Urteil des OLG Köln vom 12.07.1996

OLG Köln (buch, software, diskette, in verkehr bringen, in angemessener weise, computer, produkt, 1995, programm, vertrieb)

Oberlandesgericht Köln, 6 U 136/95
Datum:
12.07.1996
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 U 136/95
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 28 O 412/94
Tenor:
I. Die Berufung der Beklagten gegen das am 14. Juni 1995 verkündete
Urteil der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 28 O 412/94 - wird mit
der Maßgabe zurückgewiesen, daß das Urteil des Landgerichts wie folgt
neu gefaßt wird: 1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung ei-nes für
jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden
Ordnungsgeldes bis zu 500.000,- DM, an deren Stelle bei
Uneinbringlichkeit eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten tritt, oder
Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen, die Prüfversion der
Kommunikationssoftware T. Version 3.15 (= T. V3.15) ohne Einwilligung
der Klägerin zu vervielfältigen und diese Vervielfältigungsstücke in
Verbindung mit dem Buch "Computer im TELENETZ" (Autoren: M., C.
und G.) in der Öffentlichkeit anzubieten oder in den Verkehr zu bringen.
2. Es wird festgestellt, daß der Rechtsstreit hinsichtlich des
Klageantrages zu Ziff. I.2. (Auskunftsklage) in der Hauptsache erledigt
ist. 3. Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin
sämtliche Schäden zu erstatten, die dieser durch die vorstehend in Ziffer
1. bezeichneten Handlungen seit dem 1. Juli 1993 entstanden sind oder
künftig noch entstehen werden. II. Die Kosten des Rechtsstreits beider
Instanzen werden der Beklagten auferlegt. III. Das Urteil ist vorläufig
vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die
Zwangsvollstreckung durch die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in
Höhe von 60.000,- DM hinsichtlich der Verurteilung zur Unterlassung
sowie in Höhe von 8.500,00 DM hinsichtlich der Verurteilung zur
Zahlung der Prozeßkosten abzuwenden, wenn nicht die Klägerin
ihrerseits vor der Zwangsvollstreckung jeweils Sicherheit in gleicher
Höhe leistet. Beiden Parteien wird nachgelassen, die von ihnen zu
erbringenden Sicherheiten auch durch eine unbedingte
selbstschuldnerische Bürgschaft eines als Zoll- und Steuerbürge
zugelassenen Kreditinstituts zu leisten. IV. Die Beschwer der Beklagten
wird auf 60.000,- DM hin-sichtlich der Verurteilung zu Unterlassung und
auf 10.000,- DM für die Feststellung der Schadensersatzpflicht der
Beklagten festgesetzt. Die Beschwer für die von der Klägerin für erledigt
erklärte Auskunftsklage überschreitet nicht 60.000,00 DM.
T a t b e s t a n d
1
Die Beklagte hat 1993 in ihrer Reihe "rororo computer" das Buch "COMPUTER IM
TELENETZ" der Autoren M., C. und G. herausgebracht. Das Buch, in dem als
Erscheinungsdatum "Juli 1993" angegeben ist, wurde im Juni 1993 an die Buchhändler
ausgeliefert. Es enthält auf der Titelseite den Hinweis "PRAXIS UND PROGRAMME
FÜR DATENREISENDE". Dem Buch ist eine Diskette beigelegt, auf der sich neben fünf
weiteren Softwareprogrammen auch das Computerprogramm T. Version 3.15 (= T. V
3.15) in einer (englischen) Prüfversion befindet. Bei diesem Softwareprogramm T. V
3.15 handelt es sich um eine Kommunikationssoftware, mit deren Hilfe der Anwender
mittels Datenfernübertragung Informationen mit anderen Anwendern oder
kommerziellen Anbietern austauschen kann. Wegen der Einzelheiten des Programms
wird auf die Programmbeschreibung Bl. 9 ff. des Anlagenheftes sowie auf das
Handbuch der deutschen Fassung des Programms (Bl. 94 ff. des Anlagenheftes) Bezug
genommen.
2
Die Klägerin, die in den Dateien der Prüfversion T. V 3.15 mehrfach in Copyright-
Vermerken genannt ist und im Buch "COMPUTER IM TELENETZ" als Herstellerin der
Prüfversion aufgeführt wird, sieht in der Vervielfältigung der Prüfversion und in deren
Vertrieb durch die Beklagten im Zusammenhang mit dem erwähnten Buch eine
Verletzung ihres Urheberrechts an dem Programm T. V 3.15, von dem sie geltend
macht, daß es von ihrem Inhaber für sie - die Klägerin - entwickelt worden sei. Darüber
hinaus ist die Klägerin der Ansicht, daß die beschriebene Handlungsweise der
Beklagten ebenfalls gemäß § 1 UWG unlauter sei. Die Klägerin beruft sich dabei auf
ihre Lizenz- und Vertriebsbedingungen, die auf der Seite iii dem zur Datei "T..DOC"
gehörenden "Program Reference Manual" (Bl. 1 ff. des Anlagenheftes) vorangestellt
sind und unstreitig stets Bestandteil der Prüfversion T. V 3.15 waren und sind. Diese
Seite iii lautet wie folgt:
3
Nach Meinung der Klägerin ist die Beklagte als "distributor" im Sinne dieser
Lizenzbedingungen anzusehen, so daß die Beklagte ohnehin einer schriftlichen
Einwilligung für die in Rede stehenden Handlungen bedurft hätte. Zudem verstoße die
Beklagte gegen die an zweiter und dritter Stelle genannten Voraussetzungen, die auf
der Seite iii als Beschränkungen der den Anwendern dort eingeräumten Lizenz
aufgeführt sind.
