Urteil des OLG Köln vom 30.09.1998

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Oberlandesgericht Köln, 5 U 203/95
Datum:
30.09.1998
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
5. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 U 203/95
Vorinstanz:
Landgericht Aachen, 4 O 143/93
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Teilurteil der 4. Zivilkammer des
Landgerichts Aachen vom 20.09.1995 - 4 O 143/93 - wird
zurückgewiesen. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu
tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige Berufung des Klägers gegen das Teilurteil des Landgerichts hat in der
Sache keinen Erfolg.
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Das Landgericht hat zu Recht Ansprüche des Klägers hinsichtlich der Behandlung in
der Urologischen Klinik der Beklagten zu 1) in der Zeit vom 31.07. bis 24.10.1990
verneint.
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Auch nach dem Ergebnis der in zweiter Instanz durchgeführten Beweisaufnahme sind
Behandlungsfehler anläßlich dieser - operativen - Behandlung nicht festzustellen; auch
Aufklärungsmängel im Vorfeld der operativen Behandlung sind zu verneinen.
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Angesichts der beim Kläger festgestellten urologischen Symptomatik war die
Durchführung einer Boari-Plastik indiziert, für welche auch geeignetes
Blasenwandmaterial vorhanden war; jedenfalls haben die Behandler des Klägers nicht
vorwerfbar ungeeignetes, weil vernarbtes Blasenwandmaterial verwendet. Im übrigen
steht nicht einmal mit ausreichender Sicherheit fest, daß der letztlich festzustellende
Fehlschlag der operativen Behandlung infolge der Verwendung vernarbten Materials
eingetreten ist. Soweit die Beklagten in der Klageerwiderung (S. 6 dort) diesbezügliche
Vermutungen geäußert haben, hat es sich hierbei lediglich um einen Erklärungsversuch
gehandelt, der jedoch vor dem Hintergrund der durchgeführten Beweisaufnahme nicht
verifiziert worden ist. Auch die Durchführung des operativen Vorgehens war nicht zu
beanstanden.
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Dies alles folgt aus der erstinstanzlichen gutachterlichen Stellungnahme von Prof. Dr.
B., ferner aus den Ausführungen des die Nachfolgeoperation durchführenden Arztes
Prof. Dr. H. sowie insbesondere aus den schriftlichen und mündlichen Stellungnahmen
des in zweiter Instanz tätigen Sachverständigen Dr. W.. Dieser hat bereits in seinem
schriftlichen Gutachten vom 10.03.1997 darauf hingewiesen, daß im Falle des Klägers
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angesichts dessen besonderer Krankheitsvorgeschichte - siebenmalige
Elektroresektion bzw. Probeentnahme der Blase, narbige Einengung im Bereich der
rechten Harnleitermündung mit Schienung durch Double-J-Sonde, Entlastung der Niere
mittels Nephrostomiekatheter - im Ergebnis drei Behandlungsalternativen bestanden,
nämlich
1. ein vollständiges Entfernen der Harnblase, des prävisikalen Harnleiteranteils, der
Prostata, der Lymphknoten im kleinen Becken mit anschließend zu wählender
Harnableitung,
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2. das Belassen der Nephrostomie als Dauerlösung, Lokalkontrolle des Blasentumors
mittels endoskopischer Resektion und
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3. organerhaltendes plastisch rekonstruktives Verfahren, das einen Blasenerhalt
gewährleistete.
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Die erste der vorbenannten Alternativen hat der Sachverständige ausdrücklich als dem
Bestreben nach "onkologischer Radikalität" entsprechend bezeichnet, zu deren
Durchführung er aber im Falle des Klägers keine akute Indikation gesehen hat, da beim
Kläger zu keinem Zeitpunkt ein Muskelinvasives Harnblasenkarcinom nachgewiesen
worden war, sondern lediglich oberflächliche Blasentumoren, die normalerweise
transurethral reseziert und im Verlauf endoskopisch kontrolliert werden, wobei dieses
Verfahren auf weitgehenden Organerhalt hinausläuft, was grundsätzlich im Interesse
eines jeden Patienten steht. Vor diesem Hintergrund hat der Sachverständige
ausdrücklich darauf hingewiesen, daß im Falle des Klägers ein organerhaltenes
Vorgehen mit Anwendung plastisch-rekonstruktiver Verfahren nicht nur im Einklang mit
dem Wunsch des Klägers als Patienten nach Blasenerhalt gestanden habe, sondern
insbesondere auch urologischen Grundsätzen entsprochen habe, dies insbesondere vor
dem Hintergrund, daß zum Zeitpunkt des Eingriffes endoskopisch kein exophytisches
Blasentumorwachstum erkennbar war.
