Urteil des OLG Köln vom 19.03.2003

OLG Köln: vernehmung von zeugen, pfändung, gespräch, barauszahlung, sicherheitsleistung, girovertrag, leiter, verfügung, anweisung, anhörung

Oberlandesgericht Köln, 13 U 14/02
Datum:
19.03.2003
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
13. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 U 14/02
Vorinstanz:
Landgericht Aachen, 11 O 18/01
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 11. Zivilkammer des
Landgerichts Aachen vom 10. Oktober 2001 - 11 O 18/01 - wird
zurückgewiesen.
Der Kläger hat auch die Kosten der Berufung zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung
gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des gegen ihn
vollstreckbaren Kostenbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte
zuvor Sicherheit in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages
leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
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Der Kläger, ein Unternehmensberater, nimmt die beklagte Sparkasse auf
Schadensersatz in Anspruch, weil ihm am 30.10.1998 (einem Freitag) am Spätschalter
der Hauptgeschäftsstelle der Beklagten im Hinblick auf vorliegende Pfändungen
geringen Umfangs (insgesamt 873,50 DM) die Auszahlung von 4.000,00 DM verweigert
wurde, obwohl sein Girokonto ein aktuelles Guthaben von 9.916,68 DM aufwies. Weil er
deshalb eine am Sonnabend fällige Sicherheitsleistung (in bar) nicht habe erbringen
können, sei ihm ein Beraterhonorar in Höhe von 50.000,00 DM entgangen.
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Zum damaligen Zeitpunkt war das Konto des Klägers mit drei Pfändungsverfügungen
belastet, nämlich der Kreiskasse des Rheinisch-Bergischen Kreises vom 1.10.1998
über 410,20 DM (diese Pfändung hatte jene Behörde auf Veranlassung des Klägers mit
Schreiben vom 9.10.1998 an die Beklagte vorläufig ausgesetzt), der Stadtkasse der
Stadt A. vom 21.10.1998 über 261,20 DM und der Stadtkasse L. vom 22.10.1998 über
202,10 DM. Die Beklagte hatte das Konto des Klägers wegen dieser Pfändungen in die
manuelle Disposition genommen, so dass der Kläger Barabhebungen von seinem
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Konto an anderen als der kontoführenden Geschäftstelle (in H.) nur nach Freigabe durch
den Kontoführer vornehmen konnte, der auch individuell darüber zu entscheiden hatte,
ob die Möglichkeit zu Abhebungen am Geldautomaten (mit einem Tageslimit von
1.000,00 DM - so die erstinstanzliche Angabe der Beklagten - oder, wie in zweiter
Instanz angegeben, 2.000,00 DM) erhalten blieb.
Am Vormittag des 30.10.1998 rief der Kläger die Zeugin M. von der Rechtsabteilung der
Beklagten wegen der Pfändungen an und erhielt dort - die Einzelheiten des Gesprächs
sind streitig - die Auskunft, dass er während der allgemeinen Geschäftszeiten weiterhin
bei jeder Geschäftsstelle der Beklagten über sein die Pfändungen übersteigendes
Guthaben verfügen könne. Nachdem der Kläger um 16:39 Uhr am EC-Geldautomaten
der Filiale K.straße in A. 500,00 DM ausgezahlt erhalten hatte, begab er sich zum
Spätschalter der Hauptstelle der Beklagten, wo ihm wegen des Sperrvermerks im
Hinblick auf die vorliegenden Pfändungen die von ihm gewünschte Barauszahlung von
4.000,00 DM verweigert wurde. Am darauffolgenden Montag, dem 2.11.1998, erhielt der
Kläger ohne Beanstandung den dann nur noch gewünschten Betrag von 3.000,00 DM
ausgezahlt.
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Mit Urteil vom 10.10.2001, auf das wegen näherer Einzelheiten des erstinstanzlichen
Sach- und Streitstandes und seiner rechtlichen Beurteilung durch die Zivilkammer
verwiesen wird, hat das Landgericht die Klage als unbegründet abgewiesen. Die
Beklagte sei berechtigt gewesen, im Hinblick auf die von ihr zu beachtenden
Pfändungen Verfügungen des Klägers über sein Konto von der manuellen Disponierung
durch den Kontoführer abhängig zu machen und habe auch keinen Anlass gehabt, den
Kläger eigens darauf hinzuweisen, dass er deshalb den (freitags bis 18 Uhr geöffneten)
Spätschalter der Hauptstelle nicht nutzen könne.
