Urteil des OLG Köln vom 19.12.2002

OLG Köln: vergabe von aufträgen, verdunkelungsgefahr, firma, geschäftsführer, wahrscheinlichkeit, untersuchungshaft, haftbefehl, haftgrund, fluchtgefahr, freilassung

Oberlandesgericht Köln, 2 Ws 603/02
Datum:
19.12.2002
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
2. Strafsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 Ws 603/02
Schlagworte:
Untersuchungshaft, Verdunkelungsgefahr
Normen:
StPO § 112
Leitsätze:
Verdunkelungsgefahr kann sich auch daraus ergeben, dass die gesamte
Lebensführung auf systematische Verheimlichung, Täuschung, Drohung
und Gewaltanwendung ausgerichtet ist.
Tenor:
Die Beschwerde wird verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Be-
schwerdeführer auferlegt.
G r ü n d e :
1
I.
2
Der jetzt 63 Jahre alte Beschuldigte ist seit vielen Jahren alleiniger Geschäftsführer der
R.-S.-Abfallbewirtschaftungsgesellschaft mbH (RSAG) mit Sitz in S.. Bei dieser
Gesellschaft handelt es sich um eine kreiseigene Gesellschaft des R.-S.-K., die von
diesem mit der ansonsten hoheitlich durchzuführenden Aufgabe der Abfallwirtschaft
beauftragt worden ist.
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Der Beschuldigte ist am 18. Juli 2002 vorläufig festgenommen und am 19. Juli 2002
aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Bonn (51 Gs 876/02) vom selben Tag in
Untersuchungshaft genommen worden. Darin wird ihm zur Last gelegt, sich in den
Jahren 1999 bis 2001 wegen Bestechlichkeit im besonders schweren Fall nach §§ 332
Abs. 1, 3 Nr. 2, 335 StGB strafbar gemacht zu haben. Die Vorwürfe beziehen sich
darauf, dass der Beschuldigte in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der RSAG von
dem gesondert verfolgten H. T. über die lediglich als Domizilgesellschaft dienende
Firma S. AG mit Sitz in der Schweiz Zahlungen erhalten hat. Nach den damaligen
Erkenntnissen soll es sich um insgesamt 1,1 Mio. DM gehandelt haben. Im Gegenzug
soll der Beschuldigte sich bereit gezeigt haben, auch in Zukunft die der T.-Gruppe
zugehörigen Firmen im Entsorgungsbereich bevorzugt zu berücksichtigen.
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zugehörigen Firmen im Entsorgungsbereich bevorzugt zu berücksichtigen.
Nach Fortführung der Ermittlungen und nach Offenlegung weiterer Kontenverbindungen
des Beschuldigten in der Schweiz hat das Amtsgericht Bonn auf Antrag der
Staatsanwaltschaft die bestehende Haftanordnung durch Haftbefehl vom 4. Oktober
2002 (51 Gs 1165/02) erweitert und insgesamt neu gefasst. Danach soll der
Beschuldigte von T. über die S. AG Zahlungen über insgesamt ca. 4,15 Mio. DM (davon
1 Mio. DM bereits in 1998) erhalten haben, die er auf Konten der U. d. B. S. (UBS)
beziehungsweise der G. Kantonalbank (GKB) einzahlte. Darüber hinaus sollen weitere
Bargeldbeträge in Höhe von etwa 1 Mio. DM von dem gesondert verfolgten S. im
Auftrage des T. nach Deutschland verbracht und über diesen in bar an den
Beschuldigten M. übergeben worden sein. Die Zahlungen sollen im Zusammenhang mit
dem Abschluss jedenfalls zweier langfristiger und mit hohen jährlichen Umsätzen
verbundener Verträge - Vertrag über die Restmüllentsorgung vom 26. Januar 1998
sowie Verkauf und Betrieb der zuvor kreiseigenen Kompostwerke in S. A. vom 5.
