Urteil des OLG Köln vom 29.09.2006
OLG Köln: vernehmung von zeugen, wiederkehrende leistung, kabel, schmerzensgeld, pflegebedürftigkeit, abrede, gefahr, angehöriger, hilfskraft, fahrtkosten
Oberlandesgericht Köln, 19 U 193/05
Datum:
29.09.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
19. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
19 U 193/05
Vorinstanz:
Landgericht Aachen, 10 O 46/05
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 07.10.2005 verkündete Urteil
der 10. Zivilkammer des Landgerichts Aachen – 10 O 46/05 –
abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 24.454,12 € nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 19.177,87 €
seit dem 01.12.2004, aus weiteren 3.015,00 € seit dem 01.01.2006 und
aus weiteren 2.261,25 € seit dem 20.06.2006 zu zahlen.
2.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen
weiteren materiellen Schaden aus dem Unfallgeschehen vom
14.02.2004 in den Räumlichkeiten der Spielhalle N, Q-Straße 32-34 in B
zu zahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger
oder sonstige Dritte übergegangen sind.
3.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu ¼, die Beklagte zu ¾.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e :
1
I.
2
Der jetzt 79 Jahre alte Kläger (geboren am 10.12.1926) begehrt von der Beklagten
Schadensersatz, Schmerzensgeld und die Feststellung künftiger Ersatzverpflichtung
wegen einer behaupteten Verletzung von Verkehrssicherungspflichten innerhalb einer
Spielhalle.
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Die Beklagte betreibt in B eine Spielhalle. Der Kläger hatte sich dort am 14.02.2004
vormittags zum Spielen aufgehalten. Nach Verlassen einer Spielkabine ist er über ein
auf dunklem Teppichboden liegendes schwarzes Staubsaugerkabel gestürzt. Dabei hat
der Kläger, dessen rechter Arm durch eine im Krieg erlittene Verletzung versteift ist, sich
u. a. einen Bruch der linken Schulter zugezogen. Der Kläger hat sich bis zum
05.03.2004 in stationärer Krankenhausbehandlung befunden und ist anschließend von
mehreren Ärzten ambulant weiterbehandelt worden. Der verletzte linke Arm wird
voraussichtlich unfallbedingt ebenfalls bewegungsbeeinträchtigt bleiben; wegen der
Einzelheiten wird auf die ärztlichen Berichte Blatt 36, 38 d.A. Bezug genommen.
4
Die Beklagte hat in erster Instanz eine Verletzung von Verkehrssicherungspflichten in
Abrede gestellt und hat einzelne der vom Kläger geltend gemachten
Schadenspositionen bestritten. Streitig waren zum Hergang des Unfalls im
Wesentlichen die Beleuchtungsverhältnisse zum Unfallzeitpunkt. Darüber hinaus hat
die Beklagte eingewandt, der Kläger habe die am Vormittag durchgeführten
Reinigungsarbeiten innerhalb der Spielhalle wahrgenommen; er sei von der damals dort
tätigen Reinigungskraft, der Zeugin N, ausdrücklich auf den Staubsauger und das
Staubsaugerkabel aufmerksam gemacht worden.
5
Wegen des weiteren Parteivorbringens in erster Instanz wird auf den Tatbestand des
angefochtenen Urteils vom 07.10.2005 verwiesen (Blatt 57 ff., 58, 59 GA).
6
Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 07.10.2005, auf das wegen aller
Einzelheiten Bezug genommen wird, abgewiesen. Dabei hat es zur Begründung im
Wesentlichen ausgeführt, dass nach dem eigenen Vorbringen des Klägers die
Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht durch Mitarbeiter der Beklagten nicht
anzunehmen sei. Das am Boden liegende Kabel habe keine derartige Gefahrenquelle
dargestellt, dass besondere Hinweise oder Maßnahmen erforderlich gewesen wären.
7
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers, mit er seinen
erstinstanzlichen Schadensersatzantrag erweitert und nunmehr auch Feststellung
künftiger Ersatzverpflichtung zu Lasten der Beklagten begehrt. Er beanstandet, dass das
Landgericht die Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht zu gering angesetzt
habe, da das Staubsaugerkabel bei den innerhalb der Spielhalle herrschenden
Lichtverhältnissen und mit Rücksicht auf die dunkle Bodenfarbe, den schwarz
eingesprenkelten Teppichboden, kaum zu erkennen gewesen wäre und ein tückisches
Hindernis dargestellt habe. Auch sei es nicht richtig, dass er von einer Mitarbeiterin der
Beklagten vor dem Kabel gewarnt worden sei; vielmehr seien die Reinigungsarbeiten
beim Verlassen der Kabine bereits beendet gewesen.