4
Mit der am 20. Oktober 1994 bei Gericht eingegangenen und am 28. November 1994
zugestellten Klage hat die Klägerin ursprünglich beantragt,
5
I.
6
die Beklagte zu verurteilen,
7
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht
festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,- DM, an deren Stelle bei
Uneinbringlichkeit eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten tritt, oder Ordnungshaft bis
zu sechs Monaten zu unterlassen,
8
a) die Kommunikationssoftware T. Version 3.15 (= T. V 3.15) ohne Einwilligung der
Klägerin zu vervielfältigen, in der Öffentlichkeit anzubieten oder in den Verkehr zu
bringen;
9
b) hilfsweise
10
im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken die Kommunikationssoftware T.
Version 3.15 (= T. V 3.15) zu vervielfältigen, in der Öffentlichkeit anzubieten oder in
Verkehr zu bringen;
11
2. der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagte die
vorstehend zu I. 1. bezeichneten Handlungen begangen hat;
12
II.
13
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, allen denjenigen Schaden zu erstatten,
der der Klägerin durch die vorstehend zu Ziff. I. 1. bezeichneten Handlungen
entstanden ist und künftig noch entstehen wird.
14
Nachdem die Beklagte als Anlage zu ihrem undatierten, bei Gericht am 18. Mai 1995
eingegangenen Schriftsatz einen Computerausdruck über die Anzahl der bisher
verkauften Exemplare des Buchs "Computer im TELENETZ" vorgelegt hat, hat die
Klägerin den Klageantrag zu Ziff. I. 2. in der mündlichen Verhandlung vor dem
Landgericht vom 24. Mai 1995 in der Hauptsache für erledigt erklärt und nur noch die
Klageanträge zu Ziff. I. 1. und II. gestellt.
15
Die Beklagte hat der Erledigung widersprochen und beantragt,
16
die Klage abzuweisen.
17
Sie hat die Urheberschutzfähigkeit des Programms T. 3.15 bestritten und ebenfalls die
Verletzung von Schutzrechten der Klägerin an diesem Programm mit der Begründung
verneint, es handele sich bei T. 3.15 um sogenannte Shareware, die der Hersteller zur
beliebigen Vervielfältigung und zum Vertrieb freigegeben habe.
18
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrages der Parteien vor dem Landgericht
wird auf die erstinstanzlichen Schriftsätze der Parteien und die zu den Akten gereichten
Unterlagen Bezug genommen.
19
Mit Urteil vom 14. Juni 1995 hat das Landgericht dem Klagebegehren der Klägerin
gemäß § 97 Abs. 1 UrhG antragsgemäß stattgegeben. Das Landgericht hat die
Urheberrechtsschutzfähigkeit des Programms T. V 3.15 nach § 69 a Abs. 3 UrhG bejaht
und in der beanstandeten Handlung der Beklagten eine Verletzung der
Ausschließlichkeitsrechte der Klägerin aus § 69 c Nr. 1 und 3 UrhG gesehen. Wegen
der Einzelheiten der Begründung des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe
des Urteils Bezug genommen.
20
Gegen dieses ihr am 4. Juli 1995 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 3. August 1995
Berufung eingelegt, die sie nach entsprechender Verlängerung der
Berufungsbegründungsfrist am 15. November 1995 fristgerecht begründet hat.
21
Nachdem die Urheberrechtsschutzfähigkeit der streitgegenständlichen Prüfversion von
T. V. 3.15 von der Beklagten zunächst auch in der Berufungsinstanz in Frage gestellt
worden war, hat die Beklagte im Berufungstermin erklärt, daß sie die
Urheberrechtsschutzfähigkeit der Prüfversion nicht mehr bestreite. Im übrigen wiederholt
22
und vertieft die Beklagte ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie macht geltend, die
Klägerin habe schon durch die Bezeichnung der Prüfversion als "User supported
Software", der englischen Bezeichnung für das deutsche Kunstwort "Shareware", ihre
generelle Zustimmung zu der mit der Klage beanstandeten Handlung erteilt. Es sei zwar
richtig, daß es sich bei Shareware nicht um Public-Domain-Software handele. Der
Programmautor gebe jedoch durch die Wahl des Shareware-Vertriebs sein Programm
völlig aus seinem Einflußbereich, denn er könne nicht steuern, an wen die Kopien der
Programme weitergegeben würden. Die Wahl einer solchen Vertriebsform könne daher
nur unter Erteilung einer völlig freien Nutzung des Programms gewählt werden, denn
andernfalls ließe sich ein weitläufiger Selbstvertrieb des Programms nicht realisieren.
