Urteil des OLG Köln vom 24.06.1993
OLG Köln (ordentliche kündigung, kündigung, begründung der kündigung, treu und glauben, unternehmen, verhältnis zu, erhebliche bedeutung, verkauf, vertrag, abhängigkeit)
Oberlandesgericht Köln, 18 U 38/91
Datum:
24.06.1993
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
18. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Teilurteil
Aktenzeichen:
18 U 38/91
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 82 O 222/90
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 5. März 1991 verkündete
Teilurteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 82
O-222/90 - wird zu-rückgewiesen. Die Kostenentscheidung bleibt dem
Schlußurteil vorbehalten.
T a t b e s t a n d:
1
2
Die Klägerin betreibt in H. seit mehr als 20 Jah-ren eine Autoreparaturwerkstatt
verbunden mit ei-nem Kraftfahrzeughandel.
3
4
Der Betrieb war zunächst nicht auf eine bestimmte Marke festgelegt. Im Jahre 1982,
neu gefaßt am 29. Januar/29. Juli 1987, schloß die Klägerin mit der Beklagten einen
Händlervertrag für die Fahr-zeuge der Marke T. (Bl. 13 f. d. GA).
5
6
Diesen Vertrag kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 12. Januar 1990 zum 31.
Januar 1991 ohne Anga-be von Gründen (Bl. 32 d. GA). Mit Schreiben vom 23.
Januar 1990 bat die Klägerin vergeblich um die Rücknahme der Kündigung (Bl. 33 d.
GA). Auch auf mehrfaches Drängen der Klägerin und der von ihr beauftragten
Rechtsanwälte gab die Beklagte der Klägerin keine Gründe für die Kündigung an.
7
8
Nach § 1 des Händlervertrags sind Vertragswagen das von der T. vertriebene
Kraftfahrzeugprogramm einschließlich Ersatzteile und Zubehör. Die Kläge-rin ist
gemäß § 2 im Verhältnis zu T. selbständi-ger Kaufmann und betreibt ihr Geschäft
ausschließ-lich im eigenen Namen, auf eigene Rechnung und auf eigene Gefahr und
ist weder Handelsvertreter noch Kommissionär. Sie muß sich als "Vertragshändler"
bezeichnen und hat gemäß § 3 im Vertragsgebiet, das in der Anlage zu diesem
Vertrag näher bezeich-net wird, das nicht ausschließliche Recht, nach Maßgabe
9
dieses Vertrages T.-Fahrzeuge, T.-Ersatz-teile und T.-Zubehör zu vertreiben. Die
Klägerin ist verpflichtet, im Vertragsgebiet den Verkauf aller T.-Fahrzeuge zu fördern
und sicherzustellen, daß ein fachgerechter Kundendienst hierfür gewähr-leistet ist.
Sie ist ferner gemäß § 7 verpflich-tet, der Beklagten Berichte und Zahlen über das
Verkaufs- und das Kundendienstgeschehen in einer von T. geforderten Form und
Frist einzusenden und T. ist berechtigt, jederzeit Berichte über Markt-lage,
Lagerbestände und voraussichtlichen Bedarf zu verlangen. Darüber hinaus hat die
Klägerin der Beklagten jede sachdienliche Auskunft über ihre Geschäftsverhältnisse
im T.-Bereich zu erteilen und auf Wunsch die notwendigen Unterlagen dazu
vorzulegen. Die Klägerin ist nicht verpflichtet, T. die Namen ihrer Kunden zu nennen
und Mitarbei-ter von T. sind dementsprechend nicht berechtigt, sich Namen von
Kunden des Vertragshändlers zu notieren, wenn sie Einsicht in die Geschäftsunter-
lagen des Vertragshändlers erhalten. Die Klägerin ist jedoch verpflichtet, eine den
jeweils gelten-den T.-Richtlinien entsprechende Kundendatei ge-wissenhaft zu
führen und an dem von T. empfohlenen Kundenkontaktprogramm auf eigene Kosten
teilzuneh-men. Gemäß § 12 beginnt der Vertrag am 1. Febru-ar 1987 und wird auf
unbestimmte Zeit abgeschlos-sen. Er kann während der ersten 10 Jahre von bei-den
Seiten jederzeit mit einer Kündigungsfrist von 12 Monaten und nach 10
Vertragsjahren von 18 Mona-ten, jeweils zum Monatsende gekündigt werden. Eine
außerordentliche befristete Kündigung mit sechs-monatiger Frist ist unter besonderen
und näher bezeichneten Umständen möglich. Wegen der weiteren Einzelheiten des
Händlervertrages wird auf Bl. 12 f. der GA verwiesen.