8
Der Kläger hat als materiellen Schaden zunächst einen Betrag von 18.526,69 € begehrt;
er hat insbesondere wegen seiner besonderen Pflegebedürftigkeit nach Entlassung aus
9
dem Krankenhaus Kosten für ergänzende häusliche Pflege unter Berücksichtigung der
von der Pflegekasse B nach der Pflegestufe I gewährten Unterstützungsleistungen
geltend gemacht. Er hat den Betrag der materiellen Schäden im Verlaufe des
Berufungsverfahrens mehrfach erweitert. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird
auf den Inhalt der Klageschrift sowie der Berufungsbegründung vom 06.01.2006 (Blatt
83 ff. d. A.) sowie die Schriftsätze vom 21.03.2006 (Blatt 115 ff. d.A.), vom 13.06.2006
(Blatt 172 f. d.A.) und vom 06.09.2006 (Blatt 219 ff. d.A.) Bezug genommen. Als
Schmerzensgeld hält der Kläger einen Betrag von zumindest 15.000,00 € für
angemessen.
Der Kläger beantragt,
10
das angefochtene Urteil abzuändern und
11
1.
12
die Beklagte zu verurteilen,
13
a)
14
an ihn € 18.526,69 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.12.2004 zu zahlen,
15
b)
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an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2004,
17
c)
18
an den Kläger weitere € 2.205,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über
dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.01.2006 zu zahlen,
19
d)
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an den Kläger weitere € 2.325,90 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über
dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.01.2006 zu zahlen und
21
e)
22
an den Kläger weitere € 1.260,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über
dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.06.2006 zu zahlen;
23
2.
24
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen weiteren
materiellen Schaden aus dem Unfallgeschehen vom 14.02.2004 in den
Räumlichkeiten der Spielhalle N, Q-Straße 32-34, B zu zahlen, soweit die
Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen
sind.
25
Die Beklagte beantragt,
26
die Berufung zurückzuweisen.
27
Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres
erstinstanzlichen Vortrages, insbesondere stellt sie nach wie vor die Verletzung einer
Verkehrssicherungspflicht in Abrede. Hierzu behauptet sie, es habe eine Gefahrenstelle
nicht bestanden, weil der Gang der Spielothek zum Zeitpunkt des Vorfalls durch zwei
Leuchten und durch das durch zwei Fenster dringende Tageslicht hell ausgeleuchtet
gewesen sei, sich das auf dem Boden liegende Staubsaugerkabel von einem
mittelblauen Teppichboden gut abgehoben habe und der Kläger durch die mit dem
Staubsauger arbeitende Zeugin N mündlich ausdrücklich vor dem Staubsauger und
dem Kabel gewarnt worden sei. Der Kläger habe die Warnung unbeachtet gelassen,
ihm falle daher jedenfalls nach Auffassung der Beklagten ein erhebliches
Mitverschulden zur Last.
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Hinsichtlich der Schadenshöhe werden insbesondere die vom Kläger geltend
gemachten weitere Hilfestellungskosten mit Nichtwissen bestritten. Wegen der
Einzelheiten wird auf die Berufungserwiderung vom 28.02.2006 (Blatt 112 ff. d.A.) und
den Schriftsatz nebst Anlagen vom 23.08.2006 (Blatt 210 ff. d.A.) Bezug genommen.
29
Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im
Berufungsverfahren auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
30
Der Senat hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 24.03.2006 durch
Inaugenscheinnahme der Örtlichkeiten und Vernehmung von Zeugen ( Blatt 124 f. d.A.).
Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der Sitzung vom
20.06.2006 (Blatt 177 ff. d.A.) Bezug genommen.
31
II.
32
Die förmlich unbedenkliche Berufung des Klägers hat in der Sache weitgehend Erfolg.
