Urteil des OLG Köln vom 04.08.2004

OLG Köln (vollmacht, kläger, verhältnis zwischen, ausfertigung, 1995, unwirksamkeit, urkunde, nichtigkeit, vertragsabschluss, vertreter)

Oberlandesgericht Köln, 13 U 32/04
Datum:
04.08.2004
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
13. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 U 32/04
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 29 O 218/03
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 11. Dezember 2003
verkündete Urteil der 29. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 29 O
218/03 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat auch die Kosten der Berufung zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e
1
I.
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Der Kläger begehrt die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung eines Kreditvertrages
über eine Eigenkapitalfinanzierung in Höhe von 16.832,70 DM, den die D.
Steuerberatungsgesellschaft mbH (nachfolgend nur noch: D.) aufgrund ihr am
09.07.1994 erteilter notarieller Vollmacht des Klägers am 27.06.1995 mit der Beklagten
abgeschlossen hat und dessen Nichtigkeit der Kläger wegen Verstoßes der Vollmacht
gegen Art.1 § 1 RBerG geltend macht. Mit Urteil vom 11.12.2003, auf das wegen des
erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes, der gestellten Anträge und der rechtlichen
Würdigung durch die Zivilkammer Bezug genommen wird, hat das Landgericht die
Klage bis auf einen geringen Teilbetrag (14,57 EUR = 28,50 DM
Kontoführungsgebühren) abgewiesen. Mit der Berufung verfolgt der Kläger den geltend
gemachten Bereicherungsanspruch in Höhe von 8.591,85 EUR nebst 5% Zinsen über
dem jeweiligen Diskontsatz der deutschen Bundesbank seit dem 21.06.2003 weiter.
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II.
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Die Berufung erweist sich als unbegründet. Der von der D. für den Kläger
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abgeschlossene Kreditvertrag vom 27.06.1995 ist unabhängig von einer Unwirksamkeit
der notariellen Vollmacht vom 09.07.1994 der Beklagten gegenüber gemäß §§ 171, 172
BGB als gültig zu behandeln, weil der Beklagten vor und bei Abschluss des
Darlehensvertrages eine Ausfertigung der notariellen Urkunde vom 09.07.1994 vorlag.
1. Es entspricht ständiger Rechtsprechung sowohl des XI. als auch des IV. Zivilsenats
des Bundesgerichtshofs, dass die §§ 171, 172 BGB auch bei einem Verstoß des
Bevollmächtigten gegen Art.1 § 1 RBerG anwendbar sind (Urteil vom 22.10.2003 - IV
ZR 33/03 -, WM 2003, 2375; Urteil vom 10.03.2004 - IV ZR 143/03 -, WM 2004, 922;
Urteil vom 18.09.2001 - XI ZR 321/00 -, NJW 2001, 3774; Urteil vom 25.03.2003 - XI ZR
227/02 -, NJW 2003, 2091; Urteil vom 20.04.2004 - XI ZR 164/03 -, WM 2004, 1227).
Diese Rechtsprechung, der sich auch der erkennende Senat angeschlossen hat (z.B.
Urteile vom 03.03.2004 - 13 U 18/03 - und vom 16.06.2004 - 13 U 208/03 -), räumt dem
Schutz des Vertragsgegners und des Rechtsverkehrs, den die allgemeine
Rechtsscheinhaftung bezweckt, grundsätzlich Vorrang vor den Interessen des
Vertretenen ein, der durch die Erteilung einer - unerkannt - nichtigen notariellen
Vollmacht die Ursache für einen Rechtsschein gesetzt hat. Das Verbot unerlaubter
Rechtsberatung richtet sich nicht gegen den Vertragspartner des vertretenen
Rechtsuchenden, sondern gegen den Vertreter. Es soll den Rechtsuchenden vor
sachunkundigen unbefugten Rechtsberatern schützen, betrifft also das Verhältnis
zwischen dem Vertreter und dem Vertretenen. Dem Vertragspartner gleichwohl den
Schutz der §§ 171 ff. BGB zu versagen, besteht um so weniger Anlass, als der
Vertretene sich gegebenenfalls an seinen unbefugten Rechtsberater halten kann (BGH,
Urteil vom 25.03.2003 - XI ZR 227/02 -, NJW 2003, 2091).
