniert. Zum einen muss er für die Beförderung des
Schülers Sorge tragen, zum anderen muss er ihm ermöglichen, am Unterricht in Irland
bzw. England teilzunehmen. Auch für die Gewährung der Unterkunft trägt der Beklagte
Sorge. Dabei mag es sein, dass sich die Familie, in der der Schüler unterkommen soll,
nicht mit Rechtsbindungswillen verpflichtet, ihn aufzunehmen und zu beköstigen. Im
Verhältnis zum jeweiligen Schüler bündelt der Beklagte jedoch eine Mehrzahl von
Leistungen, die der Schüler dann, wenn er sich nicht auf das Angebot der Beklagten
einlassen will, jeweils selbst organisieren und für sich in Anspruch nehmen müsste. Er
müsste den Flug oder die Bahnreise selbst buchen, er müsste sich darum kümmern,
dass ihn eine Gastfamilie aufnimmt, außerdem müsste er die Voraussetzungen dafür
schaffen, dass er in dem fremden Land am Schulunterricht teilnehmen kann. Vor dem
Hintergrund, dass der Bundesgerichtshof das Reisevertragsrecht sogar auf Fälle
entsprechend anwendet, in denen nicht eine Gesamtheit von Reiseleistungen
geschuldet wird, sondern lediglich eine einzelne Reiseleistung, welche unter anderem
darin bestehen kann, dass ein Ferienhaus oder eine Ferienwohnung zu
Urlaubszwecken bereitgestellt wird (BGH a.a.O.), und der Bundesgerichtshof weiter
ausgeführt hat, diese Rechtsprechung beruhe darauf, dass die Interessenlage der
Beteiligten unter allen wesentlichen Gesichtspunkten derjenigen gleiche, die bei einem
Reisevertrag gemäß § 651 a BGB gegeben sei, kann auch im Streitfall kein
durchgreifender Zweifel daran bestehen, dass der Beklagte Reiseveranstalter ist und
seine Vertragsbedingungen deshalb so gestalten muss, dass sie zwingenden
Regelungen des Reisevertragsrechts nicht entgegenstehen. Im übrigen sieht und
bezeichnet sich der Beklagte selbst als Reiseveranstalter. Das folgt daraus, dass er in
seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen mehrfach Vorschriften des
Reisevertragsrechts in Bezug nimmt, indem es z.B. in § 2 Abs. 2 oder § 9 der
Bedingungen sinngemäß heißt, der Teilnehmer erhalte einen
Reiseversicherungsschein nach § 651 k BGB, die vertragliche Haftung des
Veranstalters sei gemäß § 651 h BGB auf einen bestimmten Betrag beschränkt.
Auch der Einwand des Beklagten, das EG-Recht gestatte nicht, ihn als
Reiseveranstalter einzustufen, überzeugt nicht. Soweit sich der Beklagte in diesem
Zusammenhang auf die aus Blatt 93 ff. d.A. ersichtliche Entscheidung des Europäischen
Gerichtshofs vom 11.02.1999 in der Rechtssache C-237/97 beruft, hindert diese
Rechtsprechung den Senat nicht, einen bestimmten zivilrechtlichen Vertrag dem
Regelungsbereich des Reisevertragsrechts zuzuordnen. Denn in der genannten
Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs geht es ausschließlich um die Frage, ob
ein Schüleraustausch der Richtlinie 90/314/EWG über Pauschalreisen mit der Folge
unterfällt, dass der Veranstalter und/oder der Vermittler ohne Rücksicht auf vertragliche
Vereinbarungen stets nachweisen muss, dass im Falle der Zahlungsunfähigkeit oder
des Konkurses die Erstattung gezahlter Beträge und die Rückreise des Verbrauchers
sichergestellt sind. Hier hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass die
Richtlinie nicht auf bestimmte Reisen eines Schüleraustauschprogramms anwendbar
sei. Das bedeutet aber keineswegs, dass ein Veranstalter solcher Schülerreisen
rechtlich daran gehindert wäre, den Vertrag - wie im Streitfall geschehen - so
auszugestalten, dass er den Bestimmungen des Reisevertragsrechts unterfällt.
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Findet demnach im Streitfall Reisevertragsrecht Anwendung, ist die mit der Klage
angegriffene Klausel
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"Nach Erhalt der Bestätigung wird eine Anzahlung in Höhe von 10% der
Programmkosten für jede angemeldete Person fällig. Die Restzahlung muss 30
(dreissig) Tage vor Programmbeginn bei uns eingegangen sein bzw. richtet sich nach
dem Zahlungsplan, den Sie mit Rechnungsstellung von uns erhalten ..... Der
Teilnehmer erhält einen Reisepreissicherungsschein nach § 651k BGB."
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schon deshalb gemäß § 9 Abs. 2 Ziffer 1 AGBG in Verbindung mit § 651 k Abs. 4 BGB
unwirksam, weil sie verschleiert, dass die Anzahlung und auch die Restzahlung erst
nach Aushändigung des Sicherungsscheins fällig werden und eine Vorleistungspflicht
des Reisenden außerhalb der Schranken des § 651 k BGB n.F. nicht individuell (§ 651 l
BGB) und erst recht nicht durch vorformulierte Vertragsbedingungen wirksam vereinbart
werden kann.
