Urteil des OLG Köln vom 11.08.1998
OLG Köln (kläger, einkommen aus erwerbstätigkeit, vergleich, umstände, arbeitgeber, einkommen, inhalt, vorstellung, verhandlung, vollendung)
Oberlandesgericht Köln, 4 UF 44/98
Datum:
11.08.1998
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
4. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 UF 44/98
Vorinstanz:
Amtsgericht Siegburg, 32 F 163/97
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 8. Januar 1998 verkündete
Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Siegburg (32 F 163/97) wird
kostenpflichtig zurückgewiesen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
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Die vom Kläger erhobene Abänderungsklage, mit welcher er die Abänderung der in
dem von den Parteien vor dem Senat in dem Familienrechtsstreit 4 UF 43/96
abgeschlossenen Prozeßvergleich getroffenen Unterhaltsregelung begehrt, ist nicht
zulässig. Dieser Prozeßvergleich, der nicht nur eine Prozeßhandlung darstellt, deren
Wirkungen sich nach den Grundsätzen des Verfahrensrechts richtet, sondern der mit
Rücksicht auf seine rechtliche Doppelnatur auch ein privatrechtlicher Vertrag ist, für den
die Regeln des materiellen Rechts gelten (vgl. BGH NJW 1982, 2072, 2073; BGH NJW
1985, 1962, 1963), ist nämlich in Anwendung des § 779 BGB unwirksam, wie noch
auszuführen ist, und kann daher nicht Grundlage der vom Kläger erhobenen
Abänderungsklage sein, mit der er die Herabsetzung des in dem Vergleich für die
Beklagte geregelten Unterhaltsanspruchs begehrt. Da nur einem wirksam zustande
gekommenen Prozeßvergleich verfahrensbeendene Wirkung zukommt, ist mit Rücksicht
auf die Unwirksamkeit des Prozessvergleichs der Streit zwischen den Parteien insoweit
durch Fortsetzung des früheren Familienrechtsstreits 4 UF 43/96 auszutragen.
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Hierfür kann im Ergebnis dahinstehen, ob sich die Unwirksamkeit des
Prozessvergleichs vom 08.10.1996 aus dem Gesichtspunkt der arglistigen Täuschung
gemäß den §§ 123, 142 BGB deswegen ergibt, weil der Kläger im Verhandlungstermin
vor dem Senat vom 8.10.1996 die Beklagte nicht über den bereits drei Monate zuvor,
nämlich unter dem 11.7.1996 abgeschlossenen Abwicklungsvertrag (Blatt 64 bis 66 GA)
aufgeklärt hat. Hierin ist allerdings ausdrücklich festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis
des Klägers auf arbeitgeberseitige Veranlassung durch fristgerechte ordentliche
betriebsbedingte Kündigung vom 08.08.1995 zum 30.11.1996 seine Beendigung finden
sollte. Weder auf den Abschluß dieses Abwicklungsvertrages hat der Kläger die
Beklagte hingewiesen noch darauf, daß er seine Kündigungsschutzklage vom
14.6.1996 bereits mit Schriftsatz vom 23.7.1996 im Arbeitsgerichtsprozeß
zurückgenommen hatte. Damit hat der Kläger die bereits abgeschlossene
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Vorruhestandsvereinbarung verschwiegen, die dazu führte, daß sein Arbeitsverhältnis
bereits zum 30.11.1996 endete und er lediglich bis zur Vollendung seines 63.
Lebensjahres am 30.4.1997 eine Zuzahlung seitens der Arbeitgeberin erhielt, mit der er
dann zusammen mit den Arbeitslosengeldleistungen bis zu diesem Zeitpunkt ein
Einkommen in Höhe von 96,5 % seines früheren Nettoeinkommens, in der Zeit ab
1.5.1997 indes nur noch ein Einkommen aus Arbeitslosengeldzahlungen erzielte. Die
Beklagte indes durfte auf der Grundlage der mitgeteilten Umstände bei
Vergleichsabschluß am 8.10.1996 davon ausgehen - der Kläger hatte im Rahmen des
Vergleichsgesprächs nur darauf hingewiesen, sein Arbeitgeber wolle sich
möglicherweise vorzeitig von ihm trennen -, daß der Kläger bis zur Vollendung seines
65. Lebensjahres am 30.4.1999 seine Arbeit fortführen würde, wenn es bei der
derzeitigen Lage bliebe, er jedenfalls nicht schon einige Monate später nur noch
Arbeitslosengeldzahlungen erzielen würde und der in dem Vergleich vom 8.10.1996
vereinbarte Nachscheidungsunterhalt von 1.560,00 DM zuzüglich 440,00 DM
Altersvorsorgeunterhalt schon ab Mai 1997 in erheblicher Weise verringert würde. Vor
diesem Hintergrund ist die in dem Prozessvergleich weiter getroffene Vereinbarung über
die Zahlung des Klägers zum Ausgleich des Zugewinns und des Trennungsunterhaltes
an die Beklagte in Höhe von 110.000,00 als Teil der gesamten Vergleichsregelung auch
von der Vorstellung beeinflußt, daß die Beklagte im Zeitpunkt des
Vergleichsabschlusses mit der Zahlung des weiter vereinbarten
Nachscheidungsunterhalts in Höhe von insgesamt 1.560,00 DM bis zum 65. Lebensjahr
des Klägers bei gleichbleibendem Stand der Dinge rechnen könne. Es ist daher davon
auszugehen, daß die in dem Vergleich auch hinsichtlich des Zugewinns und des
Trennungsunterhaltes geschlossene Vereinbarung mit einem anderen Inhalt getroffen
worden wäre, hätte der Kläger die Beklagte bei Vergleichsabschluß davon in Kenntnis
gesetzt, daß der Eintritt des Vorruhestandes mit seinem Arbeitgeber bereits fest
vereinbart war und sich damit sein Einkommen bereits wenige Monate nach
Vergleichsabschluß ab Mai 1997 erheblich verringern würde. Ob deswegen der
Prozeßvergleich aus dem Gesichtspunkt der arglistigen Täuschung gemäß den §§ 123,
142 BGB unwirksam ist, kann im Ergebnis indes dahinstehen. Zwar hat die Beklagte
bereits im ersten Rechtszug die Anfechtung des Prozessvergleichs wegen arglistiger
Täuschung erklärt, ohne daß der Kläger im ersten Rechtszug in erheblicher Weise dem
schlüssigen Vorbringen der Beklagten entgegengetreten ist, er habe in arglistiger
Weise, daß heißt mit Täuschungswillen, die bereits getroffene Vorruhestandsregelung
bei Vergleichsabschluss nicht mitgeteilt. In der Berufung hat der Prozeßbevollmächtigte
des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat jedoch vorgetragen, der
Kläger habe bei Vergleichsabschluss die vereinbarte Vorruhestandsregelung deswegen
noch nicht mitgeteilt, weil er damals davon ausgegangen war, daß er mit seinem
Arbeitgeber noch eine Regelung treffen werde, daß er für diesen weiterhin tätig werden
könne und sein Einkommen aus Erwerbstätigkeit sich deswegen nicht verringern würde.