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2. Auch im Rahmen des § 173 BGB dürfen die Anforderungen an die dem
Vertragsgegner im eigenen Interesse obliegende Prüfung der Vollmacht nicht
überspannt werden (BGH, Urteil vom 08.11.1984 - III ZR 132/83 -, NJW 1985, 730; Urteil
vom 02.05.2000 - XI ZR 108/99 -, NJW 2000, 2270; Urteil vom 18.09.2001 - XI ZR
321/00 -, NJW 2001, 3774; Urteil vom 14.05.2002 - XI ZR 155/01 -, NJW 2002, 2325;
Urteil vom 22.10.2003 - IV ZR 33/03 -, NJW 2004, 62). Vielmehr soll sich der
Vertragsgegner vor der Unwirksamkeit einer Vollmacht grundsätzlich ohne weitere
Prüfung dadurch schützen können, dass er sich eine notarielle Ausfertigung der
Vollmachtsurkunde vorlegen lässt. Dabei kommt es nach dem eindeutigen Wortlaut des
Gesetzes nicht auf die Kenntnis oder das Kennenmüssen der den Mangel der
Vertretungsmacht begründenden Umstände, sondern auf die Kenntnis oder das
Kennenmüssen des Mangels der Vertretungsmacht selbst an. Damit erweist sich die
Ansicht der Berufung, die Beklagte sei im Hinblick auf den Inhalt der Vollmachtsurkunde
nicht schutzwürdig, als ebenso verfehlt wie die Annahme, die Beklagte könne sich auf
Rechtsscheingesichtspunkte nicht berufen, weil die damals bestehende
Rechtsprechung bereits Anlass gegeben habe, die Nichtigkeit des
Geschäftsbesorgungsvertrages sowie eine Unwirksamkeit der in notarieller Form
erteilten Vollmacht wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz in Betracht zu
ziehen. Den vor dem Jahre 2000 ergangenen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs
ließ sich nichts entnehmen, was für einen Verstoß eines umfassenden
Geschäftsbesorgungsvertrages und der damit verbundenen Vollmacht des
Geschäftsbesorgers (Treuhänders) gegen Art.1 § 1RBerG i.V.m. § 134 BGB gesprochen
hätte. Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGHZ 145, 265, 275 f.) hat deshalb
sogar bei einem Notar, der im Dezember 1993 ein Angebot zum Abschluss eines gegen
Art.1 § 1 RBerG verstoßenden Geschäftsbesorgungsvertrages beurkundet hatte, ein
Verschulden verneint. Vor diesem Hintergrund liegt es fern, anzunehmen, dass die
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Beklagte die Unwirksamkeit der Vollmacht hätte kennen müssen. Dass die der D.
