Urteil des OLG Köln vom 04.04.2003

OLG Köln: verwechslungsgefahr, einstweilige verfügung, dreidimensionale marke, eugh, kennzeichnungskraft, ware, markt, markenschutz, gestaltung, erlass

Oberlandesgericht Köln, 6 U 192/02
Datum:
04.04.2003
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 U 192/02
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 33 O 325/02
Tenor:
1. Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 05.11.2002
verkündete Urteil der 33. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 33 O
325/02 - wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Antragsgegnerin.
3. Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig.
Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313
a Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V. mit § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO abgesehen.
E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E
1
Die in formeller Hinsicht einwandfreie und insgesamt zulässige Berufung der
Antragsgegnerin hat in der Sache keinen Erfolg.
2
Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht in dem angefochtenen Urteil die zuvor im
Wege des Beschlusses erlassene einstweilige Verfügung vom 28.08.2002 bestätigt, mit
welcher der Antragsgegnerin der Vertrieb der beanstandeten elektrischen Drei-
Scherkopf-Rasierapparate untersagt worden ist.
3
I.
4
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig. Insbesondere besteht
ein Verfügungsgrund.
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Es kann dahin stehen, ob die Dringlichkeitsvermutung des § 25 UWG auch in
Markensachen gilt (dagegen Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 8. Auflage,
Kap. 54 Rn. 19 ff; OLG Frankfurt GRUR 2002, 1096). Die Antragstellerinnen haben
jedenfalls die objektiv begründete Besorgnis glaubhaft gemacht, dass ohne vorläufige
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Regelung die Verwirklichung ihrer Markenrechte unzumutbar vereitelt oder wesentlich
erschwert würde, sofern die Antragsgegnerin mit den beanstandeten Drei-Scherkopf-
Rasierapparaten weiter auf dem deutschen Markt präsent ist, §§ 935, 940 ZPO.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist auch ohne
dringlichkeitsschädliches Zuwarten gestellt worden. Die Dringlichkeit eines Antrags auf
Erlass einer einstweiligen Verfügung geht verloren, wenn der Antragsteller trotz positiver
Kenntnis der Verletzungshandlung mit der Rechtsverfolgung zu lange wartet und/oder
das Verfahren nicht zügig betreibt. Denn wer in Kenntnis der maßgeblichen Umstände
und ihm fortdauernd drohender Nachteile ohne überzeugenden Grund längere Zeit
untätig geblieben ist und dadurch die Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs
objektiv verzögert, hat damit offenbart, dass es ihm mit dem erstrebten Verbot tatsächlich
nicht so eilig ist, als dass es ihm nicht zugemutet werden könnte, dieses im Wege eines
Hauptsacheverfahrens zu erwirken (Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl.,
§ 25 UWG Rn. 13 a mit zahlreichen Nachweisen zu stRspr und Schrifttum; Zöller-
Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 940 Rn. 4).
