Urteil des OLG Köln vom 28.04.1993
OLG Köln (behandlung, kläger, stationäre behandlung, unterbrechung des kausalzusammenhangs, umkehr der beweislast, abklärung, schmerzensgeld, schaden, untersuchung, therapie)
Oberlandesgericht Köln, 27 U 144/92
Datum:
28.04.1993
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
27. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Grund- und Teilurteil
Aktenzeichen:
27 U 144/92
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 25 O 442/88
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 30. Juni 1992 verkündete
Urteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 25 O 442/88 - unter
teilweiser Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels bezüglich
des Schmerzensgeldantrages und unter Zurückweisung der
Anschlußberufung teilweise wie folgt abgeändert:
1.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld von
25.000,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 14. Oktober 1988 zu zahlen.
2.
Die Klage auf Ersatz des Verdienstausfalls ist dem Grunde nach
gerechtfertigt.
3.
Es wird festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger
sämtliche weiteren materiellen und immateriellen Schäden aus der
ärztlichen Behandlung des Beklagten im Dezember 1985 zu ersetzen,
soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige
Dritte kraft Gesetzes übergegangen sind oder noch übergehen.
4.
Der weitergehende Schmerzensgeldantrag wird abgewiesen.
5.
Wegen der Klage auf Ersatz des Verdienstausfallschadens wird der
Rechtsstreit zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das
Landgericht Köln zurückverwiesen.
6.
Die Entscheidung über die Kosten, auch über die des
Berufungsverfahrens, bleibt der Entscheidung des Landgerichts
vorbehalten.
7.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des
Klägers gegen Sicherheitsleistung von 30.000,00 DM abzuwenden,
wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in der selben
Höhe leistet.
Den Parteien wird gestattet, die Sicherheitsleistung auch durch
Bürgschaft einer deutschen Großbank, öffentlichen Sparkasse oder
einer Genossenschaftsbank zu erbringen.
T a t b e s t a n d :
1
Der Kläger begehrt Schmerzensgeld und materiellen Schadensersatz mit der
Behauptung, der Beklagte habe ihn unter Verstoß gegen die ärztliche Kunst
und Sorgfalt behandelt.
2
Ende November 1985 suchte der am 29. April 1935 geborene Kläger den
Beklagten - einen niedergelas-senen Orthopäden - unter anderem wegen
Schmerzen im linken Knie auf. In der Zeit vom 02. Dezember bis zum 20.
Dezember 1985 injizierte der Beklagte sechs Mal intraartikulär das
Medikament D. S. Wegen starker Knieschmerzen ließ sich der Klä-ger am 21.
Dezember 1985 von Dr. B. not-ärztlich behandeln. Am 23. Dezember 1985
stellte er sich erneut beim Beklagten vor, wobei er auf die notärztliche
Behandlung hinwies. Durch Punk-tion gewann der Beklagte 45 ml eines
serösen Er-gusses. Anschließend injizierte er das Medikament D. S vermischt
mit M. . Am nächsten Tag wiederholte er die Behandlung. Wie auch tags
zuvor veranlaßte er keine Untersuchung des Punktats. Am 25. Dezember
1985 injizierte der vom Kläger konsultierte Neurologe und Phychiater Dr. R.
wegen anhaltender Schmerzen eine Ampulle B. intramuskulär und T.
intravenös. Am 26. De-zember 1985 suchte der Kläger das Krankenhaus der
Streithelferin zu 1) auf. Dort wurde das Knie erneut punktiert und der Kläger
dann nach Hause entlassen. Die Untersuchung des Punktats erbrachte den
Nachweis "staphylococcus aureus". Am 27. De-zember 1985 wurde der
Kläger stationär aufgenom-men. Seine Körpertemperatur betrug 39 Grad, die
Blutsenkungsgeschwindigkeit 110/127 und die Leuko-zytenzahl 9,8/nl. Das
linke Bein wurde auf einer Gipsschiene ruhiggestellt, eine antibotische Be-
handlung mit Sobelin eingeleitet sowie am 30. De-zember 1985 und am 02.
3
Januar 1986 Lavagen des Gelenks mit Injektionen von R. vorgenommen.
