Urteil des OLG Köln vom 25.10.2007
OLG Köln: markt, einstandspreis, anschluss, unternehmen, preisunterbietung, internet, wettbewerber, anbieter, muttergesellschaft, versicherung
Oberlandesgericht Köln, 6 W 158/07
Datum:
25.10.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 W 158/07
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 33 O 288/07
Schlagworte:
Gezielte Behinderung durch Preisunterbietung §§ 3, 4 Nr. 10 UWG
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 05.10.2007 gegen
den Beschluss der 33. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom
17.09.2007 - 33 O 288/07 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
B e g r ü n d u n g
1
Die gemäß §§ 567 Abs. 1 Nr. 2, 569 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige
sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den ihren Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Verfügung vom 17.08.2007 zurückweisenden Beschluss des Landgerichts
führt in der Sache nicht zum Erfolg. Die Voraussetzungen eines aus §§ 3, 4 Nr. 10 UWG
resultierenden Verfügungsanspruchs liegen nicht vor. Das mit ihrem erstmaligen
Marktzutritt am 17.07.2007 erfolgte und an Endkunden gerichtete Angebot der
Antragsgegnerin, nämlich ein DSL 2000-Flatrateanschluss ohne Mindestvertragslaufzeit
zum Preis von 14,99 €/Monat nebst einmaliger Bereitstellungsgebühr von 49,99 €, stellt
sich nicht als zur gezielten Verdrängung der Antragstellerin geeignete
wettbewerbsrechtlich unlautere Preisunterbietung dar.
2
1.
3
Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung sind eingedenk der Freiheit des
Unternehmers, im Rahmen der geltenden marktwirtschaftlich orientierten
Wirtschaftsordnung seine Preisgestaltung in eigener Verantwortung vorzunehmen, auch
Verkäufe unter dem Einstandspreis zulässig, sofern nicht besondere, die
wettbewerbsrechtliche Unzulässigkeit eines solches Verhaltens begründende
Umstände hinzutreten (vgl. BGH GRUR 1990, 371, 372 – Preiskampf m.w.N.; BGH
GRUR 1979, 321, 322 - Verkauf unter Einstandspreis I). An diesen zu § 1 UWG a.F.
entwickelten Grundsätzen ist auch unter Geltung des § 4 Nr. 10 UWG festzuhalten (vgl.
BGH GRUR 2006, 596, 597 – 10 % billiger). Zu den Umständen, die ausnahmsweise
zur Wettbewerbswidrigkeit von Verkäufen unter dem Einstandspreis führen können,
gehört namentlich die Zielsetzung, einen Wettbewerber aus dem Markt zu verdrängen
(vgl. BGH a.a.O. – Preiskampf; BGH a.a.O. - Verkauf unter Einstandspreis I). In die
gebotene Gesamtwürdigung des beanstandeten Verhaltens ist aber auch
einzubeziehen, ob die angegriffene Preiswerbung aus besonderem Anlass erfolgt, etwa
4
einzubeziehen, ob die angegriffene Preiswerbung aus besonderem Anlass erfolgt, etwa
zu einer Geschäftseinführung (vgl. BGH a.a.O. – Preiskampf; BGH GRUR 1990, 685,
686 – Anzeigenpreis I) oder ob der angegriffene Wettbewerber eine überlegene
Finanzkraft (vgl. BGH a.a.O. – Anzeigenpreis I; BGH GRUR 1985, 883, 885 –
Abwehrblatt I; BGH GRUR 1986, 397, 399 – Abwehrblatt II) bzw. eine starke
Marktstellung (vgl. BGH a.a.O. – 10 % billiger; BGH a.a.O. – Anzeigenpreis I) ausnutzt.
Nach Maßgabe dieser Kriterien lassen sich die Voraussetzungen einer das
wettbewerbsrechtliche Unwerturteil rechtfertigenden, nämlich in gezielter
Verdrängungsabsicht erfolgten Preisunterbietung nicht feststellen.