10
Die Parteien streiten im vorliegenden Rechtsstreit u.a. über die Wirksamkeit der von
der Beklagten mit Schreiben vom 12. Januar 1990 zum 31. Janu-ar 1991 ohne
Angabe von Gründen ausgesprochenen Kündigung.
11
12
Die Klägerin ist der Auffassung, die Kündigung sei nach § 26 Abs. 2 GWB
unwirksam. Mit Rücksicht auf die Unternehmensabhängigkeit der Klägerin fal-le die
nach § 26 ABs. 2 GWB erforderliche Inter-essenabwägung zu ihren Gunsten aus und
die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung sei mangels Angabe sachlicher
Gründe unwirksam. Sie sei 1982 zum Abschluß des Händlervertrages mit der
Beklag-ten durch das Versprechen einer langfristigen Zu-sammenarbeit bestimmt
worden. Im Vertrauen hierauf habe sie in den folgenden Jahren ihren Betrieb ganz
auf die Beklagte ausgerichtet und dabei er-heblich Investitionen vorgenommen
(Umstellung der Werkstatt auf die Produkte der Beklagten, Ausstat-tung mit
entsprechenden Ersatzteilen, Um- und Aus-lagengestaltung der Betriebsräume). Sie
vermute, daß die Kündigung nur deshalb erfolgt sei, weil sich die Beklagte im
Vertragsgebiet der Klägerin wettbewerbswidrig an eine von zwei ehemaligen
Angestellten der Klägerin neu gegründete Firma gebunden habe. Bei der derzeitigen
Marktlage be-stehe für die Klägerin keine Möglichkeit, zu einer anderen namhaften
Autoherstellerin überzuwechseln. Dies gelte um so mehr, da die Klägerin seit Jahren
im Verkehr mit der Marke T. identifiziert werde. Zudem sei die Kündigungsfrist von 1
Jahr zu kurz und verstoße gegen die Bestimmungen der §§ 9, 24 AGB.
13
14
Die Klägerin hat in erster Instanz die Feststel-lung begehrt, daß der Händlervertrag
zwischen den Parteien in der Fassung vom 29.1./29.7.1987 nicht durch die
Kündigung der Beklagten vom 12.1.1990 zum 31.1.1991 beendet worden sei und hat
hilfswei-se die Zahlung eines Ausgleichs nach § 89 b HGB in Höhe von mindestens
100.000,- DM nebst 10 % Zinsen seit Klagezustellung beantragt.
15
16
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt mit der Begründung, sie habe von ihrem
vertraglichen Kün-digungsrecht nach § 12 Abs. 2 des Händlervertrags Gebrauch
gemacht. Eine Begründung der Kündigung sei nicht erforderlich. Ein Verstoß gegen §
26 Abs. 2 GWB liege nicht vor und bei einem achtjäh-rigen Händlervertrag sei eine
Kündigungsfrist von einem Jahr ausreichend. Sie hat ferner die Zah-lung eines
Ausgleichs abgelehnt mit dem Hinweis, die Klägerin sei nicht einem Handelsvertreter
gleichzustellen und habe außerdem die Berechnung des Ausgleichsanspruchs nicht
entsprechend der vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätze vorge-nommen.