Dies sei insbesondere dann anzunehmen, wenn es sich, wie im Streitfall, nicht um die
Vollversion, sondern um eine in der Funktionalität oder Verfügbarkeit beschränkte
Prüfversion der Vollversion handele, denn insbesondere die ungehinderte Weitergabe
der Prüfversion solle erst den Verkauf der Vollversion ermöglichen. Unter dieser
Gesamtsicht sei für ein eingeschränktes Nutzungsrecht durch Dritte kein Raum. In
diesem Zusammenhang sei zu beachten, daß es einen Shareware-Markt mit eigenen
Händlern, Mailboxen und einer Reihe von hierauf spezialisierten Zeitschriften gar nicht
gäbe, wenn faktisch kein Unterschied zwischen Standardsoftware und Shareware
bestünde. Für Standardsoftware gäbe es zahlreiche differenzierte Lizenzformen; sollte
dies auch für Shareware gelten, wäre die praktische Realisierung des Shareware-
Marktes nicht möglich. Hinzu komme, daß die von der Klägerin auf der Seite iii ihre
Lizenzbedingungen verzeichneten Voraussetzungen für den Vertrieb, wonach die
Verbreitung nur erfolgen dürfe, wenn das Programm nicht in ein anderes Produkt
eingeschlossen werde und weder Gebühren noch Zahlungen für das Programm
akzeptiert oder gefordert werden dürften, entgegen der Ansicht des Landgerichts keine
zulässigen Beschränkungen des Nutzungsrechts gemäß §§ 31, 32 UrhG seien. Die
Klägerin beabsichtige mit der besonderen Art und Weise des Vertriebs für ihre
Testversion einen möglichst weiten Anwenderkreis der Vollversion ihres Programms T.
V 3.15 zu erreichen. Dies geschehe durch die Weitergabe von Programmkopien der
Testversion an andere interessierte Benutzer. Soweit einer dieser Benutzer vom
Anwendungszweck der Testversion überzeugt sei, könne er sich bei der Klägerin
registrieren lassen. Der Nutzungszweck der Testversion sei also die ungehinderte,
vollkommen freie Weitergabe durch jedermann. Das Entgelt für die geistige Arbeit
erhalte die Klägerin erst durch die sogenannte Registrierungsgebühr, also durch das
Entgelt für die Vollversion. Die in den Lizenzbedingungen der Klägerin genannte (dritte)
Voraussetzung, wonach die Verbreitung der Testversion auf jeden Fall nicht gegen ein
Entgelt geschehen dürfe, schränke aber die Art der Weitergabe der Testversion ein. Sie
sei daher keine zulässige inhaltliche Beschränkung des Nutzungsrechts, denn dieses
dürfe nur soweit beschränkt werden, als es noch einen Ausschnitt der
urheberrechtlichen Verwertungsbefugnis zum Inhalt habe. Hierzu gehörten daher nicht
einzelne bestimmte Ausübungsarten des Nutzungsrechts. Zu der zweiten in den
Lizenzbedingungen der Klägerin angeführten Voraussetzung, die von der Klägerin
dahin interpretiert werde, daß die Prüfversion T. V 3.15 nicht mit irgendeinem anderen
Produkt zu einer Gesamtleistung zusammengeschlossen werden dürfe, vertritt die
Beklagte die Ansicht, ein Verstoß gegen diese Bedingung liege nicht vor. Die Forderung
der Klägerin, das Programm T. V 3.15 dürfe nur mit spezieller Erlaubnis mit anderen
Dateien oder Programmen auf einer Diskette gehalten werden, könne nicht ernst
gemeint sein, denn es sei unüblich, eine Diskette nur mit wenigen Dateien eines
einzigen Programms zu belegen. Aber auch das Beifügen der Diskette mit den
Programmen zu dem Buch verstoße nicht gegen die zweite Voraussetzung der
Lizenzbedingungen der Klägerin, denn das Programm T. V 3.15 werde dadurch nicht
vom Buch eingeschlossen oder umfaßt.
Zum Schadensersatzverlangen der Klägerin macht die Beklagte geltend, sie habe
weder vorsätzlich noch fahrlässig gehandelt. Vorsatz scheide aus, weil sie - die
Beklagte - weder bewußt eine Rechtsverletzung begangen, noch eine solche bewußt in
Kauf genommen habe. Ihr könne aber auch nicht Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden.
Es sei zwar richtig, daß derjenige, der ein Nutzungsrecht ausübe, sich über den Bestand
des jeweiligen Rechts Gewißheit verschaffen müsse, und daß die Rechtsprechung
insoweit strenge Anforderungen stelle. Das Landgericht München (CR 1993/143 f.) und
das OLG Hamburg (CR 1994/616 f.) hätten jedoch die Ansicht vertreten, daß der
Hersteller von Shareware-Programmen eine generelle Erlaubnis zum Kopieren und zum
uneingeschränkten Vertrieb dieser Programme erteile; der Bundesgerichtshof habe sich
zu dieser Frage bislang nicht geäußert. Sie - die Beklagte - habe sich daher im Einklang
mit der zur Zeit geltenden Rechtsauffassung verhalten und sei damit ihren notwendigen
Prüfungspflichten nachgekommen.
23
Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Beklagten wird auf
deren Schriftsätze vom 15. November 1995 und 1. Februar 1996 einschließlich der dazu
überreichten Unterlagen verwiesen.
24
Die Beklagte beantragt,
25
unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Klage abzuweisen,
26
hilfsweise
27
für den Fall der Sicherheitsleistung ihr nachzulassen, diese durch Bürgschaft einer
deutschen Großbank oder einer öffentlich-rechtlichen Sparkasse zu erbringen.
28
Die Klägerin hat im Berufungstermin vom 22. März 1996 erklärt, daß der Klageantrag
unter Ziff. I. 1. a) dahin ergänzt werde, daß die Vervielfältigung, das Anbieten oder das
In-Verkehr-Bringen der T.-Version 3.15 ohne Einwilligung der Klägerin in Verbindung
mit dem Vertrieb des Buchs "Computer in TELENETZ" zur Unterlassung gestellt werden
solle (konkrete Verletzungsform); gleiches solle für den Hilfsantrag unter I. 1. b), jedoch
mit der zusätzlichen Streichung des Wortes "vervielfältigen", gelten. Im übrigen
beantragt die Klägerin,
29
die gegnerische Berufung zurückzuweisen.