Es bestehen schon im Ausgangspunkt Zweifel, ob die Antragstellerin glaubhaft gemacht
hat, dass der von der Antragsgegnerin angebotene Monatspreis von 14,99 € für ihr
"Congstar Surfpaket", welches die reine Überlassung eines DSL 2000-Anschlusses
inklusive DSL-Flatrate ohne vertragliche Mindestbindung (und zuzüglich einmaliger
Bereitstellungskosten für den DSL-Anschluss von 49,99 €) zum Gegenstand hat, noch
unter dem Einstandspreis liegt. Zu bedenken ist nämlich, dass die Antragstellerin in die
Berechnung der angenommenen Selbstkosten der Antragsgegnerin unter anderem auf
ihrer eigenen Organisations- und Vertriebsstruktur beruhende Kosten
("Fakturierung/Kundenbetreuung"; "Marketing/Vertrieb") hat einfließen lassen, ohne
dass eine Vergleichbarkeit mit dem angegriffenen jungen Unternehmen ohne weiteres
ersichtlich und gerechtfertigt wäre. Hinzu kommen die schon von dem Landgericht
geäußerten Bedenken an der Richtigkeit der an eine bestimmte Verweildauer des
Kunden geknüpften Berechnung der Antragstellerin in Ansehung des Umstands, dass
das beworbene Produkt der Antragsgegnerin schwerlich zugleich "unschlagbar" günstig
sein kann – so die eigene Darstellung der Antragstellerin – und dennoch den Kunden
nur zu einer relativ kurzen Nutzung verführen soll. Durch die mit der Beschwerdeschrift
vorgelegte gutachterliche Stellungnahme von Prof. Dr. H sind diese Bedenken schon
deshalb nicht ausgeräumt, weil auch nach Bekundung des Sachverständigen zur
Grundlage einer zuverlässigen Beurteilung geeignete einschlägige
Kundenverhaltsstatistiken fehlen, wie die Kammer in ihrer Nichtabhilfeentscheidung
vom 16.10.2007 richtig angemerkt hat.
5
Letztlich kann indes offen bleiben, ob der angebotene Preis noch unter den
Selbstkosten der Antragsgegnerin bzw. dem Einstandspreis zurückbleibt. Dem
angegriffenen Preisangebot fehlt nämlich aufgrund der im Streitfall obwaltenden
Besonderheiten schon die objektive Eignung, die Antragstellerin ernsthaft behindern
und aus dem Wettbewerb drängen zu können.
6
Das Kräfteverhältnis der Parteien ist in Ansehung des erhobenen Unlauterkeitsvorwurfs
eher ungewöhnlich, nämlich umgekehrt als zu erwarten: Es steht außer Frage, dass die
Antragstellerin der Antragsgegnerin an Marktstärke weit überlegen ist. Die
Antragstellerin ist seit 1988 im Markt präsent und bezeichnet sich in ihren
Eigendarstellungen als zweitgrößter DSL-Anbieter auf dem deutschen Markt, auf dem
sie über einen Anteil von 14,5 % verfügt. Die Antragsgegnerin, eine 100 %ige Tochter
der U AG, ist demgegenüber ein absoluter Newcomer, der das angegriffene Angebot mit
seinem erstmaligen Marktauftreten am 17.07.2007 verbunden hat. Ausweislich der
eidesstattlichen Versicherung ihres Geschäftsführers M vom 30.08.2007 will die
Antragsgegnerin mit Stand zum 27.08.2007 über 6.000 Kunden und damit einen
Marktanteil von 0,03 % verfügt haben. Auch wenn nicht zu verkennen ist, dass hinter der
Antragsgegnerin ihre finanz- und marktstarke Muttergesellschaft steht, zeichnet sich
wegen der eklatanten Unterlegenheit der Antragsgegnerin als gerade erst am Markt
erschienenes Unternehmen gegenüber der Antragstellerin als dem immerhin
7
zweitstärksten DSL-Anbieter nicht die ernsthafte Gefahr einer Verdrängungsmöglichkeit
ab.
