Urteil des OLG Köln vom 15.10.1992

OLG Köln (unfall, kläger, parkplatz, wohnung, sache, nachweis, treffen, wagen, fahrzeug, nähe)

Oberlandesgericht Köln, 12 U 75/92
Datum:
15.10.1992
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
12. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
12 U 75/92
Normen:
UNFALL; VORGETÄUSCHT; ERHEBLICHE WAHRSCHEINLICHKEIT;
BEWEISLAST; STVG §§ 7; OLGR 93, 022;
Leitsätze:
1. Bei einem angeblichen Verkehrsunfall trägt der Kläger als
Geschädigter die Beweislast für das Zustandekommen eines Unfalles.
Gelingt dieser Nachweis, ist es Sache der Gegenseite zu beweisen, daß
ein Schadenersatzanspruch aufgrund einer Einwilligung nach vorheriger
Absprache ausscheidet.
2. Es bedarf keines lückenlosen Nachweises, daß ein abgesprochener
oder vorgetäuschter Unfall stattgefunden hat. Es reicht vielmehr aus, die
erhebliche Wahrscheinlichkeit einer Manipulation durch Aufzeigen einer
Vielzahl von Beweisanzeichen nachzuweisen, die aufgrund ihrer
ungewöhnlichen Häufung für einen verabredeten Unfall sprechen. In
besonders gelagerten Fällen greift ausnahmsweise ein
Anscheinsbeweis zugunsten des Anspruchsgegners ein.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
1
(ohne Tatbestand gemäß § 543 Abs. 1 ZPO)
2
Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg.
3
I.
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Dem Kläger steht gegen die Beklagten aus dem Geschehen vom 07.03.1989 kein
Anspruch auf Schadensersatz zu, denn die Haftungsvoraussetzungen der §§ 7 Abs. 1
StVG, 823 BGB i.V.m. § 3 Nr. 1 u. 2 PflVersG liegen mangels Unfallereignisses im
Sinne der genannten Vorschriften nicht vor. Für den Fall eines Geschehens, bei dem
der Verdacht eines gestellten Unfalles besteht, hat der BGH verschiedene von der
Rechtsprechung allgemein übernommene Grundsätze entwickelt, wie die
Beweislastverteilung vorzunehmen ist. Danach trägt der Kläger als Geschädigter die
Beweislast für das Zustandekommen eines Unfalles und damit den äußeren Tatbestand
einer Rechtsgutverletzung. Gelingt dieser Nachweis, ist es Sache der Gegenseite zu
beweisen, daß ein Schadensersatzanspruch aufgrund einer Einwilligung nach
vorheriger Absprache ausscheidet oder daß es sich infolge eines vorsätzlichen
Verhaltens um ein für den anderen Beteiligten unabwendbares Ereignis gehandelt hat.
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Dabei bedarf es keines lückenlosen Nachweises, daß ein abgesprochener oder
vorgetäuschter Unfall stattgefunden hat. Es reicht vielmehr aus, die erhebliche
Wahrscheinlichkeit einer Manipulation durch Aufzeigen einer Vielzahl von
Beweisanzeichen nachzuweisen, die aufgrund ihrer ungewöhnlichen Häufung für einen
verabredeten Unfall sprechen (BGHZ 71, 339 ff, KG in NZV 91, 73 f, OLG Karlsruhe in
VersR 88, 1287 f). In besonders gelagerten Fällen greift ausnahmsweise ein
Anscheinsbeweis zugunsten des Anspruchsgegners ein (BGH a.a.O., BGH VersR 79,
514 f).
Im vorliegenden Fall sprechen genügend Indizien für einen absprachegemäß
herbeigeführten vorsätzlichen Zusammenstoß, um eine entsprechende tatrichterliche
Überzeugung zu begründen. Dabei mögen einzelne dieser Anzeichen isoliert betrachtet
durchaus unverdächtig erscheinen oder ohne besonderes Gewicht sein. In ihrer
Gesamtheit zeichnen die verschiedenen Umstände jedoch ein derart klares Bild, daß
der Senat keinen vernünftigen Zweifel an einem verabredeten Unfall hat.