November 1999 - gestanden haben. Wegen der Einzelheiten der Tatvorwürfe wird auf
den Inhalt des Haftbefehls Bezug genommen, der sowohl auf den Haftgrund der Flucht-
als auch der Verdunkelungsgefahr gestützt wird.
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Der Beschuldigte hat durch seine Verteidiger mit Schriftsatz vom 7. Oktober 2002
Beschwerde gegen den Haftbefehl eingelegt. Er räumt darin ein, von T. 3,15 Mio. DM -
nicht aber weitere Zahlungen - erhalten zu haben. Dabei habe es sich um Honorar für
Vermittler- und Beratertätigkeit, nicht jedoch um Bestechungsgelder gehandelt. Zudem
stellt der Beschuldigte das Vorliegen von Haftgründen in Abrede. Wegen der
Einzelheiten des Sachvortrags wird auf den Beschwerdeschriftsatz vom 7. Oktober 2002
Bezug genommen.
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Die 7. große Strafkammer des Landgerichts Bonn hat durch Beschluss vom 31. Oktober
2002 (37 Qs 113/02) die Beschwerde verworfen. Hiergegen richtet sich die mit
Verteidigerschriftsatz vom 7. November 2002 eingelegte weitere Beschwerde, auf deren
Inhalt Bezug genommen wird. Die Strafkammer hat dem Rechtsmittel durch Beschluss
vom 14. November 2002 nicht abgeholfen. Die Generalstaatsanwaltschaft hat die Akten
dem Senat mit Verfügung vom 27. November 2002 zusammen mit weiteren
zwischenzeitlichen Ermittlungen vorgelegt und unter dem 2. und 11. Dezember 2002
weitere Vorgänge übersandt. Der Verteidigung ist mit Zustimmung der
Staatsanwaltschaft vollständige Akteneinsicht gewährt worden. Sie hat mit Schriftsätzen
vom 13. und 14. Dezember 2002 abschließend Stellung genommen.
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II.
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Die gemäß §§ 304, 310 Abs. 1 StPO statthafte und auch im übrigen zulässige weitere
Beschwerde hat im Ergebnis keinen Erfolg. Es muss beim Bestand der Haftanordnung
und derzeit auch beim weiteren Vollzug der Untersuchungshaft verbleiben.
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1.
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Der Beschuldigte ist dringend verdächtig, in dem im Haftbefehl genannten Tatzeitraum
als Amtsträger (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 c StGB) von dem gesondert verfolgten H. T. unter
Einschaltung der Domizilgesellschaft S. AG in der Schweiz Millionenbeträge erhalten zu
haben (den übwiegenden Teil der Geldflüsse räumt er ein). Es besteht weiterhin der
dringende Verdacht, dass der Beschuldigte die Zahlungen aufgrund von mit T.
getroffenen Unrechtsvereinbarung(en) als Gegenleistung für die Berücksichtigung bzw.
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Bevorzugung von Firmen der T.-Gruppe bei der Vergabe von Aufträgen durch die RSAG
unter Verletzung seiner Dienstpflichten bzw. als Ermessensträger erhalten hat (§ 332
Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, 335 StGB). Der Senat teilt die Beurteilung und rechtliche Bewertung
der bisherigen Beweisergebnisse durch das Landgericht. Zur Vermeidung von
Wiederholungen wird daher zunächst auf die ausführliche Begründung in der
angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Das Vorbringen in der weiteren Beschwerde des Beschuldigten rechtfertigt sowohl im
tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht keine andere Beurteilung:
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Die Strafkammer hat dem Beschuldigten als Zahlungen des T. bzw. der T.-Gruppe
insgesamt 4.147818,47 DM (bei Addition der im Haftbefehl aufgeführten Beträge müsste
es richtigerweise heißen: 4.148.318,47 DM) zugerechnet. Dabei hat das Landgericht zu
Recht auch die Einzahlungen vom 13. April 1998 über 200.000,- DM und vom 26.
