Urteil des OLG Köln vom 17.01.2001
OLG Köln: flugplatz, verordnung, öffentlich, beschränkung, lärmschutz, zivilrechtliche ansprüche, zahl, starten, unterlassen, nebenintervention
Oberlandesgericht Köln, 2 U 5/97
Datum:
17.01.2001
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
2. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 U 5/97
Vorinstanz:
Landgericht Bonn, 3 0 65/91
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten und der Nebe-nintervenienten zu 16),
18) und 19) wird unter Zurückweisung der Berufung des Klägers zu 1)
das am 13. Dezember 1996 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des
Landgerichts Bonn - 3 O 65/91 - abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
Die Klage wird abgewiesen. Gerichtskosten I. Instanz, die durch den
Erlaß des Teilurteils der 3. Zivilkammer des Landge-richts Bonn vom 5.
Mai 1995 entstanden sind, sowie des Berufungsverfahrens - 2 U 98/95
O-berlandesgericht Köln - werden nicht erhoben. Die durch die
erstinstanzliche Beweisaufnahme entstandenen Kosten und die
außergerichtlichen Kosten des Nebenintervenienten zu 15) hat der
Kläger zu 1) zu tragen. Die erstinstanzlich angefallenen außergericht-
lichen Kosten der Beklagten und der Nebenin-tervenientin zu 9) haben
der Kläger zu 1) zu 30 % und die Kläger zu 2) bis 5) zu je 17,5 % zu
tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten sowie der
Nebenintervenientin zu 9) des Beru-fungsverfahrens - 2 U 98/95 - hat der
Kläger zu 1) zu tragen. Eine weitere Kostenerstattung des erstinstanz-
lichen Verfahrens und des Berufungsverfahrens - 2 U 98/95 - findet nicht
statt. Die Kosten des Berufungsverfahrens - 2 U 5/97 - einschließlich der
den Nebenintervenienten zu 9), zu 16), zu 18) und zu 19) entstandenen
außergerichtlichen Kosten hat der Kläger zu tragen. Hinsichtlich der
Kosten des Zwischenstreits und der außergerichtlichen Kosten der
weiteren Nebenintervenienten bleibt es bei den Kosten-entscheidungen
in dem Urteil des Senates vom 6. Mai 1996 - 2 U 98/95 - und in dem
Zwischenurteil vom 30. Juli 1997 - 2 U 5/97 - . Das Urteil ist vorläufig
vollstreckbar.
T a t b e s t a n d
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Die Beklagte ist eine im Jahr 1953 als gemeinnützig gegründete GmbH mit dem
Gesellschaftszweck, durch die Bereitstellung eines Flugplatzes den Flugsport zu
fördern. Sie betreibt den Verkehrslandeplatz B.-H.. Dieser liegt etwa 11 km südlich vom
Verkehrsflughafen K.-B.. In unmittelbarer westlicher Nähe des Landeplatzes befindet
sich eine Kaserne des Bundesgrenzschutzes, in der eine Hubschrauberstaffel stationiert
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ist. Der Flugplatz H. verfügt über eine asphaltierte Start- und Landebahn mit der
östlichen Richtung 113º (RWY ..) und der Richtung 293 º (RWY 29). Mit Urkunde vom
11. November 1964 erteilte der Regierungspräsident Düsseldorf der Beklagten die nach
§ 6 LuftVG erforderliche Genehmigung "zur Anlage und zum Betrieb des Landeplatzes
des allgemeinen Verkehrs- und Segelfluggeländes B.-H." (Bl. 135 ff. d. GA.), die in den
Fassungen der Änderungsgenehmigungen vom 9. September 1971 (Bl. 141 ff. d. GA.),
vom 17. Juli 1991 (Bl. 279 ff. d.GA.), vom 19. März 1993 (Bl. 1022 ff. d.GA.), vom 13.
Dezember 1993 (Bl. 1027 ff. d.GA.), vom 27. November 1995 (Bl. 1200 ff. d.GA.), 26.
November 1997 und 7. September 1999 (Bl. 2423 ff. d.GA.) bis heute fortgilt. Hiernach
ist der Flugplatz zugelassen für Motorflugzeuge und Drehflügler bis zu einem
höchstzulässigen Fluggewicht von 5.700 kg, selbststartende Motorsegler sowie
Segelflugzeuge und nicht selbststartende Motorsegler bei Durchführung von Winden-
und Flugzeugschlepp sowie dreiachgesteuerten Ultraleichtflugzeugen. Der Flugbetrieb
darf nur während der Tagesstunden und nur unter Sichtflug-Wetterbedingungen
durchgeführt werden.
Ende der sechziger und Anfang der siebziger Jahre wurden der Ortsteil N. und die
Wohngegend D.Straße/P.W. für die Bebauung freigegeben. Mittlerweile ist der
Flugplatz, dessen Anfänge auf die Zeit vor dem 1. Weltkrieg zurückgehen, teilweise von
Wohnbebauung umfaßt worden. Östlich vom Landeplatz befindet sich nunmehr ca.
1.000 m vom Ende der Start- und Landebahn entfernt eine Wohnbebauung, die in
diesem Bereich mit der Startbahn etwa auf gleichem Niveau liegt. Weiter östlich vom
Landeplatz steigt das Gelände an.
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Der Kläger zu 1) und die früheren Kläger zu 2) bis 5) sind Eigentümer von östlich des
Landeplatzes gelegenen Wohngrundstücken in St.A.. Die Grundstücke der Kläger zu 1),
2) und 5) liegen in näherer Nachbarschaft zu der Flugschneise "RWY ..", die
Grundstücke der Kläger zu 3) und 4} sind von der Schneise weiter entfernt. Der Kläger
zu 1) hatte sein Hausgrundstück durch notariellen Kaufvertrag vom 19. Juni 1985
(Urkunden-Nr. 1656/1985 des Notars B. in B.; Bl. 1410 ff. d.GA.) zu einem Kaufpreis von
340.000,00 DM erworben.
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Spätestens seit Ende der sechziger Jahre kam es zu Beschwerden von Anwohnern
gegen den Flugplatzbetrieb. Um zwischen den Flugplatzbenutzern und der
angrenzenden Wohnbevölkerung einen Interessenausgleich zu erzielen, bildete die
Beklagte 1982 einen Lärmschutzbeirat im Sinne von § 32 b LuftVG. Dieser setzt sich
zusammen aus Vertretern der Beklagten, der Flugzeugführer, der Bundesvereinigung
gegen Fluglärm, des Regierungspräsidenten Köln, des Rhein-Sieg-Kreises sowie der
Städte B. und St.A..
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Am 24. März 1983 versah der Regierungspräsident Düsseldorf die für den Flugplatz H.
erteilte Genehmigung mit einer Auflage, die das Ziel hatte, die Anzahl der
Flugbewegungen zu reduzieren und damit die von dem Flugplatz ausgehenden
Lärmauswirkungen einzuschränken (Bl. 55 d.GA.). Danach wurden in der Zeit vom 1.
April bis 30. September an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen Flüge von
Motorflugzeugen mit einer Flugzeit von weniger als 60 Minuten untersagt, davon
ausgenommen Streckenflüge (Flüge mit Landung auf einem anderen Flugplatz), Flüge
zur gewerblichen Personenbeförderung gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 LuftVG, Flüge mit
Motorseglern und Flüge mit Motorflugzeugen, die andere Luftfahrzeuge schleppen.
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Der Flugplatz H. unterliegt zudem der Verordnung über die zeitliche Einschränkung des
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Flugbetriebes mit Leichtflugzeugen und Motorseglern an Landeplätzen vom 16. August
1976 (Landeplatzverordnung, BGBl I 2216; Bl. 147 d. GA.). Unter dem 26. August 1986
traf der Regierungspräsident Düsseldorf für die Durchführung des Flugplatzverkehrs auf
dem Verkehrslandeplatz B.-H. eine Regelung (- I - 185/86; Bl. 316 d.GA.), wonach Flüge
mit einer Flugzeit unter 20 Minuten werktags in der Zeit vor 8.00 Uhr, von 12.00 bis
14.00 Uhr und nach 18.00 Uhr, Sonn- und Feiertags in der Zeit vor 8.00 Uhr und nach
12.00 Uhr untersagt sind. Motorflugzeuge, die den erhöhten Schallschutzanforderungen
nach § 4 Abs. 2 der Verordnung über zeitliche Einschränkungen des Flugbetriebs mit
Leichtflugzeugen und Motorseglern an Landeplätzen vom 16. August 1976 entsprechen,
sind von diesen Beschränkungen ausgenommen.
Aufgrund von Beschwerden der Anwohner des Flugplatzes wegen
Fluglärmbelästigungen beauftragte der Minister für Umwelt, Raumordnung und
Landwirtschaft des Landes Nordrhein-Westfalen mit Erlaß vom 31. März 1988 die
Landesanstalt für Immissionsschutz Nordrhein-Westfalen (LIS), im Umfeld des
Landeplatzes H. Geräuschmessungen durchzuführen. Der von der LIS am 25.
November 1988 erstellte Bericht (Bl. 42 ff., 60 ff. d.GA.) beruhte auf
Geräuschmessungen für die vom Landeplatz in Richtung Osten (RWY ..) startenden
Flugzeuge. Die Messungen erfolgten in den Monaten Juni, Juli und August 1988 mit
Hilfe einer dauernd betriebsbereiten Meßstation auf dem Grundstück D.S. 49 a. Die
festgestellten maximalen Schalldruckpegel der Geräusche startender Flugzeuge lagen
am Meßpunkt D.S. im Bereich zwischen 56 und 92 dB (A). Der
Fluglärmbeurteilungspegel der Fluggeräusche betrug an Tagen mit Flugbetrieb
zwischen 36 und 63 dB (A). Weiterhin gelangte das LIS zu dem Ergebnis, daß an dem
Meßpunkt der maßgebliche Fluglärmbeurteilungspegel von 55 dB (A) bei etwa 40 Starts
pro Tag in Richtung RWY .. und von 60 dB (A) bei 70 bis 90 Starts in Richtung RWY ..
erzeugt wird. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Bericht des LIS vom 25.
November 1988 verwiesen.
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Am 17. Juli 1991 erließ der Regierungspräsident Düsseldorf eine Änderung der
Regelung des Flugplatzverkehrs auf dem Verkehrslandeplatz B.-H. - I-171/91 - (Bl. 268,
279 ff. d.GA.). Danach sind - modifiziert durch den Widerspruchbescheid vom 19. März
1993 (Bl. 1022 ff. d.GA.) Flüge mit einer Flugzeit von weniger als 30 Minuten an
Werktagen vor 9.00 Uhr, zwischen 13.00 und 15.00 Uhr und nach 19.00 Uhr sowie an
Sonn- und gesetzlichen Feiertagen vor 9.00 Uhr und nach 13.00 Uhr untersagt. In der
Zeit vom 1. April bis 30. September sind an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen
zwischen 13.00 Uhr und 15.00 Uhr generell alle nicht gewerblichen Starts in Richtung
"RWY .." untersagt, ausgenommen Leichtflugzeuge und Motorsegler, die den erhöhten
Schallschutzanforderungen gemäß § 4 Abs. 2 der VO über die zeitliche Einschränkung
des Flugbetriebes mit Leichtflugzeugen und Motorseglern an Landeplätzen vom 16.
August 1976. In dieser Zeit gilt zudem an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen ganztägig
in Richtung .. ein Startverbot für den Flugzeugschlepp. Ausgenommen hiervon sind
ebenfalls Motorflugzeuge, die den erhöhten Schallschutzanforderungen gemäß § 4 Abs.
2 der VO vom 16. August 1976 entsprechen.
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Der Betrieb auf dem Flugplatz der Beklagten unterliegt nunmehr der Landeplatz-
Lärmschutz-Verordnung vom 5. Januar 1999 (BGBl. I S. 35; Bl. 2094 ff. d.GA.). Für den
Fluglatz H. sind zusätzlich Sonderregelungen getroffen worden (Bl. 2097 d.GA.).
Danach sind in der Zeit vom 1. April bis 30. September, wenn die Startrichtung "RWY .."
in Betrieb ist, an Sonn- und Feiertagen zwischen 13.00 Uhr und 15.00 Uhr Starts nur mit
zusätzlichen Lärmschutzmaßnahmen (Auspuff/Luftschraube) möglich. Von montags bis
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freitags vor 9.00 Uhr und nach 19.00 Uhr dürfen Flüge nur mit einer Mindestflugzeit von
30 Minuten ("nach SS 60 Minuten") durchgeführt werden.
Eine erhebliche Quote der Motorflugbewegungen bezieht sich auf Flüge der L.-L.-B.
GmbH, die auf einem an den Flughafen angrenzenden Gelände unter anderem eine
Flugschule betreibt. Deren Flüge werden ebenfalls über die Start- und Landebahn in H.
abgewickelt, wozu die Beklagte sich gegenüber der Bundesrepublik Deutschland im
Rahmen eines Mietvertrages verpflichtet hat.
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Seit dem Jahre 1982 werden die Zahlen der Flugzeugstarts in H. statistisch erfaßt.
Diese betrugen an Sonn- und Feiertagen durchschnittlich 104 für das Jahr 1982, 98 für
1983, 82 für 1984, 100 für 1985, 110 für 1986, 88 für 1987, 93 für 1988, 112 für 1989. Im
Jahre 1990 erfolgten insgesamt 28.784 Starts von Motorflugzeugen (ohne Motorsegler),
wovon 8.986 auf den gewerblichen und 19.798 auf den nicht gewerblichen Verkehr
entfielen. Die entsprechenden Starts im Jahre 1991 beliefen sich auf 23.034, im Jahre
1992 auf 24.140, im Jahre 1993 auf 23.552, im Jahre 1994 auf 23.827, im Jahre 1995
auf 23.519, im Jahre 1996 auf 22.438, im Jahre 1997 auf 18.975 und im Jahre 1998 auf
18.506 (Aufstellung Bl. 2421 d.GA.).