30
Auch die Klägerin wiederholt und vertieft ihren Vortrag aus der ersten Instanz nach
Maßgabe ihrer Schriftsätze vom 10. Januar 1996 und 20. März 1996 und den damit
überreichten Unterlagen, auf die Bezug genommen wird.
31
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
32
Die Berufung der Beklagten ist zulässig; sie bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.
33
1.
34
Das Unterlassungsbegehren der Klägerin ist in dem aus dem Tenor dieses Urteils
ersichtlichen Umfang gemäß § 97 Abs. 1 S. 1 UrhG (i.V.m. § 121 Abs. 4 UrhG, Art. 5
35
RBÜ) begründet.
Die streitgegenständliche Prüfversion des Programms T. V 3.15 genügt, wie von der
Beklagten im Berufungstermin unstreitig gestellt worden ist, den Anforderungen des §
69 a Abs. 3 UrhG und stellt somit ein geschütztes Werk im Sinne von § 2 Abs. 1 Ziff. 1
UrhG dar. Die Klägerin ist auch aktivlegitimiert, die sich daraus ergebenden und im
vorliegenden Rechtsstreit in Rede stehenden Rechte gegenüber der Beklagten geltend
zu machen. Dies ist unter den Parteien kein Streitpunkt, wie die Darlegungen der
Parteien im Berufungstermin nochmals bestätigt haben.
36
Die Voraussetzungen des § 97 Abs. 1 S. 1 UrhG sind jedoch ebenfalls im übrigen
gegeben. Dabei kam es nicht darauf an, ob die Beklagte allgemein berechtigt ist, die
Prüfversion des Programms T. V 31.5 zu vervielfältigen und zu verbreiten. Bereits aus
der Klageschrift sowie aus dem weiteren schriftsätzlichen Vorbringen der Klägerin ergibt
sich, und dies ist auch von der Beklagten nach deren Schriftsätzen ersichtlich zu keinem
Zeitpunkt des Verfahrens anders verstanden worden, daß Anlaß und Gegenstand der
Klage immer nur die Vervielfältigung und Verbreitung dieser Vervielfältigungsstücke der
Prüfversion von T. V 3.15 im Zusammenhang mit dem von der Beklagten
herausgegebenen Buch "Computer im TELENETZ" und der diesem Buch beigelegten
Diskette, auf der die von der Beklagten veranlaßte Kopie der Prüfversion enthalten war.
Der von der Klägerin im Berufungstermin umformulierte Unterlassungsantrag, der
diesem Ziel des Rechtsschutzbegehrens der Klägerin Rechnung trägt, hat dies
nochmals klargestellt. Mit diesen von der Klägerin beanstandeten Handlungen verletzt
aber die Beklagte das gemäß § 69 c Nr. 1 und 3 UrhG ausschließlich der Klägerin
zugewiesene Recht zur Vervielfältigung der Prüfversion von T. V 3.15 und der
Verbreitung dieser Vervielfältigungsstücke (wobei § 69 c UrhG gemäß § 137 d S. 1
UrhG ungeachtet der Tatsache Anwendung findet, daß die Prüfversion ebenso wie das
"Vollprogramm" T. V 3.15 bereits vor dem 24. Juni 1993, dem Zeitpunkt des
Inkrafttretens der §§ 69 a - g UrhG, geschaffen worden ist). Eine Gestattung der Klägerin
für diese Handlungen der Beklagten, wie sie § 69 c UrhG erfordert, liegt nicht vor.
37
Eine ausdrückliche Zustimmung war der Beklagten von der Klägerin unstreitig nicht
erteilt worden. Die Beklagte beruft sich vielmehr auf eine "generelle Zustimmung" der
Klägerin zur beliebigen Vervielfältigung und Verbreitung der Prüfversion, die sie aus
deren Qualifizierung als "Shareware" herleitet. Von einer derartigen generellen
Zustimmung der Klägerin kann jedoch in Übereinstimmung mit dem Landgericht nicht
ausgegangen werden.
38
Die Beklagte weist zwar zutreffend darauf hin, daß die Klägerin in ihren
Lizenzbedingungen zur Prüfversion T. V 3.15 (die im Tatbestand des Urteils
wiedergegeben sind) von der Prüfversion als "User Supported trial version" spricht, was
nach Marly (in: Softwareüberlassungsverträge, 1991, Rdnr. 278, und in: jur pc 1991/940)
eine andere Bezeichnung von Shareware darstellt. Bei "Shareware" bzw. "User
Supported Software" handelt es sich aber weder um gesetzlich definierte Begriffe noch
läßt sich - entgegen der Ansicht der Beklagten - der von ihr angeführten oder sonst
ersichtlichen Rechtsprechung und Literatur eine einheitliche Praxis, etwa in der Art
eines Handelsbrauchs, entnehmen, was den Umfang des Benutzungsrechts dieser
Software durch Dritte angeht. Nach der vorliegenden Rechtsprechung und Literatur
handelt es sich bei dem in den USA entwickelten Vermarktungskonzept der Shareware
um Computersoftware, die in sehr unterschiedlichen Formen auftritt, nämlich als
Vollversion eines Programms oder, wie im Streitfall, als Prüfversion, was schon
39
zwangsläufig zu einer differenzierten Beurteilung der Nutzungsberechtigung der
Anwender führen muß. Ausweislich der Literatur und Rechtsprechung stellen zudem die
Programmautoren von Shareware häufig sehr unterschiedliche Bedingungen für die
Nutzungsberechtigung ihrer Software, wobei die Zulässigkeit dieser Beschränkungen
kontrovers beurteilt wird und weitgehend - wie auch die streitgegenständlichen
Benutzungshandlungen der Beklagten - noch nicht Gegenstand von gerichtlichen
Entscheidungen waren (vgl. dazu z.B. LG München CR 1993/143 f.; OLG Hamburg CR
1994/616 f.; OLG Düsseldorf CR 1995/730 f.; Marly a.a.O.; Schulz CR 1990/296 f.;
Heymann CR 1991/6 f.). Soweit sich die Beklagte für ihre Ansicht einer einheitlichen
Behandlung von Shareware auf die Entscheidungen des LG München a.a.O. und des
OLG Hamburg a.a.O. beruft, ist dem entgegenzuhalten, daß bei der dort diskutierten
Shareware Nutzungsbeschränkungen, wie sie im Streitfall von der Klägerin in ihren
Lizenzbedingungen veröffentlicht worden sind, offensichtlich nicht in Rede standen.