Oktober 1998 über 800.000,- DM auf das vom Beschuldigten zunächst nicht
aufgedeckte Konto bei der UBS berücksichtigt. Der Senat hält die Erklärung des
Beschuldigten für diese Geldflüsse, es habe sich dabei Provisionen aus früheren Jahren
gehandelt, für nicht glaubhaft. Der Beschuldigte hat die von ihm angeblich erbrachte,
einen derartig hohen Provisionsanspruch begründende Tätigkeit nicht nachvollziehbar
erläutern können. Es erscheint wenig lebensnah, dass er diese über einen Zeitraum von
ca. zwei Jahren unverzinst in einem Schließfach zur eventuellen Verwendung als
Schwarzgeld bei einem geplanten Bauprojekt aufbewahrt haben will. Der Beschuldigte
verfügte in der Schweiz über Gewinn bringende und den deutschen Steuerbehörden
nicht bekannten Anlagemöglichkeiten. Die Einzahlungen des Beschuldigten vom 13.
April 1998 über 200.000,- DM und vom 26. Oktober 1998 über 800.000,- DM auf sein
Schweizer Konto beruhen mit hoher Wahrscheinlichkeit auf zeitnahen Zuwendungen
des T.. Mit diesem hat sich der Beschuldigte - was die Beschwerde nicht ausdrücklich in
Abrede stellt - jeweils kurz vor den Einzahlungen in einem K. Hotel getroffen. Bislang
bestehende Unstimmigkeiten im Hinblick auf den Zeitpunkt der Zahlungen und die
Zahlungswege sind jedenfalls nicht so gewichtig, dass sie die Annahme des
dringenden Tatverdachts entkräften können.
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Es bestehen auch - jedenfalls für die Annahme des dringenden Tatverdachts
hinreichende - Anhaltspunkte dafür, dass die in konspirativer Weise verabredeten und
über Schweizer Konten abgewickelten Zahlungen im Zusammenhang mit der
dienstlichen Stellung und Funktion des Beschuldigten als alleiniger Geschäftsführer der
RSAG gestanden haben. In einem engen zeitlichen Zusammenhang, nämlich am 26.
Januar 1998 und am 5. November 1999 sind zwischen der RSAG und T.
zuzuordnenden Firmen langfristige und mit hohen jährlichen Umsätzen verbundene
Verträge abgeschlossen worden. Der Beschuldigte war in die Verhandlungen und
Vorbereitungen der Verträge als Geschäftsführer der RSAG unmittelbar eingebunden.
Er hat beispielsweise die Beschlussvorlagen der Aufsichtsgremien vorbereitet und sich
dabei von einer Firma "I. GmbH" "beraten" lassen. Deren stiller Gesellschafter war der
gesondert verfolgte T., ein Umstand, den der Beschuldigte offenbar dem Aufsichtsrat der
RSAG ebenso vorenthalten hat, wie den Umstand, dass hinter der ARGE UP/W.U.R.M.
GbR im Falle des Vertragsschlusses von 5. November 1999 T. stand. Entgegen der
Beschwerdebegründung ist aufgrund dieser Umstände sehr wohl von einer
Gegenleistungsvereinbarung im Sinne des § 332 Abs. 1 StGB auszugehen. Dies gilt
zumal deshalb, weil die vom Beschuldigten zur Erklärung der Einzahlungen auf das
Konto bei der GKB behaupteten Provisionsansprüche gegenüber T., wie oben gesagt,
nicht nachvollziehbar sind. Bezüglich des Verkaufs und des Betriebs der zuvor
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kreiseigenen Kompostwerke in S. A. an die ARGE UP/W.U.R.M. GbR im November
1999 liegt die Verletzung einer Dienstpflicht durch den Beschuldigten schon deshalb auf
der Hand, weil aufgrund einer Entscheidung der Geschäftsleitung der RSAG (Schreiben
der Firma I. vom 26. Juli 2002) auf die zuvor mehrfach mit der "Beraterfirma" diskutierte
Ausschreibung der vertraglichen Leistungen im Ergebnis zugunsten der ARGE
verzichtet worden ist. Was den Restmüllentsorgungsvertrag vom 26. Januar 1998 betrifft,
dessen Leistungen zuvor ausgeschrieben worden sind, gibt es ebenfalls Anhaltspunkte
dafür, dass bei pflichtgemäßem Handeln ein günstigerer Preis hätte erzielt werden
können. Hierzu bedarf es allerdings noch weiterer Ermittlungen, bei denen
insbesondere zu klären sein wird, aus welchen Gründen die Firma R. aus W. als
günstigste Bieterin bei der Auftragsvergabe leer ausgegangen ist.
