Urteil des OLG Köln vom 07.05.2004

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Oberlandesgericht Köln, 9 U 105/03
Datum:
07.05.2004
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
9. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 U 105/03
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 89 O 150/02
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 16.05.2003 verkündete
Urteil der 9. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln
- 89 O 150/02 - wird zurück¬gewiesen.
Die Kosten des Berufungs¬verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstre-ckung
durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren
Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
G r ü n d e :
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I. Die Klägerin ist Mitglied der J. N. – Gruppe und betreibt eine Holzhandlung mit
Baumarkt in M. an der N.. In dem Objekt befindet sich ein Hochregallager. Die Beklagte
ist Versicherungsmaklerin, die sich schwerpunktmäßig mit der Vermittlung von
Versicherungen für gewerbliche Auftraggeber befasst.
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Unter dem Datum des 03.09.2001 schlossen die Parteien einen
Versicherungsmaklervertrag (Bl. 63 GA). Gegenstand des Vertrages waren die
Vermittlung, Betreuung und Verwaltung der betrieblichen und privaten Versicherungen.
Die Beklagte wurde zugleich bevollmächtigt, im Namen der Klägerin als
Versicherungsnehmer und nach Abstimmung mit diesem, Versicherungsverträge auf
Richtigkeit und Zweckmäßigkeit zu prüfen, zu erweitern, zu kündigen, neu
abzuschließen und erforderliche Erklärungen in allen Versicherungsangelegenheiten
abzugeben. Am 17.10.2001 brach die Hochregalanlage aus ungeklärter Ursache
zusammen. Eine Entschädigungsleistung einer Versicherung erhielt die Klägerin für den
Bruchschaden nicht, weil kein Deckungsschutz bestand.
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Die Klägerin hat vorgetragen, die Beklagte hätte anlässlich der von ihr im Betrieb der
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Klägerin im Jahre 2001 vorgenommenen Risiko-Management-Analyse auf die
Deckungslücke hinweisen müssen. Dies habe die Beklagte pflichtwidrig unterlassen.
Die Klägerin hat behauptet, am 15.05.2001 habe Herr P. von der sie zu einem
Kurzbesuch aufgesucht. Dieser Kontakt habe sich darauf reduziert, alle vorhandenen
Versicherungsverträge in Ablichtung zusammenzustellen und Herrn P. mit der Bitte um
maklerseitige Prüfung zu übergeben. Anschließend habe die Klägerin zunächst
vergeblich auf eine erneute Kontaktaufnahme gewartet. Auf eine Anfrage der Klägerin
vom 17.08.2001 sei es dann zu einem Besprechungstermin vom 23.08.2001 im Hause
der Klägerin mit den Zeugen A.und Q. der Beklagten gekommen. Hierbei sei eine
Versicherungsaufstellung nicht Gegenstand des Gesprächs gewesen. Die Beklagte
habe die Klägerin bis zum Schadeneintritt im unklaren gelassen, dass insbesondere die
zentralen betrieblichen Einrichtungen der Klägerin nach der bestehenden Deckung
nicht gegen die Gefahr des Bruchs versichert seien.
Ihren durch den Zusammenbruch der Hochregalanlage entstandenen Schaden beziffert
die Klägerin auf insgesamt 76.219,96 € (Bl. 3, 4 GA). Mit der Klage hat die Klägerin die
Beklagte auf Ersatz dieses Schadens in Anspruch genommen.
