Urteil des OLG Köln vom 10.11.2000

OLG Köln: einstweilige verfügung, einwilligung, veröffentlichung, programm, name, rom, tochtergesellschaft, klagebefugnis, pastor, datenträger

Oberlandesgericht Köln, 6 U 105/00
Datum:
10.11.2000
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 U 105/00
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 33 O 150/00
Tenor:
Die Berufung gegen das am 23. Mai 2000 verkündete Urteil der 33.
Zivilkammer des Landgerichts Köln (33 O 150/00) wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegnerin werden auch die Kosten des Berufungsverfahrens
auferlegt. Dieses Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg. Das Landgericht hat die
von ihm erlassene einstweilige Verfügung mit Recht bestätigt. Die Darlegungen der
Antragsgegnerin im Berufungsverfahren geben keinen Anlass zu einer abweichenden
Beurteilung:
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1.
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Die Klagebefugnis der Antragstellerin ergibt sich aus § 1 UWG, weil sie unmittelbare
Wettbewerberin der Antragsgegnerin ist. Beide sind auf dem Markt mit
Telefonverzeichnissen - sei es konventioneller, sei es elektronischer Art - vertreten. Die
Antragstellerin ist nach § 21 Abs. 1 TKV gesetzlich verpflichtet, jährlich Telefonbücher
herauszugeben. Indem sie diese Verpflichtung über ihre 100 %ige Tochtergesellschaft
D. M. GmbH wahrnimmt, sich also gewissermaßen einer "Erfüllungsgehilfin" bedient,
ändert dies nichts an der gesetzlichen Bindung der Antragstellerin. Deren Name
erscheint folgerichtig auf dem Cover sowohl des konventionellen Telefonbuches als
auch auf der CD-Rom, die von der Tochtergesellschaft hergestellt wird. Der Senat
übersieht insoweit nicht, dass eine Muttergesellschaft nicht stets von selbst über eine
100%ige Tochter deren aus § 1 UWG folgende Klagebefugnis inne hat, sie vielmehr
allenfalls im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft deren Klagerechte geltend
machen kann (vgl. BGH GRUR 95, 54, 57 "Nicoline"). Im Streitfall liegen die Dinge
indessen wegen der aus § 21 Abs. 1 TKV folgenden Eigenverpflichtung der
Antragstellerin zur Herausgabe der Telefonbücher anders.
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2.
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Das Angebot und der Vertrieb der CD-Rom "R. 99 - Version 3.0" durch die
Antragsgegnerin stellt einen Verstoß gegen §§ 4 Abs. 1 und Abs. 2, 28 Abs. 1, 29 Abs. 1
BDSG dar.
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Nach der im § 1 Abs. 2 Nr. 3 BDSG getroffenen Regelung gilt dieses Gesetz für die
Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten u.a. durch nicht
öffentliche Stellen, soweit letztere die Daten geschäftsmäßig oder für berufliche oder
gewerbliche Zwecke verarbeiten oder nutzen. Dass es sich bei den hierbei betroffenen
Angaben der Teilnehmer, (Name, Anschrift, ggf. Beruf) um personenbezogene Daten
und bei der Antragsgegnerin um eine nichtöffentliche Stelle handelt (vgl. die
Definitionen in §§ 2 Abs. 3, 3 Abs. 1 BDSG), ist nicht zweifelhaft.
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Auf Seiten der Antragsgegnerin liegt auch eine "Nutzung" im Sinne von § 3 Abs. 6
BDSG vor. Als "Nutzung" ist dabei jede Verwendung personenbezogener Daten
bestimmt, bei der es sich nicht um einen unter die vorbezeichneten
Verarbeitungsphasen des § 5 Abs. 1 BDSG fallenden Umgang mit personenbezogenen
Daten handelt. Die Definition des "Nutzens" ist dabei als ein umfassender
Auffangtatbestand ausgelegt, der vorliegt, wenn die Verwendung geschützter Daten
keiner Verarbeitungsphase zugerechnet werden kann (vgl. Bergmann, Möhrle, Herb,
Datenschutzrecht, Rdnr. 107 zu § 3 BDSG; Dammann in Simitis u.a., BDSG, § 3 Rn. 195
und 199). Entscheidend ist dabei die Verwendung des Informationsgehaltes, der gerade
in seiner Eigenschaft als personenbezogene Information gebraucht werden muss. Eine
Nutzung personenbezogener Daten liegt daher nur vor, wenn sich die Verwendung
auch auf den Personenbezug erstreckt (Dammann a.a.O. Rn. 195, 197).
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Danach steht der Anwendung der genannten Bestimmung nicht entgegen, dass die
Software R. lediglich als Suchprogramm auf einem anderen Programm aufbaut, um
dessen Daten in einer bestimmten Weise zugänglich zu machen und aufrufen zu
können. Dieses Suchprogramm hat seinen Zweck und seine Funktion nämlich allein
durch den Umgang mit den anderweitig auf "K. 99" gespeicherten personenbezogenen
Daten, in dem es diese bei Angabe bestimmter Informationen (Telefonnummer oder
Teile hiervon) erfasst, identifiziert und als "Treffer" auswirft. Dies ist eine
"personenbezogene" Verwendung der Daten, weil sich das R.-Programm seiner
Arbeitsweise nach gerade den personenbezogenen Informationswert der auf K. 99
gespeicherten Daten erschließt, indem allein durch Angabe einer Nummernfolge diese
personenbezogenen Daten der jeweiligen Telefonteilnehmer identifiziert und
aufgerufen, mithin für das eigene Suchprogramm ausgewertet werden.