Ob hiernach nicht mehr davon gesprochen werden könne, der Kläger habe mit
Täuschungswillen die getroffene Vorruhestandsregelung verschwiegen, wie der
Prozeßbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat
ausgeführt hat, kann im Ergebnis dahinstehen. Denn soweit sich aus diesem Vorbringen
des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat seine Vorstellung ergibt,
daß er aufgrund einer mit seinem Arbeitgeber noch zu treffenden Vereinbarung in dem
bisherigen Umfang weiter erwerbstätig sein würde, stimmt diese gerade mit derjenigen
der Beklagten überein, die bei Vergleichsabschluß in gleicher Weise von einer
Fortdauer der Erwerbstätigkeit des Klägers bis zur Vollendung seines 65. Lebensjahres
ausgegangen ist. Insoweit handelt es sich um eine gemeinsame Vorstellung beider
Parteien, die von beiden Parteien nach dem Inhalt des Vergleichs übereinstimmend als
feststehend zugrundegelegt worden ist. Da der als feststehend zugrundegelegte
Sachverhalt mithin der Wirklichkeit nicht entsprochen hat, ist der Vergleich jedenfalls in
Anwendung des § 779 BGB nicht wirksam. Zu dem nach dem Inhalt des Vergleichs als
feststehend zugrundegelegten Sachverhalt, der gemäß § 779 BGB, der einen Sonderfall
des gemeinsamen Irrtums über die Geschäftsgrundlage regelt, zur Unwirksamkeit führt,
wenn er der Wirklichkeit nicht entspricht, zählen diejenigen Umstände, welche die
Parteien übereinstimmend als unstreitig oder gewiß ansehen, wobei sich aus dem Inhalt
des Vergleichs ergibt, welche Umstände dazu gehören. Hiernach ist zwar einerseits nur
der innere, nicht in der Vergleichsregelung irgendwie zum Ausdruck gekommene Wille
unbeachtlich, anderseits brauchen sich die Parteien nicht durch ausdrückliche
Erklärung Gewißheit darüber verschafft zu haben, daß auch die Gegenseite denselben
Sachverhalt als feststehend zugrundegelegt hat; ausreichend aber auch erforderlich ist,
daß sich aus dem Sinn der Parteierklärung und/oder dem erkennbar erstrebten Zweck
des Vergleichs das Vorhanden- oder Nichtvorhandensein bestimmter Umstände als
Vergleichsgrundlage entnehmen läßt (vgl. Erman-Seiler, BGB, 9, Aufl., § 779 Rn. 23 mit
Nachw.). Beide Parteien haben hier bei Vergleichsabschluss übereinstimmend eine
weitere Fortdauer der Erwerbseinkünfte des Klägers als bestehend angenommen und in
ihre gemeinsame Vorstellung aufgenommen; denn auch der Kläger selbst hatte nach
dem Vorbringen seines Prozeßbevolmächtigten in der mündlichen Verhandlung vor
dem Senat bei Vergleichsabschluß am 8.10.1996 trotz der bereits getroffenen
Vorruhestandsregelung noch die Erwartung, weiterhin für seinen Arbeitgeber in dem
bisherigen Umfang erwerbstätig sein zu können, und verfolgte damit mit dem Abschluß
des Vergleichs erkennbar den Zweck, hinsichtlich des Nachscheidungsunterhaltes eine
längerfristige Regelung zu treffen, die nicht schon nach wenigen Monaten enden würde.
Ist nach alledem der Prozessvergleich vom 8.10.1996 in Anwendung des § 779 BGB
insgesamt unwirksam, kommt eine Anpassung des Vergleichs an die gegebenen
Umstände nicht in Betracht. Vielmehr ist das alte Verfahren 4 UF 43/96 auf
Terminsantrag der Beklagten fortzusetzen.
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Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97, 708 Nr. 10 ZPO.
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Einen Anlaß, der Anregung des Klägers zu folgen, die Revision zuzulassen, sieht der
Senat nicht, da die Voraussetzungen hierfür gemäß § 546 Abs. 1 ZPO nicht gegeben
sind.
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Streitwert der Berufung: 27.440,00 DM.
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