Allein die Einordnung der Prüfversion T. V 3.15 unter den danach sehr weiten und
mehrdeutigen Begriff "Shareware" reicht somit nicht aus, um von einer "generellen"
Zustimmung der Klägerin zu den beanstandeten Handlungen der Beklagten
auszugehen. Vielmehr ist in Übereinstimmung mit dem OLG Düsseldorf a.a.O. vor
diesem Hintergrund bei Shareware vorrangig jeweils auf die - ausreichend
veröffentlichten - Lizenz- bzw. Vertriebsbedingungen des Programmautors abzustellen,
der schließlich auch allein darüber entscheiden kann, ob es sich bei der Software um
Shareware handelt.
40
Die von der Klägerin in ihren Lizenzbedingungen genannten Nutzungsbeschränkungen
sind in diesem Sinne ausreichend veröffentlicht, denn sie finden sich in unmittelbarem
Zusammenhang zur schon angeführten Erklärung der Klägerin, daß es sich bei der
Prüfversion um eine "User Supported trial version" handelt, wobei diese
Lizenzbedingungen als Teil der "Datei T..doc" unstreitig stets zum Lieferumfang der
Prüfversion gehören und gehörten. Nach diesen Lizenzbedingungen ist aber das Recht
des Anwenders zur Benutzung und Weitergabe der Prüfversion in mehrfacher Weise
beschränkt. Die Beklagte hat gegen zwei diese Lizenzbeschränkungen verstoßen, und
zwar selbst dann, wenn man die Beklagte - ihrem Vortrag folgend - nicht als "Distributor"
im Sinne dieser Lizenzbeschränkungen ansieht, der immer einer schriftlichen Erlaubnis
der Klägerin bedarf. Das Vervielfältigen und Verbreiten der Prüfversion auf einer
Diskette zusammen mit fünf anderen Softwareprogrammen sowie das Verbreiten der
Kopie der Prüfversion auf der Diskette zusammen mit dem Buch "Computer im
TELENETZ" als "Gesamtpaket" durch die Beklagte verletzt die nachstehende
Lizenzbedingung der Klägerin:
41
"T. may not be included with any other product for any reason whatsoever without a
license from Exis."
42
Nach dieser Lizenzbedingung der Klägerin wird jedweder Zusammenschluß der
Prüfversion mit einem anderen Produkt erfaßt. Der Verstoß der Beklagten gegen die
weitere Vorgabe der Klägerin in ihrer "LICENSE":
43
"No charge or payment may be levied or accepted for T.."
44
ist darin zu sehen, daß die Beklagte die Prüfversion T. V 3.15 mit ihrem Buch als
"Gesamtpaket" vertreibt, für das der Interessent einen Kaufpreis entrichten muß. Selbst
wenn in diesen Kaufpreis keine Gewinnspanne für die Diskette mit den darauf
45
befindlichen Programmen eingeflossen sein sollte, wird auf diese Weise die Diskette
und somit auch die darauf befindliche Prüfversion T. V 3.15 dem Verbraucher nur
entgeltlich überlassen. Ob die Beklagte im Ergebnis mit dem "Gesamtpaket" aus Buch
und Diskette einen Gewinn gemacht hat, spielt entgegen der Ansicht der Beklagten
nach dem Wortlaut der in Rede stehenden Lizenzbeschränkung der Klägerin ohnehin
keine Rolle.
Es ist sehr fraglich, ob es für die Wirksamkeit der beiden erörterten
Lizenzbeschränkungen gegenüber der Beklagten darauf ankommt, ob diese
Beschränkungen von der Klägerin gemäß § 32 UrhG mit dinglicher Wirkung getroffen
werden konnten mit der Folge, daß von vornherein nur ein in dem von der Klägerin
vorgegebenen Rahmen eingeschränktes Nutzungsrecht entstanden ist, oder ob nicht
auch sonstige Beschränkungen von der Beklagten zu beachten sind, wenn sie von
diesen, wie im Streitfall, zusammen mit dem Programm und dessen Bezeichnung durch
die Klägerin als "User Supported Version" bereits vor Vornahme der beanstandeten
Handlungen Kenntnis erhält. Diese Frage kann jedoch dahinstehen, denn jedenfalls die
vorstehend an erster Stelle erörterte Lizenzbeschränkung mit dem darin enthaltenen
Kopplungsverbot seitens der Klägerin stellt eine gemäß § 32 UrhG zulässige inhaltliche
Beschränkung des Nutzungsrechts dar. Nach herrschender Meinung ist der Zuschnitt
dinglicher Nutzungsrechte im Sinne von §§ 31, 32 UrhG nicht beliebig möglich, sondern
im Interesse der Rechts- und Verkehrssicherheit begrenzt. Es muß sich um eine nach
der Verkehrsumfassung als solche hinreichend klar abgrenzbare, wirtschaftlich-
technisch als einheitlich und selbständig erscheinende Nutzungsart handeln (BGH NJW
1992/1320 "Taschenbuch-Lizenz"; Schricker, Urheberrecht, l987, vor § 28 f. Rdnr. 52 f.;
jeweils m.w.N.); inhaltliche Beschränkungen, die nicht den Umfang des Nutzungsrechts
regeln, sondern nur die Art und Weise seiner Ausübung, werden nicht von § 32 UrhG
erfaßt (BGH a.a.O. "Taschenbuch-Lizenz"; BGH 1959/200, 202 "Der Heiligenhof";
Reimer GRUR 1962/619, 625; Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, 3. Aufl., § 84 I 3 S.