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Die Klägerin hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie 76.219,96 € nebst 8 % Zinsen
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über dem Basiszinssatz nach § 1 Diskontsatz-Überleitungs-Gesetz
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vom 09.06.1998 seit dem 21.02.2002 zu zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat vorgetragen, sie habe im Jahre 1999 erstmals für das Versicherungsjahr 2000
für die Baustoffhändlergruppe, der die Klägerin angehöre, eine All-Risk-Versicherung
konzipiert und dies per Rundschreiben an die Mitglieder der J. & N. –Gruppe bekannt
gemacht. Die Klägerin, die seinerzeit von einer anderen Versicherungsmaklerin betreut
worden sei, habe im Jahre 2001 zunächst telefonisch an dem neuen Produkt Interesse
bekundet. Daraufhin habe die Beklagte ihr im Mai 2001 eine Kurzfassung der
Versicherungslösung übersandt. Eine erste persönliche Kontaktaufnahme sei am
15.05.2001 erfolgt. Herr P. von der Beklagten habe die Prokuristin der Klägerin
aufgesucht. Anlässlich des Besuches seien ihm zu Informationszwecken Kopien der
damaligen Versicherungsverträge übergeben worden. Eine Ortsbesichtigung sei damals
weder vorgesehen noch durchgeführt worden. Ein zweiter Besuch sei erst am
03.09.2001 erfolgt. Anlässlich dieses Gesprächs, an dem für die Beklagte die Zeugen A.
und Q. teilgenommen hätten, sei der Klägerin die von der Beklagten anhand der
vorgelegten Unterlagen erstellte Versicherungsaufstellung übergeben worden. In dem
Gespräch sei ausführlich über den derzeit bestehenden Deckungsschutz der Klägerin
sowie über das Produkt der Beklagten gesprochen worden. Es sei dann der
Versicherungsmaklervertrag unterschrieben worden. Der Klägerin sei klar gewesen,
dass Deckungslücken im Hinblick auf unvorhergesehene Sachschäden bestanden
hätten und dass nur für Feuer, Sturm und Hagel Versicherungsschutz bestanden habe.
Hierauf habe der Zeuge A. im Zusammenhang mit der Vorstellung des neuen,
wesentlich umfassenderen Produkts, hingewiesen.
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Am 25.09.2002 habe die Prokuristin der Beklagten, die Zeugin G., dem Zeugen A., ihr
Einverständnis zum Abschluss der Versicherungsverträge erst mit Beginn 01.01.2002
erklärt. Aus diesem Grund seien auch erst mit diesem Datum die Vorverträge gekündigt
worden, deren Deckungsumfang Teil der Multi-Bau-Police gewesen sei. Die Klägerin
habe sich also dafür entschieden gehabt, den verbesserten Versicherungsschutz erst ab
2002 in Anspruch nehmen zu wollen.
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Die Höhe des durch den Zusammenbruch der Hochregalanlage entstandenen
Schadens hat die Beklagte bestritten. Zudem müsse sich die Klägerin
Prämienersparnisse und den Selbstbehalt von 20.000,00 DM entgegenhalten lassen.
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Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung von Zeugen. Wegen des
Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 25.03.2003
(Bl. 99 ff GA) verwiesen. Sodann hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Es hat im
Wesentlichen ausgeführt, im Ergebnis lasse sich eine Pflichtverletzung der Beklagten
bzw. ihrer Mitarbeiter nicht feststellen. Die Beklagte sei grundsätzlich gehalten
gewesen, auf fehlenden Versicherungsschutz in bezug auf Bruchschäden hinzuweisen
und die Möglichkeit einer Eindeckung zu erörtern. Hierbei sei es ausreichend, die in
Betracht kommenden Risiken allgemein darzustellen und zu erörtern. Diesen
Grundsätzen habe das Gespräch der Zeugen A. und Q. mit den Vertretern der Klägerin
Ende August oder Anfang September 2001 genügt. Es sei auch darüber gesprochen
worden, zu welchem Zeitpunkt das neue Konzept eingesetzt werden sollte.
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Auf das angefochtene Urteil, insbesondere seine tatsächlichen Feststellungen und die
Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
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Hiergegen wendet sich die Berufung der Klägerin.
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Sie macht geltend, es sei Pflicht der Beklagten gewesen, nach eingehender Prüfung, zu
der zumindest eine Objektbegehung gehöre, alle risikorelevanten Bereiche festzustellen
und anschließend mit dem Auftraggeber in der gebotenen Sorgfalt deckungsseitig zu
erörtern. Die Deckungslücke Bruchgefahr sei nicht konkret erörtert worden. Die
Würdigung der Beweisaufnahme durch das Landgericht sei fehlerhaft.
