Urteil des OLG Köln vom 26.08.2009

OLG Köln (kläger, anlage, stadt, höhe, allgemeine versicherungsbedingungen, täter, gebäude, brandstiftung, umstand, eigentum)

Oberlandesgericht Köln, 9 U 208/07
Datum:
26.08.2009
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
9. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 U 208/07
Vorinstanz:
Landgericht Aachen, 9 O 421/06
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 28.09.2007 verkündete Urteil
der 9. Zivilkammer des Landgerichts Aachen - 9 O 421/06 - wird
zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund dieses
Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor
der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden
Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
1
I.
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Der Kläger war seit Februar 1999 Betreiber eines "mobilen" Kaufhauses für
Sonderposten an der S in E. Das Gebäude sowie dessen Inhalt hatte der Kläger zuletzt
bei der Beklagten versichert. Im vorliegenden Verfahren nimmt er in seiner Eigenschaft
als Versicherungsnehmer die Beklagte aus der "Dynamischen Sach-
Inhaltsversicherung" wegen eines Brandschadens, der sich in der Nacht des
25./26.01.2003 in seinem Kaufhaus ereignete, auf Erstattung der an Einrichtung und
Waren entstandenen Schäden in Anspruch.
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Ausweislich des Versicherungsscheins Nr. vom 19.11.2002 (Anlage K 7) war die
Gesamtversicherungssumme mit Wirkung ab dem 15.09.2002 zunächst mit 200.000 €
vereinbart. Mit Wirkung zum 01.01.2003 wurde die Versicherungssumme gemäß
Nachtrag vom 26.12.2002 (Anlage K 8) um 400.000 € auf 600.000 € oder aber auf
insgesamt 400.000 € – dies ist zwischen den Parteien streitig – erhöht. In das
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Versicherungsverhältnis waren die "Allgemeine Versicherungsbedingungen für die
dynamische Sachversicherung von Einrichtungen, Waren und Vorräten in Betrieben,
Geschäften und Praxen (AVDSEe") der Beklagten einbezogen.
Das Kaufhaus war im Jahr 1993 auf mehreren und verschiedenen Eigentümern
gehörenden Grundstücken durch die Leasinggesellschaft H errichtet und zunächst von
dem Unternehmen D betrieben worden. Eigentümer dieser bebauten Grundstücke
waren die V-Grundstücksverwaltungsgesellschaft mbH & Co. OHG (eine
Immobiliengesellschaft der D-Inhaber) sowie die Stadt E. Mit Kaufvertrag vom
12.02.1999 (Anlage B 2 b) erwarb der Kläger zunächst – nur – das "versetzbare, mobile"
Gebäude von der Leasinggesellschaft für einen symbolischen Kaufpreis von 1,00 DM.
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Für dieses Gebäude bestanden durchgehend lediglich befristete und über die Jahre
jeweils verlängerte Baugenehmigungen. Aufgrund seines Antrags vom 09.04.2001
erwirkte der Kläger zuletzt eine ihm mit Bescheid vom 10.12.2001 erteilte Verlängerung
der Baugenehmigung bis zum 09.04.2003 (Anlage B 2 g). Seine mit der Verkäuferin
Leasinggesellschaft H und später auch mit der Stadt E im Zuge eines sog.
städtebaulichen Vertrags "zur Beseitigung des ehemaligen Interimskaufhauses D"
(Anlage B 2 f) vom 23.03./10.04.2000 getroffenen Vereinbarungen verpflichteten den
Kläger für den Fall des Ablaufs der befristeten Genehmigungen zur Beseitigung aller
baulichen Anlagen und der Herstellung des ursprünglichen Zustandes der Flurstücke,
auf denen sich das Kaufhaus befand.
6
Nur im Jahr 2001 erwirtschaftete der Kläger einen geringen Gewinn in Höhe von 23.886
€ aus dem Betrieb des Kaufhauses. In den übrigen Jahren seit Geschäftsübernahme,
den Jahren 1999, 2000 und 2002, erlitt er Verluste.
7
Im Mai 2001 übereignete der Kläger das Kaufhausgebäude sicherungshalber an die
Kreissparkasse Köln.
