Urteil des OLG Köln vom 19.03.1992

OLG Köln (sohn, eintritt des versicherungsfalles, fahrzeug, kläger, vorläufige deckung, amtliches kennzeichen, vvg, versicherungsnehmer, verantwortlichkeit, verfügungsbefugnis)

Oberlandesgericht Köln, 5 U 115/91
Datum:
19.03.1992
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
5. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 U 115/91
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 24 O 366/90
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 24. April 1991 verkündete
Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 24 O 366/90 - wird
zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die
Beklagte. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung ist nicht begründet.
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Das Landgericht hat zu Recht der Klage stattgegeben. Die Beklagte ist wegen des
Schadensereignisses vom 12. März 1990 verpflichtet, aus der für das Fahrzeug Opel-
Kadett, amtliches Kennzeichen .........., bei ihr bestehenden Vollkaskoversicherung
Entschädigung zu leisten; sie ist weder gemäß § 61 VVG noch wegen einer
Obliegenheitsverletzung des Klägers leistungsfrei.
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1.)
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Dem Landgericht ist zuzustimmen, daß der Sohn des Klägers, der den Unfall mit dem
versicherten Fahrzeug in Selbsttötungsabsicht vorsätzlich herbeigeführt hat, nicht als
"Repräsentant" des Klägers im versicherungsrechtlichen Sinne angesehen werden
kann und demzufolge sein Verhalten dem Kläger im Rahmen des § 61 VVG auch
nicht zugerechnet werden kann.
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Zutreffend ist das Landgericht im Ansatz davon ausgegangen, daß nach
höchstrichterlicher Rechtsprechung nur derjenige "Repräsentant" ist, der in dem
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Geschäftsbereich, zu dem das versicherte Risiko gehört, aufgrund eines Vertretungs-
oder ähnlichen Rechtsverhältnisses an die Stelle des Versicherungsnehmers
getreten ist. Das kann erst angenommen werden, wenn sich der Versicherungsneh-
mer der Verfügungsbefugnis und der Verantwortlichkeit für den versicherten
Gegenstand zugunsten eines Dritten vollständig begeben hat und der Dritte darüber
hinaus aufgrund besonderer Abrede befugt ist, selbständig in einem nicht ganz
unbedeutenden Umfang für den Versicherungsnehmer zu handeln und dabei auch
dessen Rechte und Pflichten als Versicherungsnehmer wahrzunehmen (BGH VersR
1989, 737 f.). Das bedeutet für die Fahrzeugversicherung, daß die bloße Benutzung
eines Fahrzeugs, das der Versicherungsnehmer gemäß § 12 AKB gegen das Risiko
des Verlustes, der Zerstörung oder der Beschädigung versichert hat, allein
keinesfalls ausreicht, um eine Repräsentantenstellung des Benutzers anzunehmen,
wenn der Versicherungsnehmer ihm nicht auch die sogenannte Risikoverwaltung,
also die volle Verfügungsbefugnis und Verantwortlichkeit für das Fahrzeug
überlassen hat und er nicht auch befugt ist, zumindest in einem bestimmten Umfang
die Rechte und Pflichten des Versicherungsnehmers im Rahmen des
Versicherungsverhältnisses wahrzunehmen. Diese Voraussetzungen hat die für den
Tatbestand des § 61 VVG darlegungs- und beweispflichtige Beklagte nicht
nachgewiesen. Der Kläger hat substantiiert und auch nachvollziehbar im einzelnen
dargelegt, daß er sich trotz der Überlassung des Fahrzeugs an seinen Sohn zu
dessen nahezu alleiniger Benutzung der Verfügungsbefugnis und Verantwortlichkeit
für den Wagen nicht vollständig begeben hatte und sein Sohn nicht in
versicherungsvertraglicher Hinsicht selbständig für ihn handeln durfte. So hat er nach
seinen Angaben allein Steuer- und Versicherungsprämien gezahlt, wobei letzteres
durch Vorlage von Überweisungsbelegen auch nachgewiesen ist, ferner
Schadensangelegenheiten bearbeitet und war auch für Reparaturen, so sie über
Bagatellsachen hinausgingen, ebenso zuständig wie für die Prüfung der
Verkehrssicherheit des Fahrzeugs. Er hatte sich zudem vorbehalten, im Einzelfall zu
entscheiden, ob das Fahrzeug Dritten überlassen werden durfte. Die Beklagte hat
ihrerseits keine Tatsachen vorge-tragen, die das gegenteilige Vorbringen des
Klägers entkräften und die Überzeugung davon vermitteln könnten, daß der Sohn des
Klägers dessen "Repräsentant" im oben genannten Sinne war. Der Umstand, daß
das Fahrzeug zunächst auf den Sohn des Klägers zugelassen und diesem bei der
Anschaffung des Fahr-zeugs auch die vorläufige Deckung erteilt worden war, ändert
nichts daran, daß schon kurz darauf das Fahrzeug auf den Kläger zugelassen wurde,