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Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Er meint, angesichts seines
lediglich durch die Höhe der ausgebrachten Pfändungen eingeschränkten
Zahlungsanspruchs, der sich aus dem mit dem Girovertrag verknüpften unregelmäßigen
Verwahrungsvertrag i.S.d. § 700 BGB ergebe, sei die Beklagte ohne entsprechende
Vereinbarung mit ihm nicht berechtigt gewesen, Abhebungen des freien Guthabens
eigens von einer Freigabe durch den Kontoführer abhängig zu machen. Er sei indessen
weder von seiner kontoführenden Geschäftsstelle noch von der Zeugin M. auf
Einschränkungen seiner Verfügungsmöglichkeiten über das pfändungsfreie Guthaben
aufgrund "manueller" Disponierung seines Kontos hingewiesen worden, obwohl er bei
dem Telefongespräch vom 30.10.1998 mit der Zeugin Milles zum Ausdruck gebracht
habe, dass er noch an diesem Tage 4.000,00 DM benötige, jedoch nicht mehr zu seiner
kontoführenden Geschäftsstelle in H. kommen könne.
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Der Kläger beantragt sinngemäß,
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unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an ihn
25.564,59 EUR nebst 6% Zinsen ab dem 16.09.1999 zu zahlen,
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hilfsweise, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils das Verfahren zur erneuten
Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurück zu verweisen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie behauptet, der Kläger sei entsprechend der bei der Beklagten üblichen
Handhabung telefonisch von dem Leiter der kontoführenden Geschäftsstelle über die
Pfändungen und die mit der Übernahme des Kontos in die manuelle Disposition
verbundenen Verfügungseinschränkungen unterrichtet worden. Die telefonische
Ankündigung des Klägers gegenüber der Zeugin M., um die Mittagszeit einen größeren
Geldbetrag abheben zu wollen, habe auch keinen Grund zu der Annahme gegeben,
dass der Kläger gehindert sein könnte, die normalen Geschäftszeiten (bis 16 Uhr)
einzuhalten, und sich auf die Nutzung des als besonderen Service nur an der
Hauptgeschäftsstelle Elisenbrunnen in Aachen freitags bis 18 Uhr geöffneten
Spätschalters verlegen würde.
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Wegen aller Einzelheiten des beiderseitigen Vorbringens in der Berufungsinstanz wird
auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
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Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung von Zeugen. Wegen des
Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 03.02.2003
Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Berufung des Klägers bleibt im Ergebnis erfolglos. Dass der Kläger gehindert war,
am 30.10.1998 außerhalb der normalen Geschäftszeiten, zu denen auch seine
kontoführende Geschäftsstelle geöffnet hatte, 4.000,00 DM von seinem Konto
abzuheben, ist eine von ihm hinzunehmende Folge der Kontopfändungen. Es lässt sich
auch nicht feststellen, dass die Beklagte etwa durch unterlassene oder fehlerhafte
Information des Klägers gegen ihre Pflichten aus dem Girovertrag oder aus dem damit
verbundenen unregelmäßigen Verwahrungsvertrag verstoßen hat.