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Die Klausel
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"Preisänderungen sind nach Abschluss des Reisevertrages aus sachlich berechtigten,
erheblichen und nicht vorhersehbaren Gründen (z.B. Änderung von Treibstoffkosten,
Steuern, Gebühren, Abgaben, Tarife) in dem Umfang möglich, wie die sachlichen
Gründe das Ausmaß der Preiserhöhung rechtfertigen ...."
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beanstandet der Kläger schon deshalb zu Recht als Verstoß gegen § 9 Abs. 2 Ziffer 1
BGB in Verbindung mit § 651 a Abs. 3 Sätze 1 und 2 BGB, weil sie nicht berücksichtigt,
dass gemäß § 651 a Abs. 3 Satz 2 BGB eine Preiserhöhung, die ab dem zwanzigsten
Tag vor dem vereinbarten Abreisetermin verlangt wird, unwirksam ist. Darüber hinaus
decken sich die in der Klausel des Beklagten vorgesehenen Gründe für die Anhebung
des Reisepreises nicht mit der abschließenden Aufzählung in § 651 a Abs. 3 Satz 1
BGB, wonach der Reiseveranstalter den Reisepreis nur erhöhen darf, wenn dies mit
genauen Angaben zur Berechnung des neuen Preises im Vertrag vorgesehen ist und
damit eine Erhöhung der Beförderungskosten, der Abgabe für bestimmte Leistungen,
wie Hafen- oder Flughafengebühren, oder einer Änderung der für die betreffende Reise
geltenden Wechselkurse Rechnung getragen wird. Vielmehr bürdet der Beklagte mit der
von ihm vorformulierten Regelung dem jeweiligen Reisenden in einer mit dem
Grundgedanken der zwingenden gesetzlichen Vorschriften nicht in Einklang zu
bringenden Weise ohne zeitliche Beschränkung das volle Kostenrisiko auf.
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Auch die Bestimmung, der Rücktritt von einem gebuchten Programm durch den
Teilnehmer sei jederzeit möglich, bei Rücktritt oder Nichtantritt des Programms
entstünden ihm bestimmte Kosten, kann in der konkret verwendeten Form wegen
Verstoßes gegen § 11 Nr. 5 b AGBG keinen Bestand haben. Zwar wird dort dem
Reisewilligen nicht ausdrücklich der Nachweis abgeschnitten, ein Schaden oder eine
Wertminderung sei überhaupt nicht entstanden oder wesentlich niedriger als die von
dem Verwender beanspruchte Pauschale. Durch die nachfolgende Formulierung in § 8
Abs. 2 der Allgemeinen Bedingungen, für Stornierung von Linienflügen sollten die
Stornobedingungen der entsprechenden Fluggesellschaft gelten, die endgültige Höhe
der Stornogebühr richte sich in allen Fällen nach den Kosten, die eingespart werden
könnten, wird jedoch der Eindruck erweckt, nur bei Stornierung von Linienflügen komme
gegebenenfalls eine niedrigere Pauschale in Betracht. Soweit es in § 8 Abs. 3 Satz 3
der Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Beklagten heißt, dem Teilnehmer bleibe
vorbehalten, im Streitfall einen niedrigeren Schaden nachzuweisen, reicht das nicht aus,
um die angegriffene Vertragsbedingung als wirksam zu erachten, weil sich die
Bestimmung des § 8 Abs. 3 Satz 3 der AGBG des Beklagten ihrem Wortlaut und ihrer
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systematischen Stellung nach nur auf Schadenersatzleistungen im Sinne des § 8 Abs. 3
Satz 2 AGBG und nicht auch auf die pauschalierten Rücktrittskosten im Sinne des § 8
Abs. 1 der AGBG des Beklagten bezieht. Aus diesem Grunde ist auch die vom
Beklagten in diesem Zusammenhang für die Richtigkeit seiner abweichenden
Rechtsauffassung in Bezug genommene Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom
31.10.1984 (NJW 1985, 320 ff.) nicht einschlägig. Denn der Bundesgerichtshof hat in
dieser Entscheidung betont, dass ein Verstoß gegen § 11 Nr. 5 b AGBG dann vorliegt,
wenn sich aus der Formulierung und dem erkennbaren Sinn der Klausel ergibt, dass der
Gegenbeweis ausgeschlossen sein soll, was hier deshalb der Fall ist, weil sich aus dem
Zusammenspiel der einzelnen Absätze des § 8 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen
des Beklagten der Eindruck ergibt, als müssten die pauschalierten Rücktrittsgebühren
auf jeden Fall gezahlt werden.
Letztlich hat die Berufung auch keinen Erfolg, soweit das Regelwerk des Beklagten
vorsieht, für Fremdleistungen hafteten nur die von ihm beauftragten Leistungsträger.
Diese Klausel ist schon deshalb wegen Verstoßes gegen § 9 AGBG unwirksam und
ihre weitere Verwendung daher zu unterlassen, weil sie nach ihrem Wortlaut die
Haftung für Erfüllungsgehilfen gänzlich ausschließt, obwohl die Haftung nur auf den
dreifachen Reisepreis beschränkt werden darf, wenn die weiteren Voraussetzungen des
§ 651 h Abs. 1 Nr. 2 BGB vorliegen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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Die gemäß § 546 Abs. 2 ZPO festzusetzende Beschwer der Parteien beträgt jeweils
weniger als 60.000,00 DM.
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