Urteil des OLG Köln vom 28.01.2000
OLG Köln: marke, europäische union, japan, markt, verkehr, firma, form, unterlassen, referenz, genf
Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Vorinstanz:
Schlagworte:
Normen:
Leitsätze:
Tenor:
Aktenzeichen:
Rechtskraft:
Oberlandesgericht Köln, 6 U 113/99
28.01.2000
Oberlandesgericht Köln
6. Zivilsenat
Urteil
6 U 113/99
Landgericht Köln, 81 O 37/98
ERSCHÖPFUNG VON MARKENRECHTEN
MARKENG §§ 14, 24
1. Eine zu Zwecken des Wiederverkaufs von einem Dritten erworbene,
originalverpackte, nicht getragene und mit Garantieschein versehene
Markenarmbanduhr ist als "neu" und nicht als "gebraucht" i.S. von
"getragen" anzusehen (Bestätigung Senat, Urt. v. 26.03.1999 -6 U
123/98).
2.Wird eine Markenarmbanduhr, die für den Markt in Japan bestimmt ist,
dorthin geliefert und wird sie alsdann nach Deutschland eingeführt, greift
der Erschöpfungsweinwand nach Maßgabe des § 24 Abs. 1 MarkenG
nicht.
3. Kommt eine Vielzahl von potenziellen Handlungsweisen eines
Wettbewerbers in Betracht, deren wettbewerbsrechtliche Unzulässigkeit
oder Zulässigkeit von ihrer jeweiligen konkreten Erscheinungsform
abhängt, kann dem Unterlassungsgläubiger kein auf jedwede
Begehungsform gerichteter Titel zuerkannt werden. Das gilt auch und
insbesondere, wenn sich der Schuldner berühmt, eine bestimmte, näher
bezeichnete Handlung vornehmen zu dürfen.
rechtskräftig
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 11.06.1999 verkündete
Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln (81 O
37/98) teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefaßt:
Unter Abweisung der weitergehenden Klage wird die Beklagte auf den
Hilfsantrag der Klägerin verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der
Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes in Höhe
von bis zu 500.000,00 DM, ersatzweise von Ordnungshaft oder von
Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unter-lassen, in Deutschland
neue Uhren der Marke "Jaeger-LeCoultre", die nicht von der Manufacture
Jaeger-LeCoultre S.A. oder mit deren Zustimmung im Inland, in einem
der übrigen Vertragsstaaten der Europäischen G-meinschaft oder in
einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen
Wirtschaftsraum in Verkehr gebracht worden sind, im geschäftlichen
1
2
3
4
5
Verkehr zu vertreiben oder feilzuhalten.
Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung der Beklagten hat in der Sache zum Teil
Erfolg, und zwar insoweit, als die Klägerin mit ihrer Klage nicht nur den konkreten
Verletzungsfall aufgreift und von der Beklagten Unterlassung des Vertriebs neuer Jaeger-
LeCoultre Uhren, sondern darüber hinaus den Vertrieb jedweder Jaeger-LeCoultre Uhr in
jedweder Form mit der Begründung verlangt, die Beklagte habe sich berühmt, zu einem
solchen Handeln berechtigt zu sein.
Im Hinblick auf den konkreten Verletzungsfall geht es ausschließlich darum, ob der
Klägerin als Inhaberin der aus Blatt 7 der Akten ersichtlichen internationalen Marke R 205
457 "Jaeger-LeCoultre" gegen die Beklagte ein Unterlassungsanspruch zusteht, weil diese
dem Zeugen K. am 21.12.1997 eine bestimmte, neue Armbanduhr der Marke Jaeger-
LeCoultre mit der Gehäusenummer 1860355 verkauft hat, die nach dem von der Beklagten
bestrittenen Sachvortrag der Klägerin am 31.10.1997 nach Japan geliefert worden und nur
für den japanischen Markt bestimmt gewesen sein soll. Diese Frage ist mit der Maßgabe zu
bejahen, daß der Unterlassungsantrag der Klägerin wie nunmehr geschehen dem
konkreten Verletzungstatbestand angepaßt werden muß. Insoweit bleibt die Berufung der
Beklagten ohne Erfolg.
Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 5 MarkenG kann die Klägerin grundsätzlich jedem
Dritten den Vertrieb von Uhren, die ihre Marke tragen, untersagen, wenn diese Uhren
außerhalb des territorialen Geltungsbereiches des § 24 Abs. 1 MarkenG in den Verkehr
gesetzt worden sind und der Erschöpfungseinwand des § 24 Abs. 1 MarkenG deshalb nicht
greift. Darüber herrscht zwischen den Parteien kein Streit, so daß sich nähere
Ausführungen hierzu erübrigen. Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang geltend
gemacht hat, sie habe die Uhr von einem Privatmann erworben, deshalb sei sie nicht "neu",
sondern "gebraucht", hat der Senat bereits in seinem den Parteien bekannten Urteil vom
26.03.1999 in dem Rechtsstreit 6 U 123/98, in dem die Alleinvertriebsgesellschaft der
Klägerin die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen hat, ausgeführt, daß und
warum eine von der Beklagten zu Zwecken des Weiterverkaufs erworbene,
originalverpackte, nicht getragene und mit Garantiekarte versehene Uhr der Marke Jaeger-
LeCoultre als "neu" und nicht als "gebraucht" im Sinne von "getragen" angesehen werden
kann. Der Senat sieht keinen Anlaß, von dieser Auffassung abzuweichen.