Der Beschuldigte hat als alleiniger Geschäftsführer der RSAG als Amtsträger gemäß §
11 Abs. 1 Nr. 2 c StGB (in der zur Tatzeit geltenden Fassung durch das Gesetz zur
Bekämpfung der Korruption vom 13. August 1997) gehandelt. Die vom Senat in seiner
Entscheidung vom 2. September 2002 (2 Ws 409/02) in der Beschwerdesache Wienand
aufgeworfenen Bedenken hinsichtlich der Amtsträgereigenschaft des Geschäftsführers
des AVG GmbH treffen auf die Tätigkeit des Beschwerdeführers bei der zu 100 % vom
R.-S.-K. gehaltenen RSAG nicht zu.
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In rechtlicher Hinsicht dürfte im Hinblick auf die nach derzeitigem Ermittlungsstand in
Betracht kommenden unterschiedlichen Diensthandlungen (Auftragsvergaben) von
jeweils unabhängigen Unrechtsvereinbarungen und damit von selbständigen Taten im
Sinne von § 53 StGB auszugehen sein.
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2.
17
Es besteht der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 3 StPO.
Verdunkelungsgefahr nach dieser Vorschrift ist dann anzunehmen, wenn aufgrund
bestimmter Tatsachen das Verhalten des Beschuldigten den dringenden Verdacht
begründet, er werde in unlauterer Weise auf sachliche oder persönliche Beweismittel
einwirken, und wenn deswegen die Gefahr droht, dass die Ermittlung der Wahrheit
erschwert werde. Die Anordnung der Untersuchungshaft setzt voraus, dass mit großer
Wahrscheinlichkeit Verdunkelungshandlungen für den Fall zu erwarten sind, dass der
Beschuldigte nicht in Haft genommen wird; die bloße Möglichkeit, dass solche
Handlungen vorgenommen werden können, genügt nicht (vgl. Senat StV 92, 383; 97,
27; 97, 642; K.knecht/Meyer-Goßner , StPO 45. Aufl., § 112 Rn. 27; KK- Boujong § 112
Rn. 26). Dabei muss mit Wahrscheinlichkeit die konkrete Gefahr drohen, dass die Sache
auf Klärung auch noch in Zukunft erschwert werde (KK- Boujong § 112 Rn. 37).
Gemessen an diesen Maßstäben ist auch zum gegenwärtigen Verfahrensstand von
Verdunkelungsgefahr auszugehen.
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Der Beschuldigte war bei und nach Begehung der in Rede stehenden Taten in seiner
Lebensführung derart auf systematische Täuschung und Verheimlichung und
Täuschung ausgerichtet, dass bereits deshalb eine Verdunkelung nahe liegt. Er hat sich
nach außen hin als seriöser und den Anliegen seines kommunalen Arbeitgebers
verpflichteter Geschäftsführer präsentiert, zugleich aber intensiv und in großem Umfang
mit den Vertragspartnern der RSAG "zusammengearbeitet", ohne seine Verbindungen
und Verflechtungen dem Aufsichtsgremium zu offenbaren. Art und Ausmaß der
Interessenvertretung für T. erhellt beispielhaft die Aussage des Zeugen H. im Fall C..