8
Im April 2002 kam es zur Gründung der B Besitz- und Verwaltungs- GmbH (im
Folgenden: B GmbH), an der der Kläger selbst und sein Prozessbevollmächtigter, Herr
Rechtsanwalt S, beteiligt sind und zu deren Geschäftsführerin die Ehefrau des Klägers
bestellt wurde (Anlage B 2 i). Noch im April 2002 erwarb die B GmbH über Kredite der
Volksbank C e.G. die im Eigentum der V-Grundstücksverwaltungsgesellschaft mbH &
Co. OHG stehenden und mit dem Kaufhaus bebauten Flurstücke.
9
Am 07.10.2002 verkaufte der Kläger an die B Besitz- und Verwaltungs- GmbH i. G.,
vertreten durch Rechtsanwalt S, das "(mobile) Kaufhaus" zum Preis von 330.000 €
(Anlage B 2 j). Mit Datum vom gleichen Tage erfolgte mittels eines auf 18 Jahre
geschlossenen "Vertrag über Immobilien- und Mobilien-Leasing" dieser Parteien
(Anlage B 2 k) eine Rückübertragung der Gebrauchsrechte an den Kläger; dieser
verpflichtete sich, für die Nutzung des Kaufhauses und der inzwischen im Eigentum der
B GmbH stehenden Grundstücksflächen monatlich 16.500 € an diese zu zahlen.
10
Noch im Januar 2003 führte der Kläger Gespräche mit der Stadt E über den Ankauf der
restlichen, in städtischem Eigentum stehenden Flurstücke, auf denen das Kaufhaus
errichtet war.
11
Am 26. Januar 2003 brannte das Gebäude aufgrund Brandstiftung ab. Die gegen den
Kläger in diesem Zusammenhang eingeleiteten Ermittlungsverfahren der StA E -
12
Aktenzeichen 414 Js 8283/04 und 414 Js 12478/04 – sind im Jahr 2004 nach § 170
Abs. 2 StPO eingestellt worden; eine Entscheidung der Staatsanwaltschaft über die
hiergegen gerichtete Beschwerde der Beklagten steht aus.
Mit Schreiben vom 12.01.2004 (Anlage 7 a) hat die Beklagte die Anfechtung sowohl des
hier relevanten Inhalts-Versicherungsvertrages als auch der daneben bestehenden
Gebäudeversicherung wegen arglistiger Täuschung erklärt mit der Begründung, bei
Vertragsschluss nicht über die nur befristet erteilten Baugenehmigungen informiert
worden zu sein.
13
Mit weiterem Schreiben vom 17.06.2006 hat sie die Deckung des Brandschadens
abgelehnt und dem Kläger Frist zur Klageerhebung gesetzt.
14
Dem vorliegenden Verfahren ist das Parallelverfahren der Parteien 9 O 538/03 LG
Aachen (9 U 30/06 OLG Köln/ IV ZR 163/07 BGH) vorausgegangen, in welchem der
Kläger aus der zwischen den Parteien weiter bestehenden Gebäudeversicherung
Schadensersatz in Höhe von über 3,7 Mio. € geltend gemacht hatte. Das Landgericht
hatte die dortige Klage mit der Begründung abgewiesen, dass der fragliche
Gebäudeversicherungsvertrag wirksam angefochten worden sei, weil der Kläger die
Beklagte bei Vertragsschluss arglistig über die mögliche Abrissverpflichtung und damit
den Wert des Gebäudes getäuscht habe. Die hiergegen gerichtete Berufung ist mit Urteil
des Senats vom 22.05.2007 zurückgewiesen worden. Die Entscheidung ist rechtskräftig,
nachdem der Kläger die Nichtzulassungsbeschwerde nach Versagung seines
Prozesskostenhilfeantrags durch den Bundesgerichtshof im Januar 2009
zurückgenommen hat.
15
Der Kläger hat behauptet, mit der Stadt E sei ein langfristiges Fortnutzungskonzept über
15 Jahre vereinbart gewesen, so dass der Erteilung einer erneuten Baugenehmigung
über den 09.04.2003 hinaus keine Bedenken entgegen gestanden hätten. Er hat
insoweit unwidersprochen vorgetragen, dass die Stadt E ihm den Erwerb der bebauten
weiteren, in deren Eigentum stehenden Flurstücke in Aussicht gestellt habe. Er hat
überdies behauptet, dass die Versicherungssumme mit Wirkung ab dem 01.01.2003 auf
insgesamt 600.000 € erhöht worden sei.