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Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Antragstellerinnen haben nicht schon
durch Umstände vor der unstreitig am 10.07.2002 erfolgten Einführung der Produkte der
Antragsgegnerin auf dem deutschen Markt positive Kenntnis von einer drohenden
Markenrechtsverletzung erlangt. Die Kenntnis von dem seit dem Jahr 2000 international
erfolgenden Internet-Auftritt der Antragsgegnerin mit den fraglichen Drei-Scherkopf-
Rasierapparaten ist unschädlich, weil hiermit keine Ankündigung eines Produktvertriebs
konkret in Deutschland, zu einem bestimmten Zeitpunkt und mit bestimmten Modellen
verbunden war. Die Antragsgegnerin verweist zwar zutreffend darauf, dass schon ab
Juni 2002 Veröffentlichungen in Printmedien erfolgten, welche auf ihre Drei-
Scherkopfrasierer Bezug nahmen. Diese als Anlage AG 17 vorgelegten Artikel, u.a. in
der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" und dem "Handelsblatt" vom 19.06.2002 sowie
der "Kölnischen Rundschau" vom 25.06.2002, befassten sich aber ausschließlich mit
dem von der britischen Tochtergesellschaft der Antragsgegnerin erstrittenen Urteil des
Europäischen Gerichtshofs vom 18.06.2002 - Rs. C-299/99 (= EuGH GRUR 2002, 804
ff) in Zusammenhang mit dem angestrebten europaweiten Vertrieb ihrer Produkte, ohne
einen konkreten Bezug zu einem unmittelbar bevorstehenden Vertrieb in Deutschland
und dort mit bestimmten Modellen herzustellen. Hinsichtlich der von der Antragstellerin
zu 2) veranstalteten "R." in D. am 25.06.2002 ist die von der Antragsgegnerin vorgelegte
eidesstattliche Versicherung des Zeugen D. (Anlage AG 18) nicht geeignet, die von den
Antragstellerinnen durch eidesstattliche Versicherung des Herrn B. (Anlage AST 26)
glaubhaft gemachte Behauptung zu widerlegen, dass die Produkte der Antragsgegnerin
auf der fraglichen Veranstaltung nicht zur Sprache gekommen waren. Anders als der
Zeuge B. war der Zeuge D. bei der "R." nicht persönlich anwesend, so dass seine
Erklärungen über Vermutungen hinaus keine konkreten Anhaltspunkte bieten, dass und
mit welchen Modellen von Rasierapparaten die Antragsgegnerin nunmehr in
Deutschland auftreten werde.
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Der Zeitablauf von der Markteinführung am 10.07.2002 bis zu dem am 16.08.2002
eingereichten Antrag im einstweiligen Verfügungsverfahren von 5 Wochen (plus 2
Tagen) ist auch unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls nicht
dringlichkeitsschädlich. Vor dem Hintergrund der nicht nur international, sondern auch
schon in Deutschland, hier in Form der Löschungsverfahren beim Deutschen Patent-
und Markenamt, geführten zahlreichen Verfahren der Parteien betreffend die
beanstandeten Rasierer, insbesondere nach der Entscheidung des EuGH vom
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18.06.2002, bestand für die Antragstellerinnen zwar durchaus Veranlassung, mit einer
Verletzungshandlung auch in Deutschland zu rechnen, wobei ihnen wegen des aus den
bereits anhängigen Verfahren bestens bekannten Prozessstoffs keine über das Übliche
hinausgehende Zeitspanne etwa zur Prüfung rechtlicher Probleme zuzubilligen ist.
Hingegen durften die Antragstellerinnen zuwarten, in welcher konkreten Form eine
Verletzungshandlung erfolgen würde (vgl. OLG Köln GRUR 1995, 520), hier also, mit
welchen Modellen eines Drei-Scherkopf-Rasierapparates die Antragsgegnerin in
Deutschland auftreten werde. Der Zeitpunkt, zu welchem es den Antragstellerinnen
erstmals gelungen ist, die fraglichen Modelle in Deutschland zu erwerben, nämlich am
26.07.2002 die Rasierer RS 2883 und RS 2843, fällt zusammen mit dem von den
Antragstellerinnen durch die als Anlagenkonvolut AST 13 vorgelegten eidesstattlichen
Versicherungen glaubhaft gemachten Zeitpunkt Ende Juli 2002, zu welchem ihre
Außendienstmitarbeiter bzw. der Produktmanager B. positive Kenntnis von einem
Vertrieb erlangt haben. Der sodann verbleibende Zeitablauf von 3 Wochen bis zur
Einreichung des Verfügungsantrags ist unter Berücksichtigung der
Unternehmensstruktur der Antragstellerinnen - wobei maßgeblich der Zeitpunkt der
Kenntniserlangung der Leitungsebene ist - und der Komplexität der Materie auch dann
nicht dringlichkeitsschädlich, wenn wegen der Bekanntheit des Prozessstoffs eine nur
relativ kurze Reaktions- und Vorbereitungszeit zubilligen ist.
