Urteil des OLG Köln vom 27.06.2002

OLG Köln: treu und glauben, wider besseres wissen, sparvertrag, nichtschuld, abtretung, druck, anwaltskosten, absicht, versteigerung, verzicht

Oberlandesgericht Köln, 13 W 10/02
Datum:
27.06.2002
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
13. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
13 W 10/02
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 3 O 473/01
Tenor:
Auf die als sofortige Beschwerde anzusehende Beschwerde der
Beklagten vom 24.01.2002 wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des
Landgerichts Köln vom 21.01.2002 - 3 O 473/01 - aufgehoben. Das
Landgericht wird angewiesen, der Beklagten die begehrte
Prozesskostenhilfe nicht wegen fehlender Erfolgsaussicht der
Rechtsverteidigung zu versagen.
G r ü n d e :
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Das gem. § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO n.F. zulässige Rechtsmittel ist begründet. Das
Landgericht hat in dem angefochtenen Beschluss die hinreichende Erfolgsaussicht der
beabsichtigten Rechtsverteidigung (§ 114 ZPO) zu Unrecht verneint. Nach dem
Vorbringen der Beklagten stehen der Klägerin, die ihre Klage allein darauf stützt, dass
die Beklagte ihr gegenüber die Abtretung des Ratensparvertrages Nr. an ihren
getrenntlebenden Ehemann wider besseres Wissen bestritten habe, weder
Schadensersatzansprüche wegen Verletzung der Pflichten aus dem Sparvertrag noch
bereicherungsrechtliche Rückforderungsansprüche zu.
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1. Die Begründung des Landgerichts, die von der Klägerin benannten Zeugen W. und D.
K. würden - wie schon im Vorprozess 22 C 79/00 AG Bergheim - die Abtretung der
Rechte aus dem Sparvertrag durch die Beklagte voraussichtlich bestätigen, trägt die
Verweigerung der Prozesskostenhilfe ebenso wenig wie die Würdigung, durch die
Zahlung des Guthabenbetrages in Höhe von 5070,87 DM und der Anwaltskosten in
Höhe von 699,02 DM an die Beklagte habe sich die Klägerin erkennbar nur einem
anwaltlichen Druck gebeugt.
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a) Es ist zwar zutreffend, dass das Verbot der Beweisantizipation im PKH-
Prüfungsverfahren nur eingeschränkt gilt (vgl. BGH NJW 88, 266 f.; Zöller/Philippi, ZPO,
23. Aufl. § 114 Rdnr. 26).
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b) Das Landgericht hat jedoch nicht beachtet, dass nach dem unter Beweis gestellten
Vorbringen der Beklagten in den Schriftsätzen vom 24.8.2001 (Bl. 13 ff., 17 GA) und
24.12.2001 (Bl. 50, 51 GA) die Zahlung, die die Klägerin gegen Abtretung etwaiger
Ansprüche der Beklagten gegen deren Ehemann erbracht hat, der Bereinigung der
Situation dienen sollte. Trifft dieser - bislang unwidersprochene Vortrag - zu, dürfte in der
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Zahlung der Klägerin an die Beklagte ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis liegen
mit der Folge, dass eine Rückforderung gem. § 812 Abs. 2 BGB selbst dann nicht in
Betracht kommt, wenn sich nachträglich das Nichtbestehen der anerkannten Schuld
herausstellt (vgl. BGHZ 66, 250; BGH NJW 80, 1158; OLG Naumburg NJW-RR 95, 154).