17
18
Das Landgericht hat durch das angefochtene Teilur-teil vom 5. März 1991 (Bl. 198 f.
d. GA) die Klage bezüglich des Hauptantrages abgewiesen mit der Be-gründung, der
Händlervertrag sei durch das Kündi-gungsschreiben der Beklagten wirksam beendet
wor-den. Ein Verstoß gegen § 242 BGB sei ebensowenig erkennbar wie ein Verstoß
gegen § 26 Abs. 2 GWB. Letztere Vorschrift solle nicht den freien Wettbe-werb
ausschließen, in dem sie einen normalen Händ-lervertrag ohne das Vorliegen
besonderer Umstände unkündbar mache, insbesondere, wenn wie vorlie-gend, die
Werkstattsarbeit im Vordergrund stehe.
19
20
Die Klägerin hat unter Wiederholung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen
Vorbringens und ihrer dortigen Anträge Berufung eingelegt. Die Beklagte beantragt
die Zurückweisung der Berufung und tritt den Ausführungen der Klägerin entgegen.
21
22
Der Senat hat durch Beschluß vom 19. Septem-ber 1991 (Bl. 380 d. GA) den
Rechtsstreit bis zur Entscheidung durch die nach dem Gesetz gegen Wett-
bewerbsbeschränkung zuständigen Behörde gemäß § 96 Abs. 2 GWB ausgesetzt.
Auf das Schreiben des Mini-steriums für Wirtschaft, Mittelstand und Technolo-gie des
Landes Nordrhein-Westfalen vom 31.10.1991 (Bl. 457 f. d. GA) wird Bezug
genommen.
23
24
Bezüglich des weiteren Vortrags der Parteien wird auf den Akteninhalt verwiesen.
25
26
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
27
28
Die zulässige Berufung der Klägerin gegen das am 5. März 1991 verkündete
Teilurteil des Land-gerichts Köln, in dem die Klage bezüglich des Hauptantrages
abgewiesen wurde, hatte in der Sache selbst keinen Erfolg.
29
30
1.
31
32
Der Senat ist, obwohl nicht Kartellsenat, zustän-dig. Gemäß § 87 Abs. 1 GWB sind für
bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, die sich aus dem GWB oder aus Kartellverträgen
und aus Kartellbeschlüssen ergeben, ohne Rücksicht auf den Wert des Streitge-
genstandes die Landgerichte ausschließlich zustän-dig und gemäß § 92 G.
entscheidet bei Berufungen über Urteile oder sonstige Entscheidungen der nach §§
87, 89 zuständigen Landgerichte der Kartellse-nat beim OLG.
33
34
Die Rechtsprechung hat die Bestimmung des § 87 GWB so eng wie möglich
ausgelegt (vgl. Übersicht in Müller-Henneberg-Schwarz, § 87 Rdnr. 5). Entspre-
chend der ersten Entscheidung des Kartellsenats des BGH zu dieser Frage
(Beschluß vom 9.7.1958 KAR 1/58 WuW/E BGB 244) sieht sie den Fall des § 87 nur
dann als gegeben an, wenn mit der Klage ein Anspruch aus dem GWB geltend
gemacht wird. Folg-lich liegt keine Kartellsache vor und greift § 87 nicht ein, wenn die
kartellrechtliche Frage nicht Hauptfrage des Rechtsstreits ist, sondern nur Vor-frage.
35
36
2.
37
38
Erhebt daher die Klägerin, wie vorliegend eine Einwendung, die sich aus dem GWB
oder aus Kartell-verträgen oder aus Kartellbeschlüssen ergibt, und erweist sich diese
Einwendung für die Entscheidung des Rechtsstreits als erheblich, so besteht der
Zwang zur Aussetzung des Rechtsstreits gemäß § 96 Abs. 2 GWB, an der
Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ändert sich jedoch nichts.
39
40
3.