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Es ist davon auszugehen, daß die Beklagte zu 1) mit dem von ihr wenige Stunden zuvor
angemieteten Klein-LKW gegen 20.00 Uhr auf einen im Bereich der S./N. gelegenen
Parkplatz gegen den M. des Klägers gefahren ist. An diesem unstreitigen Ereignis fällt
bei der Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Umstände zunächst auf, daß es sich bei
dem schädigenden Fahrzeug, wie so oft bei gestellten Unfällen, um einen kurzfristig
angemieteten Wagen handelt, für den von der Beklagten zu 1) eine
Vollkaskoversicherung ohne jede Selbstbeteiligung abgeschlossen worden war. Durch
diese Vorgehensweise hatten die Beteiligten die Gefahr des Entstehens eigener
finanzieller Nachteile aufgrund des Unfalles ausgeschlossen. Die Beklagte zu 1) mußte
weder für Schäden an dem von ihr selbst gefahrenen Fahrzeug aufkommen, noch
bestand das Risiko, aufgrund eines selbstverschuldeten Unfalles zukünftig höhere
Versicherungsprämien für die Haftpflicht- oder Vollkaskoversicherung zahlen zu
müssen. Demgegenüber stand auf seiten des Klägers ein zweieinhalb Jahre alter M.
124, also eine noch relativ wertvolle Limousine, bei deren Beschädigung man mit hohen
Schadensersatzleistungen rechnen konnte. Durch die Anmietung eines Klein-LKW war
auch gewährleistet, daß die Beklagte zu 1) einerseits schon durch einen nicht allzu
heftigen Anstoß einen relativ großen Schaden verursachen und andererseits selbst
kaum Verletzungen davontragen konnte. In dieses Arrangement fügt sich ferner der
Umstand, daß das geschädigte Fahrzeug nicht in Fahrt war, sondern auf einem
Parkplatz stand und der Kläger sich nicht in dem Wagen aufhielt. Auch hierdurch war für
die Beklagte zu 1) die Gefahr von Verletzungen herabgesetzt und dieselbe Gefahr für
den Kläger völlig ausgeschlossen worden.
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Typische Merkmale für einen gestellten Unfall sind ferner der Ort und die Zeit des
Geschehens. Der Zusammenstoß fand nämlich bei Dunkelheit auf einem unbelebten
Parkplatz statt. Mit Rücksicht hierauf brauchten die Beteiligten nicht mit unerwünschten
Zeugen zu rechnen, die widrigenfalls im übrigen wegen der Dunkelheit kaum
verwertbare Angaben hätten machen können. Tatsächlich sind von den Parteien auch
keinerlei Zeugen zum Unfallhergang benannt worden. In das Bild von einem gestellten
Unfall paßt weiter die von der Beklagten zu 1) angegebene Unfallursache, nämlich eine
unerklärliche momentane Unaufmerksamkeit, auch wenn sich der Senat darüber im
klaren ist, daß Unaufmerksamkeit mit zu den häufigsten Unfallursachen zählt.
Festzuhalten bleibt immerhin, daß die Beklagte zu 1) keine andere plausible Erklärung
für den Unfall hat. Kennzeichnend für einen manipulierten Unfall ist desweiteren die
Tatsache, daß der beschädigte PKW des Klägers, wie dieser selbst ausdrücklich
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eingeräumt hat, mit billigsten Mitteln repariert worden ist, wobei noch nicht einmal eine
Reparaturkostenrechnung vorgelegt werden konnte, andererseits aber der reine
Fahrzeugschaden von knapp 10.000,00 DM auf Gutachtenbasis abgerechnet wurde.