Unter dieser Behandlung waren im Punktat Anfang Februar 1986 keine
Bakterien mehr nachzuweisen. Am 06. Februar 1986 wurde eine subtotale
Synovektomie vorgenommen. Hierbei war stellenweise der aro-dierte Knorpel
falzförmig abzuheben. Das mediale Seitenband und das vordere Kreuzband
waren teil-weise aggressiv zersetzt. Innen- und Außenmeniskus wiesen
ebenfalls aggressive Veränderungen auf und wurden zur Hälfte reseziert. Am
medialen Femur-Kondylus war etwa 1/3 des Knorpels abzuheben. Die
feingewebliche Untersuchung des entfernten Gelenk-kapsel-Gewebes ergab
eine ausgeprägte chronische, eher unspezifische granulierende und fibrinöse
Synovitis. Am 13. März 1986 wurde der Kläger ent-lassen.
Er hat behauptet, die Injektionen mit D. S seien kontrainjiziert oder zumindest
nur nach eingehender - aber unterbliebener - Risikoauf-klärung vertretbar
gewesen. Jedenfalls die zwei letzten Injektionen hätten wegen einer
erkennbaren Entzündung nicht mehr erfolgen dürfen. Auch habe der Beklagte
es schuldhaft versäumt, die Punktate untersuchen zu lassen. Infolge der
Verzögerung der gebotenen diagnostischen und therapeutischen
Maßnahmen bezüglich der Infektion sei es unter anderem zu einer völligen
Kniesteife und einer dadurch bedingten Depression gekommen. Auch könne
er in seinem Beruf als Maler und Anstreicher nicht mehr arbeiten. Ein
Schmerzensgeld von mindestens 20.000,00 DM sei angemessen. Sein
Verdienstaus-fallschaden seit November 1985 belaufe sich auf monatlich
1.840,90 DM.
4
Er hat beantragt,
5
1.
6
den Beklagten zu verurteilen, an ihn ein angemessenes
Schmerzensgeld zu zah-len;
7
2.
8
den Beklagten zu verurteilen, an ihn eine vierteljährlich
vorauszuzahlende monatliche Rente in Höhe von 1.840,50 DM
beginnend ab dem 21. November 1985 jeweils im voraus zum
01.01., 01.04., 01.07., und 01.10. eines jeden Jahres bis zum
29.04.2000 (65. Lebensjahr des Klägers) zu zahlen;
9
3.
10
festzustellen, daß der Beklagte ver-pflichtet sei, ihm sämtliche
weiteren Schäden, die ihm in Zukunft aus der fehlerhaften
ärztlichen Behandlung des Beklagten zustünden, zu ersetzen, so-
weit die Ansprüche nicht auf Sozialver-sicherungsträger oder
sonstige Dritte übergehen.
11
Der Beklagte und die Streithelferin haben bean-tragt,
12
die Klage abzuweisen.
13
Sie haben behauptet, im Jahre 1985 seien Kniege-lenkinjektionen mit dem
Mittel D. S (noch) nicht fehlerhaft gewesen. Erst in späteren Jahren habe man
die Behandlung als zu riskant verworfen. Die Injektionen am 23. und 24.
Dezember 1985 seien nicht kontraindiziert gewesen. Anzeichen einer
Infektion hätten nicht vorgelegen. Das Knie-gelenk habe weder eine Rötung
gezeigt noch sei es überwärmt gewesen. Die Punktate seien ungetrübt
gewesen. Eine Untersuchung der Punktate habe der Beklagte selbst nicht
durchführen können. Eine Fremdanalyse hätte wegen der
Weihnachtsfeiertage zu lange gedauert. Auf die Gefahr einer Kniege-
lenksinfektion und der damit verbundenen schwer-wiegenden Folgen sei der
Kläger vor der Behandlung hingewiesen worden. Selbst wenn ein Fehler des
Be-klagten oder ein Aufklärungsversäumnis anzunehmen wären, komme eine
Haftung nicht in Betracht. Denn ein etwaiger Fehler wäre - wie der weitere
Verlauf zeige - letztlich folgenlos geblieben. Eine frühe-re stationäre
Behandlung und Operation wäre nicht erfolgt.
14
Der Beklagte hat darüberhinaus behauptet, das entscheidende Versäumnis
hinsichtlich des Schadens sei allein den Streithelfern anzulasten.