41
42
Der Senat hat durch Beschluß vom 19. Septem-ber 1991 den Rechtsstreit gemäß §
96 Abs. 2 GWB ausgesetzt und die nach dem GWB zuständige Behörde hat eine
Stellungnahme abgelehnt (vgl. Schreiben vom 31.10.1991, Bl. 457 f. d. GA).
43
44
Damit stellt sich für den Senat die Frage, ob es bei der gemäß § 96 Abs. 2 GWB
angeordneten Aussetzung des Verfahrens verbleiben muß, bis die Klägerin eine
Entscheidung über die Vorfrage nach dem GWB eingeholt hat, ob der Rechtsstreit
ent-sprechend dem Hilfsantrag beider Parteien an dem Kartellsenat des
Oberlandesgerichts in Düsseldorf zu verweisen ist (§ 281 Abs. 1 ZPO; §§ 92-94
GWB), oder ob der Senat in eigener Zuständigkeit die Frage der Wirksamkeit der
Kündigung im Hinblick auf § 26 Abs. 2 GWB beurteilen darf. Letzteres ist nicht zuletzt
aus prozeßökonomischen Gesichts-punkten zu bejahen. Hierbei verkennt der Senat
die Probleme bei der Zuständigkeit der Erörterung kartellrechtlicher Vorfragen nicht
und insbesonde-re nicht, daß eine Kartellberufungssache nur dann vorliegt, wenn
diese Vorfragen ein Nicht-Kartell-Landgericht zur Aussetzung nach § 96 Abs. 2 GWB
gezwungen hätten. Jedoch kann nicht ohne weiteres aus der Tatsache, daß
entscheidungserhebliche Kartell-Vorfragen erörtert worden sind, auf das Vorliegen
einer Kartellberufungssache geschlos-sen werden. Andererseits geht die Literatur
und Rechtsprechung davon aus, daß eine Kartellberu-fungssache vorliegt, wenn eine
an sich unter § 96 Abs. 2 fallende Kartellvorfrage mit zu entscheiden war (vgl. hierzu
die Übersicht von Rechtsprechung und Literatur in Immenga-Mestmäcker,
Kommentar zum Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, § 92 Rdnr. 13, 21 f.).
Jedenfalls ist davon auszugehen, daß das Landgericht nicht als Kartellspruchkörper
entschieden hat, so daß zuständig zur Entscheidung über die Berufung zwangsläufig
der Kartellsenat in Düsseldorf wäre.
45
46
Wenn der Senat dennoch über die wettbewerbsrecht-liche Vorfrage der Wirksamkeit
der Kündigung unter dem Gesichtspunkt von § 26 Abs. 2 GWB entscheidet, so stützt
er sich hierbei auf die Entscheidung des BGH vom 15.6.1959 (BGH Z 30, 186 f.) -
dem auch die herrschende Auffassung gefolgt ist (vgl. Lan-gen, Kommentar zum
Kartellgesetz, § 96 Rdnr. 5) - wonach eine Aussetzung nicht in Betracht kommt, wenn
das Prozeßgericht jeden Zweifel an der rich-tigen Beantwortung der
Kartellrechtsfrage für aus-geschlossen hält.
47
48
4.
49
50
Diese letztere Voraussetzung ist nach Auffassung des Senats vorliegend gegeben.
51
52
Die von der Beklagten mit Schreiben vom 12.1.1990 ausgesprochene Kündigung
zum 31.1.1991, gestützt auf § 12 Ziff. 2 des zwischen den Parteien ge-schlossenen
Vertrag, ist wirksam.
53
54
a)
55
56
Die Beklagte hat von ihrem ordentlichen Kündi-gungsrecht gemäß § 12 Ziffer 2 des
Vertrages Ge-brauch gemacht.