II.
10
Die Antragstellerinnen haben auch einen Verfügungsanspruch glaubhaft gemacht. Das
Unterlassungsbegehren ist aus § 14 Abs. 5 i.V. mit § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, welche
als spezialgesetzliche Regelungen in ihrem Anwendungsbereich
wettbewerbsrechtlichen Ansprüchen vorgehen, begründet.
11
1.
12
Die Antragstellerinnen stützen den Unterlassungsanspruch zu Recht auf die zu Gunsten
der Antragstellerin zu 1) eingetragenen deutschen Marken Nr. 39408350 und 1034262
sowie die IR-Marken 587254, 638663 und R 430836. Bei diesen Marken handelt es sich
- mit Ausnahme der stilisierten, zweidimensionalen IR-Marke 430836 - um
dreidimensionale Bild- bzw. Formmarken, welche zeichnerisch das Oberteil eines Drei-
Scherköpfe-Rasierers darstellen. Die Marken sind eingetragen für elektrische
Rasierapparate und deren Teile, insbesondere Rasierköpfe.
13
Im Rahmen der vorliegenden Entscheidung hat der Senat davon auszugehen, dass
sämtliche Marken der Antragstellerinnen in Kraft stehen. Die Frage der abstrakten
Markenfähigkeit eines dreidimensionalen Zeichens im Sinne von § 3 Abs. 2 Nr. 2
MarkenG ist nicht Gegenstand der Prüfung im Markenrechtsstreit, weil es sich hierbei
um eine Grundvoraussetzung der Eintragung eines Zeichens als Marke handelt. Die
Prüfung der abstrakten Markenfähigkeit ist vielmehr allein dem Eintragungs- bzw.
Löschungsverfahren vorbehalten (BGH WRP 2000, 631, 632 - "MAG-LITE"). Ohne
Belang ist, dass auf Antrag der Antragsgegnerin zur Zeit Löschungsanträge bzw.
Anträge auf Schutzentziehung i.S. des § 115 MarkenG wegen fehlender Markenfähigkeit
der Antragstellerinnen-Marken beim Bundespatentgericht anhängig sind; das
einstweilige Verfügungsverfahren schließt aufgrund des Eilbedürfnisses eine
Aussetzung aus.
14
2.
15
Die Antragsgegnerin benutzt die beanstandeten elektrischen Drei-Scherkopf-Rasierer
markenmäßig.
16
Unter Zugrundelegung des Art. 5 Abs. 1 der MarkenRL setzt eine i.S. der
Verletzungstatbestände des § 14 Abs. 2 MarkenG relevante Markenbenutzung voraus,
dass sie jedenfalls im Rahmen des Produkt- oder Leistungsabsatzes auch der
Unterscheidung der Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denen
anderer Unternehmen dient, sich also als markenmäßige Benutzung darstellt (BGH
WRP 2002, 987, 989 - "Festspielhaus"; WRP 2002, 982, 983 - "FRÜHSTÜCKS-DRINK
I"; WRP 2002, 985, 986 - "FRÜHSTÜCKS-DRINK II"). Dies gilt auch für die Verletzung
des Rechts an einer dreidimensionalen Marke (BGH MD 2003, 425 - "Abschlußstück").