33
Die Klage auf Zahlung von Schadensersatz ist überwiegend begründet, das
Feststellungsbegehren ist insgesamt gerechtfertigt. Die Beklagte ist verpflichtet, dem
Kläger materiellen Schadensersatz in Höhe von 9.454,12 € zu leisten, sie schuldet ihm
ferner Schmerzensgeld in Höhe von 15.000,00 € und ist auch zum Ersatz allen weiteren
materiellen Zukunftsschadens aus dem Unfallgeschehen verpflichtet. Der Anspruch des
Klägers hat seine rechtliche Grundlage in §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 278 BGB in
Verbindung mit §§ 249 Abs. 2, 253 Abs. 2 BGB sowie in §§ 823 Abs. 1, 842, 843 Abs. 1
BGB aus dem Gesichtspunkt des Organisationsverschuldens.
34
Hierzu im Einzelnen:
35
1.
36
Die Beklagte hat im Rahmen des mit dem Kläger durch Betreten der Spielothek und der
Nutzung ihrer Einrichtung zu Stande gekommenen typengemischten
Schuldverhältnisses eine Schutzpflicht im Sinne des § 241 Abs. 2 BGB verletzt. Als
Betreiber einer Spielothek trifft die Beklagte die Pflicht, Gäste in ihren Räumlichkeiten
37
vor Rechts- und Rechtsgutsverletzungen zu bewahren und ihnen die Nutzung ihrer
Räumlichkeiten zu gewähren, ohne dass es dabei zu Beeinträchtigungen ihrer
körperlichen Integrität oder anderer rechtlich geschützter Interessen kommt. Die
Verkehrssicherungspflicht ist innerhalb eines Vertragsverhältnisses zugleich eine
Vertragspflicht. Danach trifft die Beklagte als Betreiberin der Spielothek eine
zivilrechtliche Pflicht, Besucher vor Körper- und Gesundheitsschäden zu schützen, die
aus dem Betrieb der Spielothek resultieren, mit denen aber beim Besuch der Örtlichkeit
nicht gerechnet werden muss. Das Landgericht geht insoweit von dem zutreffenden
rechtlichen Ansatz aus, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet
werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre utopisch (vgl.
BGH MDR 2006, 569). Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im
praktischen Leben nicht erreichbar. Haftungsbegründend wird eine Gefahr erst dann,
wenn sich für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Möglichkeit ergibt, dass
Rechtsgüter anderer verletzt werden können (vgl. BGH VersR 1978, 1163; 2003, 1319;
MDR 2006, a. a. O.). Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines
Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur die Vorkehrungen zu
treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden. Daher reicht
es anerkanntermaßen aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein
verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger dieser
Berufsgruppe für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu
bewahren, und die ihm den Umständen nach zuzumuten sind; Voraussetzung für eine
Verkehrssicherungspflicht ist, dass sich vorausschauend für ein sachkundiges Urteil die
naheliegende Gefahr ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden können (vgl.
BGH VersR 1963, 532; VersR 1967, 801; MDR 2006, 569 m. w. N.).
Entgegen der Ansicht der Beklagten haben ihre Bediensteten, also ihre
Erfüllungsgehilfen, deren Verschulden sich die Beklagte zurechnen lassen muss, eine
der Beklagten obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt. Sie ist für die in ihren
Räumlichkeiten geschaffene Sturzgefahr verantwortlich. Das steht nach dem Ergebnis
der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts fest.