Für eine solche Auslegung spricht insbesondere, dass der Klägerin bereits durch das
Schreiben des Ehemannes der Beklagten vom 31.8.1999 (Bl. 23 GA) dessen
gegenteilige Sachdarstellung hinsichtlich der Forderungsberechtigung aus dem
Sparvertrag bekannt war. Wenn sie vor diesem Hintergrund zur - nochmaligen - Zahlung
des Guthabenbetrages und Erstattung der Anwaltskosten an die Beklagte bereit war, um
die durch Gutschrift des Sparbetrages auf dem Konto des Ehemannes entstandene
Situation zu bereinigen, konnte dies aus der maßgeblichen Sicht der Beklagten nur
dahin verstanden werden, dass ihre Forderungsberechtigung endgültig der
bestehenden Ungewissheit entzogen werden sollte.
c) Ungeachtet dessen dürften nach derzeitigem Sach- und Streitstand der
Rückforderungsanspruch gem. § 814 BGB und der Schadensersatzanspruch auf
Erstattung der Verfahrenskosten (22 C 79/00 AG Bergheim) gem. § 242 BGB
ausgeschlossen sein: Nach § 814 BGB, der eine Ausprägung des allgemeinen
Grundsatzes von Treu und Glauben darstellt, kann das zum Zwecke der Erfüllung einer
Verbindlichkeit Geleistete nicht zurück gefordert werden, wenn der Leistende gewusst
hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war. Insoweit ist zwar grundsätzlich die
positive Kenntnis der Nichtschuld erforderlich. Bloße Zweifel am Bestehen der
Nichtschuld stehen der positiven Kenntnis jedoch dann gleich, wenn die Leistung unter
Übernahme des Risikos, also in der erkennbaren Absicht erfolgt ist, sie auch für den Fall
der Nichtschuld zu bewirken. In einem solchen Fall liegt ein Verzicht auf den
Bereicherungsanspruch vor, wenn der Empfänger aus dem Verhalten des Leistenden
nach Treu und Glauben den Schluss ziehen durfte, der Leistende wolle die Leistung
ohne Rücksicht auf den Rechtsgrund gegen sich gelten lassen (vgl. BGHZ 32, 273;
Palandt/Thomas, BGB, 60. Aufl. § 814 Rdnr. 3). So liegt es hier. Der Klägerin war - wie
dargelegt - im Zeitpunkt der Zahlung bekannt, dass der Ehemann der Beklagten die
Rückzahlung des seinem Konto gutgeschriebenen Sparguthabens verweigerte und sich
gegenüber der von der Beklagten geltend gemachten Forderungsberechtigung darauf
berief, der Beklagten den Sparvertrag im Jahre 1992 abgekauft zu haben. Wenn die
Klägerin sich gleichwohl zur vorbehaltlosen Erstattung an die Beklagte entschloss, ist
sie dabei bewusst das Risiko eingegangen, dass die Darstellung der Beklagten
unzutreffend oder jedenfalls nicht zu beweisen sein könnte. Anders konnte ihr Verhalten
aus der maßgeblichen Sicht der Beklagten nicht verstanden werden. Dass die Zahlung
an die Beklagte - wie das Landgericht angenommen hat - allein auf anwaltlichen Druck
erfolgte, ist bislang von der Klägerin nicht hinreichend dargelegt: Die Klägerin hat an die
Tochter bzw. den Ehemann der Beklagten nach eigenem Vorbringen gegen Vorlage
des Sparbuchs geleistet und wäre deshalb selbst im Falle der Zahlung an einen
Nichtberechtigten gem. § 808 BGB grundsätzlich von ihrer Leistungspflicht gegenüber
der Beklagten frei geworden. Hierauf hat sie sich auch im vorliegenden Rechtsstreit
berufen. Unter diesen Umständen spricht nichts dafür, dass sie sich in einer
Drucksituation befand, die keine andere Entscheidung als die Zahlung an die Beklagte
zuließ.
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Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, dass die Klägerin auch das Risiko
übernommen hat, die Kosten des Prozesses gegen den Ehemann tragen zu müssen.
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2. Der angefochtene Beschluss war danach aufzuheben. Von einer Entscheidung über
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den PKH-Antrag der Beklagten hat der Senat abgesehen, weil die persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnisse der Beklagten im Hinblick auf die beabsichtigte
Versteigerung und den Wert des der Beklagten und ihrem Ehemann gehörenden
Einfamilienhauses nicht feststehen und der Senat der Entscheidung des Landgerichts
insoweit nicht vorgreifen möchte.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, § 127 Abs. 4 ZPO n.F.
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