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Die Kläger haben die Auffassung vertreten, der von dem Flugbetrieb des Flugplatzes H.
ausgehende Lärm stelle eine erhebliche Belästigung dar, so daß die
Grundstückseigentümer von der Beklagten Unterlassung der Beeinträchtigung
verlangen könnten. Sie haben behauptet, die Grundstücke sämtlicher Kläger seien in
gleicher Weise von dem Lärm der startenden Flugzeuge betroffen, da die tatsächlichen
Flugbahnen bis um einige hundert Meter von der Ideallinie abwichen. Im übrigen seien
die Grundstücke sämtlicher Kläger auch ohne einen direkten Überflug unerträglichen
Lärmbelästigungen ausgesetzt. Die in dem LIS-Gutachten getroffenen Feststellungen
seien daher auf sämtliche Grundstücke anzuwenden. Bei Schönwetterlagen des
Sommer-Halbjahres starteten in einem Abstand von ca. 2 Minuten täglich bis zu 275
Motorflugzeuge, was auch zu einem akuten Sicherheitsproblem für die betroffenen
Anwohner führe. Sie haben die Ansicht vertreten, die gegenwärtige und künftig zu
erwartende Situation sei für sie unzumutbar und die Beklagte sei für einen
Unterlassungsanspruch passivlegitimiert. Diese sei in der Lage, eine Beeinträchtigung
der Grundstücke zu verhindern. Die Störereigenschaft der Beklagten entfalle nicht
wegen ihrer Betriebspflicht als Landeplatzhalterin oder des Flugplatzzwangs für die
Luftfahrer. Sie - die Kläger - seien nicht zur Duldung der Lärmeinwirkungen verpflichtet,
da diese wesentlich und nicht ortsunüblich seien. Die Frage der Wesentlichkeit einer
Beeinträchtigung sei anhand der Richtwerte der TA-Lärm und der VDI-Richtlinie 2058
zu beurteilen. Diesbezüglich haben sie behauptet, alle klägerischen Grundstücke seien
durch die Festsetzungen des geltenden Bebauungsplans als reines Wohngebiet
ausgewiesen, für welches tagsüber ein Richtwert von 50 dB (A) gelte. Insoweit haben
sie die Ansicht vertreten, der in dem LIS-Gutachten verwendete
Fluglärmbeurteilungspegel sei zur Beurteilung heranzuziehen, während der dem
Fluglärmgesetz zugrundeliegende sogenannte äquivalente Dauerschallpegel
unerheblich sei. Zudem sei es sachgerecht, anders als das LIS-Gutachten, einen
Sonntagszuschlag von 6 dB (A) sowie einen Zuschlag für besondere Töne
vorzunehmen. Die Geräuscheinwirkungen seien zudem nicht als ortsüblich
hinzunehmen, was sich aus der landschaftlichen Umgebung des Flugplatzes, der
Siedlungspolitik der Stadt St.A. und dem Umweltbewußtsein der Bevölkerung ergebe.
Selbst wenn man von einer Ortsüblichkeit der Fluglärmimmisionen ausginge, wäre die
Klage begründet, weil die Beklagte nicht den Nachweis führen könne, daß ihr eine
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Abhilfe durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen unmöglich sei. Der Kläger zu 1) hat
behauptet, beim Erwerb des Grundstücks keine Kenntnis von den zu erwartenden
Belastungen, die von dem Flugplatz ausgingen, gehabt zu haben.
Die Kläger haben - unter Bezugnahme auf die Erläuterungen im Schriftsatz vom 11.
November 1993 (Bl. 571 f. d. GA.) - beantragt,
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1.
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die Beklagte zu verurteilen,
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a)
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Starts von Motorflugzeugen, Hubschraubern und Motorseglern in östlicher Richtung
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- vor 08.00 Uhr und nach 20.00 Uhr sowie zwischen 13.00 Uhr und 15.00 Uhr und
an Sonnabenden, Sonn- und Feiertagen ab 13.00 Uhr zu unterlassen,
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- in den Stunden von 08.00 Uhr bis 13.00 Uhr und 15.00 Uhr bis 20.00 Uhr auf 15
Starts pro Tag zu beschränken; werde die Startrichtung während eines Tages
gewechselt, so soll in östlicher Richtung nur die Zahl von Motorstarts erfolgen
dürfen, die der auf diese Startrichtung verwandten Zeit entspricht;
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b)
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keine Motorflugzeuge und Motorsegler in östlicher Richtung starten zu lassen, deren
Einzelschalldruckpegel im Steigflug 70 dB (A) überschreitet;
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hilfsweise:
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Geräusche zu unterlassen, durch die der maßgebliche Fluglärmbeurteilungspegel
von 50 dB (A) vor den geöffneten Fenstern der Häuser der Kläger überschritten
wird;
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2.
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der Beklagten anzudrohen, daß für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein
Ordnungsgeld bis zur Höhe von 10.000,00 DM gegen sie festgesetzt wird.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte hat behauptet, sie habe keinen Einfluß auf den Flugbetrieb, die Anzahl
und den Zeitpunkt der Startbewegungen, sie stelle lediglich das Flughafengelände zur
Verfügung; sie sei daher nicht passivlegitimiert. Im übrigen unterfalle die hier zu
beurteilende Frage der Regelungsgewalt der Luftverkehrsbehörden und der Kompetenz
der Verwaltungsgerichte. Der auf dem Flugplatz H. abgewickelte Betrieb sei durch
öffentlich-rechtliche Bestimmungen eröffnet und nur hoheitlich beschränkbar. Weiter hat
die Beklagte die Ansicht vertreten, der dem Fluglärmgesetz zugrundeliegende
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äquivalente Dauerschallpegel sei allein zur sachgerechten Erfassung und Beurteilung
von Fluglärm geeignet; die für die Bestimmung der Schallgrenzen innerhalb von reinen
Wohngebieten geltenden Grenzwerte der TA-Lärm und DIN 18005 seien für die hier
vorhandene Gemengelage verschiedener Nutzungen nicht maßgeblich. Der äquivalente
Dauerschallpegel müsse deutlich über 60 oder 62 dB (A) liegen; derartige Werte würden
bei den Grundstücken der Kläger zu 1) bis 5) jedoch nicht überschritten. Hierbei sei
auch zu berücksichtigen, daß der Wohnbereich, zu dem die Grundstücke der Kläger zu
1) bis 5) gehören, von Anfang an den Lärmbelästigungen ausgesetzt war, die schon vor
der Schaffung der Wohnbebauung von dem Flugplatzbetrieb ausgingen. Die Beklagte
hat geltend gemacht, die Feststellungen des LIS-Gutachtens seien unzutreffend und
zudem durch die tatsächliche Entwicklung überholt. Die Änderungsgenehmigung des
Regierungspräsidenten vom 17. Juli 1991 habe zu einer Verringerung der
Lärmbelastungen geführt, die Zahl der Motorstarts sei stark rückläufig. Startbewegungen
von mehr als 170 an einem einzigen Tag kämen praktisch nicht mehr vor. Auch habe
sich der sogenannte Flottenmix, d.h. die Zusammensetzung der startenden
Flugzeugtypen, zwischenzeitlich gewandelt, insbesondere sei eine Umrüstung der
Maschinen mit der Folge der Verminderung der Lärmemissionen erfolgt und weiterhin
im Gange.
Die Beklagte hat ferner behauptet, es gebe keine Fluggeräte, die die Einhaltung der von
den Klägern genannten Grenzwerte sicherstellen könnten. Die Begrenzung der
Flugbewegungen sei ihr unmöglich. Die Erfüllung der klägerischen Anträge würde zu
einer Reduzierung des Flugbetriebes um 20 bis 30 % führen, zudem sei sie kraft der ihr
erteilten Landeplatzgenehmigung zum Flugbetrieb verpflichtet. Die von den Klägern
begehrten Maßnahmen kämen einer teilweisen Betriebsstillegung gleich und wären mit
§ 11 LuftVG i. V. m. § 14 BImSchG unvereinbar. Das Klagebegehren könne sie nur
durch Beantragung einer Änderungsgenehmigung erfüllen, eine Einschränkung des
Flugbetriebes aber werde der Regierungspräsident nicht genehmigen. Außerdem würde
die Start- und Landebahn von der in H. stationierten Hubschrauberstaffel des
Bundesgrenzschutzes sowie von Fliegern der Bundeswehr genutzt, wozu sie, die
Beklagte, sich gegenüber der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen eines
Mietvertrages verpflichtet habe. Ansprüche aus § 906 BGB seien gegenüber diesem
hoheitlichen Flugbetrieb zu versagen. Im übrigen hat sie die Ansicht vertreten, etwaige
Unterlassungsansprüche seien verwirkt, und hat hierzu behauptet, die Kläger hätten ihre
Rechte über ein Jahrzehnt nicht geltend gemacht, obwohl die Startzahlen seit Mitte der
sechziger Jahre konstant geblieben seien. Zudem hat die Beklagte geltend gemacht, die
Kläger hätten bei Erwerb und Bebauung ihres Grundbesitzes die heutige
Benutzerfrequenz des Flugplatzes und damit den heutigen Geräuschemissionen
entsprechenden Flugbetrieb gekannt und die Geräuscheinwirkungen wissentlich in Kauf
genommen.
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Das Landgericht hat eine Auskunft des Regierungspräsidenten Düsseldorf eingeholt
sowie Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des TÜV R. und
Inaugenscheinnahme. Wegen des Inhalts und des Ergebnisses der Beweisaufnahme
wird auf die Verfügung vom 29. Oktober 1992 (Bl. 429 d. GA.), die schriftlichen
Auskünfte des Regierungspräsidenten Düsseldorf vom 26. Januar 1993 (Bl. 431 ff.
d.GA.), vom 3. März 1993 (Bl. 447 ff. d. GA.), vom 18. März 1993 (Bl. 451 ff. d.GA.), vom
19. März 1993 (Bl. 473 d.GA.), den Beweisbeschluß vom 10. November 1993 (Bl. 563 ff.
d.GA.) in Verbindung mit den Beschlüssen vom 28. Mai 1994 (Bl. 599 d.GA.) und vom
12. November 1994 (Bl. 653 d.GA.), auf das schriftliche Sachverständigengutachten des
TÜV R. vom 14. Oktober 1994 {Anlage zum Schreiben vom 14. Oktober 1994, Bl. 643
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d.GA.) und die ergänzende Stellungnahme vom 13. Dezember 1994 (Bl. 659 ff. d.GA.)
sowie auf die Sitzungsniederschriften vom 13. Oktober 1993 (Bl. 553 ff. d.GA.), vom 28.
Mai 1994 (Bl. 598 ff. d.GA.) sowie vom 12. November 1994 (Bl. 651 ff. d.GA.) Bezug
genommen.
Wegen des weitergehenden umfangreichen Sachvortrages der Parteien in erster Instanz
wird ergänzend auf den Tatbestand nebst Verweisungen der angefochtenen
Entscheidung, die Schriftsätze und die überreichten Unterlagen Bezug genommen.
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Durch Teilurteil vom 5. Mai 1995 (Bl. 744 ff. d.GA.) hat das Landgericht der Klage des
Klägers zu 1) teilweise stattgegeben und die Beklagte verurteilt, Starts von
Motorflugzeugen und Motorseglern in östlicher Richtung werktäglich vor 8.00 Uhr und
nach 20.00 Uhr sowie zwischen 13.00 Uhr und 15.00 Uhr und an Sonn- und Feiertagen
an 13.00 Uhr zu unterlassen und täglich auf 100 Starts zu beschränken. Gleichzeitig hat
es für jeden Fall der Zuwiderhandlung die Festsetzung eines Ordnungsgeldes bis zur
Höhe von 10.000,00 DM angedroht. Die weitergehende Klage des Klägers zu 1) hat das
Landgericht abgewiesen.
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Gegen dieses Teilurteil haben sowohl der Kläger zu 1), die Beklagte als auch die
Nebenintervenienten zu 1) bis 14), die dem Rechtsstreit mit der Berufungseinlegung auf
Seiten der Beklagten beigetreten sind, jeweils Rechtsmittel eingelegt. Mit Urteil vom 6.
März 1996 - 2 U 98/95 - (Bl. 1300 ff. d.GA.) in Verbindung mit dem
Berichtigungsbeschluß vom 26. August 1996 (Bl. 1455 ff. d.GA.) hat der Senat die
Entscheidung des Landgerichts Bonn aufgehoben und die Sache zur erneuten
Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das
Landgericht zurückverwiesen. Zugleich hat er die Nebeninterventionen zu 1) bis 8) und
10) bis 14) zurückgewiesen und die Nebenintervention der Nebenintervenientin zu 9)
zugelassen.
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Zur Begründung hat der Senat ausgeführt, das Landgericht habe verfahrensfehlerhaft
durch Teilurteil entschieden. Es bestehe die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen
über die Klage des Klägers zu 1) einerseits und die Klagen der übrigen Kläger
andererseits. Zudem hat der Senat für die neue erstinstanzliche Verhandlung und
Entscheidung darauf hingewiesen, die Entscheidungskompetenz der Zivilgerichte sei
gegeben, soweit nicht die Einstellung des Betriebs einer unanfechtbar genehmigten
Anlage, wohl aber mögliche und wirtschaftlich vertretbare Vorkehrungen verlangt
würden, die die behaupteten benachteiligenden Wirkungen ausschlössen (§ 14
BImSchG). Die Eigenschaft der Beklagten als Störerin könne nicht im Hinblick auf die
öffentlich-rechtliche Betriebspflicht in Frage gestellt werden. Es könne nicht davon
ausgegangen werden, daß eine Verurteilung nicht durchsetzbar wäre. Es sei nicht
ausreichend dargelegt, daß keine teilweise Befreiung der Beklagten von ihrer
Betriebspflicht zu erreichen sei. Das Schreiben des Regierungspräsidenten enthalte
keine abschließende und auf Dauer bindende Entscheidung. Die Klage könne auch
nicht deshalb abgewiesen werden, weil die festgestellten Werte für die Lärmbelastung
möglicherweise unter den Richtwerten des Landesentwicklungsplans IV, des
Fluglärmgesetzes, der TA-Lärm und der DIN 18005 liegen. Auch nach der Ergänzung
des § 906 Abs. 1 BGB sei eine Einzelfallprüfung erforderlich. Beim Kauf eines Hauses
in einer beeinträchtigten Wohnlage komme eine Berücksichtigung der Vorbelastung in
Form einer Lockerung der Zumutbarkeitsgrenzen in Betracht. Hierzu sei eine Würdigung
der getroffenen und noch zu treffenden Feststellungen erforderlich. Entscheidend sei
mithin, ob die das Grundstück des Klägers zu 1) treffenden Lärmbelästigungen
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wesentlich oder unwesentlich und mithin vom Kläger zu 1) zu dulden seien. Dies könne
nur durch Erhebung und Bewertung der angetretenen Beweise geklärt werden. Die
Revision hat der Senat nicht zugelassen, da die die Entscheidung tragenden
Rechtsfragen - Unzulässigkeit eines Teilurteils - höchstrichterlich entschieden sind.
Zugleich hat der Senat über die Kosten des Zwischenstreits abschließend entschieden
und die weitergehende Kostenentscheidung dem Landgericht übertragen.
Nach der Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landgericht haben die Kläger zu
2) bis 5) in der mündlichen Verhandlung vom 9. Juli 1996 die Klage mit Zustimmung der
Beklagten zurückgenommen (Bl. 1442 d.GA.).
63
Der Kläger zu 1) hat auf seine früheren Ausführungen verwiesen und ergänzend
ausgeführt, es sei bereits seit der Wiederzulassung des Motorflugbetriebes im Jahre
1955 zu Beschwerden von Anwohnern gekommen. Der Beklagten sei eine
Beschränkung des Flugbetriebes auch wirtschaftlich zuzumuten. Gegebenenfalls
müßten die Startgebühren erhöht werden. Die Feststellung des TÜV Rheinland in
seinem Gutachten vom 14. Oktober 1994 und der ergänzenden Stellungnahme vom 13.