Nach dem Ergebnis der vor dem Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme hat auch
der Senat keinen Zweifel daran, daß die streitgegenständliche Uhr zum einen nur für den
japanischen Markt bestimmt war und daß sie zum anderen auch nach Japan geliefert
worden ist. Wie auch das Landgericht folgt der Senat den glaubhaften Bekundungen der
Zeugin B. C., sie habe anhand der ihr vorliegenden Unterlagen festgestellt, daß die
Klägerin die streitgegenständliche Armbanduhr am 31.10.1997 nach Japan an die Firma D.
geliefert habe, sie könne das feststellen, weil alle Jaeger-LeCoultre-Uhren im letzten
Produktionsstadium numeriert würden, jede Nummer sei einzig und werde nur einmal
6
Produktionsstadium numeriert würden, jede Nummer sei einzig und werde nur einmal
vergeben, alle Seriennummern seien seit 1994 in dem EDV-System der Klägerin registriert,
sobald eine Uhr geliefert werde, werde ihre Seriennummer und die entsprechende
Referenz der Uhr in den klägerischen Unterlagen des belieferten Kunden gespeichert, die
Ware, die für den japanischen Markt bestimmt sei, werde von Mitarbeitern der
Versandabteilung der Klägerin in Holzkisten verpackt und versiegelt, die Kisten würden nur
am Bestimmungsort wieder geöffnet, dank der Aufzeichnungen könne sie - die Zeugin -
bestätigen, daß die hier in Rede stehende Uhr Reverso-Duoface Referenz 270.840,544 mit
der Seriennummer 1860355 dem Spediteur M. in Genf zum Weitertransport zu dem
japanischen Agenten der Klägerin, der Firma D. Japan Ltd. in Tokio, unter der
Rechnungsnummer 26476 vom 31.10.1997 geliefert worden sei. Der Senat sieht keinen
Anlaß, die Glaubhaftigkeit dieser an vorhandenen Unterlagen verifizierten Bekundungen
der Zeugin C. in Zweifel zu ziehen. Soweit die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung auf
die angebliche Nichtübereinstimmung bestimmter Referenznummern etc. hingewiesen hat,
hat die Klägerin hierzu in ihrer Berufungserwiderung im einzelnen und substantiiert
vorgetragen, was es mit diesen Referenznummern auf sich hat, ohne daß die Beklagte dem
entgegengetreten wäre. Jedenfalls steht aufgrund der Beurkundungen der Zeugin C. auch
zur sicheren Überzeugung des Senats fest, daß die Uhr mit der Seriennummer 180355
tatsächlich nach Japan geliefert worden ist. Der in diesem Zusammenhang in der
Berufungserwiderung vom 13.09.1999, dort Seite 8, aufgestellten Behauptung der
Beklagten, sie habe in Erfahrung bringen können, daß es durchaus bekannt sei, daß die
Firma D. regelmäßig Uhren, die für den außereuropäischen Markt bestimmt seien, in die
Europäische Union reimportiere, die Klägerin wisse und dulde das, war dem
diesbezüglichen Beweisangebot der Beklagten (Vernehmung des Generaldirektors der
Klägerin als Partei) nicht nachzugehen. Denn der sich in dieser Behauptung erschöpfende
Sachvortrag der Beklagten ist ersichtlich unsubstantiiert und deshalb für die
Entscheidungsfindung ohne Bedeutung.