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b)
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Diese Nutzung der personenbezogenen Daten der Teilnehmer widerspricht den
Bestimmungen des BDSG. Gem. § 4 Abs. 1 BDSG ist die Nutzung geschützter Daten
nur dann zulässig, wenn das BDSG oder eine andere Rechtsvorschrift sie erlaubt oder
soweit der Betroffene eingewilligt hat.
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Eine Einwilligung der Betroffenen - hier der Teilnehmer, deren personenbezogene
Daten auf K. 99 gespeichert sind - zu der hier in Rede stehenden Nutzung ihrer Daten
liegt nicht vor. Dem steht es nicht entgegen, dass die Teilnehmer der Aufnahme ihrer
Daten in das elektronische Teilnehmerverzeichnis K. 99 zugestimmt haben bzw.
insoweit ihre Einwilligung vorliegt. Denn diese Einwilligung erstreckt sich lediglich auf
die Aufnahme dieser Daten in ein Verzeichnis, mit dessen Hilfe die Telefonnummern
der Betroffenen ermittelt werden können. Die Ermittlung der Telefonnummer setzt aber
bei demjenigen, der sie durch die Aufnahme des Eintrags in dieses Verzeichnis
abfragen können soll, bestimmte Vorinformationen, vor allen Dingen die Kenntnis des
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Namens des Eingetragenen voraus. Die seitens des Betroffenen erteilte Einwilligung in
die Aufnahme seiner personenbezogenen Daten in ein allgemein zugängliches
Verzeichnis erstreckt sich daher nicht nur auf die Veröffentlichung der Daten als solche,
sondern (auch) darauf, dass dies in einer Weise geschieht, die den Zugriff auf die Daten
nur auf einem bestimmten Weg ermöglicht. Keinesfalls kann in der Einwilligung des
Betroffenen zur Veröffentlichung seiner Daten im Rahmen eines
Teilnehmerverzeichnisses die Freigabe sämtlicher Arten und Möglichkeiten des Zugriffs
auf dieses Datenmaterial gesehen werden. Dieser Sichtweise entspricht die
gesetzgeberische Wertung in § 11 Abs. 5 TDSV, welche dem Anbieter von
Telekommunikationsleistungen die Auskunftserteilung über Namen und andere Daten
von Kunden, von denen nur die Rufnummer bekannt ist, ausdrücklich untersagt. Damit
ist entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin auch die von ihr aufgeworfene Frage,
ob die hier in Rede stehenden Datennutzung nicht durch außerhalb des BDSG
angesiedelte Vorschriften ausdrücklich erlaubt wird, verneint. Auf die von ihr
herangezogenen Vorschriften der §§ 12 Abs. 2 und § 21 TKV kann sie sich schon
deshalb nicht stützen, weil sie nicht Normadressatin ist. Die genannten Vorschriften
sagen aber auch unabhängig davon nichts über das von der Antragsgegnerin
reklamierte Recht aus, eine Rückwärtssuche nach Telefonnummern durchführen zu
dürfen.
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Der Verstoß der Antragsgegnerin gegen die genannten datenschutzrechtlichen
Bestimmungen begründet den Vorwurf eines wettbewerbswidrigen Verhaltens im Sinne
des § 1 UWG. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen insoweit auf die
zutreffenden Ausführungen des Landgerichts in dem angefochtenen Urteil (§ 543 Abs. 1
ZPO).
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4.
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Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin unterliegt der Verfügungsantrag auch
nicht deshalb teilweise der Abweisung, weil die Antragstellerin nicht nur auf ein Verbot
des Anbietens und Vertreibens des Produktes "R. 99 - Version 3.0" abzielt, sondern
insgesamt auf ein Verbot, Programme anzubieten oder zu vertreiben, die eine
Rufnummernidentifikation bzw. Rückwärtssuche nach Telefonnummern ermöglichen.
Die Antragsgegnerin nimmt nämlich erklärtermaßen das Recht für sich in Anspruch,
derartige Datenträger mit Rückwärtssuchprogrammen legal vertreiben zu dürfen. Es ist
nicht ersichtlich, dass sie sich dieses Rechts nur zum Zwecke der Verteidigung in dem
vorliegenden Verfügungsverfahren berühmt hat. Damit ist eine Begehungsgefahr auch
außerhalb des konkreten Produktes "R. 99 - Version 3.0" zu bejahen und eine
Verallgemeinerung des Antrags (vgl. dazu Teplitzky, wettbewerbsrechtliche Ansprüche,
7. Aufl., § 5 Rn. 7 ff, insbesondere 9; Jestaedt in Pastor/Ahrens, Der
Wettbewerbsprozess, 4. Aufl., § 27 Rn. 11 ff., beide mit umfangreichen weiteren
Nachweisen) infolge dessen zulässig.
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Die Berufung war daher mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.
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