16
Der Kläger hat beantragt,
17
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 600.000 € nebst 8 % Zinsen hieraus über dem
Basiszinssatz seit dem 15.02.2003 zu zahlen.
18
Die Beklagte hat beantragt,
19
die Klage abzuweisen.
20
Die Beklagte hat sich auf die Versäumung der Ausschlussfrist des § 12 Abs. 3 VVG a.F.
berufen und die Aktivlegitimation des Klägers im Hinblick auf (angebliche) Abtretungen
der Entschädigungsansprüche an die Kreissparkasse Köln sowie die Volksbank C e.G.
gerügt. Sie hat behauptet, die Brandstiftung sei durch den Kläger bzw. auf seine
Veranlassung erfolgt. Die Beklagte hat weiter die Ansicht vertreten, dass der
Versicherungsvertrag nichtig, nämlich wirksam wegen einer arglistigen Täuschung von
ihr angefochten worden sei. Im Übrigen hat sie im Einzelnen ausgeführte
Einwendungen erhoben unter anderem zu den Voraussetzungen einer betrügerischen
21
Überversicherung, hilfsweise einer Unterversicherung. Sie hat außerdem die
Verjährungseinrede erhoben.
Mit am 28.09.2007 verkündetem Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Die
Kammer ist der Auffassung der Beklagten und der Begründung der erst- und
zweitinstanzlichen Entscheidung des vorangegangenen Verfahrens betreffend die
Gebäudeversicherung gefolgt und hat festgestellt, dass die Beklagte auch den
Inhaltsversicherungsvertrag erfolgreich wegen arglistiger Täuschung angefochten habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten und aller tatsächlichen Feststellungen wird auf das
angefochtene Urteil Bezug genommen
22
Mit seinem Rechtsmittel wendet sich der Kläger insbesondere gegen die rechtliche
Würdigung der Kammer im Rahmen der Arglistanfechtung, wobei er sein gesamtes
erstinstanzliches Vorbringen hierzu, aber auch im Übrigen wiederholt und vertieft.
23
Der Kläger beantragt,
24
unter Abänderung und Aufhebung des Endurteils des Landgerichts Aachen
vom 28.09.2007, Az. 9 O 421/06, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger
600.000 € nebst Zinsen in Höhe von 8% über dem Basiszins gemäß § 288
Abs. 2 BGB seit dem 25.02.2003 zu bezahlen,
25
hilfsweise,
26
die Sache unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Gericht
des ersten Rechtszuges zurückzuverweisen;
27
weiter hilfsweise:
28
die Beklagte unter Abänderung und Aufhebung des Endurteils des
Landgerichts Aachen vom 28.09.2007, Az. 9 O 421/06, zu verurteilen,
600.000 € nebst Zinsen in Höhe von 8% über dem Basiszins gemäß § 288
Abs. 2 BGB seit dem 25.02.2003 an die Kreissparkasse Köln, Annostraße 5,
53721 Siegburg, zu bezahlen.
29
Die Beklagte beantragt,
30
die Berufung zurückzuweisen.
31
Sie verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens
die angefochtene Entscheidung.
32
In der mündlichen Verhandlung hat der Senat auf Bedenken an der Fassung des
Hilfsantrages unter dem Gesichtspunkt hingewiesen, dass eine Zession zugunsten der
Kreissparkasse allenfalls in Höhe 480.000 € in Betracht kommen kann.
33
Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt
der Schriftsätze und auf die von den Parteien überreichten Unterlagen Bezug
genommen.
34
Die Zweitakten der Staatsanwaltschaft E Aktenzeichen 414 Js 8283/04 (1 Band) und
35
414 Js 12478/04 (Bände I – VI; nachfolgend zitiert als "BA)" sowie die Akten 9 O 538/06
LG Aachen (9 U 30/06 OLG Köln = IV ZR 163/07 BGH) lagen vor und waren zu
Informationszwecken Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
II.
36
Die Berufung ist zulässig. In der Sache führt sie indes nicht zum Erfolg.