Wie der Senat bereits in seinem Hinweisbeschluss vom 14.07.2006 zur
Beweiswürdigung ausgeführt hat, steht bezogen auf den hier zu beurteilenden
Sachverhalt nach Inaugenscheinnahme der Örtlichkeiten und Vernehmung der Zeugen
fest, dass der Kläger in der dem Publikumsverkehr frei zugänglichen Spielhalle, ohne
dass der Kläger von den Reinigungsarbeiten wusste oder damit hätte rechnen müssen,
bei unzureichender Beleuchtung auf dunklem Bodenbelag über ein Staubsaugerkabel
gestolpert und zu Fall gekommen ist, das verschlungen in einer nicht ausgeleuchteten
Ecke liegend eine erhebliche Gefahrenquelle darstellte. Entgegen dem Vorbringen der
Beklagten war die Örtlichkeit, wie die Besichtigung durch den Senat ergeben hat, weder
gut ausgeleuchtet, noch ist der Kläger auf die Reinigungsarbeiten hingewiesen oder gar
gewarnt worden. Nach den vom Senat getroffenen Feststellungen ist der Bodenbelag an
der Unfallstelle dunkel, es handelt sich um einen dunklen blaumelierten Teppichboden,
der sich farblich zwischen dunkelblau und mittelblau bewegt. Auch der Wandbereich ist
mit dunkelbraunem Teppichboden bespannt. Im Bereich der Unfallstelle, also des
abknickenden Ganges, befindet sich weder ein Fenster noch eine funktionierende
Deckenbeleuchtung oder sonstige Lichtquelle. Das auf dem Boden liegende schwarze
Staubsaugerkabel war daher für den Kläger nicht erkennbar. Ferner hat die Zeugin N
selbst bestätigt, dass sie das Elektrokabel des Staubsaugers im Bereich der Unfallstelle
in die Steckdose eingeführt hatte, das Kabel zum Zeitpunkt des Sturzes noch dort
eingesteckt war und das Kabel in dem Winkelbereich des Ganges verschlungen
gelegen hat. Es ist auch nicht bewiesen, dass die Zeugin N den Kläger tatsächlich auf
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die Gefahrenstelle hingewiesen hat. Vielmehr steht für den Senat fest, dass wegen der
beschränkten Wahrnehmungsfähigkeit innerhalb der Spielothek ein möglicher Warnruf
der Zeugin vom Kläger gar nicht gehört werden konnte. Innerhalb der Räumlichkeiten
läuft vernehmlich eine Klimaanlage, innerhalb der Spielboxen dringt Musik aus
Lautsprechern, die Spielautomaten selbst strahlen ebenfalls Spieltöne aus. Neben
diesen akustischen Umfeldgeräuschen war der Ort, an dem sich der Kläger befunden
hat, als die Zeugin angeblich ihren Warnausruf ausgestoßen haben will, rund fünf Meter
von dieser Stelle entfernt. Schließlich kommt noch hinzu, dass nach den eigenen
Feststellungen des Senates die Zeugin der deutschen Sprache zwar hinreichend
mächtig ist, sie aber erkennbar Schwierigkeiten hatte, sich in der deutschen Sprache
fließend auszudrücken. Bei einer Würdigung aller Gesamtumstände vermag der Senat
nicht festzustellen, dass die Zeugin einen warnenden Ausruf tatsächlich gemacht hat.
Das achtlos liegengelassene und verschlungen auf dem Boden liegende schwarze
Staubsaugerkabel auf dunklem Untergrund an einer nicht hinreichend ausgeleuchteten
Stelle stellte eine erhebliche Gefahrenquelle dar. Die vom Landgericht zitierten
Entscheidungen zu kabeln betreffen andere und schon im Ansatz nicht vergleichbare
Sachverhalte.
2.
39
Hinsichtlich der Höhe des vom Kläger geltend gemachten Schadensersatzanspruchs
geht der Senat, wie er ebenfalls im Beschluss vom 14.07.2006 im Einzelnen ausgeführt
hat, von folgenden Beträgen aus:
40
a)
41
Aus dem Gesichtspunkt der Naturalrestitution (§ 249 Abs. 2 BGB) ist die Beklagte
verpflichtet, dem Kläger einen Betrag in Höhe von 656,26 € zu ersetzen.
42
Im Einzelnen:
43
Fahrtkosten für die Besuche naher Angehöriger im Krankenhaus sind zu ersetzen,
soweit sie sich in einem angemessenen Rahmen halten und nach ärztlicher
Auffassung für die Heilung zweckmäßig sind, wie von der Beklagten auch nicht in
Abrede gestellt wird. Die Höhe dieser Kosten hat der Senat gemäß § 287 ZPO
geschätzt und er geht im Rahmen seines Schätzungsermessens von einem
durchschnittlichen Betrag von 0,15 Cent je Kilometer aus. Das ergibt bei 21 Tagen
und 1,70 € je Tag 35,70 €.
44
45
Hinsichtlich der eigenen Aufwendungen für Fahrten des Klägers zu behandelnden
Ärzten ergeben sich nach der vorstehend dargestellten Berechnungsweise
insgesamt weitere Kosten in Höhe von 5,40 €. Nicht zu beanstanden und damit
auch ersatzfähig sind die Zuzahlungen für den Physiotherapeuten in Höhe von
nunmehr 366,52 €; im Anschluss an den Ortstermin hat der Kläger durch die
46
Vorlage dreier weiterer Rechnungen in Höhe von jeweils 34,20 € einen
Mehraufwand in Höhe von 102,60 € gegenüber dem im Beschluss des Senats
vom 14.07.2006 zu Grunde gelegten Betrag nachgewiesen. Ersatzfähig sind ferner
Rezeptkosten in Höhe von 20,00 €, sonstige Kosten für einen Krankentransport in
Höhe von 10,00 € sowie Kosten für eine Schultergelenksbandage in Höhe von
9,00 € und schließlich Zuzahlungen zum Krankenhausaufenthalt in Höhe von
210,00 €.