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Die Indikation einer Boari Blasenklappenplastik war demzufolge zutreffend gestellt und
bedeutete für den Kläger die schonendste, weil organerhaltende und mit den geringsten
Risiken behaftete Therapiemaßnahme.
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Sie ist auch zum richtigen Zeitpunkt, also nicht etwa - wegen fehlenden geeigneten
Blasenlappenmaterials - verfrüht gestellt worden. Der Sachverständige Dr. W. hat in
diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß zum Zeitpunkt der Durchführung der
Boarilappenplastik am 31.07.1990 die letzte transurethrale Resektion der Blase
außerhalb des rechten Ostiumbereiches (vordere Blasenwand) mehr als sechs Monate
zurücklag mit der Folge, daß ein aktiver entzündlicher Prozeß, der zu einer weiteren
Narbenbildung mit nicht kalkulierbarer Schrumpfung des Gewebes führen kann, nicht
mehr zu erwarten war. Das Areal um die rechte Harnleitermündung sei zuletzt am
18.06.1990, also sechs Wochen vor dem fraglichen Eingriff, biopsiert worden, wobei
dieses Gewerbe jedoch schon bei dem Eingriff zum sicheren Tumorausschluß entfernt
und zur histologischen Schnellschnittbegutachtung eingesandt worden war. Insoweit hat
der Sachverständige ausdrücklich darauf hingewiesen, daß hierbei durch Verwendung
von Schere oder Skalpell glatte chirurgische Wundränder entstehen und deshalb nicht
von einen unkontrollierten, durch Narbenbildung hervorgerufenen Schrumpfungsprozeß
des Gewebes ausgegangen werden kann. Nachvollziehbar hat der Sachverständige
insoweit darauf hingewiesen, die Wunde sei in diesem Fall vielmehr vergleichbar mit
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dem durch die erforderliche Lappenbildung ohnehin entstehenden Defekt.
Vor dem Hintergrund dieser Erläuterungen ist die Schlußfolgerung des
Sachverständigen, wonach der gewählte Operationszeitpunkt nicht verfrüht war, ohne
weiteres nachvollziehbar und überzeugend, dies ebenso wie der weitere Hinweis des
Sachverständigen, daß ein weiteres Zuwarten die Gefahr eines sich erneut
manifestierenden Blasentumorrezidivs beinhaltet hätte, wobei ein manifester
Blasentumor auch bei nur oberflächlichem Tumorgeschehen eine definitive absolute
Kontraindikation für plastisch rekonstruktive Maßnahmen zu diesem Zeitpunkt
dargestellt hätte.
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Des weiteren war von den vom Sachverständigen Dr. W. geschilderten verschiedenen
in Betracht kommenden Operationsmethoden zur Überbrückung von Harnleiterengen
nach dessen nachvollziehbaren und überzeugenden Darlegungen die
Blasenlappenplastik nach Boari auch indiziert, weil eine blasennahe längerstreckige
Harnleiterenge vorlag, die dieses operative Verfahren nahelegte, wobei die
Boarilappenplastik der hiermit konkurrierenden Harnleiterneueinpflanzung von den
Ergebnissen her jedenfalls gleichwertig war. Daß die vom Kläger als naheliegend
hervorgehobene Verwendung eines Dünndarmersatzes nicht in Betracht zu ziehen war,
hat der Sachverständige sowohl in seinem schriftlichen Gutachten als auch anläßlich
seiner mündlichen Anhörung vor dem Senat hervorgehoben und hierzu überzeugend
ausgeführt, die Verwendung eines Dünndarmimplantates bleibe längerstreckigen
Harnleiterstenosen oder Defekten vorbehalten. Diese operative Maßnahme sei weitaus
aufwendiger, weil dabei ein Dünndarmsegment ausgeschaltet und mobilisiert werden
müsse, man ferner Sorge für eine Wiederherstellung der Darmkontinuität zu tragen habe
und ferner eine Anastomosierung im Bereich des nierennahen Harnleiteranteils sowie
eine Neueinpflanzung in die Blase durchzuführen seien, wobei sich dieses gesamte
operative Vorgehen auch als weitaus komplikationsträchtiger darstelle, weil es hierbei
zu Nahtinsuffizienzen mit Bauchfellentzündung und Verwachsungen mit Ausbildung
eines Darmverschlusses kommen könne; aus diesem Grunde verbiete sich geradezu
die Anwendung eines Dünndarmimplantates bei kurzstreckigen Harnleiterstenosen, die
mit dem vom Sachverständigen ferner geschilderten einfacheren Operationsverfahren
überbrückt werden können. Außerdem wäre bei einem Dünndarmimplantat die
Mißerfolgsquote mit über 10 % anzusetzen und deshalb im Falle des Klägers in keiner
Weise zu rechtfertigen gewesen.