37
Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger stehen die geltend
gemachten Ansprüche auf Versicherungsleistungen nicht zu. Die Beklagte ist nach
Maßgabe des § 61 VVG a.F. leistungsfrei, denn der Senat ist davon überzeugt, dass der
Brand am 25./26.01.2003 mit Wissen und Wollen des Klägers gelegt worden ist.
38
1.
39
Der Senat neigt, anders als dies das Landgericht vertreten hat, zu der Auffassung, dass
der im Streitfall maßgebliche Inhaltsversicherungsvertrag wirksam, nämlich nicht infolge
der Anfechtungserklärung der Beklagten nichtig gemäß §§ 123, 142 Abs. 1 BGB ist.
Denn das in der hier nicht berührten Gebäudeversicherung relevante Verschweigen von
für den Wert des versicherten Gebäudes maßgeblichen Umständen dürfte sich nicht
ohne Weiteres auch auf das in der Inhaltsversicherung betreffend Einrichtungen des
Gebäudes und dort vorhandene Waren versicherte Risiko auswirken, weil sich das
Gebäude an sich – vorliegend sogar in der Besonderheit eines "mobilen", auf fremdem
Eigentum stehenden Kaufhauses – und die in diesem für Geschäftszwecke
vorhandenen beweglichen Sachen rechtlich wie sächlich trennen lassen, ohne dass
dies zu wechselseitigen Wertbeeinflussungen führen würde.
40
Im Ergebnis bedarf dies jedoch keiner Entscheidung. Ebenso kann dahin stehen, ob
und in welchem Umfang der Kläger in Ansehung der Abtretung von Ansprüchen auf
Versicherungsleistungen aus dem Brandfall an die Kreissparkasse Köln bzw. die
Volksbank C aus eigenem oder fremdem Recht aktivlegitimiert ist. Denn bei
zusammenfassender Würdigung und Gesamtschau aller im Streitfall vorhandenen
Indizien scheitern sowohl die aus eigenem Recht mit dem Hauptantrag als auch die für
die Zessionarin Kreissparkasse Köln mit dem nunmehr gestellten Hilfsantrag verfolgten
Ansprüche daran, dass von einer vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalls
gemäß § 61 VVG a.F. in Form einer Auftragsbrandstiftung auszugehen ist.
41
2.
42
Der beklagte Versicherer hat die vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls
durch den Versicherungsnehmer ohne Beweiserleichterungen in vollem Umfang zu
beweisen. Hierbei ist ihm allerdings auch eine Beweisführung durch Indizien eröffnet
(BGH VersR 2005, 1387 m.w.N. = r+s 2005, 292 m.w.N.). Nach ständiger
höchstrichterlicher Rechtsprechung darf und muss das Gericht sich sodann für die
Gewinnung der vollen Überzeugung von der Wahrheit behaupteter Tatsachen mit einem
für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der Zweifeln
Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGH VersR 2007, 1429 = r+s
2007, 59 m.w.N.). Die tatrichterliche Beweiswürdigung muss auf einer tragfähigen
Tatsachengrundlage beruhen, und die vom Gericht gezogenen Schlussfolgerungen
dürfen sich nicht als bloße Vermutungen erweisen. Eine mathematische, jede
Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs ausschließende, von niemandem
43
mehr anzweifelbare Gewissheit ist indessen nicht erforderlich (BGH a.a.O.).
Nach Maßgabe dieser Kriterien sprechen die den Streitfall auszeichnenden Indizien in
ihrer Gesamtheit und in ihrem Zusammenwirken nach Überzeugung des Senats für eine
Eigenbrandstiftung in Form der Auftragsbrandstiftung.
44
a)
45
Erhebliches Gewicht kommt hierbei den Umständen des Tathergangs und der
Verschlusssituation zu.
46
Es ist unstreitig und wird durch den Inhalt der beigezogenen Ermittlungsakten bestätigt,
dass Brandursache eine vorsätzliche Brandstiftung war. Ausweislich des
kriminaltechnischen Gutachtens des LKA Sachsen vom 11.02.2003 (Anlage B 4 b bzw.
BA Bd. I Bl. 95 ff) hat der Täter jedenfalls an drei Stellen Brandbeschleuniger in Form
von Otto-Kraftstoff verteilt, den er mitgebracht hatte.
