Urteil des OLG Köln vom 08.10.2010

OLG Köln (kommentar, zpo, auszahlung, zustimmung, bestätigung, klageschrift, hauptschuld, rechtskraftwirkung, bürgschaft, mitwirkungspflicht)

Oberlandesgericht Köln, 11 U 129/10
Datum:
08.10.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
11. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
11 U 129/10
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 18 O455/09
Tenor:
I.
Der Senat weist darauf hin, dass er die Berufung des Beklagten für
begründet erach-tet.
Ein klagbarer Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf Zustimmung gegenüber
der Bürgin auf Auszahlung der Gewährleistungsbürgschaftsumme bestand nach
Auffassung des Senats nicht. Dieser ergab sich weder aus der Sicherungsabrede noch
aus dem Werkvertrag. Zwar können sich aus Vertragsverhältnissen nach §§ 241 Abs. 2,
242 BGB die Primärleistungspflichten ergänzende Mitwirkungs-und Sorgfaltspflichten
ergeben (z.B. Roth in Münchener Kommentar, BGB, 5. Aufl., § 241 Rdn. 38 ff.).
Selbstständige und klagbare Mitwirkungspflichten des Schuldners bestehen aber nur,
soweit seine Mitwirkung erforderlich ist, damit der tatsächliche Erfolg der Leistung eintritt
und der Gläubiger sie zu dem angestrebten Zweck verwenden kann (Roth a.a.O. Rdn.
64). Das trifft auf die von der Klägerin begehrte Freigabeerklärung der Hauptschuldnerin
gegenüber der Bürgin indes nicht zu. Der Bürgschaftsgläubiger kann den Bürgen
unmittelbar mit einer Leistungsklage in Anspruch nehmen; der Bürge hat im
Bürgenprozess seinerseits die Möglichkeit, dem Hauptschuldner den Streit zu
verkünden (§ 72 ZPO) mit entsprechender Bindungswirkung für den Rückgriff auf den
Hauptschuldner nach § 774 BGB. Eine Verurteilung des Hauptschuldners zur Freigabe
der Bürgschaft ist demgegenüber nicht geeignet, die Rechtsverhältnisse zwischen den
Beteiligten verbindlich zu klären. Zumindest zweifelhaft ist schon, ob durch ein solches
Urteil die Gewährleistungsverpflichtung des Hauptschuldners rechtskräftig festgestellt
würde. Jedenfalls könnte ein stattgebendes Urteil keine Rechtskraftwirkung gegenüber
dem Bürgen entfalten (Habersack in Münchener Kommentar § 768 Rdn. 11 m.w.N.).
Dieser wäre auch nicht an ein in der Freigabeerklärung möglicherweise liegendes
Anerkenntnis der Hauptschuld gebunden (Habersack a.a.O. § 767 Rdn. 12 m.w.N.).
Selbst wenn sich die Bürgin - wie die Klägerin in der Klageschrift ohne schriftliche
Bestätigung der Bürgin behauptet hat - für den Fall einer Zustimmung der Beklagten zur
Auszahlung der Bürgschaftssumme bereit erklärt haben mag, wäre eine Klage gegen
die Bürgin der zur Klärung der Rechtsverhältnisse einzig sinnvolle Weg gewesen. Aus
diesen Gründen fehlte es sowohl in materiellrechtlicher Hinsicht an einer klagbaren
1
Mitwirkungspflicht des Beklagten zur Freigabeerklärung als auch in prozessualer
Hinsicht an einem Rechtschutzinteresse für die Klage. Die von der Klägerin angeführte
Entscheidung BGH NJW 1998, 981 veranlasst keine abweichende Beurteilung. Der
BGH hat die dortige Klage aus anderen Gründen abgewiesen, ohne eine Verpflichtung
des Hautschuldners zu einer Freigabeerklärung zu erörtern.
II.
2
Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb
von zwei Wochen
dieses Beschlusses. Die Klägerin mag mitteilen, ob sie die Klage zurücknimmt. Für
diesen Fall wird die Beklagte bereits jetzt darüber belehrt, dass die Einwilligung zur
Klagerücknahme als erteilt gilt, wenn die Beklagte nicht innerhalb einer Notfrist von zwei
Wochen seit dem die Rücknahmeerklärung enthaltenden Schriftsatz widerspricht (§ 269
Abs. 2 S. 4 ZPO). Anderenfalls mögen die Parteien innerhalb der Frist mitteilen, ob sie
mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden sind.
3
Köln, den 8.10.2010
4
Oberlandesgericht, 11. Zivilsenat
5