Der Beschuldigte hat allein in dem hier betroffenen Tatzeitraum von zwei Jahren von T.
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in mehreren Tranchen unter verschleiernden Umständen Beträge von jeweils mehreren
Hunderttausend DM erhalten, die er - teils von ihm selber an Ort und Stelle abgeholt -
auf mehreren Konten in der Schweiz eingezahlt hat. Im laufenden Ermittlungsverfahren
hat er die Geldtransfers zunächst teilweise verschwiegen und lediglich eingeräumt,
insgesamt 2.050.000,--DM erhalten zu haben. Der Beschuldigte hat auch sein Konto bei
der UBS zunächst verschwiegen; er hat diese Kontenverbindung durch Schriftsatz
seiner Verteidiger vom 5. September 2002 erst zu einem Zeitpunkt offenbart, als die
UBS in Verbindung mit Rechnungen der S. AG den Ermittlungsbehörden bereits
bekannt war. Dem Beschuldigten musste dabei klar sein, dass er dieses Konto, das
zwischen 1994 und 1999 weitgehend ungeklärte Einzahlungen über insgesamt ca. 1,7
Mio. DM aufweist, nicht weiter verheimlichen konnte. Der Beschuldigte hat darüber
hinaus zu dem Verbleib von 500.000,--DM, welche er in bar in der Schweiz erhalten
hatte, eingestandenermaßen falsche Angaben gemacht. Er hat behauptet, dieses Geld
in Spielbanken verspielt zu haben. Dieses Einlassungsverhalten kann nicht mit der
psychischen Belastung des Ermittlungsverfahrens und der Haftsituation entschuldigt
werden. Es ist kennzeichnend für sein Bestreben, die tatsächlichen Sachverhalte zu
verschleiern, die Ermittlungen zu erschweren und sich Vorteile zu erhalten. Auch wenn
der Beschuldigte nicht verpflichtet ist, Angaben zur Sache zu machen oder sich
wahrheitsgemäß einzulassen, kann ein solches Einlassungsverhalten in Verbindung mit
sonstigem, auf systematisches Verheimlichen und Täuschen ausgerichtetem Verhalten
die Besorgnis begründen, dass es zu Verdunkelungshandlungen kommen wird, sofern
die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind (vgl. Senat StV 1999,37). Darüber
hinaus bestehen konkrete Anhaltspunkte dafür, dass es zwischen dem Beschuldigten
und T. eine verfahrensmäßige Absprache hinsichtlich der jeweiligen Einlassungen
gegeben hat. Die Angaben in dessen Vernehmung vom 18. Juli 2002 weisen auffällige
Übereinstimmungen mit den Bekundungen des Beschuldigten am 8. Juli 2002 vor dem
Haftrichter auf. So hat T. einerseits zwar von "Schmiergeldzahlungen" an M.
gesprochen, anderseits aber den Gesamtbetrag der Zahlungen mit 2.050.000,--DM
angeblich als Provisionen bestätigt. Der Beschuldigte hat sich mit T. bei einem Treffen
am 22. Januar 2002 offenbar auch über die Sicherung der an ihn geflossenen
Schmiergelder vor Entdeckung durch die Ermittlungsbehörden abgesprochen. Im
Terminkalender des T. findet sich unter dem 22. Januar 2002 der Eintrag "M. - UBS". Auf
diese Besprechung mit T. geht es zurück (vgl. Vermerk des OStA Apostel vom 27.
September 2002), dass der Beschuldigte vor dem Hintergrund der aufkommenden
Verdachtsmomente die Gelder von dem Konto der GKB im März 2002 - teilweise -
abgezogen hat. Dieser Vorgang lässt sich nicht als harmloses Gespräch über
Möglichkeiten von Geldanlagen abtun ; es ging- wie die übereinstimmenden
Einlassungen zeigen - um die Festlegung einer "Marschrichtung" für das Verfahren.