47
Der unbekannte Täter muss über Insiderkenntnisse und sogar einen passenden
Schlüssel verfügt haben. Auf der Grundlage des polizeilichen Aktenvermerks vom
28.01.2003 nebst angefügten Lichtbildmappen (BA Bd. I Bl. 9 ff) und des polizeilichen
Zwischenberichts vom 19.08.2003 (BA Bd. II Bl. 557) in Verbindung mit den im Auftrag
der Beklagten erstatteten Gutachten des Sachverständigen Okorn für IFAS v. 12.04.03
(Anlage B 4 c) sowie des Sachverständigen H für das kriminaltechnische Prüflabor H
(Anlage B 4 d) vom 27.02.2003 lässt sich nämlich Folgendes feststellen:
48
Der Täter muss sich Zugang über die einzige nicht mit einem Einbruchsalarm gesicherte
Tür, den Personaleingang (Tür "T 3"), verschafft haben. Nur dort, aber an keiner
anderen Tür oder an Fenstern, waren Spuren von Werkzeugeinwirkung festzustellen;
allerdings konnte auch die Tür am Personaleingang alleine mittels Aufhebeln o.ä. nicht
geöffnet werden; hierfür war vielmehr ein Schlüssel notwendig. Nach den
Feststellungen des Sachverständigen H ist die fragliche Tür – wie im Übrigen auch alle
anderen untersuchten Zugänge – allerdings nur mit passenden Schlüsseln geöffnet
worden. Also muss der Täter über einen solchen verfügt und mittels dieses Schlüssels
eingedrungen sein. - Von dem Personaleingang gelangte der Täter über den
Lagerbereich zu einem in den Verkaufsbereich führenden Lastenaufzug. Die fraglichen
Aufzugstüren, welche der Täter mittels Europaletten geöffnet gehalten hatte, waren
wiederum nicht von ansonsten in dem Gebäude grundsätzlich vorhandenen
Bewegungsmeldern überwacht.
49
War der Täter mithin in die Lage versetzt, die einzigen nicht mit der
Einbruchsmeldeanlage bzw. mit Bewegungsmeldern gesicherten Zugänge zu wählen
und sogar einen passenden Schlüssel mit sich zu führen, muss er notwendig über die
Kenntnisse und Möglichkeiten eines Insiders verfügt haben.
50
b)
51
Der Kläger hatte einesteils aufgrund der wirtschaftlichen Lage des Kaufhausbetriebes,
andernteils aber auch wegen der besonderen Ausgangssituation eines stets der
Möglichkeit des Abrisses ausgesetzten Gebäudes ein Motiv für eine Brandstiftung.
52
aa)
53
Die wirtschaftliche Situation des versicherten Kaufhauses stellte sich in den dem
Brandfall vorangehenden Jahren schlecht dar.
54
Unstreitig erlitt der Kläger seit Übernahme des Geschäftsbetriebs im Februar 1999 in
den Jahren 1999, 2000 und 2002 die in den Betriebsergebnissen gemäß der Anlage B 3
a ausgewiesenen Verluste; nur im Jahr 2001 wurde ein geringer Gewinn von 23.886 €
erzielt. Zum Zeitpunkt des Brandes im Januar 2003 waren Rückstände allein aus Heiz-
und Stromrechnungen in Höhe von insgesamt 29.213 € aufgelaufen. Die an die Stadt E
zu entrichtende Miete für die Nutzung der bebauten Flächen war bei Eintritt des
Schadenfalles in Höhe von 41.750 € offen.
55
Dem Kläger mag konzediert werden, dass die E Überflutungskatastrophe des Jahres
2002 zu desaströsen Einnahmeverlusten geführt haben dürfte. Es mag auch sein, dass
die Verluste der Vorjahre durch Auseinandersetzungen mit der VA
Textilhandelsgesellschaft, einem früheren Geschäftspartner, beeinflusst waren. Auf
Grund und Zustandekommen dieser Schulden kommt es indes für die Frage, ob sie ein
Motiv für die widerrechtliche Erlangung von Versicherungsleistungen darstellten, nicht
entscheidend an. Dies gilt insbesondere angesichts des Fehlens von Umständen,
welche ein Vertrauen des Klägers auf bessere zukünftige Geschäftserträge hätten
rechtfertigen können. Soweit er sich etwa mit Schriftsatz vom 03.01.2007 darauf berufen
hat (GA 223), "mehr als lukrative" Angebote von Mietinteressenten bzw. einen
Vorvertrag mit der O Lebensmittelgesellschaft mbH gehabt zu haben, bleibt sowohl die
zeitliche Zuordnung vage als auch insbesondere mangels jeglicher konkreten
Darlegungen offen, welche denkbare, deutlich positive Entwicklung der
Geschäftssituation hiermit hätte verbunden sein sollen.