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Diese Feststellungen hat der Sachverständige auch bei seiner mündlichen Anhörung
erneut bestätigt und darauf hingewiesen, daß die Verwendung eines Dünndarmersatzes
eine wesentlich kompliziertere Operation gewesen und diese mit noch größerer
Scheiternquote bedroht gewesen wäre.
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Der Sachverständige hat ferner auch den Vorwurf des Klägers entkräftet, es sei
ungeeignetes, nämlich vernarbtes Blasenwandmaterial verwendet worden.
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Hiergegen spricht bereits, daß nach Bekundung des Sachverständigen ein in seinen
mechanischen Eigenschaften stark beeinträchtigter Blasenwandanteil wegen der
Derbheit des Gewebes gar nicht von einem Lappen zu einem Rohr hätte umgeformt
werden können. Außerdem war wegen des zeitlichen Abstandes zu den
vorangegangenen Elektroresektionen der Blase außerhalb des Ostiumbereiches nicht
mit noch aktiven entzündlichen Prozessen zu rechnen, die zu einer überschießenden
unkontrollierten Narbenbildung hätten führen können. Alle gegenteiligen Äußerungen
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der nachbehandelnden Ärzte seien ledigliche Hypothesen und entsprächen eher dem
verständlichen Erklärungsbedürfnis für das Mißlingen des Eingriffs im Einzelfall als
einer durch die Vorgeschichte und den Operationsbericht begründeten Annahme.
Wenn die Blasenschleimhaut eine typische Färbung zeige, die blutenden Schnittränder
eine ausreichende Perfusion des Gewebes und die Palpation eine gleiche elastische
Konsistenz ergäben, sei das Blasenmaterial geeignet, und diese positiven Befunde
bedürften auch keiner Aufnahme in den Operationsbericht, wie im übrigen auch der
Umstand zeigt, daß nach den weiteren Ausführungen des Sachverständigen in seinem
Ergänzungsgutachten auch der Nachfolgeoperateur, Prof. Dr. H. im Operationsbericht
keine Ausführungen zu der Eignung des Blasenwandmaterials gemacht hat.
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Außerdem geht, wie der Sachverständige bei seiner mündlichen Anhörung vor dem
Senat überzeugend erläutert hat, aus dem Umstand, daß man vergeblich versucht hatte,
eine Doppel-J-Sonde einzulegen, hervor, daß auch eine Blasenspiegelung
vorausgegangen ist, bei welcher im Normalfall geprüft wird, ob die Blasenwand gut
durchblutet ist und ob die Kapazität der Blase für die Bildung eines Lappens, aus dem
man dann den Harnleiterersatz herstellt, ausreicht, was nach den weiteren
Ausführungen des Sachverständigen in der Regel der Fall ist, weil die Blase genügend
Wandmaterial für eine solche Verpflanzung bietet.
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Ebenfalls überzeugend hat der Sachverständige in diesem Zusammenhang dargelegt,
daß aus dem Fehlschlagen der Operation nicht auf deren fehlerhafte Durchführung
geschlossen werden kann. Wie er sowohl in seinem schriftlichen Gutachten als auch bei
seiner mündlichen Anhörung hervorgehoben hat, führen ca. 5 % dieser Operationen
nicht zum Erfolg, und zwar nicht etwa deshalb - wie es der Kläger dargestellt hat - weil
der für die Plastik verwendete Lappen selbst schrumpft, sondern dadurch, daß sich eine
Schrumpfung an der Einpflanzungsstelle des Harnleiters ergibt und sich dort eine
Engstelle bildet, so daß die Sonde dort nicht mehr durchgeführt werden kann.
Nachvollziehbar hat der Sachverständige darauf hingewiesen, daß der Harnleiter an
dieser Einpflanzungsstelle nur etwa so stark ist wie eine Stricknadel, wobei die ganzen
Grenzbezirke genäht werden müssen und hier durch die Operation als solche
Narbengewebe entsteht, wobei es ohne weiteres nachzuvollziehen ist, daß bei einer
leichten Überentwicklung des Narbengewebes dies dann bereits zu einer Einengung
führt, die ein Scheitern der Operation bedeutet, ohne daß dies dem Operateur
vorzuwerfen ist.