erteilte Vollmacht inhaltlich über das hinausging, was im Zusammenhang mit einer
steuerlichen Beratung an rechtlicher Betreuung erforderlich geworden wäre (Art.1 § 5
Nr.2 RBerG), führt lediglich zur Anwendbarkeit der neueren Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs, wonach derjenige, der ausschließlich oder hauptsächlich die
rechtliche Abwicklung eines Grundstückserwerbs im Rahmen eines Bauträger- oder
Bauherrenmodells für den Erwerber besorgt, der Erlaubnis nach Art.1 § 1 RBerG bedarf,
mit der Folge, dass ein ohne diese Erlaubnis abgeschlossener
Geschäftsbesorgungsvertrag und die zu seiner Durchführung erteilte umfassende
Abschlussvollmacht nach § 134 BGB unwirksam sind, ohne dass es darauf ankommt,
ob sie und das Grundgeschäft nach dem erkennbaren Willen der Vertragsparteien zu
einem einheitlichen Rechtsgeschäft gemäß § 139 BGB verbunden sind (Urteil vom
22.10.2003 - IV ZR 398/02 -, WM 2003, 2372; Urteil vom 18.11.2003 - XI ZR 332/02 -,
WM 2004, 27, jew.m.w.Nachw.). Dagegen führt die Nichtigkeit des
Geschäftsbesorgungsvertrages wegen Verstoßes gegen Art.1 § 1 RBerG nicht
unmittelbar zur Nichtigkeit des Kreditvertrages, den die D. als Vertreterin des Klägers mit
der Beklagten abgeschlossen hat. Anders als durch den Geschäftsbesorgungsvertrag
und die Vollmacht wird durch die von dem Geschäftsbesorger als Vertreter
abgeschlossenen Verträge die unerlaubte Rechtsbesorgung nicht gefördert. Dass sich
diese Verträge als Folge der unerlaubten Rechtsbesorgung darstellen, genügt nicht, um
sie als nach § 134 BGB nichtig anzusehen (BGH, Urteil vom 22.10.2003 - IV ZR 33/03 -,
WM 2003, 2375, 2378 f.).
3. Soweit die Berufung für die in der Instanzrechtsprechung häufiger anzutreffende
Gegenmeinung auf die vorgelegte Entscheidung des 3. Zivilsenats des OLG Celle vom
10.03.2004 - 3 U 145/03 - (OLGR 2004, 331) verweist, folgt der Senat demgegenüber
den Gründen des Urteils des BGH vom 16.03.2004 - XI ZR 60/03 - (WM 2004, 1127), mit
dem ein im gleichen Sinne ergangenes Urteil jenes OLG-Senats (vom 05.02.2003)
aufgehoben wurde.
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4. Zwar hat der II. Zivilsenat des BGH für den Fall kreditfinanzierter Beitritte zu
geschlossenen Immobilienfonds neuerdings gegen die Annahme einer
Rechtsscheinhaftung Bedenken geäußert (Urteile vom 14.06.2004 - II ZR 393/02 und II
ZR 407/02 -, WM 2004, 1529, 1536), die er auf das Vorliegen eines verbundenen
Geschäfts i.S.d. § 9 Abs.1 VerbrKrG und den Umstand stützt, dass der Treuhänder
typischerweise Teil der einheitlichen, sowohl den Fondsbeitritt als auch die
Darlehensgewährung betreffenden Vertriebsorganisation und damit keine
Vertrauensperson des Anlegers sei. Diese Erwägungen können auf den hier zu
beurteilenden Fall einer notariell beurkundeten Vollmacht schon deshalb nicht
übertragen werden, weil die Vorlage einer notariell beurkundeten Vollmacht das
Vertrauen des Vertragsgegners in eine wirksame Bevollmächtigung bestärkt und damit
einen maßgeblichen Anknüpfungspunkt für die Rechtsscheinhaftung begründet (dass
die Bank nicht nur dem Treuhänder, sondern auch dem die Vollmacht beurkundenden
Notar Misstrauen hätte entgegenbringen müssen, scheint auch der II. Zivilsenat nicht
annehmen zu wollen). Im Übrigen fehlt hier auch jeglicher Vortrag zu einer solchen
Einbindung der Beklagten in die Vertriebsorganisation, wie sie der II. Zivilsenat für die
dort zu beurteilenden Fälle eines kreditfinanzierten Beitritts zu einem geschlossenen
Immobilienfonds mit einheitlicher Vertriebsorganisation angenommen hat. Der hier in
Rede stehende Kreditvertrag mit der Beklagten hatte lediglich die Finanzierung eines
Eigenkapitalanteils zum Gegenstand, der Voraussetzung für die anderweitig erfolgte
Objektfinanzierung war. Es besteht daher kein tragfähiger Grund, das Risiko der
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materiellrechtlich begründeten Unwirksamkeit der notariell beurkundeten Vollmacht auf
die Beklagte abzuwälzen, wenn ihr spätestens bei Vertragsabschluss eine notarielle
Ausfertigung dieser Vollmacht vorlag. Das aber ist hier nach den im Berufungsverfahren
getroffenen Feststellungen der Fall:
a) In der den Kläger betreffenden, zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung
gemachten Kreditakte der Beklagten befindet sich im Anschluss an das Schreiben der
D. vom 20.01.1995, mit dem diese den Kreditantrag für den Kläger nebst
Bonitätsunterlagen übersandt hat, die der Treuhänderin am 12.07.1994 erteilte (1.)