56
bb)
57
Hinzu tritt der Umstand, dass der Geschäftsbetrieb mit dem grundlegenden Risiko
behaftet war, für den Fall des Ablaufs der befristeten Baugenehmigung ohne weitere
Verlängerung endgültig eingestellt werden zu müssen, womit dem Kläger zugleich
erhebliche Kosten für Abriss und Räumung gedroht hätten.
58
Der Senat verkennt in diesem Zusammenhang nicht, dass gewichtige Anhaltspunkte für
die Richtigkeit der Behauptung des Klägers sprechen, er hätte ohne den Brand eine
Verlängerung der bis zum 09.04.2003 befristeten Baugenehmigung erreichen können.
Denn in diesem Sinne hat sich die Mitarbeiterin T des Bauaufsichtsamts der Stadt E im
Ermittlungsverfahren geäußert (vgl. den Ermittlungsbericht vom 26.02.2003, BA Bd. II Bl.
385). Bestätigt hat im Übrigen auch ein Herr Dr. N von der städtischen
"Aufbaugesellschaft Prager Straße" den ohnehin unstreitigen Umstand, dass der Kläger
noch im Januar 2003 mit der Stadt E über den Ankauf der restlichen, im städtischen
Eigentum stehenden Flurstücke verhandelt hat.
59
Indes hatte der Kläger zum Zeitpunkt des Brandes am 26.01.2003 den nach Angaben
der Frau T bis Anfang Januar dieses Jahres zu stellenden Verlängerungsantrag nicht
bei der Stadt eingereicht. Und es ist auch nicht ohne weiteres ersichtlich, dass der
Kläger von dem Umstand wusste und darauf vertraute, dass die Stadt auch einen erst
nach Fristablauf gestellten Antrag auf Verlängerung der Baugenehmigung noch positiv
bescheiden würde.
60
Auch wenn eine entsprechende Kenntnis des Klägers über die Verlängerungssituation
zu seinen Gunsten unterstellt wird, führt dies zu keiner anderen Einschätzung der
Motivlage. Es verbleibt nämlich auch dann dabei, dass der Geschäftsbetrieb seit seiner
Aufnahme nicht rentabel lief und dass – wenn nicht schon im April 2003, so doch stets
bei Ablauf der nächsten Befristung – eine Einstellung mit kostenintensiver
Räumungsverpflichtung drohte.
61
Den Kläger vermag in diesem Zusammenhang auch nicht der Umstand zu entlasten,
dass der mit der B GmbH geschlossene Leasingvertrag vom 07.10.2002 auf eine
Laufzeit von 18 Jahren angelegt war, nachdem Gesellschafter an diesem Unternehmen
wiederum nur er, seine Ehefrau und sein Prozessbevollmächtigter waren.
62
Das wirtschaftliche Motiv wird im Übrigen verstärkt durch den Umstand, dass der Kläger
bei Erwerb im Jahr 1999 nur eine symbolische DM für das Gebäude gezahlt hatte, im
Versicherungsfall indes auf eine Millionenentschädigung aus der Gebäudeversicherung
hoffen konnte, wie das beigezogene Zivilverfahren zeigt.
63
c)
64
Auch diverse Begleitumstände sowie der zeitliche Ablauf der Geschehnisse stützen die
Annahme einer Auftragsbrandstiftung.