363). Das in den Lizenzbedingungen der Klägerin enthaltene Kopplungsverbot genügt
diesen Anforderungen. Ob ein Softwareprogramm als Einzelprodukt angeboten und
vertrieben wird, was ersichtlich durch das Kopplungsverbot der Klägerin sichergestellt
werden soll, oder in einer wie immer auch gearteten Verbindung mit einem anderen
Produkt, läßt sich zunächst klar voneinander abgrenzen. Es wird mit dem
Kopplungsverbot der Klägerin auch eine nach der Verkehrsauffassung als einheitlich
und selbständig erscheinende Nutzungsart des Urheberrechts beschrieben.
Üblicherweise tritt ein Produkt - ebenfalls eine Computersoftware - dem Verkehr als
Einzelprodukt entgegen; daß bei Shareware, unabhängig davon, ob sie als Vollversion
eines Programms oder als Prüfversion vertrieben wird, etwas anderes gilt, läßt sich
weder dem Sachvortrag der Parteien noch der von ihnen angeführten Literatur und
Rechtsprechung entnehmen. Die Kopplung der Prüfversion mit einem anderen Produkt
und deren gemeinsame Vertrieb als "Gesamtware" mit der sich daraus ergebenden
möglichen gegenseitigen Beeinflussung der Produkte dieses "Zusammenschlusses" in
ihrer Wertschätzung aus der Sicht des Verkehrs stellt daher nicht nur unter
Berücksichtigung der schutzwürdigen Interesse des Programmautors, dem es nicht
gleichgültig sein kann, in welcher Verbindung sein Werk auftritt, sondern auch unter
Berücksichtigung der Verkehrsauffassung eine eigenständige Verwertungsart eines
Shareware-Softwareprogramms dar. In diesem Zusammenhang ist auf den Bereich des
Verlagsrechts hinzuweisen, bei dem in § 4 VerlagsG geregelt bzw. durch
Rechtssprechung die Zulässigkeit der dinglichen Aufspaltung des Nutzungsrechts für
die Einzelausgabe, Gesamtausgabe, Ausgabe in Sammelwerken anerkannt ist, vgl.
Schricker a.a.O. vor §§ 28 ff. UrhG Rd. 55 m.w.N.). Für Shareware-Programme in der
46
Form von Prüfversionen, wie im Streitfall die Prüfversion T. v 3.15, gilt keine andere
Beurteilung, zumal bereits derartige Prüfversionen, wie das Buch der Beklagten
"Computer im TELENETZ" mit der darin enthaltenen Beschreibung der Prüfversion
augenfällig demonstriert, daß schon derartige Prüfversionen dem Anwender vielfältige
Möglichkeiten bieten (sie sollen ja gerade den Anwender veranlassen, sich beim
Programmautor registrieren zu lassen und das Entgelt - ggfls. für den Erwerb der
Vollversion - zu entrichten).
Überschreiten somit die beanstandeten Handlungen der Beklagten die Grenzen des von
der Klägerin mit dinglicher Wirkung eingeräumten Nutzungsrechts, ergibt sich daraus
zugleich, daß § 17 Abs. 2 UrhG nicht zu Lasten der Klägerin eingreift. Da schließlich
auch die Gefahr der Wiederholung der angegriffenen Handlungen der Beklagten besteht
- wie nochmals von der Beklagten im Berufungstermin bekräftigt - ist somit das
Unterlassungsbegehren der Klägerin auf § 97 Abs. 1 S. 1 UrhG begründet.
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Ein Unterlassungsanspruch der Klägerin aus § 97 Abs. 1 S. 1 UrhG besteht jedoch auch
dann, wenn man die vorstehend erörterten Lizenzbeschränkungen der Klägerin außer
Acht läßt.
48
Bei der Prüfversion der Klägerin geht es nicht um Software, mit der jeder Dritte nach
Belieben verfahren kann. Dem steht schon entgegen, daß die Prüfversion einen
Copyright-Vermerk trägt und in den Lizenzbedingungen der Klägerin zusätzlich noch
darauf hingewiesen wird, daß es sich bei "T." nicht um "public domain" oder "free
software" handelt (vgl. zu diesen Formen der Software z.B. Marly,
Softwareüberlassungsverträge, 1991, Rdnr. 233, 235, 236 f.; Marly, jur-pc 1991/940 f.;
Steinhaus in dem von der Beklagten herausgegebenen Buch "Shareware", Seite 8 f. =
Bl. 137, 139 des Anlagenhefters zu dieser Akte). Damit stimmt überein, daß die Beklagte
in ihrem Buch "Computer im TELENETZ" darauf hinweist, daß das Copyright der
Software auf der Diskette bei den Programmautoren liegt, und auch im vorliegenden
Rechtsstreit nicht geltend macht, daß es sich bei der streitgegenständlichen Prüfversion
um "public domain" - Software oder um sogenannte freie Software handelt.