dieser auch als Halter des Fahrzeugs in den Kraftfahrzeug-brief eingetragen worden
ist und er auch die Kfz-Versicherung in eigenem Namen und für eigene Rechnung
abgeschlossen hat. Der Kläger hat dies auch plausibel damit begründet, daß bei
seinem anderen Sohn ebenso verfahren worden sei und er aus Gründen der
Gleichbehandlung daher im vorliegenden Fall genauso gehandelt habe. Diese
Erklärung steht der Annahme entgegen, daß der Kläger insoweit nur als "Strohmann"
fungiert hätte, weil er bei der Versicherung günstigere Konditionen erhielt als sein
Sohn. Soweit die Beklagte in der Berufungsbegründung behauptet, der Sohn des
Klägers habe das Fahrzeug gekauft und sei wirtschaftlicher Eigentümer gewesen, ist
dafür kein Beweis angetreten worden. Der Kläger behauptet seinerseits, dem Erwerb
des Fahrzeugs seien umfangreiche Verhandlungen voraus-gegangen, die
ausschließlich von ihm geführt worden seien. Auch die Tatsache, daß der Sohn des
Klägers im Abschiedsbrief das Fahrzeug als "sein" Auto bezeichnet hat, läßt keinen
zuverlässigen Schluß auf die Repräsentanteneigenschaft zu. Dem Kläger ist
zuzugeben, daß ausschließlich die nahezu alleinige Benutzung des Fahrzeugs
durch den Sohn diesen zu der Äußerung über "sein" Auto veranlaßt haben kann.
Soweit die Beklagte sodann im Schriftsatz vom 21. März 1991 behauptet, der Sohn
des Klägers sei aufgrund einer persönlichen Absprache bzw. Ver-einbarung mit dem
Kläger an dessen Stelle als Ver-sicherungsnehmer getreten, entbehrt dieser Vortrag
der nötigen Substantiierung, so daß eine Parteivernehmung des Klägers hierzu, wie
sie von der Beklagten beantragt worden ist, nicht in Betracht kommt. Schließlich folgt
die Repräsentanteneigenschaft des Sohnes des Klägers auch nicht daraus, daß er,
wie die Beklagte behauptet, hinsichtlich der später montierten Heckflügel eine
Zusatzversicherung und insoweit auch die Prämie bezahlt hat. Darin läge allenfalls
eine Wahrnehmung von Rechten und Pflichten des Klägers als
Versicherungsnehmer des Fahrzeugs als solchen "in ganz unbedeutendem Umfang".
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Nach alledem ist nicht bewiesen, daß der Sohn des Klägers dessen "Repräsentant"
im versicherungsrechtlichen Sinne war.
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2.)
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Leistungsfreiheit wegen einer Obliegenheitsverletzung, worauf sich die Beklagte im
zweiten Rechtszug erstmals beruft, besteht gleichfalls nicht.
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Die Beklagte wirft dem Kläger insoweit vor, er habe das Fahrzeug seinem Sohn nicht
überlassen dürfen, nachdem dieser zwei Jahre zuvor bereits einen
Selbstmordversuch unternommen gehabt habe, indem er sich die Pulsader
aufschnitt. Eine Obliegenheit, ein kaskoversichertes Fahrzeug niemandem zu
überlassen, der früher einmal einen Selbstmordversuch unternommen hat, existiert
jedoch nicht; in dem in § 2 AKB aufgeführten, in sich abgeschlossenen und auch
nicht im Wege der Analogie erweiterbaren Katalog von vor dem Eintritt des
Versicherungsfalles zu beachtenden Obliegenheiten ist ein Verbot der Überlassung
des Fahrzeugs an selbstmordgefährdete Personen nicht enthalten. Es müßte aber
gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 VVG "im Vertrag bestimmt", d.h. ausdrücklich vertraglich
vereinbart sein, wenn der Versicherer wegen Verletzung von Obliegenheiten
leistungsfrei sein soll (vgl. Prölss/Martin, VVG, 24. Aufl., Anm. 2 zu § 6 = S. 74).
Angesichts der Eindeutigkeit dieser Rechtslage besteht auch kein Anlaß, auf die
Anregung der Beklagten hin dieserhalb die Revision zuzulassen.
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Abgesehen davon könnte im Streitfall nicht einmal eine vorsätzliche oder grob
fahrlässige Verletzung einer entsprechenden Obliegenheit, so es sie gäbe,
angenommen werden. Es liegen keinerlei beweiskräftige Anhaltspunkte dafür vor,
daß dem Kläger seinerzeit aufgrund irgendwelcher Anzeichen der Eindruck vermittelt
wurde, sein Sohn könnte unter Ver-wendung des Fahrzeugs einen zweiten
Selbstmordversuch unternehmen, zumal der erste Versuch auf ganz andere Weise
unternommen worden war.
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3.)
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Die Berufung war somit mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10,
713 ZPO.
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Streitwert für das Berufungsverfahren und Wert der Beschwer der Beklagten: 23.000,-
- DM.
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