65
Erst kurz vor dem Brand, mit Wirkung zum 01.01.2003, hat der Kläger die
Versicherungssumme der Inhaltsversicherung von bislang 200.000 € mindestens
verdoppelt, seinem eigenen (wenn auch insoweit von der Beklagten bestrittenen)
Vortrag zufolge sogar auf 600.000 € verdreifacht. Konkrete Gründe, die diese Erhöhung
erklären würden, sind nicht vorgetragen oder ersichtlich. Soweit der Kläger hier
Veränderungen im Sortiment anführt, fehlt es an näheren Darlegungen zu Art und
Umfang – dies insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass ausweislich der ersten
Deckungsaufgabe seiner eingeschalteten Makler vom 24.09.2002 (Anlage K 3) der
Warenwert für diesen Zeitpunkt noch mit nur 75.000 € angesetzt worden war. Sein von
ihm insoweit in Bezug genommenes Schreiben vom 08.11.2002 (Anlage K 36) erklärt
die Erhöhung jedenfalls nicht, nachdem nicht ansatzweise nachvollziehbar wäre, dass
die Angebotsergänzung um Farben und Lacke einen solchen Mehrbetrag erfordert hätte.
66
Hieraus folgt zugleich, dass auch der Zeitablauf der Geschehnisse für eine Eigen- bzw.
Auftragsbrandstiftung spricht: Nach ganz überwiegend mit Verlusten abgeschlossenen
Geschäftsjahren und in einer Situation, in der sogar die laufenden Ausgaben für Miete,
Strom und Heizung nicht aufgebracht werden konnten, wurde die Versicherungssumme
ohne nachvollziehbare Gründe mit Wirkung zum 01.01.2003 drastisch erhöht. Die
befristete Baugenehmigung sollte schon gut 3 Monate später, am 09.04.2003, ablaufen,
und die reguläre Frist für das Stellen des Verlängerungsantrags – bis Anfang Januar
2003 – war nicht genutzt worden. In diesem relativ kleinen Zeitfenster von etwa drei
Monaten, in welchem mit einer hohen Versicherungsentschädigung, aber auch dem
Ablauf der Baugenehmigung gerechnet werden kann, ereignet sich sodann der Brand,
der unstreitig auf einer Brandstiftung beruht.
67
Anhaltspunkte für die Existenz eines fremden, nicht von dem Kläger angestifteten Täters
gibt es ebenso wenig wie ein Motiv eines unbekannten Täters für eine Brandstiftung.
Die von ihm am Rande erwähnte und nicht weiter ausgeführte Theorie, ein im Raum E
früher verschiedentlich tätiger "Feuerteufel" könne auch vorliegend am Werk gewesen
68
sein, hat der Kläger im Weiteren zu Recht nicht mehr aufgegriffen.
Dass der Kläger nach dem Ergebnis der Ermittlungsakten über ein Alibi für die Tatnacht
verfügt, spielt keine entscheidende Rolle. Eine unmittelbare Eigenbrandstiftung steht
nicht in Rede, sondern eine vorsätzliche Herbeiführung des Brandfalls durch eine
Auftragsbrandstiftung.
69
Nicht unberücksichtigt bei der Würdigung kann schließlich auch der für die Frage nach
Gesinnung und Motivation bedeutsame Umstand bleiben, dass der Kläger nach den
nunmehr rechtskräftigen Feststellungen im beigezogenen Verfahren 9 O 538/03 LG
Aachen (9 U 30/06 OLG Köln/ IV ZR 163/07 BGH) auch vor einer arglistigen Täuschung
seines Versicherers im Zusammenhang mit dem Wert des versicherten Gebäudes nicht
zurückgescheut ist.
70
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Tathergang und Verschlusssituation des
Brandobjekts, Motivlage, Zeitablauf sowie die erörterten Begleitumstände schon für sich
gesehen, vor allem aber auch in der Gesamtschau von solchem Gewicht sind, dass sie
die Überzeugung des Senats von einer zur Leistungsfreiheit der Beklagten führenden,
im Auftrag des Klägers erfolgten Brandstiftung begründen.
71
3.
72
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
73
Die Revision wird nicht zugelassen. Der Entscheidungsschwerpunkt liegt im
tatrichterlichen Bereich und die Rechtssache hat keine über den Einzelfall
hinausgehende grundsätzliche Bedeutung. Eine Entscheidung des Revisionsgerichts
ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung erforderlich.
74
Streitwert für das Berufungsverfahren: 600.000 €
75