49
Die urheber- und leistungsschutzrechtlichen Befugnisse haben aber die Tendenz,
soweit wie möglich bei ihrem ursprünglichen Inhaber zu verbleiben, damit dieser in
angemessener Weise an den Erträgnissen seines Werks oder seiner Leistung beteiligt
wird. Es ist deshalb im Rahmen von § 31 Abs. 5 UrhG bei der Prüfung des Umfangs
eines vom Urheber eingeräumten Nutzungsrechts, bei dem die Nutzungsarten nicht im
einzelnen bezeichnet sind, zu beachten, daß der Inhaber von Urheber- und
Leistungsschutzrechten im Zweifel keine weitergehenden Rechte überträgt, als es der
Zweck der eingeräumten Nutzung erfordert (vgl. BGH GRUR 1979/637, 638 f. "White
Christmas"; Schricker a.a.O. § 31/32 UrhG Rdnr. 31 f. m.w.N.). Übertragen auf den
vorliegenden Fall bedeutet dies, daß die Klägerin, die ausweislich des schon
angeführten Copyright-Vermerks nicht auf ihr Urheberrecht verzichtet hat, sondern
gerade auf ihre Rechte hinweist, durch die Bezeichnung der Prüfversion als "User
Supported Version" und mit der Überlassung dieser Prüfversion im "Shareware-
Vertrieb" nicht jedwede Nutzung ihres Produkts gestattet hat, sondern nur eine Nutzung
als "Shareware" bzw. nach dem Sharewarebetriebskonzept. In den Lizenzbedingungen
der Klägerin wird der Zweck dieses Shareware-Vertriebs-Konzepts im Zusammenhang
mit der dort eingeräumten Lizenz wie folgt beschrieben:
50
"Users are granted a limited license to use the User Supported, trial version of T. for a
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limited evaluation period of up to 45 days, in order to determine if it suits their needs.
Any other use of T. or use past this period requires registration.
All users are granted a limited license to copy the User Supported version of T. only for
the purpose of allowing others to try it, ..."
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Ungeachtet des auf 45 Tage begrenzten Nutzungsrechts entspricht die derart
beschriebene Nutzung den Regeln des Shareware-Vertriebskonzepts, wie sie von der
Beklagten dargelegt worden sind, und wie sie sich auch aus der bereits erwähnten
Literatur und Rechtsprechung zu diesem Konzept feststellen lassen. Nach dieser
Rechtssprchung und Literatur soll nämlich das Shareware-Vertriebskonzept dazu
dienen, dem jeweiligen Anwender die Möglichkeit zu geben, die Software zu testen und
auch das Programm zu kopieren und weiterzugeben, wobei der Vertrieb nicht in den
Händen des Programmautors liegt, sondern durch Weitergabe und Vervielfältigung der
Software durch den Anwender, per Mailbox oder auch durch den Shareware-Händler
erfolgt, der jedoch nicht das Programm verkauft, sondern üblicherweise nur die Zahlung
einer (mehr oder weniger) niedrigen Kopiergebühr verlangt (vgl. dazu z.B. Steinhaus,
a.a.O. Seite 8 f. = Bl. 139 des Anlagehefters; OLG Hamburg CR 1994/614, 617 sowie
die Darlegungen der Beklagten in ihrer Berufungsbegründung vom 15. November 1995,
S. 6 und 7 = Bl. 98, 99 GA).
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Die konkret beanstandete Handlung der Beklagten stellt aber eine völlig andere
Nutzung der Prüfversion dar. Zwar trägt die Beklagte zur Verbreitung der Prüfversion
bei. Ihre Handlung wird aber maßgeblich dadurch bestimmt und charakterisiert, daß sie
nicht die Prüfversion für eigene Zwecke testet und an andere Interessenten zu
Testzwecken weitergibt, ebenso auch nicht - wie ein Shareware-Händler - die
Prüfversion an andere gegen Erstattung der Kopierkosten vertreibt. Die Beklagte hat
vielmehr das Produkt der Klägerin mit ihrem eigenen Produkt, dem Buch "Computer im
TELENETZ" zu einer neuen Gesamtware verbunden, um auf diese Weise ihr eigenes
Produkt in den Augen des Verbrauchers attraktiver zu machen. Es liegt auf der Hand,
daß das Buch der Klägerin für den potentiellen Käufer ungleich interessanter ist, wenn
die dort besprochenen Softwareprogramme auf einer Diskette beiliegen und damit das
Buch und die darin enthaltenen Anleitungen sofort umsetzbar sind, als wenn sich der
Käufer zunächst noch die notwendigen Programme selbst beschaffen muß. Die Klägerin
setzt somit die auf der Diskette zum Buch enthaltenen Softwareprogramme, damit auch
die Prüfversion der Klägerin, als Kaufreiz für ihr eigenes Produkt ein. Eine derartige
Nutzung der Prüfversion wird aber weder vom Wortlaut der Vertriebsbedingungen der
Klägerin noch von den Grundsätzen des Shareware-Vertriebskonzepts gedeckt. Sie hat
auch nichts mit dem von der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 1. Februar 1996 (S. 4
des Schriftsatzes = Bl. 147 GA) angeführten "weitläufigen Selbstvertrieb des
Programms" zu tun, wie er mit dem Shareware-Vertrieb nach Ansicht der Beklagten
bezweckt wird.