47
b)
48
Darüber hinaus ist die Beklagte verpflichtet, dem Kläger die Aufwendungen zu ersetzen,
die dessen Ehefrau für Hilfestellungen im Krankenhaus und Pflegeleistungen im
häuslichen Bereich erbringt. Diese belaufen sich derzeit auf 8.797,50 € für die Zeit bis
30.09.2006. Diese Schadensposition ist zunächst dem Grunde nach als unfallbedingte,
ständig wiederkehrende Leistung aus dem Gesichtspunkt der vermehrten Bedürfnisse
gemäß § 843 Abs. 1 BGB grundsätzlich erstattungsfähig. Dabei sind die Pflegekosten
zu ersetzen, die konkret erforderlich geworden und angefallen sind. Erfolgt die Pflege
durch Familienmitglieder kostenlos, wird der Schädiger dadurch nicht entlastet. Die
zusätzliche Mühewaltung des Familienangehörigen ist vielmehr angemessen
auszugleichen. Der Bundesgerichtshof tendiert in seiner neueren Rechtsprechung dazu,
bei Pflegeleistungen, die ohne weiteres von einer fremden Hilfskraft übernommen
werden können, auf den Nettolohn einer entgeltlich eingesetzten Hilfskraft abzustellen
(vgl. BGH VersR 1999, 252; 1156). Das ist auch bei den von der Ehefrau des Klägers
erbrachten Leistungen grundsätzlich der Fall. Dabei erscheint der vom Kläger
angesetzte Stundensatz von 15,00 €, der auch von der Beklagten nicht in Abrede
gestellt wird, nach dem Schätzungsermessen des Senates angemessen und
ausreichend. Abzuziehen ist indes der – vom Kläger der Höhe nach belegte – von der
Pflegekasse ab dem 05.03.2004 nach der Pflegestufe I monatlich geleistete Betrag in
Höhe von 205,00 €.
49
Hinsichtlich des Zeitaufwandes hat die Beklagte zwar den jeweils pro Tag
anzusetzenden zeitlichen Aufwand von anfangs 3 ¼ Stunden und zur Zeit 1 ¾ Stunden
täglich in Zweifel gezogen. Dieser Zeitaufwand erscheint dem Senat jedoch im Hinblick
auf den vom Kläger belegten Zeitaufwand im Rahmen seiner Pflegebedürftigkeit von
durchschnittlich 166 Minuten pro Tag nicht fernliegend. Legt man für die Hilfeleistungen
im Krankenhaus den in der Klageschrift geltend gemachten Betrag zu Grunde, was nach
Einschätzung des Senates sachgerecht ist, ergibt sich zunächst ein Ersatzbetrag in
Höhe von 472,50 €. Ebenso ist es sachgerecht, für die ersten drei Wochen nach dem
Krankenhausaufenthalt jeweils 2 ½ Stunden Pflegeaufwand täglich anzusetzen. Daraus
errechnet sich ein weiterer Betrag von 787,50 €. Beginnend mit dem Monat April 2004
geht der Senat wegen der zu Grunde zu legenden Stabilisierung der Pflegesituation von
einem täglichen Pflegeaufwand von 1 Stunde aus. Daraus ergeben sich jährliche
Zuzahlungen in Höhe von insgesamt 5.475,00 € (365 x 15,00 €), wovon 2.460,00 €
Zuzahlung der Pflegekasse abzuziehen sind (12 x 205,00 €). Der Kläger verlangt
deshalb mit Recht die Erstattung von Pflegekosten in Gestalt einer "Zuzahlung" von
jährlich 3.015,00 €, d. h. von monatlich 251,25 €.
50
Nach Maßgabe dieses Berechnungsmodells sind bislang angefallen:
51
Anteilig für 2004 (9 Monate) 2.261,25 €
52
für das Jahr 2005 3.015,00 €
53
anteilig für das Jahr 2006 (9 Monate) 2.261,25 €.