Ausfertigung der notariellen Urkunde vom 09.07.1994. In dem
Kreditbestätigungsschreiben vom 03.07.1995 an den Kläger persönlich ist ausdrücklich
auf die in Ausfertigung vorliegende notarielle Vollmacht Bezug genommen. Der Inhalt
der Kreditakte und der vom Kläger selbst vorgetragene Verlauf des Kreditverhältnisses
geben auch keinen Anlass zu der Annahme, dass die Beklagte diese notarielle Urkunde
- wie die Berufung mutmaßt - erst nach Vertragsabschluss von der Treuhänderin
erhalten haben könnte.
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b) Soweit hiernach überhaupt noch restliche Zweifel daran bestehen konnten, dass die
notarielle Vollmachtsurkunde der Beklagten bereits bei Vertragsabschluss vorgelegen
hat, sind sie jedenfalls durch die Zeugenaussage des seinerzeit mit dieser
Kreditangelegenheit befassten, inzwischen aus dem aktiven Dienst ausgeschiedenen
Prokuristen I. ausgeräumt. Danach entsprach es typischer, einer Anweisung des
Vorstandes der Beklagten entsprechender Handhabung, dass die D. mit jedem
Kreditantrag auch eine notarielle Ausfertigung ihrer Vollmacht des von ihr vertretenen
Antragstellers bei der Beklagten einreichte. In der Regel prüfte der Zeuge I. selbst die
Unterlagen auf Vollständigkeit, bevor er die Anträge nach Ausrechnung der
Höchstkreditgrenze an Mitarbeiter zur weiteren Bearbeitung abgab. So stammen auch
hier die entsprechenden Eintragungen (in der rechten Spalte unten des Prüfbogens
"Angaben zur Person") von der Hand des Zeugen, der ferner den
Genehmigungsvermerk vom 01.03.1995 auf dem Kreditantrag vom 20.01.1995
unterzeichnet, den Kreditvertrag vom 27.06.1995 für die Beklagte mitunterschrieben, die
Auszahlungsanweisung vom 03.07.1995 abgezeichnet und das
Kreditbestätigungsschreiben vom selben Tage mitunterzeichnet hat. Es besteht daher
für den Senat kein vernünftiger Zweifel daran, dass bei all diesen Vorgängen die
Ausfertigung der notariellen Urkunde vom 09.07.1994 (einschließlich Ausfertigung der
notariell beurkundeten Annahmeerklärung der D. vom 04.08.1994) bereits vorgelegen
hat und nicht erst nachträglich - etwa anlässlich des bereicherungsrechtlichen
Rückabwicklungsverlangens des Klägers - der Beklagten von der Treuhänderin zur
Verfügung gestellt und der Kreditakte beigefügt worden ist.
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III.
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Nach alledem hat es im Ergebnis bei dem angefochtenen Urteil zu verbleiben. Die
hierfür vorstehend aufgezeigten Gründe verdeutlichen zugleich, dass kein gesetzlicher
Grund i.S.d. § 543 Abs.2 ZPO besteht, die Revision zuzulassen.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen im Übrigen beruhen auf den §§ 97 Abs.1, 708
Nr.10, 713 ZPO.
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Streitwert der Berufung: 8.591,85 EUR.
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