Absprachen zwischen den Beteiligten sind angesichts nach wie vor bestehender
Kontakte, die von anderen Beschuldigten in dem Verfahrenskomplex T. (vgl. die Angabe
des Geschäftsführers der Fa. I. Dr. H. gegenüber der Staatsanwaltschaft) nicht
geleugnet werden, nach wie vor für den Beschuldigten mit erheblichem Anreiz
verbunden. Der Sachverhalt ist trotz der umfangreichen weiteren Untersuchungen nach
der landgerichtlichen Beschwerdeentscheidung noch nicht ausermittelt. Es haben sich
Hinweise auf weitere Unrechtsvereinbarungen zwischen dem Beschuldigten und T. (im
Komplex C. H.-H. GmbH) ergeben. Es bislang nicht möglich gewesen, den ehemaligen
alleinigen Gesellschafter K. der Firma U.P. K. zu befragen. K., zu dessen Aufenthaltsort
widersprüchliche Informationen existieren und der von der Staatsanwaltschaft zur
Aufenthaltsermittlung ausgeschrieben worden ist, ist bei Zugrundelegung der
Einlassung des Beschuldigten eine Schlüsselfigur in dem Komplex
Kompostierungsanlagen. Der Zeuge hat seine Geschäftsanteile an der U.P. GmbH am
4. November 1999 zum Kaufpreis von 49,5 Mio. DM an die T. AG veräußert. Aus der
Vermittlung dieses Geschäfts will der Beschuldigte seine Provisionsansprüche
herleiten. Indes hat der Zeuge in seiner durch Rechtsanwalt G. übermittelten knappen
schriftlichen Äußerung vom 5. September 2002 nichts über nennenswerte
Vermittlungsbemühungen des Beschuldigten berichtet. Es liegt nahe, dass der
Beschuldigte versuchen würde, im Sinne seiner Einlassung auf das Aussageverhalten
dieses Zeugen Einfluss zu nehmen. Es dürfte für ihn erheblich einfacher sein, den
Kontakt zu dem Zeugen, dem er auch persönlich verbunden gewesen sein soll,
herzustellen, als für die Ermittlungsbehörden.
Der Vollzug des Haftbefehls kann derzeit nicht durch die Anordnung milderer
Maßnahmen im Sinne des § 116 Abs. 2 StPO ausgesetzt werden. Maßnahmen im
Sinne dieser Vorschrift sind angesichts der komplexen Fallgestaltung und der
Persönlichkeit des Beschuldigten nicht ausreichend, um den Zweck der
Untersuchungshaft zu gewährleisten. Der Senat vermag sich nicht die hinreichende
Gewissheit zu verschaffen, dass der Beschwerdeführer sich im Falle seiner Freilassung
an Kontaktverbote halten würde.
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3.