Hieraus erhellt sich aus Sicht des Senates das Motiv für den vorgetäuschten Unfall. Da
man die Reparatur nur oberflächlich und ohne nennenswerten Kostenaufwand
durchführte, konnte nahezu der ganze Schadensersatzbetrag als Gewinn verbucht
werden. Immer wieder im Zusammenhang mit gestellten Unfällen ist festzustellen, daß
ein Vorschaden entdeckt wird, der nur notdürftig repariert worden ist. Dies trifft auch im
vorliegenden Fall zu. Der Vorschaden liegt ebenfalls im Heckbereich, also an der Stelle,
an der bei dem hier fraglichen Unfall der Hauptschaden aufgetreten ist. Hier hat der
Sachverständige den Vorschaden bemerkt und ihn pflichtgemäß in seinem Gutachten
erwähnt. Nicht zu folgen vermag der Senat dem Landgericht, soweit es meint, gegen
einen gestellten Unfall spreche, daß der Kläger den Vorschaden nicht verschwiegen
habe. Nachdem der Sachverständige den Vorschaden bemerkt und in sein Gutachten
aufgenommen hatte, konnte der Kläger nicht umhin, das Gutachten zu den Akten zu
reichen, da dieses wegen der Abrechnung auf Gutachtenbasis als Nachweis zur
Schadenshöhe herhalten mußte. Es kommt hinzu, daß weder ein plausibler Grund für
die Anmietung des LKW angegeben werden konnte, noch einleuchtend erklärt worden
ist, weshalb die beiden t. Unfallbeteiligten sich um diese Zeit zufällig im Bereich des
Unfallortes aufhielten. Die Beklagte zu 1) hat im Rahmen ihrer Parteivernehmung
angegeben, der LKW sei von ihr angemietet worden, um eine Sonnenbank von der
Wohnung ihres jetzigen Ehemannes in der Innenstadt von K. zu ihrer eigenen Wohnung
im Außenbereich von K. nach N. zu schaffen. Tatsächlich ist aber der Transport der
Sonnenbank weder am Unfallabend, noch überhaupt jemals danach durchgeführt
worden. Obwohl der gemietete LKW auch nach dem Unfall noch fahrbereit war, hat die
Beklagte zu 1) die Sonnenbank an diesem Abend nicht mehr abgeholt. Mag dies noch
verständlich sein, so bleibt jedenfalls völlig unerklärlich, weshalb die Beklagte zu 1) das
Gerät nicht am nächsten Tag vor der Rückgabe des LKW s noch zu ihrer Wohnung
gebracht hat, da doch der LKW angeblich nur zu diesem Zweck angemietet worden war.
Obwohl die Gelegenheit dazu bestand, hat auch die Beklagte zu 1) selbst nicht erklärt,
weshalb der Transport unterblieben ist. Zweifel daran, daß der LKW wegen der
beabsichtigten Beförderung der Sonnenbank gemietet wurde, bestehen auch deshalb,
weil die Beklagte zu 1) keinerlei Vorbereitungen für diesen Umzug getroffen hatte.
Alleine konnte sie die Sonnenbank nicht schleppen. Sie hatte aber offenbar weder mit
ihrem jetzigen Ehemann gesprochen, ob er ihr helfen könne, noch mit sonstigen Dritten.
Angeblich wollte sie aus einer Telefonzelle in der Nähe des Unfallortes einen Helfer
anrufen, von dem sie ihren Angaben zufolge nur den Vornamen wußte, nicht aber den
Nachnamen und die Anschrift. Ob dieser überhaupt erreichbar war oder Zeit für sie
hatte, war ebenfalls offen. Weiter leuchtet nicht ganz ein, weshalb die Beklagte zu 1) die
Sonnenbank nicht gleich nach der Übernahme des LKW abgeholt hat, sondern zuerst
noch mit dem LKW in die Innenstadt gefahren ist, um dort eine Tasse Kaffee zu trinken.
Schließlich ist nach dem nicht substantiiert bestrittenen Vortrag der Beklagten zu 2)
davon auszugehen, daß es in der Wohnung der Beklagten zu 1) keine Möglichkeit gab,
eine Sonnenbank unterzubringen. Hierfür spricht im übrigen, daß die Sonnenbank
tatsächlich auch später nicht in die fragliche Wohnung verbracht worden ist.