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1. Die Beklagte war berechtigt, aufgrund der ausgebrachten Pfändungen das Konto
des Klägers aus der elektronisch-automatischen Disposition herauszunehmen und
in die sog. manuelle Disposition zu nehmen, um durch individuelle Kontrolle der
Kontobewegungen sicherzustellen, dass die Pfändungen beachtet wurden. Darin
liegt keine Beschränkung des Anspruchs des Klägers auf Auszahlung des den
arretierten Betrag übersteigenden Guthabens. Denn der Kläger war hierdurch in
keiner Weise gehindert, während der gewöhnlichen Geschäftszeiten seiner
kontoführenden Geschäftsstelle (in H.) dort oder auch bei anderen
Geschäftsstellen der Beklagten am Schalter die volle Auszahlung seines nicht der
Pfandverstrickung unterliegenden Guthabens zu erwirken. Bei Barauszahlungen
durch eine nicht kontoführende Stelle muss sichergestellt sein, dass die
Auszahlung in Ordnung geht (vgl. Senatsurteil vom 25.10.1995 - 13 U 28/95 -,
OLGR 1996, 106 = NJW-RR 1996, 619). Es stellt daher keinen
Organisationsmangel, sondern im Gegenteil ein Gebot ordnungsgemäßer
Organisation dar, dass die Beklagte bei vorliegenden Pfändungen das Konto in
die manuelle Disposition nimmt und so unter anderem sicherstellt, dass
Barauszahlungen durch eine nicht kontoführende Stelle nur nach Rückfrage bei
dem Disponenten der kontoführenden Geschäftsstelle erfolgen. Allein der
Kontoführer hat den Überblick darüber, ob etwa bereits vordisponierte
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Verfügungen des Kunden (wie Überweisungsaufträge oder Scheckeinreichungen)
vorliegen, die im Hinblick auf die Pfändungen einer Barauszahlung in der
gewünschten Höhe entgegenstehen oder Anlass zu zusätzlichen
Einschränkungen (wie die Sperre der Geldautomatennutzung) geben können. Die
Überführung des Kontos in die manuelle Disposition bedurfte daher keines
Einverständnisses des Klägers.
1. Die Beklagte hat auch nicht gegen die aus den girovertraglichen Schutzpflichten
abzuleitende unselbständige Nebenpflicht verstoßen, den Kläger unverzüglich
über die Kontopfändungen und die damit verbundenen Einschränkungen zu
informieren, um ihm - unabhängig von der Information durch den pfändenden
Gläubiger - die Möglichkeit zu geben, nachteilige Folgen der Pfändung durch
entsprechende Dispositionen abzuwenden. Der Kläger hat bei seiner Anhörung
vor dem Senat selbst eingeräumt, zum Teil schriftlich, zum Teil telefonisch von der
Beklagten erfahren zu haben, dass die in Rede stehenden Pfändungen in sein
Geschäftskonto vorlagen. Nach der - beispielhaft zu der ihr am 6.10.1998
zugestellten Pfändung vom 1.10.1998 über 410,20 DM - vorgelegten internen
Verfügung der Rechtsabteilung der Beklagten vom 6.10.1998 (Bl. 48/398 GA) führt
die Pfändung zu einer Anweisung an die kontoführende Geschäftsstelle (hier die
Geschäftsstelle H.), in der es unter anderem heißt:
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"Die Geschäftsverbindung ist über KIS-Abfragen 00 + 13 zu ermitteln. Sperren,
Bonitätsmerkmale und Online-Hinweistexte sind maximal in Pfändungshöhe
einzugeben (ggf. auch GAA-, S-Card, EC-Card- und Eurocard-Sperren sowie BTX).
Aufgrund gesetzlicher Bestimmungen sind wir verpflichtet, gegenüber dem
Pfändungsgläubiger eine Drittschuldnererklärung abzugeben. Der Kunde ist
aufzufordern, innerhalb von 10 Tagen die Aufhebung der Pfändung zu erwirken .......
Bei der Disposition der Konten ist die Pfändung unbedingt zu beachten, da wir dem
Gläubiger gegenüber ansonsten schadensersatzpflichtig sind!"
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Dafür, dass dies weisungsgemäß geschehen ist, spricht die Aussage des Zeugen G.,
der den damaligen Leiter der Geschäftsstelle H., den inzwischen verstorbenen Herrn H.,
im Rahmen der Bearbeitung des vom Kläger erhobenen Regressanspruchs hierzu
befragt hat ("Bei meiner Befragung des Herrn Helsen hat dieser deutlich gemacht, dass
Herr R. bei dem Telefonanruf durch Herrn H. relativ ungehalten reagiert habe. Herr R.
habe es nicht einsehen wollen, dass er über sein Konto trotz des relativ geringfügigen
Pfändungsbetrages ab sofort nur noch eingeschränkt verfügen konnte. Herr H. sagte mir,
er habe versucht, Herrn R. deutlich zu machen, dass er nichts daran ändern könne, dass
aufgrund der ausgebrachten Pfändungen das Konto fortan manuell disponiert werde.").