57
58
Die Ausübung des vertraglich begründeten Rechts zur ordentliche Kündigung bedarf
grundsätzlich keiner besonderen sachlichen Rechtfertigung. Ihre Grenzen werden
bestimmt durch das Verbot sitten-widrigen Handelns und durch das Schikaneverbot
(vgl. Brüggemann in GroßKomm. HGB, 3. Aufl., 1967, § 89 Anm. 2; Ulmer, Festschrift
für Möhring, 1975, Seite 295, 316). Im übrigen muß sie als dem Par-teiwillen
unterliegender Gestaltungsakt, wie die den Vertrag begründende Erklärung, deren
rechtli-ches Gegenstück sie ist, von Beschränkungen frei sein (dazu auch: v.
Westphalen, NJW 1982, 2465, 269 ff.; Ulmer Der Vertragshändler 1969, 459, 460 ff.;
ders. in Festschrift für Möhring, Seite 295, 316 ff.). Trotz der langen und auch
erfolgreichen Zusammenarbeit der Parteien und der Ausrichtung des Betriebs der
Klägerin auf die von der Beklag-ten vertriebenen Fahrzeuge war diese deshalb nicht
gehindert, das Vertragsverhältnis zu kündigen.
59
60
b)
61
62
Die von der Beklagten mit Schreiben vom 12. Janu-ar 1990 ausgesprochene
Kündigung enthält keinen Verstoß gegen § 26 Abs. 2 GWB.
63
64
Hiernach dürfen unter anderem marktbeherrschende Unternehmen ein anderes
Unternehmen in einem Ge-schäftsverkehr, der gleichartigen Unternehmen üb-
licherweise zugänglich ist, weder unmittelbar noch mittelbar unbillig behindern oder
gegenüber gleichartigen Unternehmen ohne sachlich gerecht-fertigten Grund
unmittelbar oder mittelbar unter-schiedlich behandeln. Dies gilt auch für Unterneh-
men und Vereinigungen von Unternehmen, soweit von ihnen kleine oder mittlere
Unternehmen als Anbie-ter oder Nachfrage einer bestimmten Art von Waren oder
gewerblichen Leistung in der Weise abhängig sind, daß ausreichende und
zumutbare Möglichkei-ten, auf andere Unternehmen auszuweichen, nicht bestehen.
65
66
Ein Kraftfahrzeug-Vertragshändler mit Ausschließ-lichkeitsbindung ist von dem
Automobilhersteller regelmäßig unternehmensbedingt abhängig, wenn sein
Geschäftsbetrieb so stark auf die Produkte des Herstellers ausgerichtet ist, daß er nur
unter In-kaufnahme erheblicher Wettbewerbsnachteile auf die Vertretung eines
anderen Herstellers überwechseln könnte (Urteil des BGH vom 23. Februar 1988 in
WuW 9/1988, Seite 793, BGH Nr. 2491).
67
68
Das Schließt indessen eine Kündigung nicht aus.
69
70
Ebenso, wie ein anerkanntes Interesse des Herstel-lers besteht, den Absatz seiner
Ware unter Aus-schluß Dritter selbst zu übernehmen, muß dies auch für die Auswahl
seiner Vertragshändler gelten. Der damit verbundene Ablauf bestehender
Lieferbezie-hung ist nur dann unbillig, wenn dem bisher belie-ferten Händler keine
angemessene Umstellungsfrist eingeräumt wird. Die auch dem Normadressaten des
§ 26 Abs. 2 GWB grundsätzlich zustehende Gestal-tungsfreiheit hinsichtlich seines
Absatzsystems gilt vorrangig für die Grundentscheidung eines Herstellers, den
Absatz seiner Ware oder seiner Leistung entweder durch Einschaltung selbständiger
Handelsunternehmer als Eigenhändler oder unterneh-menseigener Vertriebsstellen
abzuwickeln. Der Ab-bruch bestehender Lieferbeziehungen ist nur dann unbillig bzw.
