Urteil des OLG Köln vom 31.07.2006

OLG Köln: treu und glauben, schutzwürdiges interesse, auflage, tauschvertrag, umgestaltung, eigentümer, wohnung, herausgabe, form, besitzer

Oberlandesgericht Köln, 16 Wx 98/06
Datum:
31.07.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
16. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 Wx 98/06
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 29 T 209/04
Tenor:
Die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin gegen den
Beschluss der 29. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 16.03.2005 –
29 T 209/04 – wird zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens werden der
Antragstellerin auferlegt.
Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.
G r ü n d e
1
Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
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Die Entscheidung des Landgerichts beruht im Ergebnis nicht auf einer Verletzung des
Gesetzes (§§ 27 FGG, 546 ZPO).
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Die Vorinstanzen haben einen Anspruch der Antragstellerin auf Herausgabe des
Kellerraumes Nr. 4 als Kellerraum zu Recht verneint.
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Dieser Kellerraum gehört zwar zum Sondereigentum der Antragstellerin. Der zwischen
der Voreigentümerin der Antragstellerin, der Zeugin I, und den Antragsgegnern
geschlossene Tauschvertrag vom 09.02.1989 ist formunwirksam und grundbuchmäßig
nicht vollzogen worden. Die Übertragung der jeweiligen Kellerräume bedurfte der Form
des § 4 WEG in Verbindung mit den §§ 873, 925, 313 BGB, die nicht eingehalten
worden ist. Entgegen den Ausführungen des Landgerichts unterliegt es keinen
rechtlichen Bedenken, wenn zwei Wohnungseigentümer einzelne Räume ihres
Sondereigentums von dem Einen auf den Anderen übertragen. Dazu bedarf es weder
einer gleichzeitigen Änderung der jeweiligen Miteigentumsanteile noch einer Mitwirkung
der übrigen Wohnungseigentümer (vgl. OLG Zweibrücken, ZMR 2001, 663 f.; BayOblG
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ZMR 2000, 468 ff.; Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Auflage, § 6 Randziffer 4; Staudinger-
Rapp, WEG, 13. Auflage, § 6 Randziffer 19 ff., 21). Ist die Übertragung des
Sondereigentums an einzelnen Räumen aber möglich, so ist die vom Landgericht
vorgenommene ergänzende Auslegung des Tauschvertrages in einen Mietvertrag nicht
vertretbar. Die Parteien des Tauschvertrages wollten – wie die Aussage der Zeugin I
ergeben hat – den Austausch des Sondereigentums und nicht die gegenseitige
Überlassung der Räume lediglich zum Gebrauch.
An der Geltendmachung des Herausgabeanspruchs (§ 985 BGB) ist die Antragstellerin
jedoch nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) gehindert, weil ihr Begehren gegen das
Verbot widersprüchlichen Verhaltens verstößt. Die Antragstellerin hat mit dem Erwerb
des Wohnungseigentums als Rechtsnachfolgerin von der Voreigentümerin mangels
besonderer gesetzlicher Bestimmungen keine weitergehenden Rechte erhalten können,
als der Voreigentümerin zuletzt zustanden (vgl. Senatsbeschluss vom 06.02.1998 – 16
Wx 333/97 ist NZM 1998, 872 f. m. w. N.).