54
Aus den vorstehend genannten Zahlen errechnet sich die Gesamtsumme der
Aufwendungen für Pflegeleistungen in Höhe von 8.797,50 €.
55
3.
56
Das Unfallereignis rechtfertigt ferner die Zubilligung eines Schmerzensgeldes nach §
253 Abs. 2 BGB. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes hat sich der Senat vom
Umfang der erlittenen Verletzung und vom Ausmaß der Lebensbeeinträchtigung des
Klägers wesentlich leiten lassen. Darüber hinaus hat der Senat auch den Gesichtspunkt
der Genugtuungsfunktion berücksichtigt. Unmittelbare Folgen des Sturzes waren
schmerzhafte Bewegungsbeeinträchtigungen, ein dreiwöchiger Krankenhausaufenthalt
und anschließend weitere drei Wochen intensiver Pflegeleistungen zu Hause. Seit dem
Unfallereignis ist der Kläger nicht mehr in der Lage, ohne Hilfestellung Dritter seine
täglichen Verrichtungen auszuführen. Nach den zu den Akten gereichten ärztlichen
Berichten liegt eine dauerhafte Bewegungsbeeinträchtigung des linken Armes vor. Dies
stellt in Verbindung mit den kriegsbedingten Vorschäden des rechten Armes eine ganz
wesentliche Lebensbeeinträchtigung dar. Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass eine
dauerhafte Bewegungsbeeinträchtigung des durch den Unfall verletzten Armes vorliegt.
Im Termin vom 24.03.2006 hat der Senat den Kläger persönlich zu den Unfallfolgen
angehört. Dabei hat der Kläger für den Senat eindringlich und zweifelsfrei beschrieben
und geschildert, dass er den durch den Unfall verletzten linken Arm nicht mehr über
Schulterhöhe anheben kann und nicht mehr in der Lage ist, Dinge zu heben und zu
tragen. Vor dem Hintergrund dieser dauerhaften Bewegungsbeeinträchtigungen, des
stationären Krankenhausaufenthaltes sowie der erlittenen Schmerzen einerseits und der
fortdauernden Pflegebedürftigkeit andererseits erschien dem Senat, wie er auch in der
mündlichen Verhandlung vom 24.03.2006 deutlich gemacht hat, zunächst ein
Schmerzensgeld von 12.000,00 € angemessen. Angesichts des fortgeschrittenen Alters
des Klägers und des erkennbar zögerlichen Regulierungsverhaltens der Beklagten
auch und gerade im Lichte der eindeutigen Feststellungen im Rahmen des Ortstermins
ist bei einer Gesamtbewertung aller Umstände auch aus dem Gesichtspunkt der
Genugtuungsfunktion eine maßvolle Erhöhung des Schmerzensgeldbetrages (vgl.
bereits Urteil des Senats vom 11.04.2003 – 19 U 102/02 – OLGR 2003, 214 f.) auf den
vom Kläger von Beginn an begehrten Betrag von 15.000,00 € sachgerecht und
angemessen.
57
4.
58
Der Feststellungsantrag ist zulässig (§ 256 Abs. 1 ZPO) und hinsichtlich der materiellen
Zukunftsschäden auch begründet. Auf Grund der nach wie vor bestehenden
Gesundheitsbeeinträchtigungen des Klägers und seiner fortdauernden
Pflegebedürftigkeit durch Unterstützungsleistungen seiner Ehefrau besteht die
Möglichkeit, dass künftig weitere, bisher noch nicht erkennbare und voraussehbare
Schäden eintreten können.
59
Der Zinsanspruch rechtfertigt sich in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz gemäß §§ 286, 288, 291 BGB ab dem Zeitpunkt der jeweiligen
Geltendmachung der Beträge.
60
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 97, 708 Nr. 10,
711, 713 ZPO.
61
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO für
eine Zulassung nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung
noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Rechtsfragen
grundsätzlicher Natur, die über den konkreten Einzelfall hinaus von Bedeutung sein
könnten, haben sich nicht gestellt und waren nicht zu entscheiden.
62
Streitwert der Berufungsinstanz: 56.317,54 € (Zahlungsantrag: 39.317,54 € +
Feststellungsantrag 17.000,00 €).
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Beschwer des Klägers: 14.863,42 €
64
Beschwer der Beklagten: 41.454,12 € (Zahlungsantrag: 24.454,12 +
Feststellungsantrag: 17.000,00 €).
65