Dezember 1994 deckten sich mit denen der LIS in puncto Maximalpegel, Zahl und
Häufigkeit der Starts. Soweit eine Divergenz bei der Errechnung der Mittelungspegel
auftrete, beruhe dies darauf, daß der TÜV nicht den gemäß DIN 45643 Teil 3 Abschnitt
6 vorgeschriebenen Zuschlag von 6 dB (A) für die Tagesrandstunden berücksichtigt
habe. Es treffe nicht zu, daß das Vorhandensein von Schallschutzvorkehrungen
wesentliches Kriterium für die Höhe der Fluglärmpegel wären. Daher hätten der TÜV
wie die LIS zutreffend die Feststellungen zum Zusammenhang zwischen
Fluglärmbeurteilungspegel und Anzahl der Starts auf der Basis der im jeweiligen
Meßzeitraum tatsächlich erfolgten Startvorgänge getroffen. Die von der Kammer noch für
zulässig erachteten 100 Starts seien insbesondere dann unzumutbar, wenn sich die
"Startmenge" zeitlich balle.
64
Der Kläger hat nunmehr beantragt,
65
66
67
1.
68
69
70
die Beklagte zu verurteilen,
71
72
73
a)
74
75
76
Starts von Motorflugzeugen, Hubschraubern und Motorseglern in östlicher Richtung
77
78
79
aa)
80
81
82
vor 08.00 Uhr und nach 20.00 Uhr sowie zwischen 13.00 Uhr und 15.00 Uhr und an
Sonnabenden, Sonn- und Feiertagen ab 13.00 Uhr zu unterlassen,
83
84
85
bb)
86
87
88
in den Stunden von 08.00 Uhr bis 13.00 Uhr und 15.00 Uhr bis 20.00 Uhr die Zahl
der Starts auf 15 pro Tag zu beschränken, wobei im Falle des Wechsels der
Startrichtung während eines Tages und an Sonnabenden, Sonn- und Feiertagen in
östlicher Richtung nur die Zahl von Motorstarts erfolgen darf, die der auf diese
Startrichtung an dem jeweiligen Tag verwandten Zeit entspricht; sich dabei
ergebende Bruchteil von Starts sind aufzurunden.
89
90
91
b)
92
93
94
keine Motorflugzeuge und Motorsegler in östlicher Richtung starten zu lassen, deren
Flugzeugführer nicht zuvor durch ein gültiges Lärmzeugnis für Propellerflugzeuge
entsprechend dem Muster 1 a zu § 8 Abs. 2 Ziffer 6 der Luftverkehrs-Zulassungs-
Ordnung in der Fassung vom 13. März 1979 (BGBl I S. 307) nachgewiesen haben,
daß das Luftfahrzeug den erhöhten Schallschutzanforderungen der
Landeplatzverordnung vom 16. August 1987 (BGBl I S. 2216) entspricht;
95
96
97
2.
98
99
100
hilfsweise,
101
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103
für den Fall daß die Kammer mehr als 30 Starts pro Tag für zulässig hält, die
Beklagten zu verurteilen, höchstens 4 Starts pro Stunde durchführen zu lassen.
104
105
106
3.
107
108
109
der Beklagten anzudrohen, daß für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein
Ordnungsgeld bis zur Höhe von 10.000,00 DM gegen sie festgesetzt wird.
110
Die Beklagte hat beantragt,
111
112
113
die Klage abzuweisen und den Klägern zu 2) bis 5) die insoweit entstandenen
Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
114
Die Nebenintervenientin zu 9) sowie der mit Schriftsatz vom 16. September 1996 dem
Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetretene Nebenintervenient zu 15) haben sich
dem Antrag der Beklagten angeschlossen.
115
Die Beklagte hat ihren früheren Sachvortrag wiederholt und ergänzend ausgeführt,
sowohl die Bezirksregierung Düsseldorf als die für den Betrieb des Flugplatzes H.
zuständige Luftfahrtbehörde als auch das Ministerium für Wirtschaft und Mittelstand,
Technologie und Verkehr als die zuständige Oberste Landesbehörde seien auch in
Kenntnis der im vorliegenden Rechtsstreit ermittelten Werte über Lärmbelastungen und
des Teilurteils der Kammer vom 5. Mai 1995 und des Urteils des Senates vom 6. März
116
1996 - 2 U 98/95 - nicht bereit, die Betriebspflicht im Umfange der erstinstanzlich
ausgeurteilten Beschränkungen einzuschränken. Diese lehnten ebenfalls eine
Befreiung nach § 45 LuftVZO ab. Die von dem Landgericht in dem Teilurteil
ausgeurteilten Vorkehrungen, mit denen die Lärmbelastung verringert werden soll, seien
wirtschaftlich nicht vertretbar. Das Betriebsergebnis würde sich durch den
Einnahmeausfall und durch die Einstellung von Kontrollpersonal jährlich um mehr als
240.000,00 DM verschlechtern. Eine Erhöhung der Landegebühren sei am Markt nicht
durchsetzbar. Dies würde dazu führen, daß sie - die Beklagte - ihren Betrieb einstellen
müßte, da sie ansonsten illiquide und überschuldet wäre.
Die Nebenintervenientin zu 9) hat sich den Ausführungen der Beklagten angeschlossen
und ergänzend geltend gemacht, für die Frage der Wesentlichkeit der Beeinträchtigung
sei das Gutachten des TÜV Rheinland vom 14. Oktober 1994 nicht mehr repräsentativ,
da sie seit 1994 über eine halbe Million DM in den Lärmschutz investiert habe. Auch
andere Nutzer des Flugplatzes hätten Lärmschutzeinrichtungen angeschafft. Der Kläger
habe bei dem Kauf des Hauses nicht nur den vom Flugplatz ausgehenden Lärm
wahrnehmen, sondern aus dem Wohnzimmerfenster den Verkehrslandeplatz sehen
können.
117
Der Nebenintervenient zu 15) hat sich darauf berufen, es könne keine Beschränkung für
alle Motorsegler ausgesprochen werden. Der von ihm genutzte Flugzeugtyp sei zwar als
Motorsegler einzustufen, er werde aber von einer Seilwinde in die Luft gebracht und der
Motor sei nur als sogenannte "Heimkommhilfe" konzipiert.
118
Das Landgericht hat durch Beschluß vom 29. Oktober 1996 (Bl. 1496 ff. d.GA.) Beweis
erhoben durch Vernehmung des Zeugen L.. Wegen des Ergebnisses der
Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 15. November 1996 (Bl. 1517 ff.
d.GA.) verwiesen.
119
Mit Urteil vom 13. Dezember 1996 (Bl. 1540 ff. d.GA.) hat das Landgericht die Beklagte
verurteilt, Starts von Motorflugzeugen und eigenstartenden Motorseglern in östlicher
Richtung vor 8.00 Uhr und nach 20.00 Uhr sowie werktäglich zwischen 13.00 Uhr und
15.00 Uhr und an Sonn- und Feiertagen ab 13.00 Uhr nicht zuzulassen und täglich auf
100 Starts zu beschränken. Zugleich hat es der Beklagten für jeden Fall der
Zuwiderhandlung die Festsetzung eines Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 10.000,00
DM angedroht.
120
Zur Begründung hat es im wesentlichen unter Bezugnahme auf die Ausführungen in
dem Teilurteil vom 5. Mai 1995 ausgeführt, dem Kläger zu 1) stehe gegen die Beklagte
aus § 1004 Abs. 1 BGB ein Unterlassungsanspruch zu. Die durch den Flugbetrieb
auftretenden Beeinträchtigungen seien unter Berücksichtigung der Eindrücke, die die
Kammer während der beiden Ortstermine gewonnen habe, und der Darlegungen des
Sachverständigen wesentlich. Die Beeinträchtigungen würden nicht durch eine
ortsübliche Benutzung des Flugplatzgrundstücks herbeigeführt. Die Beklagte sei
passivlegitimiert. Sie sei Störerin im Sinne des § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB. Die auf das
Grundstück des Klägers zu 1) einwirkenden Geräuschemissionen seien ihr als
Verursacherin zuzurechnen. Die Beklagte stelle den Flugzeugführern Start- und
Landebahnen zur Verfügung, auf denen die Flugzeuge über die Flugschneise "RWY .."
die Nachbargrundstücke, unter anderem das des Klägers zu 1), teilweise überflögen.
Der Passivlegitimation der Beklagten stünden deren vertragliche Bindungen sowie die
erteilte Betriebsgenehmigung nicht entgegen. Das Schreiben des
121
Regierungspräsidenten Düsseldorf vom 26. Januar 1993 führe zu keiner anderen
Beurteilung. Selbst für den Fall, daß die erforderliche Mitwirkung der Behörde nicht
erreicht werden könne, bestehe der Anspruch des Klägers zu 1) in dem zuerkannten
Umfang. Eine Flugplatzbetriebs- oder Anlagegenehmigung könne aus Gründen des
Lärmschutzes widerrufen werden. Zwar liege der Widerruf eines Verwaltungsaktes im
Ermessen der zuständigen Behörde; dieses Ermessen sei jedoch rechtlich gebunden.
Ein Verhalten des Regierungspräsidenten, welches den Schutz der Bevölkerung vor
unzumutbarem Fluglärm nicht berücksichtige, sei mit § 40 VwVfG nicht vereinbar.
Zudem binde ein Zivilurteil auch die Verwaltungsbehörde.
Der Kläger zu 1) könne von der Beklagten eine zeitliche und zahlenmäßige
Beschränkung der Starts von Motorflugzeugen und Motorseglern - nicht Hubschraubern
- in östlicher Richtung verlangen. Dagegen könne der Kläger zu 1) keine Gestaltung des
Flugbetriebes fordern, bei der bestimmte Einzelschalldruckpegel bzw. ein bestimmter
Fluglärmbeurteilungspegel vor den geöffneten Fenstern seines Hauses nicht
überschritten werde. Bei einer Beschränkung der täglich außerhalb der Ruhezeiten
zulässigen Startzahl auf 100 sei gewährleistet, daß die Fluglärmbeeinträchtigung des
Klägers zu 1) nicht mehr wesentlich sei. Dies entspreche in etwa einem
Beurteilungspegel von 55 dB (A). Demgegenüber bestehe kein Anspruch des Klägers,
in die festgestellten Beschränkungen auch Hubschrauber mit einzubeziehen. Der
Sachverständige habe diesbezüglich festgestellt, daß deren Geräuscheinwirkungen zu
vernachlässigen seien.
122
Dem Unterlassungsanspruch des Klägers zu 1) stehe nicht entgegen, daß die
Bebauung in der unmittelbaren Umgebung des Flughafens zeitlich nach der
Inbetriebnahme des Flughafens erfolgte. Ebensowenig schließe § 11 LuftVG in
Verbindung mit § 14 BImSchG den ausgeurteilten Anspruch des Klägers zu 1) aus. Eine
Duldungspflicht des Klägers zu 1) folge schließlich nicht aus den Grundsätzen der
Beschränkung von Abwehrrechten gegenüber gemeinwichtigen Betrieben.
Duldungspflichten aus § 242 BGB und den Grundsätzen des nachbarrechtlichen
Gemeinschaftsverhältnisses kämen neben § 906 BGB nicht in Betracht, da diese Norm
den Ausgleich nachbarlicher widerstreitender Interessen abschließend regele. Die
Beklagte könne sich nicht auf eine Verwirkung der Rechte berufen. Ergänzend hat sich
die Kammer den Ausführungen des Senates in dem Urteil vom 6. März 1996
angeschlossen und zusätzlich ausgeführt, der Vortrag der Beklagten, die
Bezirksregierung und das Ministerium für Wirtschaft lehnten eine Einschränkung der
Betriebspflicht der Beklagten und eine Befreiung ab, führe zu keiner anderen
Beurteilung.
123
Gegen das seinem erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten am 2. Januar 1997 (Bl.
1648 d.GA.) zugestellte Urteil hat der Kläger zu 1) mit einem am 31. Januar 1997 beim
Berufungsgericht eingegangen Schriftsatz (Bl. 1708 ff. d.GA.) Berufung eingelegt und
diese nach Verlängerung der Berufungsbegründung bis 1. April 1997 (Bl. 1770 d.GA.)
mit an diesem Tag eingegangenem Schriftsatz (Bl. 1771 ff. d.GA.) begründet.
124
Die Beklagte hat gegen das ihrem erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten am 30.
Dezember 1996 (Bl. 1649 d.GA.) zugestellte Urteil mit einem am 29. Januar 1997 beim
Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz (Bl. 1669 ff. d.GA.) ebenfalls Berufung
eingelegt und diese nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist
(Bl. 1767 d.GA.) mit am 1. April 1997 eingegangenen Schriftsatz (Bl. 1788 ff. d.GA.)
begründet. Mit Schriftsatz vom 19. Februar 1997 (Bl. 1761 d.GA.) ist die
125
Nebenintervenientin zu 9) dem Berufungsverfahren auf Seiten der Beklagten
beigetreten.
Die Nebenintervenienten zu 16) bis 20) haben durch am 31. Januar 1997 beim
Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz (Bl. 1680 ff. d.GA.) Berufung eingelegt und
diese nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsschrift (Bl. 1764
d.GA.) mit einem am 1. April 1997 eingegangenen Schriftsatz (Bl. 1849 ff. d.GA.)
begründet.
126
Der Kläger verfolgt sein Klageziel weiter und wiederholt und ergänzt hierzu sein
bisheriges Vorbringen. Er begehrt weiterhin die Einbeziehung der Hubschrauberstarts in
die Startbeschränkungen und macht geltend, bei dem Unterlassungsanspruch könne
nicht zwischen Starts von Motorflugzeugen und Hubschraubern differenziert werden. Es
fehle eine gesicherte Entscheidungsgrundlage, weil das eingeholte Gutachten des TÜV
Rheinland die von Hubschrauberstarts ausgehende Lärmbeeinträchtigungen nicht
gemessen habe. Demgegenüber ergebe sich aus dem LIS-Gutachten, daß an den
Tagen mit geringem Flugbetrieb der Fluglärm durch Hubschrauberstarts um etwa 1
dB(A) erhöht werde. Der Überflug eines Hubschraubers nach dem Start sei mindestens
ebenso störend wie der eines Motorflugzeugs.