sachlich ungerechtfertigt, wenn dem bisher belieferten Händler keine angemessene
Um-stellungsfrist gewährt wird. Ein darüber hinaus gehender Bestandsschutz für
bisher belieferte Händler besteht auch nach § 26 Abs. 2 GWB nicht. Von Bedeutung
ist, ob unter Abwägung der Interes-sen zwischen Behinderer und Behinderten
letzteren unzumutbare Nachteile zugefügt werden (Benisch in Müller-Henneberg-
Schwarz, § 26 Rdnr. 32 m.w.N.). Grundsätzlich ist auch dem unter § 26 Abs. 2 GWB
fallenden Unternehmen zuzubilligen, daß es sein Absatzsystem nach eigenem
Ermessen so gestalten kann, wie es dies für richtig und wirtschaftlich sinnvoll hält.
Die Bestimmung des § 26 Abs. 2 GWB läßt die Gestaltungsfreiheit eines Herstellers
bzw. Importeurs bezüglich seines Absatzsystems grundsätzlich unangetastet und er
darf auch ohne Angabe von Gründen eine ordentliche Kündigung aus-sprechen,
wenn dies vereinbart ist und hierdurch keine unbillige oder sachlich ungerechtfertigte
Benachteiligung des Händlers eintritt und außer-verhältnismäßig starke Wirkungen
ausgelöst werden, z.B. der Verlust oder die Gefährdung der Existenz-grundlage des
Händlers. Derartige Wirkungen können durch ein besonders schützenswertes
Interesse des Behindernden kompensiert werden.
71
72
Die von den Parteien in § 12 Ziff. 2 des Händ-lervertrages vereinbarte
Kündigungsfrist von 12 Monaten entspricht der zwingenden Anordnung der
Mindestkündigungsfrist in Art. 5 Abs. 2 Ziff. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 123/85 der
Kommission vom 12. Dezember 1984 über die Anwendung von Art. 85 Abs. 3 des
Vertrages auf Gruppen von Ver-triebs- und Kundendienstvereinbarungen über Kraft-
fahrzeuge. Diese Anordnung ist im Hinblick auf die unternehmerischen
Schutzinteressen getroffen worden, die sich aus der typischen Abhängigkeit des
Automobil-Vertragshändlers von seinem Automo-bilhersteller ergeben. Für eine
abweichende Inter-essenabwägung, die zu dem Ergebnis käme, daß die
Mindestkündigungsfrist von 12 Monaten aufgrund be-sonderer schutzwürdiger
Belange des Vertragshänd-lers gleichwohl unangemessen kurz bemessen ist, bliebe
sodann nur Raum, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, daß im Einzelfall ein über
die typische Abhängigkeit des Vertragshändlers vom Automobil-hersteller
hinausgehendes Machtungleichgewicht der Vertragsparteien gegeben ist (OLG
Düsseldorf, WuW 6/1990, OLG 4458). Die Zielsetzung der Bestimmung des § 26 Abs.
2 GWB, den Wettbewerb zu schützen, würde in ihr Gegenteil verkehrt, wenn es
73
möglich wäre, damit die ordentliche Kündigung einer Ver-tragshändlerbeziehung
anzugreifen. Wenn ein markt-beherrschendes oder marktstarkes Unternehmen kei-
nen Händlervertrag ohne sachlich gerechtfertigten Grund beenden dürfte, wäre es in
diesen Fällen unmöglich, einen Vertragshändler durch einen an-deren zu ersetzen.
Der Händlervertrag wäre damit praktisch unkündbar und dies würde dem Wettbewerb
unter den Vertragshändlern nicht dienen, sondern im Gegenteil ihn behindern (OLG
Stuttgart WuW 12/1982, OLG 2708).
74
Vorliegend ist nicht erkennbar, daß die Abhängig-keit der Klägerin als
Vertragshändler der Beklag-ten die typische Abhängigkeit eines Automobil-Ver-
tragshändlers gegenüber den ihn belieferten Auto-hersteller übersteigt.