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Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts auch insoweit, als der Haftgrund der
Fluchtgefahr gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO nach dem gegenwärtigen Verfahrensstand
anzunehmen ist. Fluchtgefahr besteht, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen bei
Würdigung der Umstände des Einzelfalles eine höhere Wahrscheinlichkeit für die
Annahme spricht, der Beschuldigte werde sich dem Strafverfahren entziehen, als für die
Erwartung, er werde am Verfahren teilnehmen (vgl. Senat StV 91, 472; 94, 582; StV 97,
642; K.knecht/Meyer-Goßner, a.a.O. , § 112 Rn. 17; KK-Boujong § 112 Rn. 15). Von
einer solchen überwiegenden Wahrscheinlichkeit ist vorliegend auszugehen. Zur
Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf die zutreffenden Ausführungen in
der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen, die durch das
Beschwerdevorbringen nicht entkräftet werden. Zwar ist nicht zu verkennen, dass der
Lebensmittelpunkt des jetzt 63 Jahre alten Beschuldigte und seiner Familie seit Jahren
der Raum B./S. A./S. ist. Der Beschuldigte verfügt angesichts der massiven Vorwürfe,
die zur Kündigung des Geschäftsführervertrages mit der RSAG, zum Rückzug politische
Freunde und der Aufgabe von Ämtern geführt haben, nicht mehr über berufliche und
bedeutsamere gesellschaftliche Bindungen. Angesichts des von ihm teilweise
eingeräumten Finanzgebarens stehen gegebenenfalls erhebliche steuerliche
Forderungen gegen ihn im Raum. Es liegt daher nahe, dass er sich im Falle seiner
Freilassung andernorts einen neuen Lebensmittelpunkt suchen würde. Dies gilt zumal
deswegen, weil der Beschuldigte trotz seiner bislang strafrechtlichen Unbescholtenheit
angesichts der sich mehr und mehr konkretisierenden Tatvorwürfe mit der Verhängung
einer mehrjährigen Freiheitsstrafe zu rechnen hat. Der Senat geht davon aus, dass
Fluchtkapital zur Verfügung stehen würde. Die finanziellen Verhältnisse des
Beschuldigten sind ungeachtete der Bemühungen der Verteidigung undurchsichtig.
Zwar sind erhebliche Geldbeträge auf seinen Konten in der Schweiz sicher gestellt
worden und den zuletzt mitgeteilten Verbindungen nach Luxemburg wird man keine
Relevanz beimessen können. Es bestehen gleichwohl Anhaltspunkte dafür, dass der
Beschuldigte noch über weitere erhebliche Mittel verfügt, die er bisher nicht offenbart
hat. Bereits aus dem Vergleich der Summe der in der Schweiz beschlagnahmten Gelder
in Höhe von ca. 3,9 Mio. DM mit den Einzahlungen aus den Jahren 1998, 1999 in Höhe
von 4,17 Mio. DM ergibt sich eine Differenz von ca. 250.000,--DM, deren Verbleib
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ungeklärt ist. Eine insoweit bestehende Verbindung zu den ebenfalls beschlagnahmten
Guthaben des Beschuldigten bei der Raiffeisenbank S. A. ist nicht ersichtlich. Die
bisherigen Finanzermittlungen haben - so der Vermerk der Staatsanwaltschaft vom 9.
Dezember 2002 - zur Aufdeckung erheblicher Zuwendungen des Beschuldigten an
seine Söhne geführt. Der Beschuldigte ist außerdem am 1. Oktober 2001 als Halter
eines Mercedes-Benz der M-Klasse eingetragen worden; das Fahrzeug, welches über
eine Firma UP A. (Verantwortlicher u.a. der Zeuge K.) bezogen worden ist, ist von
seinem Sohn L. M. in bar (ca. 100.000,--DM) bezahlt worden. Die Herkunft sämtlicher
Mittel ist nicht geklärt. Entsprechende Abflüsse von Konten des Beschuldigten sind nicht
festgestellt worden. Fest steht, dass die Familie des Beschuldigten über ein
Appartement auf Mallorca (Anschaffungspreis 150.000,--DM) verfügt, welches zu
Fluchtzwecken genutzt oder veräußert werden könnte. Nach alledem ist die
Wahrscheinlichkeit, dass sich der Beschuldigte im Falle seiner Freilassung dem
Verfahren entziehen wird größer, als dass er sich dem Verfahren stellen wird. Allerdings
erscheint es nicht ausgeschlossen, dass die Fluchtgefahr durch geeignete Maßnahmen
im Sinne des § 116 Abs. 1 Nr. 1 StPO nachhaltig gemindert werden könnte, so dass
insoweit eine Außervollzugsetzung des Haftbefehls in Betracht kommen könnte. Nähere
Überlegungen dazu erübrigen sich derzeit angesichts des vom Senat bejahten
Haftgrundes der Verdunkelungsgefahr.
4.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 StPO.
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