127
Startbeschränkungen seien auch für Sonnabende in der Zeit ab 15.00 Uhr
auszusprechen. Insoweit sei unter Berücksichtigung des verstärkten
Umweltbewußtseins ein erhöhtes Ruhebedürfnis der Bevölkerung anzuerkennen. Die
vom Landgericht ausgeurteilte Beschränkung auf 100 Starts pro Tag beruhe auf einer
unzutreffenden Bewertung aller maßgeblichen Faktoren. Eine umfassende Würdigung
ergebe, daß nach dem Empfinden eines betroffenen verständigen
Durchschnittsmenschen die Beeinträchtigung maximal bei 15 Starts pro Tag noch als
unwesentlich angesehen werde. Die Einbeziehung einer Vorbelastung durch die von
Straßen ausgehenden Geräuschimmissionen der Umgebung sei nicht gerechtfertigt. Die
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den Auswirkungen einer
Gemengelage, die zu einer Art Mittelwertbildung führe, könne nicht auf § 906 BGB
übertragen werden. Aus den Grundsätzen des nachbarlichen
Gemeinschaftsverhältnisses könnten sich nur ausnahmsweise Einschränkungen der
Schutzwürdigkeit ergeben. Wegen des Abstands zwischen dem Grundstück des
Klägers und dem Flugplatz fehle es bereits an einem solchen Gemeinschaftsverhältnis.
Zutreffend habe das Landgericht auf einen Mittelungspegel von 55 dB(A) abgestellt. Bei
einer Gesamtwürdigung sei insbesondere auch zu berücksichtigen, daß der Fluglärm
keinen Geräuschpegel mit geringen Schwankungen erzeuge, sondern erhebliche
Spitzenpegel. Der Trend in der heutigen Forschung gehe dahin, bei der Bestimmung
der Lästigkeit jede charakteristische Geräuschart getrennt zu betrachten. So sei
Fluglärm um 65 dB(A) in der Lästigkeit mit Straßenverkehrslärm um 75 dB(A)
vergleichbar. Nach einer Beurteilung des Umweltbundesamtes aus dem Jahre 2000 (Bl.
2376 ff. d.GA.) führten Fluglärmbelastungen von 55 dB(A) tagsüber und von 45 dB(A)
nachts zu erheblichen Belästigungen und solche von 60 dB(A) tagsüber und 50 dB(A)
nachts ließen Gesundheitsbeeinträchtigungen befürchten. Die Landeplatz-Lärmschutz-
Verordnung gewährleiste keinen Schutz, da diese keine Immissionsgrenz- oder -
richtwerte vorschreibe.
128
Um wesentliche Beeinträchtigungen zu vermeiden, sei zudem bei einem Wechsel der
Startrichtungen sowie an Sonn- und Feiertagen die zulässige Menge der Starts
verhältnismäßig herabzusetzen.
129
Mit dem Klageantrag zu 1 b) verfolgt der Kläger zu 1) weiterhin sein Begehren auf
Unterlassung des Starts von Luftfahrzeugen, die den erhöhten
Schallschutzanforderungen der Landeplatzverordnung nicht entsprechen. Er ist der
Ansicht, im Hinblick auf die Lage des Grundstücks im reinen Wohngebiet könne er
verlangen, daß nur den erhöhten Lärmschutzanforderungen genügende Luftfahrzeuge
sein Grundstück überfliegen. Mit dem Hilfsantrag zu 2) solle eine gleichmäßige
Verteilung für kurze Zeiträume der Ruhe auf dem Grundstück erreicht werden.
Zusätzlich behauptet der Kläger, die Anzahl der Starts hätten in den letzten Jahren
zugenommen. Die Beklagte bemühe sich durch Werbemaßnahmen den Nutzungsgrad
des Flugplatzes zu steigern. Zudem begründe die von der Beklagten geplante
Verlängerung der Startbahn die Gefahr, daß über den Flugplatz der Flughafenbetrieb
von schweren Maschinen abgewickelt werde und es zu einer stärkeren
Inanspruchnahme des Flughafens komme.
130
Weiterhin hat der Kläger Ausführungen zu dem erforderlichen Interesse der
Nebenintervenienten zu 16) bis 20) gemacht.
131
Der Kläger zu 1) beantragt,
132
133
134
135
unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils der 3. Zivilkammer des
Landgerichts Bonn vom 13. Dezember 1996 - 3 0 65/91 -
136
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138
139
1.
140
141
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143
die Beklagte - unter Einbeziehung ihrer teilweisen erstinstanzlichen Verurteilung -
zu verurteilen, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der künftigen
Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu DM 500.000,00,
ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu
vollziehen an den Geschäftsführern der Beklagten, zu unterlassen,
144
145
1. Starts von Motorflugzeugen, Hubschraubern und Motorseglern in östlicher
Richtung,
1. vor 8.00 Uhr und nach 20.00 Uhr sowie zwischen 13.00 und 15.00 Uhr und an
Sonnabenden, Sonn- und Feiertagen ab 13.00 Uhr zuzulassen.
146
1. in den Stunden von 8.00 bis 13.00 Uhr und von 15.00 bis 20.00 Uhr in einer
Anzahl von mehr als 15 Starts pro Tag zuzulassen, wobei im Falle des Wechsels
der Startrichtung während eines Tages und an Sonnabenden, Sonn- und
Feiertagen in östlicher Richtung nur die Anzahl von Motorstarts erfolgen darf, die
der auf diese Startrichtung an dem jeweiligen Tag verwandten Zeit entspricht, und
sich hierbei ergebende Bruchteile von Starts aufzurunden sind,
147
1. Motorflugzeuge und Motorsegler in östlicher Richtung starten zu lassen, deren
Flugzeugführer nicht zuvor durch ein gültiges Lärmzeugnis für Propellerflugzeuge
entsprechend dem Muster 1a zu § 8 Abs. 2 Ziffer 6 der Luftverkehrs-Zulassungs-
Ordnung in der Fassung vom 13. März 1979 (BGBl. 1 S. 307) nachgewiesen
haben, daß das Luftfahrzeug den erhöhten Schallschutzanforderungen der
Landeplatzverordnung vom 16. August 1976 (BGBl. I S. 2216) entspricht,
148
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2.
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hilfsweise
158
159
160
160
161
für den Fall, daß das Gericht mehr als 30 Starts pro Tag für zulässig erachtet, die
Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der
Zuwiderhandlung bis zu DM 500.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer
Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an den Geschäftsführern der
Beklagten, zu unterlassen, mehr als höchstens 4 Starts pro Stunde zuzulassen,
162
163
164
165
sowie die gegnerische Berufung zurückzuweisen.
166
Die Beklagte beantragt,
167
168
169
170
unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage in vollem
Umfang abzuweisen.
171
Die Beklagte wiederholt und vertieft ebenfalls ihr bisheriges Vorbringen. Sie ist
weiterhin der Ansicht, eine zivilgerichtliche Entscheidung könne nicht regelnd und
nutzungsbeschränkend in den Betrieb einer öffentlich-rechtlich genehmigten
Verkehrsanlage eingreifen. Sie verweist wiederum auf die ihr obliegende Betriebspflicht
und die hieraus resultierende Unmöglichkeit, zivilrechtliche Ansprüche auf
Einschränkung des Flugbetriebs zu erfüllen. Aus dem Grundsatz der Freiheit des
Luftverkehrs und der Widmung des Flugplatzes als öffentliche Verkehrsanlage ergebe
sich ein Rechtsanspruch des Luftfahrzeugführers auf Nutzung des Landeplatzes. Sie sei
rechtlich nicht im Stande, in ihrer Eigenschaft als Platzhalterin einem Flugzeugführer
den Start in östlicher Richtung zu verbieten, wenn bereits 100 andere Flugzeugführer
gestartet seien. Auf den Verkehr mit Hubschraubern des Bundesgrenzschutzes habe sie
keinen Einfluß. Zudem erhöhten die Hubschrauberstarts den Beurteilungspegel der
Geräuschimmission nur ausnahmsweise und seien insoweit zu vernachlässigen. Die
Beklagte ist der Ansicht, einschränkende Auflagen könne ausschließlich die
Genehmigungsbehörde, die Bezirksregierung in Düsseldorf, machen. Diese sei nicht
bereit, die Betriebspflicht des Flughafenbetreibers zumindest teilweise zu beschränken.
Eine Verurteilung dürfe auch deswegen nicht erfolgen, weil sicher feststehe, daß ein
Widerruf der Genehmigung nicht in Betracht komme. Weder seien die Voraussetzungen
für ihre Erteilung nachträglich entfallen noch habe sie - die Beklagte - erteilte Auflagen
nicht eingehalten. Es fehlten zudem die Voraussetzungen für einen Widerruf, da die
Geräuschimmissionen keinesfalls den Tatbestand einer Gesundheitsgefährdung
erfüllten. Es könne allenfalls eine Verurteilung unter dem Vorbehalt einer Änderung der
luftrechtlichen Genehmigung erfolgen. Des weiteren ist die Beklagte der Ansicht, eine
172
zeitweise Einstellung des Flugbetriebs sei keine Vorkehrung im Sinne des § 14
Bundesimmissionsschutzgesetzes. Zudem sei sie wirtschaftlich unvertretbar, da
zusätzliche Mitarbeiter mit einem zusätzlichen Aufwand von 200.000,00 DM eingestellt
werden müßten. Dies führt sie weiter aus.
Der Kläger zu 1) sei zur Duldung des Flugbetriebs verpflichtet. Sein Grundstück werde
durch die Lärmeinwirkungen nur unwesentlich beeinträchtigt. Im Vergleich zu dem TÜV-
Gutachten vom 14. Oktober 1994 seien zwischenzeitlich die Flugbewegungszahlen
deutlich zurückgegangen, und es habe sich der Anteil der leiseren Motorflugzeuge
erhöht. Nach einem Beschluß des Aufsichtsrates der Beklagten sei die Anzahl der
Dauermietverträge über die Ab-/Unterstellung von Motorflugzeugen auf dem Gelände
auf 103 beschränkt worden. Es würden nur noch Verträge mit Flugzeughaltern
abgeschlossen, deren Flugzeuge gemäß Lärmschutzzeugnis in die Lärmkategorie "A"
und "B" eingestuft sind.
173
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bestehe eine
Zumutbarkeitsgrenze von 55 dB (A) für das Rauminnere. Seit der Änderung des § 906
Abs. 1 BGB durch das Sachenrechtsänderungsgesetz vom 21. September 1994
könnten Lärmeinwirkungen, die den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entsprechen,
nicht mehr als wesentlich angesehen werden. Die Landeplatz-Lärmschutz-Verordnung
unterliege § 906 Abs. 1 Satz 2 BGB. Bei einer Einhaltung der Regelungen dieser
Verordnung liege nur eine unwesentliche Beeinträchtigung vor. Zumindest sei diese
Vorschrift entsprechend anwendbar.
174
Zudem sei wegen des Gebietscharakters und der bestehenden Vorbelastung für die
Frage der Beurteilung einer wesentlichen Lärmbelästigung ein Mittelwert zu bilden, der
zwischen dem Wert eines Gewerbegebiets und dem eines allgemeinen Wohngebiets
liege. Dieser Wert sei nicht überschritten, was die Beklagte näher ausführt. Zudem sei
dem Kläger mit Rücksicht darauf, daß die Lärmbelastung des Grundstücks schon vor
der Bebauung vorhanden gewesen sei, auch ein Geschlossenhalten der Fenster
zumutbar, zumal lediglich an 21 % der Tage Starts in Ostrichtung stattfänden.
175
Die Lärmbelastung sei jedenfalls ortsüblich, da der 1909 errichtete Flugplatz wegen
seines Charakters als überörtliche Verkehrseinrichtung die Landschaft wesentlich
präge. Ebenfalls sei ein Unterlassungsanspruch deshalb ausgeschlossen, weil sich der
Kläger mit dem Grundstückserwerb im Jahre 1985 freiwillig in die Konfliktsituation
begeben habe. Unerheblich sei, ob der Kläger die Situation erkannt habe. Entscheidend
sei, daß er sie hätte erkennen können. Im übrigen sei es ausgeschlossen, daß der
Kläger nicht gewußt habe, daß das Grundstück in unmittelbarer Nähe eines Flugplatzes
unter einer An- und Abflugschneise liege.
176
Die Beklagte bittet, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache die Revision
zuzulassen.
177
Die Nebenintervenientin zu 9) beantragt,
178
179
180
181
unter teilweiser Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Klage in vollem
Umfang abzuweisen und die Berufung des Klägers zu 1) zurückzuweisen.
182
Sie schließt sich dem Vorbringen der Beklagten an und vertieft dieses. Ergänzend trägt
sie vor, die Meßwerte im TÜV-Gutachten vom 14. Oktober 1994 seien nicht mehr
repräsentativ. Neben ihr hätten auch andere Flugplatznutzer Maßnahmen zur
Lärmminderung an den Flugzeugen getroffen. Von den insgesamt ca. 103 bei der
Beklagten stationierten Flugzeugen verfügten lediglich noch 10 über keine erhöhten
Lärmschutzeinrichtungen. Diese Maschinen würden so gut wie nicht mehr eingesetzt.
Da der Kläger zu 1) im Hinblick auf die Zulässigkeit von Lärmimmissionen
privatrechtlich nicht günstiger gestellt werden dürfe als er öffentlich-rechtlich stehen
würde, hätte das Landgericht unter Berücksichtigung der Tatsache, daß das
streitbefangene Grundstück in einem Gebiet mit unterschiedlicher Qualität und
Schutzwürdigkeit liegt, im jetzigen Zeitpunkt nur noch eine unwesentliche
Beeinträchtigung annehmen müssen. Zudem müsse es dem Störer überlassen bleiben,
wie er eine Beeinträchtigung abstelle. Neben der zahlenmäßigen Beschränkung der
Startvorgänge gebe es weitere - näher aufgezeigte Möglichkeiten zur Lärmbeseitigung
bzw. -verminderung ohne Einschränkung des Flugverkehrs. Im übrigen weist die
Nebenintervenientin darauf hin, sie sei aus arbeitspolitischen und wirtschaftlichen
Gründen darauf angewiesen, ihre eigenen Flugzeuge mindestens in dem bisherigen
Umfang weiter zu betreiben. Sie rügt, das Landgericht habe die umfangreichen
Ausführungen der Beklagten zur wirtschaftlichen Unvertretbarkeit der Maßnahmen nicht
zur Kenntnis genommen und verfahrensfehlerhaft die angebotenen Beweise nicht
erhoben. Die von der Beklagten geplante Verlängerung der Startbahn führe dazu, daß
die Flugzeuge bereits früher anrollen und abheben würden. Dies habe eine
Reduzierung der Lärmbelästigung zur Folge.
183
Der Kläger zu 1) habe auf jeden Fall aufgrund der eindeutigen Hinweise auf sämtlichen
Landkarten und zahlreichen Straßenschildern beim Erwerb des Hauses Kenntnis von
der Existenz des Flugplatzes erhalten können. Zudem seien zum damaligen Zeitpunkt
die vorhandenen Bäume so niedrig gewesen, daß man jedenfalls vom Balkon des
Hauses des Klägers aus den Flugplatz einschließlich Kontrollturm und Betonpiste
sowie die gesamte breite Segelflugbahn sehen konnte.
184
Nachdem der Nebenintervenient zu 20) vor Eintritt in die mündliche Verhandlung seine
Nebenintervention und Berufung zurückgenommen hat (Bl. 1944 d.GA.), haben die
Nebenintervenienten zu 16) bis 19) beantragt,
185
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187
188
die Berufung des Klägers zu 1) zurückzuweisen und
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191
192
unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach dem erstinstanzlichen
Schlußantrag der Beklagten zu erkennen.