Bei der Beurteilung, ob den beanstandeten Drei-Scherkopf-Rasierern eine
Unterscheidungsfunktion als betriebliches Kennzeichnungsmittel zukommt, ist auf das
Verständnis eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen
Durchschnittsverbrauchers abzustellen (vgl. BGH a.a.O. - "Festspielhaus"; BGH a.a.O. -
"Abschlußstück"). Dabei ist der Lebenserfahrung Rechnung zu tragen, dass der Verkehr
eine Warenaufmachung nicht in analysierender Betrachtungsweise, sondern als Ganze
so aufnimmt, wie sie sich ihm darstellt (BGH a.a.O. - "Abschlußstück"). Die Raumform
der Ware als Ganzer oder in einzelnen Bestandteilen kann deshalb nur dann als
herkunftshinweisend beurteilt werden, wenn sie dies entweder aus Sicht des
Durchschnittsverbrauchers auch in ihrem Zusammenhang mit anderen Elementen der
Aufmachung ist, oder wenn einzelnen Formelementen aufgrund des
Verkehrsverständnisses eine eigenständige Kennzeichnungsfunktion zuzubilligen ist
(BGH a.a.O. - "Abschlußstück").
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So liegt der Fall hier. Die Antragstellerinnen haben glaubhaft gemacht, dass die
Gestaltung des Scherkopfes der Rasierer in ihrer Drei-Scherköpfe-Form von
erheblichen Teilen des Verkehrs als Herkunftshinweis auf Rasierer der
Antragstellerinnen verstanden wird. Die markante Form von drei in einem
gleichschenkligen, auf der Spitze stehenden Dreieck angeordneten gleich grossen
Scherköpfen ist gegenüber den weiteren, das Gesamterscheinungsbild der Rasierer
ausmachenden Gestaltungselementen wie z.B. dem Griff deutlich prägend und macht im
Verständnis weiter Teile des Verkehrs die herkunftshinweisende Funktion gerade aus.
Die Antragstellerinnen sind seit mehr als 30 Jahren auf dem deutschen Markt mit ihren
elektrischen Rasierapparaten in der Drei-Scherkopf-Form vertreten. Ausweislich der als
Anlagenkonvolut 8 vorgelegten Verkehrsumfrage der "GFM-GETAS" in Hamburg aus
dem Jahr 1986 ordneten 93,8 % der befragten Männer ein Bildzeichen des
Rasierkopfes, das der eingetragenen Marke 1034262 entsprach, den Antragstellerinnen
zu. Bei einer Umfrage desselben Instituts aus dem Jahr 1994 gaben 80,3 % der
befragten Männer, welche den Rasierer der Antragstellerinnen zuordnen konnten, an,
diesen "an der Anordnung der Scherköpfe als Dreieck" bzw. "an der dreieckigen Form"
erkannt zu haben. Es entspricht im übrigen der eigenen Anschauung und Erfahrung des
Senats, dass der markante Rasierkopf von drei in einem gleichschenkligen, auf der
Spitze stehenden Dreieck montierten Scherköpfen als Herkunftshinweis auf die
Antragstellerinnen verstanden wird.
18
3.
19
Die beanstandeten Drei-Scherkopf-Rasierer der Antragsgegnerin begründen eine
Verwechslungsgefahr im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.
20
Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist
nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unter Berücksichtigung
sämtlicher Umstände des Einzelfalls, namentlich der Kennzeichnungskraft der
Klagemarke, der Nähe der in Betracht zu ziehenden Waren und/oder Dienstleistungen,
für welche die Zeichen in Gebrauch sind, sowie des Grades der Ähnlichkeit der zu
vergleichenden Kennzeichnungen zu beurteilen (vgl. BGH WRP 2002, 537 - "Bank 24";
BGH a.a.O. - "Festspielhaus"). Zwischen diesen, die Verwechslungsgefahr
determinierenden Faktoren besteht eine Wechselwirkung dergestalt, dass der
Ähnlichkeitsgrad um so geringer sein kann, je grösser die Kennzeichnungskraft
und/oder die Waren- bzw. Dienstleistungsnähe ist, während umgekehrt ein höherer
Ähnlichkeitsgrad bei nur schwacher Kennzeichnungskraft der Marke und/oder
grösserem Waren-/Dienstleistungsabstand erforderlich ist (vgl. BGH a.a.O. -
"Festspielhaus"; BGH GRUR 2000, 506 - "Attaché/Tisserand"). Entscheidend für die
Frage der Markenähnlichkeit ist dabei der Gesamteindruck der sich gegenüber
stehenden Zeichen (BGH a.a.O). Die Ähnlichkeit einer Marke mit einem beanstandeten
Zeichen kann nur in deren konkreter Verwendung festgestellt werden (vgl. BGH a.a.O. -
"Abschlußstück"; BGH GRUR 1999, 583 - "LORA DI RECUARDO").