Steht damit fest, daß es sich bei der vom Zeugen K. am 21.12.1997 erworbenen, mit
Garantiekarte versehenen Uhr um eine reimportiere neue Uhr handelt, und folgt daraus
zugleich die Begründetheit des geltendgemachten Unterlassungsanspruchs in dem
zuerkannten Umfang, war die weitergehende, auf Unterlassung des Vertriebs jedweder Uhr
in jedweder Form gerichtete Klage der Klägerin allerdings auf die Berufung der Beklagten
abzuweisen. Zwar hat sich die Beklagte jedenfalls im Termin zur mündlichen Verhandlung
vom 17.12.1999 auf den Standpunkt gestellt, sie dürfe Uhren der Marke Jaeger-LeCoultre
jedenfalls dann vertreiben, wenn diese nicht neu, sondern gebraucht seien. Darin liegt
zugleich die Berühmung der Beklagten, Jaeger-LeCoultre-Uhren vertreiben zu dürfen,
wenn diese nicht neu sind und zum Beispiel deutliche Gebrauchsspuren aufweisen. Eine
Titulierung eines der Klägerin möglicherweise auch insoweit zustehenden
Unterlassungsanspruchs kommt im vorliegenden Rechtsstreit gleichwohl nicht in Betracht,
weil sich die den Unterlassungsanspruch auslösende Begehungsgefahr auf eine konkrete
Verletzungshandlung beziehen muß, die wiederum die in Betracht kommende
Anspruchsgrundlage bestimmt. Die die Begehungsgefahr begründenden Tatsachen
müssen nämlich die befürchtete Handlung so konkret abzeichnen, daß eine zuverlässige
Beurteilung möglich ist (vgl. hierzu: Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7.
Auflage, 10. Kapitel Rdnr. 6 m.w.N.). Hieran fehlt es. Es kommt eine Vielzahl möglicher
Handlungen in Betracht, die - was der Senat mit den Parteien in der mündlichen
Verhandlung bereits ausführlich erörtert hat - abstrakt gar nicht darauf überprüft werden
können, ob sie mit den Bestimmungen des Markengesetzes in Einklang zu bringen sind
oder nicht. Vielmehr hängt es jeweils vom Einzelfall und damit der konkreten
Verletzungshandlung ab, ob sich der Vertrieb bestimmter Jaeger-LeCoultre Uhren als
zulässig erweist oder zu unterlassen ist. Beispielsweise kann unter bestimmten
7
8
9
10
Voraussetzungen der Vertrieb einer vor Jahren, aber nach dem 01.01.1995 in das
nichteuropäische Ausland gelieferten, mit der Marke versehenen Uhr unzulässig sein,
wenn die Uhr nicht getragen und deshalb als neu anzusehen ist. Umgekehrt kann je nach
den Umständen des Einzelfalles z.B. der Vertrieb einer mit der Marke Jaeger-LeCoultre
versehenen Uhr zulässig sein, wenn die Beklagte sie ausschließlich zu privaten Zwecken
erworben und sie beispielsweise jahrelang getragen hat, um alsdann den Entschluß zu
fassen, sich von ihr zu trennen und sie in ihrem Geschäftsbetrieb zum Verkauf anzubieten.
Daß ohne Kenntnis eines konkreten Verletzungstatbestandes der Vertrieb von Jaeger-
LeCoultre Uhren der Beklagten wegen ihrer uneingeschränkten Berühmung nicht
schlechthin und losgelöst vom konkreten Verletzungsfall untersagt werden kann, zeigt im
übrigen auch die Tatsache, daß das weitergehende Unterlassungsbegehren der Klägerin
Fälle erfassen würde, in denen die mit der Marke versehenen Uhren vor dem 01.01.1995
außerhalb des in § 24 Abs. 1 MarkenG genannten territorialen Bereichs in den Verkehr
gebracht worden sind, obwohl nach den im alten Warenzeichenrecht geltenden Grundsatz
internationaler Erschöpfung wegen der Bestimmung des § 153 Abs. 1 MarkenG
Unterlassungs- und Folgeansprüche ausgeschlossen wären.
Rechtfertigt demnach das von der Beklagten für sich in Anspruch genommene Recht, nicht
den Vertrieb jedweder Jaeger-LeCoultre Uhr in jedweder Form unterlassen zu müssen,
unter dem Gesichtspunkt der Berühmung und der daraus resultierenden
Erstbegehungsgefahr den Hauptantrag der Klägerin nicht, war die Klage insoweit
abzuweisen.
Die getroffene, aus § 92 Abs. 1 ZPO folgende Kostenentscheidung trägt dem Umstand
Rechnung, daß sich die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 17.12.1999 auf den
Standpunkt gestellt hat, ihr stünden wegen der Berühmung der Beklagten umfangreiche
Unterlassungsansprüche zu, und der Senat deshalb nunmehr Anlaß sieht, den
Gegenstandswert für den Rechtsstreit in beiden Instanzen jeweils auf 70.000,00 DM
festzusetzen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Der Wert der Beschwer der Parteien beträgt jeweils weniger als 60.000,00 DM. Der
Anregung der Klägerin in ihrem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 07.01.2000, die
Revision für den Fall der Zurückweisung ihres Hauptantrags zuzulassen, war nicht zu
folgen, weil die Sache nicht von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 546 Abs. 1 Satz
2 Nr. 1 ZPO ist und die Entscheidung des Senats nicht auf einer Abweichung von einer
Entscheidung des Bundesgerichtshofes oder des Gemeinsamen Senates der obersten
Gerichtshöfe des Bundes im Sinne des § 546 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ZPO beruht.