193
Sie schließen sich den Ausführungen der Beklagten an und machen ergänzend geltend,
das im Jahre 1994 eingeholte Gutachten des TÜV RHEINLAND könne keine Grundlage
einer Entscheidung mehr sein. Seitdem seien die Geräusche bei Start und Landung
aufgrund der technischen Neuerungen wesentlich zurückgegangen. Es könne jetzt auf
jeden Fall nicht mehr von einer wesentlichen Beeinträchtigung des Grundstücks des
Klägers ausgegangen werden. Im übrigen seien die ermittelten Ergebnisse falsch
ausgewertet worden; lediglich in 20,9 % der Starttage sei in östlicher Richtung gestartet
worden. Hinsichtlich der Hubschrauberstarts von ADAC, BGS und Katastrophenschutz
treffe den Kläger zu 1) eine erhöhte Duldungspflicht, da diese im öffentlichen Interesse
erfolgen. Der Kläger zu 1) könne ebensowenig Startbeschränkungen am Samstagen ab
13.00 Uhr beanspruchen. Der Samstag sei ein ganz normaler Werktag, an dem
zunehmend wieder gearbeitet werde.
194
Unrichtig sei die Auffassung des Landgerichts, die zuständige Verwaltungsbehörde
habe aufgrund eines zivilgerichtlichen Urteils ihre Ermessensentscheidung erneut zu
überprüfen. Hier liege eine unter sorgfältiger Abwägung der Belange von
Flugplatznutzern und -nachbarn getroffene Verwaltungsentscheidung - der Bescheid
vom 17. Juli 1991 - vor. Die ordentlichen Gerichte könnte nunmehr ausschließlich diese
Entscheidung auf Ermessensfehler hin überprüfen, wobei die zivilrechtlichen und die
öffentlich-rechtlichen Beurteilungsmaßstäbe einheitlich gesehen werden müßten.
Zudem sei davon auszugehen, daß dem Kläger die Existenz des Flugplatzes bekannt
gewesen sei. Außerdem sei die Beklagte kein Störer. Eine Erfolgsaussicht,
Einschränkungen des Flugbetriebs durchsetzen zu können, bestehe angesichts der
Weigerung der Bezirksregierung nicht. Den Kläger treffe schließlich eine
Duldungspflicht, weil der Flugplatz ein in öffentlichem Interesse stehender
gemeinwichtiger Betrieb sei.
195
Die Nebenintervenienten zu 16) bis 19) sind der Auffassung, die angefochtene
Entscheidung schreibe zu Unrecht der Beklagten eine bestimmte Art der
Störungsbeseitigung vor. Außer einer zahlenmäßigen und zeitlichen Beschränkung des
Flugbetriebs sei eine Verlegung der Startbahn oder eine Abänderung der Platzrunde
möglich. Außerdem könnte die Beklagte eine Umsetzung der Lärmschutzmaßnahmen
unmittelbar an den Flugzeugen zumindest derjenigen Flugzeughalter einfordern, mit
denen sie in vertraglichen Beziehungen stehe.
196
Zudem führen die Nebenintervenieten aus, es sei noch nicht sicher, ob es zu einer
Verlängerung der Startbahn komme. Die Umsetzung des Beschlusses des
Aufsichtsrates hänge von der Genehmigung der Aufsichtsbehörde und der Finanzierung
ab. Die Verlängerung der Startvorlaufstrecke führe zudem wegen der Verlegung der
Bodenrollstrecke um ca. 200 m nach Westen zu einer Lärmminderung für den Kläger.
197
Der Senat hat durch Zwischenurteil vom 30. Juli 1997 (Bl. 1966 ff. d.GA.) die
Nebeninterventionen der Nebenintervenienten zu 16), 18) und 19) zugelassen und die
Nebeninterventionen des Nebenintervenienten zu 17) zurückgewiesen. Zugleich hat er
eine Kostenentscheidung über die Gerichtskosten des Zwischenstreits sowie die
hierdurch entstandenen außergerichtlichen Kosten der Nebenintervenienten zu 16) bis
198
20) getroffen (Bl. 1969 d.GA.).
Durch Auflagen- und Beweisbeschluß vom 30. Juli 1997 (Bl. 1960 ff. d.GA.) hat der
Senat Beweis erhoben über das Ausmaß der Lärmbeeinträchtigungen, die derzeit von
den in östlicher Richtung vom Flugplatz H. startenden Flugzeugen auf das Grundstück
des Klägers einwirken. Der TÜV RHEINLAND hat das Gutachten unter dem 16. März
1999 (Bl. 2101 ff. d.GA.) erstattet. Zu den von dem Kläger mit den Schriftsätzen vom 27.
Mai 1999 (Bl. 2134 ff. d.GA.), vom 18. Juni 1999 (Bl. 2183 ff. d.GA.) und vom 8. Juli 1999
(Bl. 2203 d.GA.) und den Nebenintervenienten zu 16), zu 18) und zu 19) im Schriftsatz
vom 27. Mai 1999 (Bl. 2168 ff. d.GA.) jeweils gegen das Gutachten erhobenen
Einwendungen hat der Senat durch Beschluß vom 16. Juni 1999 (Bl. 2179 ff. d.GA.) in
Verbindung mit Beschluß vom 24. August 1999 den Sachverständigen ergänzend
angehört. Zu den Einzelheiten wird auf das schriftliche Gutachten des TÜV
RHEINLAND vom 25. November 1999 verwiesen (Bl. 2228 ff. d.GA.).
199
Weiterhin hat der Senat gemäß Beschluß vom 16. August 2000 (Bl. 2288 d.GA.) Beweis
erhoben durch Inaugenscheinnahme der Örtlichkeiten in Anwesenheit des
Sachverständigen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das
Protokoll des Ortstermins vom 23. September 2000 (Bl. 2319 ff. d.GA.) sowie die
Meßergebnisse des TÜV Rheinland (Bl. 2325 ff. d.GA.) Bezug genommen. Zudem hat
der Senat den Sachverständigen Dr. B. vom TÜV RHEINLAND in der Sitzung vom 13.
Dezember 2000 ergänzend angehört (Protokoll der Sitzung vom 13. Dezember 2000, Bl.
2432 ff. d.GA.).
200
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die von den
Parteien und den Nebenintervenienten eingereichten umfangreichen Schriftsätze nebst
Anlagen sowie auf die Tatbestände der Urteile des Landgerichts vom 5. Mai 1995 und
vom 13. Dezember 1996 (3 0 65/91 LG Bonn) sowie des Senats vom 6. März 1996 (2 U
98/95) einschließlich der darin enthaltenen Verweisungen Bezug genommen.
201
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
202
I.
203
Die zulässige Berufung der Beklagten und der Nebenintervenienten zu 16), 18) und 19)
hat in der Sache Erfolg; demgegenüber ist die Berufung des Klägers zu 1)
zurückzuweisen.
204
Dem Kläger zu 1) steht gegen die Beklagte weder der als Hauptantrag geltend
gemachte Anspruch auf umfassende Beschränkung der Flugbewegungen auf der
Startbahn "RWY .." noch das als Hilfsantrag verfolgte Begehren auf zahlenmäßige
Reduzierung der Anzahl der Starts pro Stunde zu.
205
1.
206
Der Kläger kann grundsätzlich gemäß § 1004 Abs. 1 BGB die Unterlassung von
Beeinträchtigungen seines Grundeigentums verlangen. Die beim Start von
Motorflugzeugen und Motorseglern in östliche Richtung auf das Grundstück D.S. 51b in
Sankt Augustin einwirkenden Geräusche sind geeignet, den Kläger zu 1) in der Nutzung
seines Grundstücks zu beeinträchtigen. Als Beeinträchtigung ist bereits eine bei
zulässiger Nutzung des Eigentums für den durchschnittlich empfindlichen Menschen
207
deutlich wahrnehmbare Geräuscheinwirkung anzusehen, sofern sie nach Art und
Ausgestaltung überhaupt als störend empfunden werden kann. Daß letzteres
grundsätzlich auf Fluglärm zutrifft, hat das Landgericht zutreffend bejaht (§ 543 ZPO)
und wird auch von der Beklagten im dem vorliegenden Rechtsstreit nicht mit der
Berufung angegriffen.
Der vom Kläger geltend gemachte Unterlassungsanspruch scheitert entgegen der
Ansicht der Beklagten allerdings nicht daran, daß diese als Betreiberin des Flughafens
nicht Störerin im Sinne des § 1004 Abs. 1 BGB ist. Zwar werden die auf das klägerische
Grundstück einwirkenden Geräuschimmissionen unmittelbar durch die das Grundstück
überfliegenden Flugzeuge erzeugt; diese Geräuschbelästigungen sind jedoch, wie der
Senat bereits in seinem Urteil vom 6 März 1996, 2 U 98/96 ausgeführt hat, der Beklagten
zuzurechnen. Diese veranlaßt durch den von ihr betriebenen Flugplatz "H." und die
Aufrechterhaltung des Flugbetriebes die Beeinträchtigung des Grundstücks des Klägers
durch den Fluglärm startender Flugzeuge in ursächlich adäquater Weise (vgl. allgemein:
BGHZ 59, 378 [380] mit weiteren umfangreichen Nachweisen für einen Militärflughafen;
BGH, NJW 1977, 1917 [1919] für den Flughafen Düsseldorf; BGH, NJW 1997, 1920
[1921] für ein Segelfluggelände/Verkehrslandeplatz auf dem auch
Motorsegler/Motorflugzeuge starten und landen; OLG Hamburg, OLGR 1999, 36 [38] für
den Flughafen Hamburg-Fuhlsbüttel). Es besteht zudem die Besonderheit, daß es zu
einer Lärmbelästigung auf dem Grundstück des Klägers nur dann kommt, wenn die
Beklagte - witterungsbedingt - für das Starten eine bestimmte Flugschneise vorschreibt,
die über das streitbefangene Grundstück führt.
208
2.
209
Vorliegend ist der Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 2 BGB ausgeschlossen,
weil der Grundstückseigentümer zur Duldung verpflichtet ist.
210
Daher kann es dahinstehen, ob - dies ist zwischen den Parteien im Streit - die
Belästigungen durch eine ortsübliche Benutzung des Flugplatzgrundstücks
herbeigeführt wird (§ 1004 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 906 Abs. 2 BGB). Ebenso
bedarf es keiner Erörterung, ob ein Zivilgericht regelnd und nutzungsbeschränkend in
den Betrieb einer öffentlich-rechtlichen Verkehrsanlage eingreifen kann und ob die
Störereigenschaft eines Flugplatzbetreibers nicht schon deswegen entfällt, weil dieser
im Hinblick auf den Flugplatzzwang für die Luftfahrer (§ 25 LuftVG) einerseits und die
Betriebspflicht des Landeplatzhalters (§§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 1 in Verbindung mit §§ 42
Abs. 2 Ziffer 7, 45 Abs. 1 LuftVZO) sowie die Landeplatzgenehmigung (§ 6 LuftVG)
andererseits geltend macht, keine rechtliche Möglichkeit zu haben, den beim Start
verursachten Lärm zu verhindern. Schließlich erübrigt sich auch eine Stellungnahme
seitens des Senates zu dem Vortrag der Beklagten, sie könne im Hinblick auf ein
Schreiben der Bezirksregierung Düsseldorf vom 4. Juli 1996 (Bl. 1818 d.GA.) keine
Teilbefreiung von der Betriebspflicht (§ 45 Abs. 1 Satz 2 LuftVZO) erreichen.
211
a)
212
Für die Beurteilung der Duldungspflicht ist im vorliegenden Fall § 906 BGB
heranzuziehen. Danach kommt es darauf an, ob die Geräuschentwicklung die
Benutzung des gestörten Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt (§ 906
Abs. 1 Satz 1 BGB).
213
Die beim Start von Motorflugzeugen in östlicher Richtung auf das Grundstück D.S. 51b
einwirkenden Geräusche überschreiten nach dem Ergebnis der vom Senat
durchgeführten Beweisaufnahme (§ 286 ZPO), insbesondere in Ansehung der von dem
Sachverständigen Dr. B. vom TÜV RHEINLAND gemessenen Immissionswerte, den
schriftlichen Ausführungen des Sachverständigen und des vom Senat bei dem
Ortstermin vom 23. September 2000 gewonnenen persönlichen Eindrucks von der
Intensität der Lärmbelästigungen, noch nicht die Wesentlichkeitsgrenze des § 906 Abs.
1 BGB.
214
aa)
215
Entgegen der von dem Kläger zu 1) mit der Berufung geltend gemachten Auffassung ist
die Lärmbeeinträchtigung nicht schon deshalb wesentlich, weil die Anzahl von 30 Starts
pro Tag überschritten wird, die das Oberlandesgericht Hamm in seinem Urteil vom 8.
November 1990, 22 U 32/89, bei einem "schlechteren Wohnumfeld" für den
Verkehrslandeplatz P.W. als höchstens zumutbar erachtet hat. Auch nach der
Neuregelung des § 906 Abs. 1 BGB soll es grundsätzlich bei der konkreten
Einzelfallprüfung der Gerichte bleiben (BT-Drs. 12/7425, 87 f.; Palandt/Bassenge,
a.a.O., § 906 Rdnr. 19). Es ist daher allein entscheidend, ob die konkrete Belastung für
den Kläger als Eigentümer des streitbefangenen Grundstücks wesentlich oder
unwesentlich ist.
216
Für die Beurteilung der Wesentlichkeit oder Unwesentlichkeit sind seit der Neufassung
des § 906 Abs. 1 BGB durch das Sachenrechtsänderungsgesetz vom 21. September
1994 (BGBl. I 2457) nach den nunmehrigen Sätzen 2 und 3 des § 906 Abs. 1 BGB
öffentlich-rechtliche Vorschriften heranzuziehen. Danach ist in der Regel eine
Beeinträchtigung unwesentlich, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen
festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und
bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Gleiches gilt für Werte in
allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 BImSchG erlassen worden sind
und den Stand der Technik wiedergeben. Derartige Vorschriften sind indes nicht
schematisch anzuwenden, sondern bilden lediglich einen Anhaltspunkt für die
Beurteilung des jeweiligen Einzelfalls, wobei umgekehrt auch die Überschreitung der
Werte nicht als Regelfall der Wesentlichkeit gilt (OLG München, OLGR 1998, 354;
Palandt/Bassenge, BGB, 60. Auflage 2001, § 906 RdnR. 12).