Auf eine telefonische Kontaktaufnahme zwischen dem Kläger und Herrn H. bereits
anlässlich der ersten Pfändung weisen auch die auf dem zum Verbleib in der
kontoführenden Geschäftsstelle bestimmten Exemplar der internen Verfügung vom
6.10.1998 notierten Telefonnummern des Klägers hin. Es besteht ferner kein Grund zu
der Annahme, dass der Geschäftsstellenleiter bei der fernmündlichen Unterrichtung des
Klägers anlässlich dieser und/oder der beiden weiteren Pfändungen etwa irreführend
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den Eindruck erweckt haben könnte, dass aufgrund der Pfändungen das Konto des
Klägers zur Gänze gesperrt sei (wie in dem der Entscheidung des OLG Rostock, OLGR
2002, 187 = BKR 2002, 329 = WM 2002, 1602 zugrundeliegenden Fall). In dem mit der
Zeugin M. geführten Telefonat vom 30.10.1998 ging es dem Kläger denn auch
erklärtermaßen darum, sicher zu stellen, dass er die 4.000,00 DM, die er an diesem
Tage abheben wollte, auch an einer anderen als seiner kontoführenden Geschäftsstelle
ausgezahlt erhielt ("Frau M. brachte in dem Gespräch mit mir zum Ausdruck, dass meine
zuständige Geschäftsstelle in H. sei. Daraufhin sagte ich Frau M., dass ich an diesem
30.10.1998 nicht mehr nach H. kommen könne, und von daher wollte ich von ihr wissen,
wo ich das Geld ausgezahlt bekommen könnte. Frau M. sagte mir, dass ich über den
genannten Betrag verfügen könnte und dass ich mir keine Sorgen zu machen brauchte,
dass ich den Betrag etwa nicht erhalten würde. Frau M. machte mich in diesem
Gespräch natürlich darauf aufmerksam, dass ich die 4.000,00 DM während der
Geschäftsstunden bei einer Geschäftsstelle abheben könne."). Dies spricht dafür, dass
der Kläger um die mit der manuellen Disposition seines Kontos verbundene
grundsätzliche Einschränkung wusste, größere Beträge nur bei oder in Absprache mit
seiner kontoführenden Geschäftsstelle abheben zu können. Da der Kläger in dem
Gespräch mit Frau M. erklärt hatte, "um" die oder "ab" der Mittagszeit den größeren
Betrag - ob er ihn mit 4.000,00 DM beziffert hat, kann dahinstehen - abheben zu wollen,
hatte die Zeugin M. keine erkennbare Veranlassung zu der Annahme, dass der Kläger -
zumal bei einer für ihn derart wichtigen und unaufschiebbaren Barauszahlung - die
allgemeine Öffnungszeit der Geschäftsstellen, auf die eigens hingewiesen wurde und
die ihm bekannt war, verstreichen und es auf die nur an der Hauptstelle in A.
bestehende Möglichkeit zur Nutzung eines Spätschalters ankommen lassen würde. Es
wäre Sache des Klägers gewesen, sich vorsorglich zu vergewissern, ob und unter
welchen Voraussetzungen die Abhebung auch noch dort möglich war. Die Zeugin M.
hätte dann in Absprache mit Herrn H. als Kontoführer eine betragsmäßig beschränkte
Freigabe veranlassen können. Der Kläger hat es sich daher selbst zuzuschreiben, dass
ihm am Abend des 30.10.1998 die von ihm gewünschte Auszahlung von 4.000,00 DM
verweigert wurde, weil nach Geschäftsschluss seiner kontoführenden Geschäftsstelle
nicht mehr abgeklärt werden konnte, ob die Auszahlung in Ordnung ging. Der ihm
obliegende Beweis einer haftungsbegründenden Pflichtverletzung der Beklagten ist ihm
jedenfalls nicht gelungen. Die Aussagen der Zeugen M. und O. sind insoweit
unergiebig, so dass es entbehrlich ist, auf sie näher einzugehen.
1. Nach alledem hat es bei dem angefochtenen Urteil zu verbleiben. Aus den
vorstehenden Ausführungen erhellt zugleich, dass die Rechtssache weder
grundsätzliche Bedeutung hat noch aus Gründen der Fortbildung des Rechts oder
der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung Anlass gibt, die Revision
zuzulassen (§ 543 Abs.2 ZPO n.F.). Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs.1
ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr.10,
711 ZPO.
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Streitwert der Berufung und Beschwer des Klägers durch dieses Urteil: 25.564,59 EUR.
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