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Die Beklagte hätte daher selbst dann der Zustimmung der Klägerin gemäß § 69 c UrhG
zu den mit der Klage konkret beanstandeten Handlungen bedurft, wenn den zunächst
erörterten einzelnen Lizenzbeschränkungen der Klägerin, wie insbesondere dem
Kopplungsverbot, keine Wirkung gegenüber der Beklagten zukommt und die Klägerin
dem Anwender ein nicht durch diese Lizenzbedingungen begrenztes Nutzungsrecht
eingeräumt hätte.
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Die Beklagte wird deshalb zu Recht von der Klägerin gemäß § 97 Abs. 1 S. 1 UrhG auf
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Unterlassung in Anspruch genommen.
Aus den vorstehenden Überlegungen ergibt sich nach Ansicht des Senats zugleich, daß
auch § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt des Schmarotzens an einer fremden Leistung
das Unterlassungsbegehren der Klägerin rechtfertigt, nachdem die Beklagte selbst noch
nach Abmahnung durch die Klägerin und im vorliegenden Rechtsstreit in Kenntnis aller
Tatumstände für sich in Anspruch nimmt, weiter in der beanstandeten Weise zu
verfahren. Es widerspricht den guten Sitten im Wettbewerb, ein fremdes
Leistungsschutzrecht zur attraktiveren Gestaltung des eigenen Produkts gegenüber dem
Verbraucher in der beschriebenen Art und Weise zu verwenden, wenn dies ohne die
notwendige Zustimmung des Berechtigten geschieht und auch keine Umstände
vorliegen, die auf eine stillschweigende Zustimmung des Berechtigten schließen
lassen, dieser vielmehr sogar ausdrücklich erklärt, daß er mit dieser Verwendung seines
Produkts nicht einverstanden ist.
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2.
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Das Schadensersatzverlangen der Klägerin ist gemäß § 97 Abs. 1 S. 1 UrhG begründet.
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Die Beklagte hat schuldhaft die Ausschließlichkeitsrechte der Klägerin verletzt. Jeder,
der ein Nutzungsrecht ausüben will, muß sich über dessen Bestand Gewißheit
verschaffen, wobei strenge Anforderungen an die Prüfungspflicht zu stellen sind (vgl.
Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 8. Aufl., § 97 UrhG Rdnr. 33 m.w.N.). Die Beklagte
kannte nicht nur den Copyright-Vermerk der Klägerin zur Prüfversion, sondern hat sich
ersichtlich in Kenntnis der in der Prüfversion ausgewiesenen Lizenzbedingungen über
deren klaren Wortlaut hinweggesetzt, nachdem sie sich zunächst um eine ausdrückliche
schriftliche Einwilligung der Klägerin zu den beanstandeten Handlungen bemüht hat
(was zeigt, daß ihr die Problematik der Berechtigung ihrer Handlungsweise von Anfang
an bekannt war). Es gibt auch keine gerichtliche Entscheidung oder eine gefestigte
Ansicht der Literatur, aufgrund derer die Beklagte davon hätte ausgehen dürfen, daß ihr
konkretes Vorhaben keine Verletzung der Urheberrechte der Klägerin darstellt. Nach
alledem ist davon auszugehen, daß die Beklagte die mögliche Verletzung der Rechte
der Klägerin aus § 69 c Ziff. 1 und 3 UrhG schon vor dem ersten Inverkehrbringen ihres
Buches erkannt hat. Daß sie dennoch das Buch mit der Diskette in den Verkehr
gebracht hat, muß deshalb dahin gewertet werden, daß sie bei Verletzung der
Ausschließlichkeitsrechte der Klägerin nicht nur grob fahrlässig, sondern sogar mit
bedingtem Vorsatz gehandelt hat, nämlich unter Inkaufnahme der von ihr erkannten
möglichen Verletzung der Rechte der Klägerin. Daß der Klägerin durch die Handlungen
der Beklagten ein Schaden entstanden ist, liegt auf der Hand und bedarf keiner
Begründung.
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Daraus ergibt sich zugleich, daß auch das Auskunftsverlangen der Klägerin gemäß § 97
Abs. 1 S. 1 UrhG bis zur Erledigungserklärung der Klägerin zulässig und begründet war,
so daß auch insoweit der Klage stattzugeben und der Berufung der Beklagten der Erfolg
zu versagen ist.
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Nach den vorstehenden Erörterungen zu § 97 Abs. 1 UrhG steht zudem fest, daß das
Schadensersatz- und Auskunftsverlangen der Klägerin ebenfalls gemäß §§ 1 UWG, 242
BGB gerechtfertigt ist.
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3.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Eine Anwendung des § 269 Abs.
3 S. 2 ZPO kam nicht in Betracht, denn die Umformulierung des Klagebegehrens in der
Berufungsinstanz stellt lediglich eine bessere Anpassung der Klage an die konkret
beanstandete Handlung der Beklagten dar und beinhaltet keine teilweise
Klagerücknahme.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711
ZPO.
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Die Beschwer der Beklagten war gemäß § 546 Abs. 2 ZPO festzusetzen und entspricht
dem Wert des Unterliegens der Beklagten im Rechtsstreit. Da die Beschwer der
Beklagten insgesamt die Revisionssumme des § 546 Abs. 1 ZPO übersteigt, bedarf es
keiner Entscheidung über den Antrag der Beklagten auf Zulassung der Revision.
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