217
Allgemeinverbindliche bundes- oder landesrechtliche Normen darüber, bis zu welcher
Grenze von Flugplätzen ausgehender Fluglärm noch als unwesentlich anzusehen ist,
fehlen indes (Giemulla/Schmid, LuftVG, 32. Lieferung 2000, § 6 Rdnr. 17; OLG
Hamburg, OLGR 1999, 36 [38]). Nicht einschlägig ist die aufgrund des § 43 Abs. 1 Satz
1 BImSchG erlassene VerkehrslärmschutzVO vom 12. Juni 1990. Diese enthält nur
Immissionsgrenzwerte für den Bau oder die Änderung von öffentlicher Straßen sowie
von Schienenwegen, nicht indes von Flugplätzen (vgl. z.B.: OLG Hamburg, OLGR 1999,
36 [38]). Private Umweltstandards wie zum Beispiel die DIN-Normen und VDI-
Richtlinien begründen ebenfalls keine Regelfälle im Sinne des § 906 Abs. 1 Satz 2,
Satz 3 BGB. Ihre Einhaltung kann allenfalls Indizwirkung haben (Palandt/Bassenge,
a.a.O., § 906 Rdnr. 17).
218
Ebensowenig anwendbar ist die technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm - TA
Lärm - vom 16. Juni 1968. Diese ist zwar gemäß § 66 Abs. 2 BImSchG bei der
Konkretisierung des Begriffs der Erheblichkeit im Sinne von § 3 BImSchG zu
219
berücksichtigen und kann auch als Maßstab gemäß § 906 Abs. 1 Satz 2 BGB
herangezogen werden (Palandt/Bassenge, a.a.O., § 906 Rdnr. 19). Sie ist aber bereits
deswegen vorliegend nicht einschlägig, weil gemäß § 2 Abs. 2 BImSchG das
Bundesimmisionsschutzgesetz nicht für Flugplätze gilt.
Das Gesetz zum Schutze gegen Fluglärm vom 30. März 1971 (BGBl. I 282) enthält keine
verbindliche Festsetzung von Grenzwerten im Sinne des § 906 Abs. 1 Satz 2 BGB. Die
in diesem Gesetz bestimmten Dauerschallpegel sind dort als Grundlage für bestimmte
planungsrechtliche Regelungen festgesetzt. Sie stellen keine Richt- oder Grenzwerte für
die hier zu entscheidende Frage dar, ob die Lärmeinwirkung auf das Grundstück eines
Lärmbetroffenen wesentlich ist im Sinne der vorgenannten Vorschrift (BGH, NJW 1977,
1920 [1922]; BGH, NJW 1993, 1700 [1702]). Im übrigen findet das Gesetz, welches dem
Schutz der Allgemeinheit vor Gefahren, erheblichen Nachteilen und erheblichen
Belästigungen durch Fluglärm in der Umgebung von Verkehrsflughäfen, die dem
Fluglinienverkehr angeschlossen sind, und militärischen Flugplätzen (§ 1 FluglärmG),
dient, auf den Verkehrslandeplatz B.-H. keine Anwendung.
220
Ob es sich entsprechend der Ansicht der Beklagten bei der Landeplatz-Lärmschutz-
Verordnung vom 5. Januar 1999 (BGBl. I 35) um eine Regelung im Sinne des § 906
Abs. 1 Satz 2 BGB handelt, kann dahinstehen. Diese Verordnung enthält zwar
Regelungen zum Schutz der Bevölkerung vor Fluglärm an Landeplätzen (so § 1 Abs. 1).
Werden diese Regelungen eingehalten, so mag für den geregelten Zeitraum, von
montags bis freitags vor 9.00 Uhr und nach 19.00 Uhr und an Sonn- und Feiertagen
zwischen 13.00 Uhr und 15.00 Uhr in der Regel eine unwesentliche Beeinträchtigung
vorliegen. Die Verordnung trifft indes keine Bestimmung zu der Wesentlichkeit von
Fluglärm hinsichtlich der übrigen Zeiträume. Insoweit werden keine Immissionsgrenz-
oder -richtwerte festgeschrieben. Die Verordnung regelt auch nicht den Konflikt
zwischen Flughafen und Flughafenumgebung in der Weise, daß durch die Festlegung
von zeitlichen Begrenzungen des Flugbetriebes ansonsten ein von der Frage der
Wesentlichkeit der Lärmbeeinträchtigung uneingeschränkter Flugverkehr möglich ist.
221
bb)
222
Da es vorliegend an einer maßgeblichen Vorschrift im Sinne von § 906 Abs. 1 Satz 2
und Satz 3 BGB fehlt, ist die Wesentlichkeit entsprechend den von der Rechtsprechung
zu § 906 Abs. 1 BGB aufgestellten Grundsätze zu beurteilen.
223
Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, daß der Kläger zu 1) sich subjektiv durch
den Fluglärm erheblich belästigt fühlt. Die Behauptung des eigenen subjektiven
Empfindens reicht für die Annahme einer "wesentlichen" Beeinträchtigung nicht aus.
Die Frage, wann Lärmbeeinträchtigungen wesentlich sind, ist nach ständiger
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, der sich der Senat anschließt, anhand eines
differenziert-objektiven Maßstabes zu bestimmen. Bei der Beurteilung der
Wesentlichkeit von Lärm ist auf das Empfinden eines durchschnittlichen Menschen
abzustellen, wobei Natur und Zweckbestimmung des von der Beeinträchtigung
betroffenen Grundstücks in seiner konkreten Beschaffenheit eine entscheidende Rolle
spielen (BGH, NJW 1982, 440 [441]; BGH, NJW 1984, 1242 [1242 f.]; BGHZ 111, 63 [65]
= BGH, NJW 1990, 2465; BGH, MDR 1999, 290 [291]). Wesentliche
Geräuschimmissionen im Sinne von § 906 BGB sind identisch mit den erheblichen
Geräuschbelästigungen und damit schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne von §§ 3
Abs. 1, 22 Abs. 1 BImSchG (BVerwG, NJW 1988, 2396 [2397]; BGHZ 111, 63 [65] =
224
NJW 1990, 2465 [2466]; BGH, NJW 1993, 925 [929]; BGH, NJW 1993, 1700 [1701]).
Schädliche Umwelteinwirkungen sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer
geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die
Allgemeinheit oder Nachbarschaft herbeizuführen.
Obwohl, wie vorstehend erörtert, allgemeinverbindliche bundes- und landesrechtliche
Normen darüber, bis zu welcher Grenze von Flugplätzen ausgehender Fluglärm noch
als zumutbar anzusehen ist, fehlen, können die Richtwerte der Technischen Anleitung
zum Schutz gegen Lärm vom 16. Juli 1968 (TA-Lärm), die DIN 45643 Teil 3 "Messung
und Beurteilung von Fluglärm" sowie die VDI-Richtlinie 2058 "Beurteilung von
Arbeitslärm in der Nachbarschaft" und die DIN 18005 "Schallschutz für den Städtebau"
als erste Anhaltspunkte für einen Vergleich herangezogen werden (vgl. z.B.: BGH, NJW
1977, 1917 [1920]). So sieht zum Beispiel die TA Lärm als Immissionsgrenzwert und
auch die DIN 18005 für ein reines Wohngebiet einen äquivalenten Dauerschallpegel
von tagsüber 50 dB(A), für ein Allgemeines Wohngebiet von 55 dB(A), für ein Gebiet mit
gewerblichen Anlagen und Wohnungen von 60 dB (A), sowie für Gewerbe- und
Industriegebiete von 65 bzw. 70 dB(A) vor. Eine Überschreitung dieser Werte kann zwar
im Einzelfall als wesentlich angesehen werden (BGHZ 111, 63 [67]), wobei jedoch
diese Richtwerte nicht schematisch angewendet werden dürfen. Soweit sich die
Planungsrichtpegel nach Verkehrswegen und an der Grenze zu Gebieten mit höherem
Planungsrichtpegeln nicht einhalten lassen, können nach der DIN 18005
Überschreitungen der Planungsrichtpegel zugelassen werden, allerdings nur in
besonderen Fällen um mehr als 10 dB(A) (Giemulla/Schmid, a.a.O., § 6 Rdnr. 17 mit
weiteren Ausführungen). Überschreitungen bis zu 10 dB(A) können bei der
Genehmigung der Erweiterung eines bestehenden und deshalb den
Nachbarschaftsraum prägenden Flugplatzes wie auch bei der Ausweisung neuer
Baugebiete in Flugplatznähe ausgenutzt werden (Giemulla/Schmid, a.a.O., § 6 Rdnr.
17).
225
Für die vorzunehmende Einzelfallwürdigung ist zudem eine Vorbelastung des
Grundstücks von Bedeutung. Es ist allgemein anerkannt, daß im Rahmen der
Wesentlichkeit die Gebietsart und die Lärmvorbelastungen zu berücksichtigen sind
(BGH, NJW 1981, 1369 [1372]; BGH, NJW 1993, 925 [930]; BGH, NJW 1995, 1823
[1824] für das Bauen eines Wohnhauses im Bereich des Flugplatzes Ramstein; BGH,
MDR 1999, 290 [292] für die Geruchsbelästigung durch einen Schweinemastbetrieb in
einem ländlichen Dorfbereich; BVerwGE 50, 49 [54]; BVerwGE 59, 253 [265]). Für die
Gebietsart ist von der bebauungsrechtlichen Situation der Grundstücke auszugeben, für
die tatsächlichen Verhältnisse spielen insbesondere "Geräuschvorbelastungen" und
"plangegebene" Vorbelastungen eine Rolle. Zu den Vorbelastungen, die bei einem
Wohngebiet in Betracht zu ziehen sind, fallen grundsätzlich auch die bisherigen
Lärmeinwirkungen des Flughafens selbst. Sie gehören, weil sie langjährig tatsächlich
bestehen, zu den maßgeblichen Faktoren, durch die die Situation des in ihrem
Einwirkungsbereich liegenden Grundstücks geprägt wird (BVerwG, NJW 1979, 64 [69]).
226
Hier ist als Vorbelastung des klägerischen Grundstücks zu berücksichtigen, daß der
Flugplatz H. längst da war, als die Bebauung des Ortsteils N. und der Wohngegend um
die D.S. begann. Dabei ist auch von Bedeutung, daß ausweislich der vorgelegten
Statistik (zuletzt Bl. 2421 d.GA.) seit der Errichtung der Wohnhäuser - Anfang der 70er
Jahre - die Anzahl der Flugbewegungen gegenüber den früheren nicht signifikant
gestiegen ist. So betrug die Anzahl der Starts und Landungen zwischen 1960 und 1971
zwischen 65.000 (1962) und 105.000 (1971). In den neunziger Jahren lagen sie
227
zwischen 56.000 (1998) und 86.000 (1990).
Diese Vorbelastung begründet eine Verpflichtung zur gegenseitigen Rücksichtnahme
(BGH, NJW 1995, 1823 [1824]; BVerwGE 50, 49 [54]; BVerwGE 59, 253 [265]). Dies
führt nicht nur zur Pflichtigkeit dessen, der Belästigungen verbreitet, sondern auch - im
Sinne der "Bildung einer Art von Mittelwert" - zu einer die Tatsachen respektierenden
Duldungspflicht derer, die sich in der Nähe von als solchen legalen Belästigungsquellen
ansiedeln (BVerwGE 50, 49 [54 f.]; BGH, NJW 1995, 132 [133]). Im Einzelfall muß ein
Mittelwert gefunden werden, weil Immissionsrichtwerte wie zum Beispiel der TA Lärm
eine solche Situation nicht erfassen (BGH, NJW 1995, 132 [133]). In diesen Wert muß
man auch als Gesichtspunkt der Rücksichtnahme einbeziehen, daß der Flugplatz H. vor
der Bebauung errichtet worden ist, so daß sich auch insoweit die schematische
Heranziehung eines Grenzwertes von 50 dB(A) für ein reines Wohngebiet verbietet.
228
Soweit der Kläger zu 1) weiterhin geltend macht, er habe beim Kauf des Hauses keine
Kenntnis von dem "Vorhandensein des Motorflugbetriebes und dem damit verbundenen
Umfang der Lärmbelästigungen" gehabt, kommt es hierauf nicht entscheidend an. Daher
bedarf es auch keiner weiteren Beweisaufnahme durch Vernehmung der hierzu von der
Beklagten benannten Zeugin v.O.. Die Frage der Berücksichtigung einer bestehenden
Vorbelastung eines Grundstücks bei der Bildung eines erhöhten Mittelwertes hängt nicht
von der Frage der Kenntnis hiervon ab. Denn § 906 BGB stellt allein auf das Bestehen
der wesentlichen Beeinträchtigung der Benutzung des Grundstücks ab. Eine Kenntnis
hiervon verlangt diese Vorschrift nicht. Im Verhältnis zwischen Flugplatz und
Wohnbebauung kann es zudem kaum entscheidend darauf ankommen, ob ein Käufer -
ohne sich je das Objekt angesehen zu haben - das Haus erwirbt oder ob er sich, was
wahrscheinlicher ist, umfassend vorher informiert. Es ist nicht nachvollziehbar, daß für
den umsichtigen Käufer eine Senkung der Zumutbarkeitsgrenze wegen einer
bestehenden Vorbelastung eingreift, während ein unüberlegt Handelnder sich diesen
Umstand nicht zurechnen lassen muß. Daher bedarf es keiner weiteren Vertiefung, ob
sich der Kläger zu 1) gegebenenfalls das Verhalten des Voreigentümers zurechnen
lassen müßte, der in der Flugschneise bei einer bestehenden Vorbelastung gebaut hat.
229
Schließlich können äquivalente Dauerschallwerte nicht allein als Vergleichsmaßstab
herangezogen werden. Da es sich hier (anders als z.B. bei einem Volksfest; vgl. BGHZ
111, 63) um die Beeinträchtigung durch rasch an- und abschwellende Geräusche von
verhältnismäßig kurzer Dauer handelt, die unregelmäßig und unvorhersehbar auftreten
und bei den Startvorgängen von Motorflugzeugen wegen der dann entfalteten
Schubkraft der Motoren recht hohe Spitzenwerte erreichen, wird ein Vergleich mit einer
nach Mittelungsverfahren errechneten Dauerbelastung mit anderweitig festgelegten
Grenzwerten der Sachlage nicht gerecht (BGHZ 122, 76 [80 f.]; BGH, NJW 1981, 1369
[1371]; OLG Hamm, Urteil vom 8. November 1990, 22 U 32/89). Vielmehr sind bei der
Beurteilung der Beeinträchtigung, die von der Zahl, Abfolge und Überflughöhe der
Motorflugzeuge abhängt, auch die Spitzenwerte zu beachten. Somit hat eine wertende
Gesamtbetrachtung aller für die Wahrnehmung wichtigen Umstände zu erfolgen, wobei
neben der Dauerbelastung sowohl die Höhe der Spitzenwerte als auch deren Häufigkeit
sowie die Anzahl der Tage im Jahr zu berücksichtigen ist, an denen mit einer
entsprechenden Belastung zu rechnen ist.
230
b)
231
Ausgehend von diesen Grundsätzen wird der Kläger durch den von dem
232
Verkehrslandeplatz H. bei der Nutzung der östlichen Startbahn ausgehenden Fluglärm
nur unwesentlich beeinträchtigt.