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Die Voreigentümerin, die Zeugin I, hat den Tauschvertrag mit den Antragsgegnern
geschlossen, um diesen die bauliche Umgestaltung des Kellerraumes Nr. 4 zu
Wohnzwecken zu ermöglichen. Die Umgestaltung des Kellerraums, die auch das
Gemeinschaftseigentum betrifft und deshalb eine bauliche Veränderung im Sinne von §
22 Abs. 2 WEG darstellt, ist nach den verfahrensfehlerfrei getroffenen Feststellungen der
Vorinstanzen mit Einverständnis der Voreigentümerin erfolgt. Die von den
Antragsgegnern vorgenommenen baulichen Maßnahmen waren deshalb nicht
rechtswidrig. Bauliche Veränderungen bedürfen nur der Zustimmung derjenigen
Wohnungseigentümer, die durch die beabsichtigte Maßnahme benachteiligt, d. h. in
ihren Rechten betroffen werden, wobei die Zustimmung keiner Form bedarf. Die von den
Antragsgegnern durchgeführten baulichen Maßnahmen konnten auch in der Folgezeit
nach Eigentumserwerb durch die Antragstellerin nicht rechtswidrig werden, weil – wie
die Vorinstanzen zutreffend ausgeführt haben – die Antragstellerin als
Sondernachfolgerin der Zeugin I an deren Zustimmung gebunden ist. Dies ergibt sich
aus einer entsprechenden Anwendung des § 10 Abs. 3 WEG. Denn wenn zur
rechtmäßigen Herstellung einer baulichen Veränderung anstatt eines förmlichen
Versammlungsbeschlusses die formlose Zustimmung der nachteilig betroffenen
Berechtigten genügt, dann kann die Fortdauer der Rechtmäßigkeit des neuen,
möglicherweise mit erheblichem Kostenaufwand geschaffenen baulichen Zustandes im
Verhältnis zum Sondernachfolger eines Berechtigten billigerweise nicht von einer
zusätzlichen förmlichen Beschlussfassung abhängig gemacht werden (vgl. OLG Hamm
ZMR 1996, 390 ff.; Bärmann/Pick/Merle a. a. O., § 22 Randziffer 117 m. w. N.;
Staudinger-Bub, WEG, 13. Auflage, § 22 Randziffer 53 m. w. N.).
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Die Voreigentümerin der Antragstellerin hatte aber nicht nur die baulichen
Veränderungen im Kellerraum Nr. 4 zu dulden sondern sie war auch daran gehindert,
diesen Raum von den Antragsgegnern nach § 985 BGB herauszuverlangen. Auch wenn
der Tauschvertrag formunwirksam war und die Antragsgegner aus ihm keinen
schuldrechtlichen Anspruch auf Eigentumsübertragung herleiten konnten, so hätte sich
ein Herausgabeverlangen der Zeugin I als rechtsmissbräuchlich erwiesen. Auch dem
Eigentümer kann ein schutzwürdiges Interesse daran fehlen, den Besitzer in Anspruch
zu nehmen, wenn er selbst zur Vindikationslage durch vertrauensbegründendes
Verhalten beigetragen und hierdurch bestimmte Dispositionen des Besitzers veranlasst
hat. Durch den Abschluss des Tauschvertrages sowie die Zustimmung zur
Umgestaltung des Kellerraumes Nr. 4 zu Wohnzwecken hat die Zeugin I einen
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Vertrauenstatbestand geschaffen und die Antragsgegner haben im Hinblick hierauf
erhebliche Vermögensdispositionen getroffen die hinfällig würden, wenn sie zur
Herausgabe des Kellerraumes verpflichtet wären. Hinzu kommt, dass eine Rückgabe
des Kellerraumes Nr. 4 zwangsläufig die Rückgängigmachung der baulichen
Maßnahmen bedeuten würde, die die Rechtsvorgängerin der Antragstellerin auf Grund
ihrer Zustimmung aber zu dulden hatte. Ein Herausgabeverlangen der Zeugin I hätte
sich deshalb als widersprüchlich und treuwidrig dargestellt. Sie hätte auf Grund des von
ihr geschaffenen Vertrauenstatbestandes die Nutzung des umgestalteten ehemaligen
Kellerraumes Nr. 4 seitens der Antragsgegner weiter hinnehmen müssen, jedenfalls
solange, wie diese Eigentümer ihrer Wohnung sein würden. An diese entstandene
Rechtslage ist die Antragstellerin als Rechtsnachfolgerin gebunden; denn durch den
Erwerb der Wohnung konnte sie – wie bereits ausgeführt – keine weitergehenden
Rechte erhalten, als der Voreigentümerin zustanden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG.
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Es entspricht billigem Ermessen, dass die Antragstellerin als auch im
Rechtsbeschwerdeverfahren unterlegene Partei die gerichtlichen Kosten des
Verfahrens der weiteren Beschwerde trägt. Dagegen bestand keine Veranlassung, von
dem in § 47 WEG bestimmten Kostengrundsatz abzuweichen, wonach jeder der
Beteiligten seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt.
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Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird gemäß § 48 Abs. 3
WEG – entsprechend der unbeanstandet gebliebenen Wertfestsetzung in den
Vorinstanzen – auf 2.556,46 € festgesetzt.
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