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Die Klägerin beantragt,
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das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an
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die Klägerin 76.219,96 € nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach
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§ 1 des Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes vom 09.06.1998 seit
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dem 21.02.2002 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigt das angefochtene Urteil und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. In dem
mehrstündigen Gespräch vom 03.09.2001, welches der Anbahnung des
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Maklervertrages und der Bestandsaufnahme gedient habe, sei der seinerzeit bei der
Klägerin bestehende Deckungsschutz im Einzelnen besprochen worden, wobei der
Zeuge A. im Vergleich hierzu auf die Vorteile des von der Beklagten entwickelten
Allgefahrenkonzeptes hingewiesen habe. Die Klägerin sei anhand von Beispielen
nachdrücklich darauf hingewiesen worden, dass für unvorhergesehene Sachschäden
kein Deckungsschutz bestanden habe. In Kenntnis der Lücken im bisherigen
Versicherungsschutz sei eine Umstellung auf das Konzept der Beklagten ausdrücklich
erst zum 01.01.2002 gewünscht worden, um Prämien zu sparen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze
verwiesen.
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II. Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das
Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
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1. Der Klägerin steht kein Ersatzanspruch wegen der Verletzung von
Versicherungsmaklerpflichten gegen die Beklagte zu.
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a) Der Versicherungsmakler hat im Rahmen eines Geschäftsbesorgungsvertrages als
treuhänderischer Sachwalter umfangreiche Hinweis- und Beratungspflichten (vgl. BGHZ
94, 356 (359) = VersR 1985,930; VersR 2000, 846; OLG Hamm, VersR 2001, 583; OLG
München, VersR 2001, 459; OLG Düsseldorf, VersR 2000, 55; Langheid in
Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., § 43, Rn 10; Kollhosser in Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl.,
Anh. zu §§ 43-48, Rn 4 ff mit weiteren Nachweisen). Die Grundsätze der
Sachwalterhaftung gelten bei der Anbahnung und auch bei der Ersetzung von
Verträgen. Der Versicherungsmakler muss im Grundsatz von sich aus das Risiko
untersuchen, das Objekt prüfen und den Versicherungsnehmer von seinen
Bemühungen unterrichten. Insbesondere muss der Versicherungsmakler den
Versicherungsnehmer auf Deckungslücken und die Möglichkeit der Abhilfe hinweisen.
Einer Besichtigung des Objekts bedarf es jedenfalls dann nicht, wenn die Situation vor
Ort klar ist.
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Diese Pflichten bestehen auch entsprechend im Stadium der Anbahnung des
Vertragsverhältnisses zwischen Versicherungsnehmer und Versicherungsmakler. Auch
in diesem Zeitraum besteht die Hinweispflicht des Versicherungsmaklers. Wenn seine
Dienste in Anspruch genommen werden, muss er sogleich für die Schließung möglicher
Deckungslücken Sorge tragen.
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b) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vor dem Landgericht ist die Beklagte ihren
Versicherungsmaklerpflichten nachgekommen. Zu einer erneuten Vernehmung der
Zeugen durch den Senat bestand keine Veranlassung (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
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Die Klägerin hat eine Verletzung von Aufklärungs- und Beratungspflichten der
Beklagten nicht bewiesen. Vielmehr spricht alles dafür, dass die Klägerin in Kenntnis
der Deckungslücke im Bereich Bruchschaden den Auftrag zur erweiterten Deckung erst
ab dem 01.01.2002 erteilt hat.
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Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Klägerin für die im
Rahmen der positiven Vertragsverletzung erforderliche objektive Pflichtverletzung die
Beweislast trifft (vgl. OLG Hamm, VersR 2001, 583 mit Anmerkung Wandt).
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Lediglich im Hinblick auf die – hier nicht entscheidende - Frage der
haftungsausfüllenden Kausalität trägt die Beweislast der Versicherungsmakler (vgl.
BGHZ 94, 356 = VersR 1985, 930). Insoweit muss der Versicherungsmakler beweisen,
dass der Schaden auch bei vertragsgerechter Erfüllung seiner Pflichten eingetreten
wäre.