Bei der notwendigen Gesamtbeurteilung stützt sich der Senat zunächst auf die
überzeugenden Ausführungen des vom Landgericht und von ihm erneut beauftragten
Sachverständigen Dr. B. vom TÜV Rheinland in seinen Gutachten und ergänzenden
Stellungnahmen vom 14. Oktober 1994, 13. Dezember 1994, 16. März 1999, 25.
November 1999 und 25. September 2000.
233
Dieser gelangt bereits in dem vom Landgericht eingeholten ersten Gutachten zu dem
Ergebnis, daß im Jahre 1994 nur bei unter 30 % aller Tage gut hörbare Startüberflüge
über das klägerische Grundstück stattfanden. Insgesamt hat der Sachverständige an
mehreren Tagen über einen Zeitraum von rund 33 Stunden 557 Startereignisse
gemessen, von denen 508 auswertbar waren. Die dabei auftretenden Pegel lagen
meistens 20 Sekunden lang über den vorhandenen Allgemeingeräuschen. Der
Erwartungswert der Maximalpegel lag bei etwas über 70 dB(A), wobei in Stunden mit
Spitzenbelastungen die Startabstände im Minutenbereich lagen. 72 % aller startenden
Flugzeuge verursachten einen Maximalpegel von mindestens 70 dB(A). 33 %
überschritten noch 75 dB(A), während 80 dB(A) nur noch von 10 % der Flugzeuge
überschritten wurden. Der von dem Sachverständigen ermittelte tagesbezogene
Dauerschallpegel lag bei der Nutzung der "Startrichtung .." zwischen 53 und 58 dB(A),
bei einem arithmetischen Mittelwert von 55 dB(A). Der einen langfristigen Zeitraum
beschreibende äquivalente Dauerschallpegel betrug 49 dB(A). Die bei dem Ortstermin
des Landgerichts am 12. November 1994 durchgeführten zusätzlichen Messungen
ergaben Ergebnisse, die im unteren Bereich der Mittelungspegel des Gutachtens vom
14. Oktober 1994 lagen.
234
Bei weiteren Messungen im Jahre 1998 ermittelte der Sachverständige am 9. Mai 1998,
25. Juni 1998 und 10. August 1998 während der jeweiligen Meßdauer einen
Mittelungspegel von 50 bis 59 dB(A), wobei der Tagesmittelungspegel bei 47 bis 55
dB(A) lag. Hieraus ergab sich ein äquivalenter Dauerschallpegel von 45 dB(A).
Insgesamt hat der Sachverständige bei der Maximalpegelstatistik gegenüber seinen
früheren Messungen eine Pegelabnahme im mittleren Bereich von 1,4 bzw. 1,7 dB(A)
bemerkt. Die Zahl der Fluglärmereignisse mit mehr als 75 dB(A) haben nach den
Feststellungen des Sachverständigen zudem mit 10 % abgenommen. Ein
tagesbezogener Mittelungspegel von 57 dB(A) wird erst bei 214 und von 60 dB(A) bei
468 Starts pro Tag erreicht. Bei dem vom Senat durchgeführten Ortstermin betrug nach
den Messungen des Sachverständigen der äquivalenten Dauerschallpegel über den
Zeitraum der nahezu zweistündigen Messung auf der Terrasse 59 dB(A) und der mittlere
Maximalpegel 76 dB(A).
235
Es bestehen keine Bedenken, diese Feststellungen des Sachverständigen Dr. B. der
Beurteilung der Wesentlichkeit der Geräuscheinwirkungen zugrunde zu legen. Der
Senat hat keinen Zweifel daran, daß die Messungen des Sachverständigen zutreffend
sind und insbesondere die einschlägigen Meßverfahren angewandt worden sind, zumal
die Plausibilität der Werte anhand der vom Senat beim Ortstermin persönlich erlebten
Geräuscheinwirkungen überprüft werden konnte. Die beobachteten Fluglärmereignisse
wurden protokolliert. Die ungekürzt vorgelegten Protokolle erlauben sowohl den
Parteien als auch dem Senat eine eigene Überprüfung der vom Sachverständigen
ermittelten Werte. Diese Aufstellung gibt auch einen Eindruck davon, welcher
Lärmpegel zu welchem Zeitpunkt, mit welcher Intensität an den Meßtagen aufgetreten
236
ist. Die Begutachtung basiert auf der Akte einschließlich der von den Parteien zu den
Akten gereichten Unterlagen und der durchgeführten Ortstermine. Dem
Sachverständigen stand mithin eine ausreichende Grundlage zur Beurteilung der
Beweisfragen des Landgerichts und des Senates zur Verfügung. Die vorgelegten
Gutachten und ergänzenden Stellungnahmen beantworten die Beweisfragen
abschließend. Sie sind insgesamt aus sich heraus überzeugend und von Sachkunde
getragen. Die einzelnen Untersuchungsergebnisses werden begründet. Zudem hat sich
der Sachverständige in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 25. November 1999
mit den gegen sein Gutachten erhobenen Einwendungen umfassend und
nachvollziehbar auseinandergesetzt. Schließlich ist den Parteien in dem Termin vor
dem Senat vom 13. Dezember 2000 hinreichend Gelegenheit gegeben worden, den
Sachverständigen ergänzend zu seinen gutachterlichen Ausführungen und
insbesondere zu seiner ergänzenden Stellungnahme vom 25. November 1999 und zu
den hiergegen erhobenen Einwendungen zu befragen. Die Parteien, insbesondere der
Kläger zu 1), hat von der ihm insoweit gebotenen Möglichkeit keinen Gebrauch
gemacht. Letztlich bestand für den Senat kein Grund, die gutachterlichen Ausführungen
des Sachverständigen nicht zu seiner Entscheidungsgrundlage zu machen.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist nicht ersichtlich, daß der Sachverständige Dr.
B. bei seinem früheren bzw. seinen jetzigen Gutachten wegen falscher oder
unzureichender Meßergebnisse zu einem falschen Gesamtergebnis gelangt ist. Der
Gutachter hat das Ausmaß der Lärmbelästigung entsprechend den einschlägigen
Bestimmungen durchgeführt: unter anderem der DIN IEC 651 "Schallpegelmesser",
Ausgabe Dezember 1981 ; die DIN IEC 804 "Integrierende mittelwertbildende
Schallpegelmesser", Ausgabe Januar 1987; die DIN 18005 "Schallschutz im Städtebau,
Teil 1, Beiblatt 1: Berechnungsverfahren, Schalltechnische Orientierungswerte für die
städtebauliche Planung; die DIN 45643 Teil 3 "Messung und Beurteilung von
Fluggeräuschen"; das Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm vom 30. März 1971 sowie die
technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA-Lärm) vom 16. Juli 1968. Er hat sie
durch den Beurteilungspegel und die Maximalpegelstatistik beschrieben. An der
Zuverlässigkeit der Meßmethode zu zweifeln, besteht kein Anlaß.
237
In dem Gutachten vom 14. Oktober 1994 werden die Meßgrößen und die
Vorgehensweise dargestellt und erläutert. Um eine Vergleichbarkeit zu gewährleisten,
ist nicht zu beanstanden, daß Dr. B. bei den weiteren Messungen die Meßgrößen und
die Vorgehensweisen beibehalten hat. Soweit vom Sachverständigen nicht die
Meßgröße LAS(t) gewählt worden ist, hat er plausibel dargelegt, daß die von ihm
genutzte Methode eine der Aufgabenstellung angemessene Beurteilungsgröße liefert
und der DIN 45643, Teil 3 gerecht wird. Nach den von ihm durchgeführten
Probemessungen war es ebenfalls nicht erforderlich, einen Impulszuschlag zu
vergeben, da dieser kleiner als 1 dB war.
238
Nicht zu beanstanden ist die von dem Sachverständigen gewählte Methode zur
Berechnung des Mittelwertes und die Tatsache, daß die Zeitspanne t10 während der
der Schalldruckpegel Las(t) um nicht mehr als 10 dB unter dem
Maximalschalldruckpegel des Flugereignisses liegt, nicht berücksichtigt worden ist. Der
Gutachter hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 25. November 1999 und bei
seiner Anhörung durch den Senat vom 13. Dezember 2000 überzeugend dargelegt, daß
es mehrere Methoden zur Berechnung dieses Wertes gibt. Die von ihm bevorzugte
Integrationsmethode gehört zu den zulässigen Berechnungsarten und ist bei allen
Gutachten verwendet worden, um eine Vergleichbarkeit zu gewährleisten. Bei der
239
gewählten Integrationsmethode ist die Zeitspanne t10 nicht zu berücksichtigen; dies
führt jedoch nicht zu einer Unzulässigkeit der Mittelwert-Berechnung.
Insoweit stützt der Sachverständige sein sorgfältig begründetes Ergebnis auf die bei
mehreren Ortsterminen durchgeführten eigenen Messungen. Anhaltspunkte, daß der
Sachverständige wesentliche Umstände übersehen hat und insoweit zu einem falschen
Ergebnis gelangt ist, sind nicht gegeben. Auch der Kläger zu 1) zeigt nicht schlüssig auf,
daß eine andere, insbesondere die von ihm favorisierte Berechnungsmethode zu
gravierenden abweichenden Ergebnissen gelangt. Hierbei ist ebenfalls zu
berücksichtigen, daß bei der Gesamtwürdigung für die Frage des Wesentlichkeit im
Sinne des § 906 Abs. 1 BGB nicht nur auf den für die Lärmbelästigung ermittelten
Zahlenwert sondern insbesondere auch - wie nachstehend noch ausgeführt wird - auf
den persönlichen Eindruck abzustellen ist, den der Senat bei dem Ortstermin von dem
Ausmaß der Beeinträchtigungen gewonnen hat.
240
Der Kläger zu 1) kann sich schließlich nicht darauf berufen, die Messungen hätten in
einem ungestörten Freifeld mit möglichst großen Abständen zu reflektierenden
Gegenständen vorgenommen werden müssen. Vorliegend sind die auf das Grundstück
des Klägers zu 1) konkret einwirkenden Lärmbelastungen für die Beurteilung der
Wesentlichkeit maßgeblich. Daher ist nicht zu beanstanden, daß das Landgericht in
Übereinstimmung mit dem Kläger zu 1) beim Ortstermin vom 5. März 1994 zwei
Meßpunkte (Mitte Terrasse und in Höhe des Schlafzimmerfensters) festgelegt hat, an
denen der Fluglärm beurteilt werden sollte. Diesen Vorgaben ist der Sachverständige
gefolgt, um so die Beweisfrage beantworten zu können und eine Vergleichbarkeit der
Meßergebnisse zu erreichen.
241
Die vom Landgericht und Senat durchgeführte Beweiserhebung bietet eine hinreichend
sichere Beurteilungsgrundlage. Der Kläger zu 1) beanstandet zwar, daß im Jahre 1998
nur an drei Tagen gemessen worden ist; er legt allerdings nicht substantiiert dar, wie
sich dies auf die Beurteilung ausgewirkt hätte. Für sich genommen mögen drei Meßtage
nicht repräsentativ sein. Die bei diesen Terminen gewonnenen Ergebnisse reichen aber
zusammen in Verbindung mit den Messungen des Sachverständigen im Jahre 1994 und
beim Ortstermin vom 23. September 2000 in Verbindung mit den vom Landgericht
eingeholten Auskünften der Bezirksregierung Düsseldorf über die Gesamtzahl von
Starts sowie den vorliegenden Unterlagen über die Verteilung von Starts nach
Auffassung des Senates aus (§ 286 ZPO), um tragfähige Schlüsse über die auftretenden
Belastungen zu ermöglichen. Auch der Kläger zu 1) zeigt nicht auf, daß die von dem
Sachverständigen für den 9. Mai 1998, 25. Juni 1998 und 10. August 1998 ermittelten
Lärmbelästigungen erheblich von denjenigen an den sonstigen Tagen, an denen nicht
gemessen worden ist, abweichen.
242
Der Kläger kann sich ebensowenig darauf berufen, bei den Immissionen seien die von
den startenden Helikoptern ausgehenden Geräusche einzubeziehen, schon ein
Hubschrauber am Tag führe zu einer Erhöhung des Beurteilungspegels um 5 dB(A). Der
Sachverständige ist aufgrund der im Jahre 1994 und 1998 vor Ort getroffenen
Feststellungen zu dem Ergebnis gelangt, daß die Hubschrauberstarts bei der Ermittlung
der Werte zu vernachlässigen sind. Sie waren zwar hörbar. Einen Fremdpegel konnte
der Gutachter jedoch nicht messen, da die Hubschrauber nicht im Sichtbereich der
Terrasse flogen, zumal sie weder auf die Startbahn noch auf die in östlicher Richtung
verlaufende Flugschneise angewiesen sind. Entgegen der Ansicht des Klägers sind
diese Ausführungen des Sachverständigen keinen Bedenken ausgesetzt. Seine
243
Feststellungen stimmen im wesentlichen mit dem Bericht der Landesanstalt für
Immissionsschutz vom 25. November 1988 überein. Dieser kommt zu dem Ergebnis,
daß die Starts von Hubschraubern die vom sonstigen Flugbetrieb verursachten
Beurteilungspegel nur um etwa 1 dB erhöhen, und zwar nur an den Tagen mit geringem
Flugbetrieb.
Schließlich läßt es die DIN 45643, Teil 3, wie der Sachverständige nachvollziehbar
dargelegt hat, ausdrücklich zu, bestimmte Fluglärm-Beurteilungspegel nicht zu
berechnen, wenn diese "ohne Bedeutung" sind. Dies ist hier der Fall. Die Landeplatz-
Lärmschutz-Verordnung vom 5. Januar 1999 schränkt die Flughäufigkeit in den Zeiten
mit erhöhter Empfindlichkeit ein. Daher ergeben sich keine nennenswerten
Abweichungen zu den Angaben im Gutachten, weil in diesen Zeiten - zu denen der Start
eines Hubschraubers den Beurteilungspegel etwas erhöhen kann - nicht oder nur
eingeschränkt geflogen wird.
244
Ebensowenig besteht Veranlassung, die ermittelten Pegel mit einem Zuschlag von 6
dB(A) zu versehen. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten ausgeführt, daß dies
nicht erforderlich sei, da an den Meßtagen im allgemeinen keine Auffälligkeiten, wie
zum Beispiel Einzeltöne oder Impulse auftraten. Auch in diesem Punkt schließt sich der
Senat den überzeugenden Ausführungen des Gutachters an. Die Feststellungen des
Sachverständigen decken sich zudem mit den Ausführungen der Landesanstalt für
Immissionsschutz Nordrhein-Westfalen in dem vom Kläger zu 1) vorgelegten Bericht
vom 25. November 1988. Auch das LIS ist zu dem Ergebnis gelangt, daß ein
Tonzuschlag nicht zu vergeben sei, "da aufgrund des subjektiven Höreindrucks bei
eigenen Beobachtungen am Meßpunkt D.S. weniger als 10 % der gestarteten
Flugzeuge ein Geräusch verursachen, das als pfeifend, kreischend, heulend, singend,
brummend zu bezeichnen ist und mit einem Zuschlag von 3 oder 6 dB versehen werden
müßte".