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Auf der Grundlage dieser Beurteilungskriterien besteht - bei Warenidentität der sich
gegenüber stehenden Produkte - Verwechslungsgefahr im Rechtssinne.
22
a)
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Infolge der jedenfalls derzeit bestandskräftigen Eintragung ist von einer von Hause aus
schwachen Kennzeichnungskraft der Marken der Antragstellerinnen auszugehen. Diese
hat durch die mehr als 30-jährige Produktpräsenz auf dem deutschen Markt, die aus den
Verkehrsbefragungen der Jahre 1986 und 1994 hervorgehende grosse Bekanntheit
sowie die von den Antragstellerinnen glaubhaft gemachten Umsatzzahlen und
Werbeaufwendungen eine Steigerung erfahren. So verkaufte die Antragstellerin zu 2) in
Deutschland im Jahr 2001 knapp 975.000 Elektrorasierer bei einem Umsatz von ca.
44.345.000 EUR. Die Werbeaufwendungen betrugen im Jahr 2000 8,8 Mill. EUR.
24
b)
25
Die Gestaltung der Scherköpfe der angegriffenen Rasierer weist augenfällig in hohem
Maße Ähnlichkeit mit den Klagemarken auf. Die die Form prägenden Bestandteile des
Scherkopfes werden praktisch identisch und in identischen Abmessungen
übernommen, wie auch die Antragsgegnerin letztlich nicht in Abrede stellt. Sie hat für
ihre Produkte die Grundform eines gleichschenkligen, auf der Spitze stehenden
Dreiecks übernommen, in welches drei gleich grosse rotierende Scherköpfe, die farblich
unterscheidbare Innenkreise haben, montiert sind. Übernommen bei einzelnen ihrer
Produkte wird auch die herzförmig erscheinende Linie, tatsächlich eine plastische
Gestaltung der Grundplatte, welche die Marken DE 39408350 sowie IR 587254 und 638
663 der Antragstellerinnen aufweisen.
26
c)
27
Ohne Erfolg wendet die Antragsgegnerin ein, dass die Ähnlichkeit der sich
gegenüberstehenden Zeichen in den die Form der Klagemarke prägenden
Bestandteilen eine Verwechslungsgefahr nicht zu begründen vermöge, weil sie als rein
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technisch bedingte Elemente vom Schutzbereich der Marke nicht umfasst seien.
Bei der Beurteilung der Markenähnlichkeit in der konkreten Verwendungsform sind
aufgrund der Hauptfunktion der Marke, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten
Waren oder Dienstleistungen zu gewähren, nur Übereinstimmungen in den Merkmalen
maßgebend, die jeweils herkunftshinweisende Bedeutung für den Verkehr haben (vgl.
BGH a.a.O. - "Abschlußstück"; BGH a.a.O. - "MAG-LITE"). Unberücksichtigt müssen
demgegenüber diejenigen Merkmale blieben, die dem Schutz als Marke nicht
zugänglich sind, sei es wegen eines absoluten Eintragungshindernisses i.S. des § 8
Abs. 2 MarkenG oder weil die Merkmale i.S. des § 3 Abs.2 MarkenG ausschließlich die
Form bestimmen, die durch die Art der Waren selbst bedingt ist, die zur Erreichung einer
technischen Wirkung erforderlich sind oder der Ware einen wesentlichen Wert verleihen
(vgl. BGH a.a.O. - "Festspielhaus"; BGH a.a.O. - "MAG-LITE"). Grundsätzlich können
deshalb Merkmale dreidimensionaler Marken, die rein technisch bedingt sind und
deshalb am Markenschutz nicht teilhaben, eine Verwechslungsgefahr nicht begründen.