Genausowenig überzeugt die Erklärung der Beklagten zu 1), weshalb sie zu dem
Parkplatz an der Ecke S./N. gefahren sein will. Angeblich wollte sie von dort aus den
bereits erwähnten Bekannten anrufen, der ihr helfen sollte. Verfolgt man den Weg der
Beklagten zu 1) von der Anmietung des LKW in K.-E., also in Innenstadtnähe, über ihren
Zwischenaufenthalt in einem Lokal in der Innenstadt, welches sich übrigens in
unmittelbarer Nähe der Wohnung ihres jetzigen Ehemannes befand, aus der angeblich
die Sonnenbank abgeholt werden sollte, bis hin zu dem Parkplatz in K.-N., so muß man
sich fragen, was die Beklagte zu 1) tatsächlich dort wollte. Da sie vorher in der
Innenstadt war, hätte sie dort ausreichend Gelegenheit gehabt, den Bekannten
anzurufen. Sie befand sich zudem in unmittelbarer Nähe des Ortes, an dem sie
angeblich die Sonnenbank aufnehmen wollte. Es ist deshalb nicht nachvollziehbar, daß
die Beklagte zu 1) in den Außenbereich von K. gefahren sein will, um dort zu
telefonieren und sich anschließend wieder in die Innenstadt zurückzubegeben, wo
angeblich die Sonnenbank abgeholt werden mußte. Nicht in Einklang zu bringen mit der
Aussage der Beklagten zu 1) ist desweiteren, daß nach dem nicht bestrittenen Vortrag
der Beklagten zu 2) die nächste Telefonzelle weit mehr als 200 Meter von der
Unfallstelle entfernt liegt.
Auch der Kläger vermochte keine überzeugende Begründung dafür zu geben, aus
welchem Grund er an dem fraglichen Abend von Si. aus zu dem besagten Parkplatz
gefahren ist. Wie der Kläger bei seiner Anhörung durch den Senat erklärte, hatte er an
dem Abend vor, auf dem Parkplatz der F.werke in N. nach Schichtende bei F. mit einem
Bekannten zusammenzutreffen, um zu besprechen, ob dieser ihm einen F. billig
besorgen könne. Es wäre sicherlich zweckmäßig gewesen, diese Angelegenheit
zunächst telefonisch zur Sprache zu bringen, so wie es später tatsächlich dann auch
geschehen sein soll, als von Si. aus den weiten Weg nach N. zu fahren, um sich in der
Nacht zu treffen und die Sache persönlich zu erörtern. Ein Treffen war erst sinnvoll,
wenn der Bekannte einen Wagen an der Hand hatte, den der Kläger in dem Fall hätte
besichtigen können. Nicht nachvollziehbar ist ferner, weshalb der Kläger bereits vor
20.00 Uhr bei den F.werken eintraf, obwohl er nach seiner eigenen Erklärung in der
mündlichen Verhandlung den Landsmann erst erheblich später zu treffen beabsichtigte.
Daß der Kläger den Zeitpunkt des Treffens vergessen hat, nimmt der Senat ihm nicht ab.
Schließlich paßt zu dem Vorbringen des Klägers nicht, daß er nach dem Unfall nicht
abgewartet hat, bis sein Bekannter am angeblichen Treffpunkt erschien.
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Aus all den genannten Umständen läßt sich nur der Schluß ziehen, daß es sich um
einen gestellten Unfall gehandelt hat. Zwar ist nicht erwiesen, daß sich der Kläger und
die Beklagte zu 1) gekannt haben, aber auch ohne diesen Nachweis reichen die
Indizien aus, um eine Einwilligung des Klägers in das Schadensereignis anzunehmen.
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II.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit
auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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Streitwert in der Berufungsinstanz: 8.987,30 DM Beschwer für den Kläger: unter
60.000,01 DM
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