245
Nimmt man die von dem Sachverständigen Dr. B. bereits für 1994 und erst recht für
1998 ermittelten tagesbezogenen Mittelwerte von 53 bis 58 dB(A) bzw. von 47 bis 55
dB(A) als Beurteilungsgrundlage, so begründen diese nicht die Annahme einer
wesentlichen Beeinträchtigung. Dies gilt erst recht, wenn man auf den vom
Sachverständigen berechneten äquivalenten Dauerschallpegel abstellt, der für 1994 bei
49 dB(A) (Seite 13 des Gutachtens vom 14. Oktober 1994) und bei 1998 bei 45 dB(A)
(Seite 15 des Gutachtens vom 16. März 1999) lag. Die tagesbezogenen Werte bewegen
sich bereits um den vom Landgerichts maßgeblich erachteten Dauerschallpegel von 55
dB(A) und liegen auch nicht deutlich über dem von der DIN 18005 für reine
Wohngebiete der hier in Rede stehenden Art vorgesehenen Planungsrichtpegel von 50
dB(A). Die auf die sechs verkehrsreichsten Monaten bezogenen Werte liegen unter
diesen Grenzwerten.
246
Berücksichtigt man, daß - wie vorstehend erörtert - eine Gemengelage besteht, die zu
einer erhöhten Mittelwertbildung führt, kann erst recht nicht von einer wesentlichen
Beeinträchtigung im Sinne des § 906 Abs. 1 BGB ausgegangen werden. Bei einer
solchen Flugplatz-/Wohnbebauungssituation besteht, wie vorstehend aufgezeigt,
planungsrechtlich grundsätzlich bereits die Möglichkeit, den "Planungsrichtpegel" um
bis zu 10 dB(A) zu überschreiten. Das bedeutet, selbst der Planungsrichtpegel für ein
reines Wohngebiet könnte auf bis zu 60 dB(A) erhöht werden. Dies hat zur Folge, daß
auch Unterlassungsansprüche allenfalls bei dem Bestehen eines äquivalenten
Dauerschallpegels über dieser Zumutbarkeitsgrenze in Betracht kommen. Diese sind
247
vorliegend aber nicht gegeben.
Zieht man weiterhin, wenn auch Fluglärm und Straßenlärm nicht ohne weiteres
miteinander verglichen werden können, § 3 Abs. 1 der VerkehrslärmschutzVO vom 12.
Juni 1990 heran, wonach bei dem Bau oder der wesentlichen Änderung von
Verkehrseinrichtungen in reinen Wohngebieten der Immissionsgrenzwert von 59 dB(A)
am Tag nicht überschritten werden soll, so zeigt sich, daß der auf das Grundstück des
Klägers einwirkende Fluglärmpegel diesen Grenzwert nicht erreicht. Dies gilt erst recht,
wenn man berücksichtigt, daß der Grenzwert nach dieser Verordnung nur auf den Bau
oder die wesentliche Änderung künftiger Anlagen abstellt und für die Beurteilung der
von bereits vorhandenen Anlagen ausgehenden Immissionen nur mit Einschränkungen
herangezogen werden kann.
248
Schließlich kann im Rahmen der Gesamtwürdigung nicht außer Betracht bleiben, daß
die Flugzeuge an den meisten Tagen im Jahr nicht über die Startbahn "RWY .." starten.
Es gibt im Laufe eines längeren Zeitraumes somit immer wieder mehrere Tage, bei
denen diese Richtung überhaupt nicht zum Starten benutzt wird.
249
Die von dem Sachverständigen bei den ausgewerteten Startvorgängen ermittelten
Pegel liegen auch nicht so hoch, daß etwa für die Zeiten gesteigerten Ruhebedürfnisses
- am frühen Morgen, in den Abendstunden und an Sonn- und Feiertagen - nicht mehr als
eine unwesentliche Beeinträchtigung angenommen werden kann. Hierbei kann auch
nicht unberücksichtigt bleiben, daß bereits durch die Landeplatz-Lärmschutz-
Verordnung vom 5. Januar 1999 und die für den Fluglatz H. geltenden
Sonderregelungen für diesen Zeitraum dem Bedürfnis der Bevölkerung nach Schutz vor
Fluglärm Rechnung getragen worden ist.
250
Ebensowenig rechtfertigen es die bei der Beurteilung von Fluglärm bedeutsame Anzahl
von Spitzenschallpegeln (vgl. dazu BGHZ 122, 76 [80] m.w.N.), die auf das Grundstück
des Klägers durch die startenden Flugzeuge einwirkenden Fluglärmimmissionen als
wesentlich zu bezeichnen.
251
Zwar hat der Sachverständige sowohl im Jahre 1994 als auch 1998 bei verschiedenen
Überflügen Maximalpegel gemessen, die über 75 dB(A) lagen. Solche Spitzenpegel
werden bei einem Aufenthalt im Freien oder bei geöffneten Fenstern im Wohnzimmer
des Klägers deutlich wahrgenommen und können auch während der Einwirkungsdauer
als störend empfunden werden. Sie führen jedoch bei einer Gesamtbetrachtung nur zu
einer unwesentlichen Beeinträchtigung des Klägers. Die Überflüge mit diesen Spitzen-
oder Beurteilungspegeln treten im Vergleich zur Gesamtzahl der Flugbewegungen und
des Flugtages nur selten auf, sind von kürzerer Dauer und lagen zudem bei einer
gewerteten Betrachtungsweise in der Regel unter 75 dB(A). Stellt man zudem in
Rechnung, daß wegen der wetterbedingten unterschiedlichen Flugrichtungen das
Grundstück des Klägers zu 1) keinesfalls jeden Tag überflogen wird, so daß langfristig
gesehen, weniger als 30 % der startenden Flugzeuge die Startbahn "RWY .." benutzen,
so führen auch die Höhe und die Häufigkeit der Spitzenschallpegel nicht dazu, eine
wesentliche Beeinträchtigung im Sinne des § 906 Abs. 1 BGB annehmen zu können.
252
Zu dieser Einschätzung ist der Senat auch aufgrund des anläßlich des Ortstermins vom
23. September 2000 gewonnenen persönlichen Eindrucks gekommen. Zwar ist nicht zu
verkennen, daß die das Grundstück des Klägers überfliegenden startenden Flugzeuge -
insbesondere bei Nutzung der Außenterrasse - als akustische Beeinträchtigungen
253
wahrnehmbar sind. Der Schallpegel erreicht nur kurzfristig ein Ausmaß, das Gespräche
auf der Terrasse beeinträchtigt, hob sich aber im übrigen nicht signifikant von den
übrigen Geräuschen der Umgebung, insbesondere vom Verkehrslärm ab. Daher hat der
Senat aufgrund des persönlichen Eindrucks - auch bei einem besonders "lauten"
Flugzeug mit einem Maximalpegel von 86,3 dB(A), gemessen am Meßpunkt 2 - keine
Zweifel daran, daß die auf das Grundstück einwirkenden Lärmimmissionen nicht ein
derartiges Ausmaß erreichten, daß sie als schädliche Umwelteinwirkungen etwa im
Sinne von § 3 Abs. 1 BImSchG erscheinen.
Der Senat konnte bei der Inaugenscheinnahme feststellen, daß die vorhandenen
Fenster und die ansonsten bei der Errichtung des Gebäudes verwendeten Materialien
zu einer dämmenden Wirkung im Bezug auf die Fluglärmimmissionen führen, so daß im
Wohnzimmer des klägerischen Hauses die Überflüge von Flugzeugen bei
geschlossenen Türen kaum und bei geöffneter Türe nur dann wahrnehmbar war, wenn
man sich hierauf besonders konzentrierte.
254
Gegen das Ergebnis der Gesamtwürdigung spricht auch nicht die von dem Kläger zu 1)
vorgelegte jüngste Beurteilung des Umweltbundesamtes zu den Auswirkungen von
Fluglärm (Bl. 2376 ff. d.GA.). Diese Stellungnahme nimmt, von Zweifeln an ihrer
Zuverlässigkeit abgesehen, zu der Frage der Wesentlichkeit einer Lärmbeeinträchtigung
im Sinne des § 906 Abs. 1 BGB nicht Stellung. Sie will lediglich zu der Frage der
Belästigung und der Beeinträchtigung der Gesundheit durch Fluglärm Antworten geben.
Hierbei gelangt sie, wenn auch ohne vertiefende Begründung, zu dem Ergebnis, daß
bei dem hier maßgeblichen äquivalenten Dauerschallpegel mit zunehmendem
Belästigungserleben der Betroffenen, nicht jedoch Gesundheitsbeeinträchtigungen zu
rechnen ist.
255
Soweit der Kläger nunmehr geltend macht, im Hinblick auf die geplante Verlängerung
der Landebahn sei eine Steigerung der Lärmimmisionen zu befürchten, kann dies zu
keiner anderen Beurteilung führen. Im Rahmen der Prüfung, ob eine Einwirkung auf ein
Grundstück unwesentlich im Sinne des § 906 Abs. 1 BGB ist und mithin eine
Duldungspflicht gemäß § 1004 Abs. 2 BGB besteht, ist auf die derzeitige konkrete
Situation abzustellen. Die von dem Kläger zu 1) aufgrund des Ausbaus der Start- und
Landebahn befürchteten künftigen zusätzlichen Lärmbelästigungen rechtfertigen zum
derzeitigen Zeitpunkt keinen Unterlassungsanspruch, zumal noch nicht einmal feststeht,
ob und in welchem Umfang es überhaupt zu einer Erhöhung der auf das Grundstück des
Klägers zu 1) einwirkenden Störungen kommt.
256
Den Anträgen des Klägers, der Beklagten aufzugeben, die Liste aller auf ihrem
Flugplatz verkehrenden Flugzeuge mit der Angabe der Lärmschutzklasse vorzulegen,
die Entwicklung des Anteils der Flugzeuge mit erhöhtem Lärmschutz in den letzten
Jahren darzulegen und eine Prognose für die kommenden Jahre abzugeben, und ihm
Einsicht in die kurz-, mittel- und langfristigen Planungen des Flughafens H. zu geben, ist
nicht zu entsprechen. Die Voraussetzungen für eine entsprechende Vorlage- und
Offenlegungsverpflichtung der Beklagten sind nicht ersichtlich. Es fehlen bereits
konkrete Angaben dazu, wofür der Kläger die gewünschte Aufstellung und
Einsichtnahme in die Planungen benötigt und wieso deren Inhalt für den vorliegenden
Rechtsstreit relevant ist.
257
Die Einholung eines Obergutachtens entsprechend dem Antrag des Klägers zu 1) in
dem Schriftsatz vom 28. März 2000 ist nicht veranlaßt. Die Voraussetzungen für die
258
Beauftragung eines anderen Sachverständigen sind nicht gegeben. Gemäß § 412 Abs.
1 ZPO kann das Gericht eine neue Begutachtung durch denselben oder einen anderen
Gutachter anordnen, wenn es das Gutachten für ungenügend erachtet. Hieran fehlt es.
Wie vorstehend dargelegt, sind zur sicheren Überzeugung des Senates keine
Anhaltspunkte ersichtlich, daß dem Sachverständigen Dr. B. für die Erstellung der
Gutachten die erforderliche Sachkunde fehlt. Seine Gutachten sind sorgfältig erstellt, in
sich geschlossen und überzeugend. Mängel, die einer Berücksichtigung der Gutachten
entgegen stehen könnten, sind nicht ersichtlich. Ebensowenig wird vom Kläger
aufgezeigt, daß ein anderer Sachverständiger über überlegene Erkenntnisquellen
verfügen könnte.
Für die von der Beklagten angeregte Zulassung der Revision (§ 546 Abs. 1 Satz 2 ZPO)
besteht kein Anlaß. Die Entscheidung des Senates wirft keine Rechtsfragen von
grundsätzlicher Bedeutung auf, die einer höchstrichterlichen Klärung bedürfen. Die für
die Entscheidung erheblichen Gesichtspunkte sind durch die Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofes geklärt. Die von der Beklagten angesprochenen Fragen, das
Verhältnis eines zivilrechtlichen Abwehranspruchs zu öffentlich-rechtlichen
Regelungen, die Unmöglichkeit der Durchsetzung eines zivilrechtlichen
Unterlassungsanspruchs angesichts bestehender Vorgaben der öffentlichen Verwaltung
und die Verjährung eines Abwehranspruchs bei Fluglärmbelästigungen, sind für die
vorliegende Entscheidung nicht mehr relevant. Zudem weicht das Urteil des Senates
nicht von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes oder des Gemeinsamen Senats
der obersten Gerichtshöfe des Bundes ab.
259
Wegen des neuen Tatsachenvortrages des Klägers in dem Schriftsatz vom 7. Januar
2001 war die bereits geschlossene mündliche Verhandlung nicht wieder zu eröffnen.
Bei dem neuen Vortrag in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz handelt es sich
teilweise um im Kern neues tatsächliches Vorbringen und um neue Einwendungen
gegen das Sachverständigengutachten, die bisher nicht Verfahrensgegenstand war;
solches Vorbringen rechtfertigt die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht
(vgl. z.B.: BGHZ 30, 60 [65]; BGHZ 53, 245 [262]). Zudem hatte der Kläger zu 1) in dem
seit mehreren Jahren beim Senat anhängigen Rechtsstreit hinreichend Gelegenheit zur
Stellungnahme. Insbesondere ist ihm auch in dem vom Senat bestimmten Termin zur
Anhörung des Sachverständigen die Möglichkeit eingeräumt worden, diesen ergänzend
zu anderen Forschungsergebnisse zu befragen.
260
II.
261
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1, 269 Abs. 3 Satz 2, 100
Abs. 1, 100 Abs. 3, 708 Ziffer 10, 713 ZPO.
262
Streitwert für das Berufungsverfahren
263
(insgesamt) 50.000,00 DM
264
Berufung des Klägers 25.000,00 DM
265
Berufung der Beklagten 25.000,00 DM
266
Streitwert der Nebenintervention zu 9) 15.000,00 DM
267
Streitwert der Nebenintervention zu 16) 15.000,00 DM
268
Streitwert der Nebenintervention zu 18) 3.000,00 DM
269
Streitwert der Nebenintervention zu 19) 3.000,00 DM
270
(Es besteht keine Anlaß von der bisherigen Streitwertfestsetzung des Landgerichts in
den Urteilen vom 5. Mai 1995 und 13. Dezember 1996 und des Senates in dem Urteil
vom 6. März 1996, 2 U 98/95 und in dem Zwischenurteil vom 30. Juli 1997 sowie in den
Beschlüssen vom 13. November 1995 [Bl. 1111 d.GA.] und vom 16. Mai 1997 [Bl. 1876
d.GA.] abzuweichen.)
271
Beschwer des Klägers zu 1): unter 60.000,00 DM
272