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Im Hinblick auf die Pflichtverletzung ist der auf Schadensersatz in Anspruch
genommene Versicherungsmakler gehalten, substantiiert zu bestreiten, um die Folgen
des Negativbeweises abzumildern. Erforderlich sind konkrete Angaben über den Inhalt
des Beratungsgesprächs (vgl. Wandt, Anmerkung VersR 2001, 583). So liegt es hier.
Die Beklagte hat konkrete Einzelheiten der Beratung anlässlich des maßgebenden
Gesprächs vorgetragen.
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Demgegenüber haben die Bekundungen der Zeugen G. und C. einen Beratungsfehler
nicht ergeben.
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Die Angaben der Zeugin G. waren gekennzeichnet von Unsicherheiten betreffend den
Zeitpunkt und den Inhalt der Unterredung mit den Vertretern der Beklagten. Sie "meinte",
dass das Gespräch am 23.08.2001 stattgefunden habe, konnte aber den Kalender, auf
den sie Bezug nahm, nicht vorlegen. Im übrigen konnte sie sich nach ihrer Bekundung
an Einzelheiten nicht erinnern. Dies sei "egal" gewesen. Keiner der Beklagten-Vertreter
habe darauf hingewiesen, dass man gegen irgendetwas nicht versichert sei. Auch der
Zeuge C. nahm hinsichtlich des Termins Bezug auf einen Terminkalender, den er
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aber nicht vorlegen konnte. Er hat angegeben, es sei auf keinen Fall darüber
gesprochen worden, dass durch das neue Konzept Gefahren abgedeckt würden, die
bislang nicht Gegenstand der Versicherung gewesen seien. Diese Bekundung erscheint
nicht glaubhaft. Es ist unwahrscheinlich, dass angesichts der Bedeutung des
Versicherungsschutzes für das Unternehmen der Klägerin nur darüber gesprochen
worden sein soll, einen neuen Versicherungsmakler zu beauftragen. Zudem ergibt sich
aus dem Umfang der Versicherungsaufstellung, dass in Bezug auf zahlreiche
Versicherungen Entscheidungen zu treffen waren.
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Demgegenüber datiert der Zeuge A., der für die Beklagte verhandelt hat, den
Gesprächstermin nachvollziehbar auf den 03.09.2001. Unter diesem Datum ist auch der
Maklervertrag unterschrieben worden. In zeitlicher Übereinstimmung damit steht das
Fax der Beklagten an die Klägerin vom 04.09.2001 (Bl. 258 GA), in dem auf die
"freundliche Aufnahme in Ihrem Hause" Bezug genommen wird. Der Zeuge Q. hat die
Zeitangaben bestätigt. Das Datum 23.08.2001 unten auf der Aufstellung "Stand 8/2001"
(Anlage B 3 , AH) führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Es handelt sich um das
Erstellungsdatum. Dass die handschriftlichen Ergänzungen am 03.09.2001 erfolgt sind,
wird dadurch nicht widerlegt, vielmehr eher bestätigt.
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Der Zeuge A. bekundet ausdrücklich, dass das Thema Bruchschaden angesprochen
worden sei. Nach seiner Schilderung hat er das all-in-one-Konzept anhand von
Beispielen erläutert. So sei die Rede von einem zusammengebrochenen Möbelhaus in
S. und von Schäden durch Überschwemmungen gewesen. Dies erscheint
nachvollziehbar. Die Schilderung des Zeugen Q. steht damit in Einklang.
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Schließlich hat der Zeuge A. angegeben, dass man die Frage angesprochen habe,
wann das neue Konzept umgesetzt werden solle. Die Zeugin G. habe dann bei dem
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Telefongespräch vom 25.09.2001 erklärt, dass die Neuregelung erst zum 01.01.2002
beginnen sollte, weil damit eine Prämienersparnis einhergegangen sei.
Nach alledem kann eine Pflichtverletzung der Beklagten nicht als bewiesen angesehen
werden.
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Auf die Höhe des Schadens kommt es danach nicht mehr an.
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2. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen
nicht vor.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs.1, 708 Nr. 10, 711
ZPO.
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Streitwert für das Berufungsverfahren: 76.219,96 €
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