75
76
Die von der Klägerin dargelegten Einkommenseinbu-ßen sind eine zwangsläufige
Folge des Händlerver-trages, der allgemein zu einer Abhängigkeit des Händlers vom
Hersteller führt.
77
78
Aus den von der Klägerin überreichten Unterlagen geht hervor, daß es im Jahre 1992
zu einem erheb-lichen Umsatzrückgang gekommen ist.
79
80
Das von der Klägerin vorgelegte Zahlenmaterial - dessen Richtigkeit unterstellt - gibt
aber kei-nen Anhalt für die Annahme eines existenzgefähr-denden Rückgangs ihrer
Einnahmen.
81
82
Das von der Klägerin geführte Unternehmen beruht auf dem Neuwagenverkauf und
dem Werkstattbetrieb. Wenn auch das zahlenmäßige Übergewicht aus beiden
Betriebszweigen offenkundig beim Neuwagenverkauf lag, so sind die Einnahmen
aus dem Reparaturbe-trieb demgegenüber keineswegs von nur untergeord-neter
Bedeutung.
83
84
Die Reparaturerlöse für Fremdfahrzeuge lagen 1987 bei 448.617,11 DM, 1988 bei
319.366,42 DM, 1989 bei 291.052,36 DM, 1990 bei 225.851,42 DM und 1991 bei
281.771,15 DM. Die Reparaturerlöse für T.-Fahrzeuge lagen 1987 bei 463.337,75
DM, 1988 bei 528.303,42 DM, 1989 bei 507.894,50 DM, 1990 bei 577.380,11 DM
und 1991 bei 850.758,07 DM.
85
86
Der Erlös für den Verkauf von T.-Neufahrzeugen beziffert sich nach den Angaben der
Klägerin wie folgt: 1987 in Höhe von 3.475.996,79 DM, 1988 von 2.231.647,46 DM,
87
1989 von 2.446.284,74 DM, 1990 von 2.476.543,51 DM. Im Jahre 1991 kam es zu
einem erheblichen Rückgang.
88
Aus diesem Vergleich der Umsätze zwischen Repara-tureinnahmen und Verkauf
zeigt sich die erhebliche Bedeutung des Werktstattbetriebes für die Existenz der
Klägerin. Der Anteil von Fremdfahrzeugen bei den Reparaturen ist erheblich und die
Klägerin ist durch die Kündigung des Vertrags nicht an der weiteren Fortführung des
Werkstattbetriebs gehin-dert, auch soweit es T.-Fahrzeuge betrifft. Nach ihrem
eigenen Vortrag (Bl. 674 d. GA) geht aus den von ihr vorgelegten Unterlagen hervor,
daß es ihr möglich war, die Umsatzeinbußen im Verkauf durch verstärkte
Werstattleistungen zumindest teilweise im jahre 1992 aufzufangen. Die Klägerin muß
von dieser Möglichkeit einer Umstruktuierung ihres Be-triebs dahingehend, daß sie
das Schwergewicht we-niger auf den Verkauf als auf Werkstattleistungen legt,
Gebrauch machen. Dies ist, ausgehend vom eigenen Vortrag der Klägerin, auch
offensichtlich geschehen. Wenn hierdurch auch die durch den Fort-fall des
Händlervertrags entstehenden Einkommens-verluste aus dem Verkauf von
Neufahrzeugen nicht vollständig aufgefangen werden können, so besteht jedoch
zumindest bei der Klägerin nicht die Gefahr eines Existenzverlustes.
Mindereinnahmen muß sie Klägerin in Kauf nehmen. Der zwischen den Partei-en
geschlossene Händlervertrag, insbesondere § 12, hat keine Bestandsgarantie für die
Fortdauer der Einnahmen aus dem Neuwagenverkauf.