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Auch der relative Erfolg der Nachfolgeoperation in Mainz bedeutet keinen zwingenden
Hinweis auf Fehler in der Durchführung der Operation durch die Beklagten. Zutreffend
hat der Sachverständige insoweit darauf hingewiesen, daß man möglicherweise in
Mainz im Hinblick auf die schlechten Erfahrungen bei der Voroperation den Lappen von
Anfang an etwas breiter gewählt habe und im Ergebnis die Erfahrungen aus der
Voroperation habe verwerten können. Es leuchtet ohne weiteres ein, daß der Operateur,
der vor der ersten entsprechenden Operation steht, den Lappen unter Berücksichtigung
der optischen und palpatorischen Konsestenz auszuwählen hat. Daß dies bei der
fraglichen Operation ordnungsgemäß geschehen ist, hat der Sachverständige
wiederholt bekräftigt und befindet sich damit in Einklang mit den Feststellungen des
Vorgutachters erster Instanz.
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Hinsichtlich der Einführung der Sonde hat der Sachverständige Dr. W. darauf
hingewiesen, daß diese möglicherweise nicht optimal eingebracht worden sei, was
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jedoch ebenfalls nicht vorwerfbar sei. Diese Maßnahme, nämlich das Einführen der
Sonde in Richtung zur Niere hin, könne nämlich nicht unter Röntgenkontrolle
geschehen. Außerdem habe aber im Ergebnis auch eine nicht optimale Einbringung der
Sonde in Richtung zur Niere hin keine für den Kläger nachteiligen Konsequenzen
gehabt, weit über die liegende Fistel der Urin sicher abgeführt worden sei und der Sinn
der fraglichen Sonde, nämlich das Lumen des Harnleiters offen zu halten, ebenfalls
erreicht worden sei.
Letztlich sind nach den Ausführungen des Sachverständigen auch hinsichtlich der
operativen Nachsorge keine Fehler festzustellen, denn der Sachverständige hat darauf
hingewiesen, daß die notwendigen Kontrollen erfolgt seien; insbesondere sei eine
Ultraschallprüfung der Niere durchgeführt worden sowie ferner die Urinausscheidung
als in Ordnung befundet worden. Ferner habe man den Kreatininwert überprüft, der
ebenfalls im Normbereich gelegen habe. Weitere Kontrollmaßnahmen seien zwar
möglich, jedoch nicht zwingend, so daß auch die Nachsorge nicht zu beanstanden ist.
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An seinen vorstehend geschilderten Feststellungen hat der Sachverständige auch in
seinem auf der Grundlage des Beweisbeschlusses des Senats vom 19.01.1998
erstatteten Zusatzgutachten vom 25.03.1998 unter weiterer Erläuterung festgehalten. In
diesem Gutachten hat er sich auch mit allen Einwänden des Klägers gegenüber seinen
voraufgegangenen Ausführungen eingehend auseinandergesetzt und insbesondere
darauf hingewiesen, daß die ihm inzwischen vorgelegten Behandlungsunterlagen keine
für die Entscheidung relevanten Lücken aufweisen und nicht zu neuen Erkenntnissen
führen. In diesem Zusammenhang hat er insbesondere erneut darauf hingewiesen, daß
die vom Kläger wiederholt beanstandete Schleifenbildung/Abknickung der Double-J-
Sonde im Ergebnis unschädlich gewesen sei, weil ein Nephrostomiekatheter im
Nierenbecken gelegen habe und demzufolge der Urinabtransport umfassend gesichert
gewesen sei. Auch die gesamte Durchführung der operativen Behandlung sowie der
operativen Nachsorge hat der Sachverständige auch unter Auswertung und
Berücksichtigung der ihm vorliegenden Behandlungsunterlagen als sachgerecht und
nicht zu beanstanden bezeichnet. Daß er den Kläger vor Erstattung seiner
gutachterlichen Stellungnahmen nicht untersucht hat, entwertet seine Feststellungen
nicht. Zum Zeitpunkt der Erstellung der Gutachten lag die operative Behandlung des
Klägers bereits mehrere Jahre zurück, und es ist in keiner Weise ersichtlich noch vom
Kläger dargetan, inwiefern eine körperliche Untersuchung neue bzw. weitergehende
Erkenntnisse hinsichtlich seines urologischen Zustandes zum Zeitpunkt der
Durchführung der operativen Behandlung hätte erbringen können, dies insbesondere
unter Berücksichtigung der Tatsache, daß nach der als fehlerhaft gerügten Operation bei
Prof. Dr. H. eine weitere Operation im urologischen Bereich durchgeführt worden ist,
durch die der zuvor gegebene Zustand ohnehin verändert worden ist. Vor diesem
Hintergrund wäre eine Untersuchung des Klägers im Ergebnis überflüssig gewesen,
weshalb der Sachverständige Dr. W. zu Recht hiervon abgesehen hat.