Auch der Aspekt, dass das beanstandete Angebot unmittelbar mit der Markteinführung
der Antragsgegnerin präsentiert wird, spricht gegen die Verdrängungseignung.
Unabhängig von der letztlich offenen Frage, wie lange sie überhaupt an dem Preis
festhalten wird, ist der Antragsgegnerin einzuräumen, dass es besonderer Maßnahmen
bedarf, um als neues Unternehmen auf dem senatsbekannt stark umkämpften Markt für
DSL-Leistungen den preisbewussten Verbraucher auf sich aufmerksam machen zu
können.
8
Überdies wendet die Antragsgegnerin zu Recht ein, dass die Verschiedenheit der
Produkte und Produktpaletten der Parteien zu ihren Gunsten zu berücksichtigen ist.
9
Unstreitig bietet die Antragstellerin gegenwärtig ausschließlich Paketlösungen an, bei
welchen das Angebot eines DSL-Anschlusses (inklusive Flatrate) mit mindestens einer
weiteren Leistung wie etwa der Internet-Telefonie (inklusive Flatrate) verbunden ist. Das
Geschäftsmodell der Antragsgegnerin beruht demgegenüber auf dem Einzelerwerb von
Leistungen (und ohne Mindestlaufzeit). Ein reiner DSL-Zugang mit Flatrate wie bei dem
beanstandeten "Congstar Surfpaket" ist bei der Antragstellerin nicht verfügbar. Aus
dieser Unterschiedlichkeit folgt zum einen, dass in die Preisgegenüberstellungen auch
weitere Komponenten einzubeziehen sind: allein unter Berücksichtigung der bei der
Antragsgegnerin für weitere 7,99 €/Monat zusätzlich erhältlichen Internet-Telefonflatrate
– und ohne Ansatz der den Endverbraucher treffenden und von den Parteien
unterschiedlich berechneten Kosten für Hardware-Bestandteile oder
Anschlussbereitstellung – beläuft sich der Endpreis der Antragsgegnerin bei DSL 2000
auf 22,98 € (14,99 € + 7,99 €), wohingegen die Antragstellerin für ihr entsprechendes
"Surf & Phone"-Angebot nur 19,99 € verlangt. In diesem Zusammenhang sind die
Ausführungen der Antragstellerin wenig überzeugend, dass die Mehrheit der
durchschnittlichen DSL-Kunden an der von ihr offerierten (Internettelefonie-)Flatrate
eigentlich überhaupt nicht interessiert sei. Ausweislich ihrer Beschwerdebegründung
hat sie ein von ihr in der Vergangenheit angebotenes isoliertes DSL-Anschluss-
Angebot, wie es dem angegriffenen entspricht, mangels kostendeckenden Absatzes
wieder vom Markt genommen. Mit dieser Einlassung verträgt es sich aber nicht, dass
auch die an die Stelle des vormaligen Angebots getretenen – offensichtlich
umsatzstarken – Paketlösungen wie "Surf & Phone" hinsichtlich der Komponente
Telefonflatrate aus Verbrauchersicht völlig unattraktiv sein sollen.
10
Zum anderen folgt aus der Verschiedenheit der von den Parteien angebotenen DSL-
Leistungen – Paketlösungen mit bis zu vier Bestandteilen einerseits und reiner DSL-
Flatrate-Anschluss andererseits – aber zugleich, dass unterschiedliche Käuferschichten
angesprochen werden. Damit fehlt dem Verhalten der Antragsgegnerin aber wiederum
die Eignung, die Antragstellerin aus dem Markt für DSL-Leistungen zu verdrängen.
11
2.
12
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
13
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 100.000 € festgesetzt.
14