89
90
Ebensowenig läßt der weitere Vortrag der Klägerin im Anschluß an den
Auflagenbeschluß des Senats vom 28. Januar 1993 eine über die typische
Abhängig-keit eines Automobil-Vertragshändlers vom Automo-bilhersteller
bestehendes Abhängigkeitsverhältnis erkennen. Insbesondere hat die Klägerin nicht
dargetan, unerträglichen Belastungen ausgesetzt zu sein durch Tilgungen von im
Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit für T. aufgenommenen Darlehen. Die Klägerin hat
hierzu selbst vorgetragen (Bl. 578 d. GA), den Händlervertrag mit der Beklagten erst
nach dem Ankauf des neuen Betriebes abgeschlossen zu haben, so daß ihre
Investitionen hinsichtlich des Betriebsgrundstückes und des Betriebes nicht
vollständig verloren seien (Bl. 578 d. GA). Eine Änderung von Firmenfarben,
Gestaltung der Ver-kaufsaustellung und Aufmachung der Werkstatt, muß die Klägerin
hinnehmen. Hierbei handelt es sich um übliche Nachteile, die mit jeder Beendigung
eines Händlervertrages verbunden sind und insoweit wurde der Klägerin durch die
Einräumung der Kündigungs-frist ausreichend Möglichkeit zur Umgestaltung und
Änderung gegeben.
91
92
Hinsichtlich der weiteren Auflage des Senats an die Klägerin, darzutun, welche
Bemühungen sie im einzelnen unternommen hat, um die von ihr behaup-teten
Umsatzeinbußen durch anderweitige betriebli-che Einnahmen auszugleichen, fehlt
es, abgesehen von ihren Ausführungen zur Umsatzsteigerung im Werkstattbetreib, an
einem substantiierten Vor-trag, insbesondere zur Übernahme einer anderen
Automarke. Ihre im Schriftsatz vom 11. März 1993 (Bl. 673 f. d. GA) hervorgehobenen
Bemühungen rei-chen nicht und lassen insbesondere nicht erkennen, daß sich die
93
Klägerin ernsthaft und intensiv um einen Nachfolge-Partner bemüht hat oder ihr
Unter-nehmen anderweitig sinnvoll umgestellt hat.
94
Zusammenfassend ist damit festzustellen, daß die Klägerin zwar erhebliche
Umsatzeinbußen als zwangsläufige Folge der Kündigung des Händlerver-trages
erlitten hat, diese aber nicht existensge-fährdend sind, so daß sich eine Kündigung
(auch aus den Grundsätzen von Treu und Glauben, § 242 BGB) verbieten würde.
95
96
5.
97
98
Aus diesen Erwägungen kann in der Bestimmung des § 12 des zwischen den
Parteien geschlossenen Händlervertrages auch kein Verstoß gegen die §§ 9, 24
AGBB gesehen werden.
99
100
Es bedarf auch hierbei einer beiderseitigen Inte-ressenabwägung und das Interesse
des Herstellers an einer zeitlich angemessenen Kündigung ist eben-so
schützenswert. Unabhängig von der Möglichkeit einer fristlosen Kündigung, die nur
bei Vorliegen schwerwiegender Gründe zulässig ist, muß dem Her-steller die
Möglichkeit eingeräumt werden, sich innerhalb einer angemessenen Frist vom
Vertrag zu lösen. Eine Kündigungsfrist von einem Jahre ist für die Umgestaltung des
Betriebes mit Rücksicht auf den Fortfall einer bestimmten Automarke für den Händler
in aller Regel ausreichend und kann nur dann als zu kurz angesehen werden, wenn
die Abhängigkeit des Vertragshändlers über die typi-sche Abhängigkeit vom
Hersteller hinaus geht. Dies ist, wie dargetan, vorliegend nicht der Fall.
101
102
Die Berufung der Klägerin war damit der Kostenfol-ge aus § 97 Abs. 1 ZPO
zurückzuweisen.
103
104
Streitwert für das Berufungsverfahren: 100.000,00 DM.
105