29
Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 18.06.2002 - Rs. C-299/99 -
(GRUR 2002, 804), ergangen auf Vorlage des britischen Court of Appeal in dem
dortigen Markenrechtsstreit zwischen der Antragstellerin zu 1) und der britischen
Tochtergesellschaft der Antragsgegnerin wegen Verletzung einer der deutschen Marke
1034262 entsprechenden britischen Marke, die Vorlagefrage zu Ziffer 4 dahingehend
beantwortet, dass Art. 3 Abs. 1 lit. e, 2. Spiegelstrich der Ersten Richtlinie des Rates zur
Angleichung von Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken - 89/104/EWG
- eine Eintragung als Marke ausschließt, "wenn die wesentlichen funktionellen
Merkmale der Form einer Ware nur der technischen Wirkung zuzuschreiben sind, ...
selbst wenn die fragliche technische Wirkung durch andere Formen erzielt werden
kann" (vgl. EuGH a.a.O.) Diese Entscheidung des EuGH entfaltet Bindungswirkung für
deutsche Gerichte und so auch das erkennende Gericht hingegen nur, was die
Auslegung des § 3 Abs. 2 Nr. 2 Markengesetz im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 lit. e, 2.
Spiegelstrich der Ersten Richtlinie des Rates zur Angleichung von Rechtsvorschriften
der Mitgliedstaaten über die Marken (89/104/EWG) angeht, dass es nämlich an der
abstrakten Markenfähigkeit fehlt, wenn die wesentlichen funktionellen Merkmale der
Form einer Ware nur der technischen Wirkung zuzuschreiben sind. Die tatsächliche
Voraussetzung, ob eine ausschließlich technisch bedingte Form der Drei-Scherkopf-
Rasierer der Antragstellerinnen ohne sonstige, dem Markenschutz unterfallende
Merkmale überhaupt vorliegt, war dem EuGH von der vorlegenden britischen
Tatsacheninstanz bereits vorgegeben worden (vgl. aus den Entscheidungsgründen des
Court of Appeal zu D.(ii) a.E., GRUR Int. 2000, 439, 446). Die Antragstellerinnen stehen
deshalb zutreffend auf dem Standpunkt, dass dem Senat, so es hierauf ankommen
sollte, in eigener Zuständigkeit die Prüfung obliegt, ob eine rein technisch bedingte
Form der Marke i.S. des § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG vorliegt.
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Die Antragstellerinnen legen unter Bezugnahme auf zahlreiche Gutachten und
gutachterliche Stellungnahmen dar, dass der Scherkopf in seiner Gesamtheit wie auch
die einzelnen, seine Form prägenden und von den Produkten der Antragsgegnerin
nahezu identisch übernommenen Bestandteile über rein technisch bedingte
Erfordernisse hinaus nicht-funktionelle, ästhetisch-designerische Elemente aufweisen,
welche unmittelbar kennzeichnende Wirkung haben und ohne Auswirkungen auf
Gründlichkeit und Geschwindigkeit der Rasur, Vermeidung von Hautirritationen,
Hautgefühl, Benutzungskomfort und Herstellungskosten einer anderen,
unterscheidbaren Formgebung zugänglich sind. Demgegenüber trägt die
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Antragsgegnerin ihrerseits unter Vorlage diverser gutachterlicher Äußerungen vor, dass
die prägenden Bestandteile der Form, d.h. die Platte in der Form eines
gleichschenkligen, auf der Spitze stehenden Dreiecks, auf welche drei gleich grosse
rotierende Scherköpfe montiert sind, ausschließlich technisch bedingt sind.