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Den Beklagten sind deshalb insgesamt keine Behandlungsfehler anzulasten.
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Eine Haftung der Beklagten ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt fehlerhafter
bzw. unzulänglicher Aufklärung über die durchzuführende operative Maßnahme.
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Soweit der Kläger nunmehr in zweiter Instanz behauptet, er sei über die
Boarilappenplastikoperation gar nicht aufgeklärt worden, steht dieser Vortrag im
Gegensatz und Widerspruch zu seinem Vorbringen in der Klageschrift (Bl. 3 2. Absatz
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dort). Der Kläger hat in erster Instanz in keiner Weise bestritten, daß er über Sinn und
Zweck, Tragweite und Risiken der am 31.07.1990 durchgeführten Operation aufgeklärt
worden ist. Über Risiken, die sich erst aus Fehlern anläßlich der Behandlung ergeben,
braucht nicht aufgeklärt zu werden. Eben hierauf beruft sich der Kläger aber nunmehr im
Ergebnis.
Zusätzlich ist zu berücksichtigen, daß von den vom Sachverständigen Dr. W.
aufgezeigten vorgenannten drei Behandlungsalternativen im Falle des Klägers im
Ergebnis allenfalls die erste und die dritte in Betracht kamen, wobei die erste,
onkologisch radikalste (Entfernung der Harnblase) die weitaus belastendere war und
nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen im Falle des Klägers
auch in keiner Weise indiziert war. Im Ergebnis war deshalb die organerhaltende
plastisch rekonstruktive Maßnahme die einzig ernstlich in Betracht zu ziehende
Behandlungsalternative beim Kläger, so daß über weitere Behandlungsalternativen
nicht einmal aufgeklärt werden mußte, da diese nicht zwingend indiziert waren und
ferner in ihrer Durchführung komplizierter und in ihren Ergebnissen für den Kläger
weitaus belastender waren als die vorliegend gewählte, die sich zudem als die am
wenigsten risikobehaftete darstellte.
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Vor diesem Hintergrund fehlte es, was die Rüge unzureichender Aufklärung anbetrifft,
jedenfalls auch an der schlüssigen Darlegung eines Entscheidungskonfliktes auf Seiten
des Klägers im Falle weitergehender Aufklärung. Der Kläger hat nämlich in keiner
Weise dargetan, daß er sich bei Bekanntgeben der weitaus belastenderen
risikobehafteteren Behandlungsmaßnahmen wirklich in einem ernstlichen
Entscheidungskonflikt hinsichtlich der Frage befunden hätte, für welche der theoretisch
in Betracht zu ziehenden Behadnlungsalternativen er sich entscheiden solle.
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Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, daß beim Kläger auch kein bleibender Schaden
aufgrund der fehlgeschlagenen operativen Behandlung festzustellen ist, da die
Nachfolgeoperation jedenfalls nach seinem eigenen Vortrag zu für ihn befriedigenden
Verhältnissen im urologischen Bereich geführt hat.
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Für eine vom Kläger beantragte weitere Anhörung des Sachverständigen Dr. W.
bestand kein zureichender Grund. Der Senat vermag keine Unklarheiten zu erkennen,
die durch eine solche weitere Anhörung ausgeräumt werden könnten. Die
Feststellungen des Sachverständigen sind präzise, nachvollziehbar begründet,
überzeugend und nicht ergänzungsbedürftig, sondern abschließend. Tatsächlich
erstrebt der Kläger mit seinem Antrag auf Anhörung des Sachverständigen eher eine
zusätzliche Prüfung, ob die Feststellungen und Schlußfolgerungen des
Sachverständigen Dr. W. insgesamt zutreffend sind. Dahingehende Feststellungen
weiteren Umfanges könnten aber nur durch Einholung eines weiteren
Sachverständigengutachtens erfolgen. Zu einer derartigen Maßnahme sieht der Senat
jedoch keine Veranlassung, da er die Ausführungen des Sachverständigen Dr. W., der
sich auch detailliert mit den Einwänden des Kläges auseinandergesetzt hat, für
überzeugend und nicht ergänzungsbedürftig hält.
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Nach allem war die Berufung des Klägers mit der Kostenfolge des § 97 ZPO
zurückzuweisen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziffer 10, 713
ZPO.
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Berufungsstreitwert und Wert der Beschwer des Klägers:
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10.000,00 DM
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