Einer Entscheidung, ob die die Marken der Antragstellerinnen prägenden Bestandteile
kennzeichnend und damit den Markenschutz begründend sind, oder ob es sich um dem
Schutzbereich der Marke nicht unterfallende technische Formen handelt, bedarf es
hingegen im vorliegenden Fall nicht. Das Verletzungsgericht ist zwar gehalten,
Einzelelemente einer Marke, welche ausschließlich technisch bedingt i.S. des § 3 Abs.
2 Nr. 2 MarkenG sind, mangels Schutzfähigkeit in die Beurteilung der
Verwechslungsgefahr nicht einzubeziehen. Hingegen ist der Verletzungsrichter an die
Eintragung einer Marke in dem Sinne gebunden, dass es ihm versagt ist, der Marke
jeglichen Schutz abzusprechen (vgl. BGH a.a.O. - "Festspielhaus"). Sofern die
Behauptung der Antragsgegnerin zutreffend ist, dass die Marken der Antragstellerinnen
in allen ihren Bestandteilen von einer rein technischen Form geprägt werden, blieben
zur Beurteilung der Verwechslungsgefahr keine sonstigen Elemente. Den Marken
würde jegliche Schutzwirkung versagt. Dieses Ergebnis ist aber mit der dem deutschen
Markenrecht zugrunde liegenden Trennung der Kompetenzen von
Eintragungsinstanzen einerseits und Verletzungsgerichten andererseits und der aus der
Eintragung folgenden Bindungswirkung nicht vereinbar. Allein den Patentbehörden
obliegt die Entscheidung über Eintragung und Löschung einer Marke (vgl. BGH GRUR
1998, 412, 413 - "Analgin"), folglich auch die Entscheidung, ob eine Form als
(dreidimensionale) Marke eintragungsfähig bzw. eine eingetragene Formmarke zu
löschen ist. Solange eine Marke im Register eingetragen ist, sind die ordnendlichen
Gerichte im Verletzungsstreit an die Eintragung gebunden, ohne ein eigenes
Nachprüfungsrecht zu haben (vgl. BGH a. a. O., MAGLITE; Fezer, Markenrecht, 3. Aufl.,
§ 8 Rn. 414 und § 8 Rn. 10; Bons in Ekey/Klippel, Markenrecht, § 22 Rn. 11; a. A.
Rohnke GRUR 2001, 696). Ist eine Marke entgegen § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG
eingetragen, obwohl ihre Form - wie möglicherweise im Streitfall - rein technisch bedingt
ist, hat das Verletzungsgericht bis zur Löschung von der Markenfähigkeit auszugehen;
bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr i.S. des § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist die
Marke so, wie sie eingetragen ist, zugrunde zu legen, und zwar auch dann, wenn zu
dieser Beurteilung ausschließlich technisch bedingte Merkmale herangezogen werden,
sollten. Der Einwand der Antragsgegnerin, von diesem Bindungsgrundsatz sei hier eine
Ausnahme zu machen, weil durch die - vorgenannte - Entscheidung des EUGH bereits
geklärt sei, dass die Marken der Antragstellerinnen löschungsreif seien, greift nicht
durch, weil wie oben dargelegt, die Frage, ob die Marken der Antragstellerinnen
tatsächlich eine rein technisch bedingte Form aufweisen, vom EUGH nicht beantwortet,
sondern aufgrund der ihm unterbreiteten Vorlage als zu bejahend unterstellt hat.
32
4.
33
Die erstmals im Berufungsverfahren erhobene Einrede der fehlenden rechtserhaltenden
Benutzung der Marken gemäß §§ 25, 26 MarkenG ist mangels von der Antragsgegnerin
vorgetragener entgegenstehender Umstände i.S. des § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht
zulässig, so dass es keiner Erörterung ihrer Begründetheit bedarf.
34
III.
35
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
36
Das Urteil ist gemäß § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO mit seiner Verkündung rechtskräftig.
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Streitwert im Berufungsverfahren: 1 Million EUR
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