15
Das Landgericht hat - sachverständig beraten - die Klage im wesentlichen
abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dem Beklagten seien nur die
Verzögerung der stationären Behandlung um 4 Tage und die zwei nicht
indizierten Injektionen am 23. und 24. Dezember 1985 zuzurechnen. Der
weiter-gehende Gesundheitsschaden des Klägers beruhe auf
Behandlungsfehlern der Ärzte der Streithelferin zu 1). Die Behandlungsfehler
des Beklagten rechtfer-tigten lediglich ein Schmerzensgeld von 500,00 DM.
16
Gegen das Urteil, dessen Zustellung nicht nachzu-weisen ist, hat der Kläger
am 17. August 1992 Be-rufung eingelegt, die er nach Verlängerung der Be-
rufungsbegründungsfrist bis zum 15. November 1992 am 13. November 1992
begründet hat.
17
Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein erstin-stanzliches Klageziel unter
Berücksichtigung des ihm zugesprochenen Schmerzensgeldbetrages von
500,00 DM weiter, meint aber, als Schmerzensgeld sei insgesamt ein Betrag
von 35.000,00 DM ange-messen.
18
Er wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und vertritt die Auffassung,
der Beklagte hätte am 23. Dezember 1985 das Punktat untersuchen und ihn
nach Mitteilung eines positiven Ergebnisses am 24. Dezember 1985 noch am
selben Tage ins Krankenhaus einweisen müssen. Bei Beginn der The-rapie
am 24. Dezember 1985 wäre diese erfolgreich gewesen. Der Beklagte habe
entgegen der Auffassung des Landgerichts für den gesamten weiteren
Schaden einzustehen, weil die Voraussetzungen, unter denen nach der
Rechtsprechung dem Schädiger der Schaden nicht mehr zuzurechnen sei,
nicht vorlägen. Da das Verhalten des Beklagten grob fehlerhaft gewesen sei,
kämen ihm auch hinsichtlich des Kausalzusam-menhangs
Beweiserleichterungen zugute.
19
Er behauptet weiter, die Infektion sei Folge einer unzureichenden
20
Sterilisation; dafür spreche der Beweis des ersten Anscheins. Es sei
fehlerhaft gewesen, überhaupt das Medikament D. S zu injizieren. Eine
nennenswerte Vorschädigung des Knies habe nicht bestanden. Schließlich
sei er weder über das Infektionsrisiko noch über Behand-lungsalternativen
aufgeklärt worden. Zur Höhe sei-nes materiellen Schadens wiederholt er
seinen er-stinstanzlichen Vortrag.
Er beantragt,
21
unter teilweiser Abänderung des ange-fochtenen Urteils
22
1.
23
den Beklagten zu verurteilen, an ihn ein angemessenes
Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu
zahlen,
24
2.
25
den Beklagten zu verurteilen, an ihn eine vierteljährlich
vorauszuzah-lende monatliche Rente in Höhe von 1.840,50 DM
beginnend ab den 23. Novem-ber 1985, jeweils im voraus zum
01.01., 01.04., 01.07. und 01.10. eines jeden Jahres bis längstens
zum 29.04.2000 (65 Lebensjahr des Klägers) zu zahlen,
26
3.
27
festzustellen, daß der Beklagte ver-pflichtet sei, ihm sämtliche
weiteren materiellen und immateriellen Schäden aus der
ärztlichen Behandlung des Be-klagten zu ersetzen, soweit die
Ansprü-che nicht auf Sozialversicherungsträ-ger oder sonstige
Dritte Kraft Gesetzes übergegangen sind oder noch übergehen,
28
4.
29
ihm nachzulassen, eine Sicherheitslei-stung durch Bürgschaft
einer deutschen Großbank, öffentlichen Sparkasser oder
Genossenschaftsbank zu erbringen.
30
Der Beklagte beantragt,
31
die Berufung zurückzuweisen.
32
Im Wege der Anschlußberufung beantragt er weiter,
33
die Klage unter entsprechender Abände-rung des angefochtenen
Urteils insge-samt abzuweisen.
34
Der Kläger beantragt,
35
die Anschlußberufung des Beklagten zu-rückzuweisen.
36
Der Beklagte tritt der Berufung entgegen und verteidigt das angefochtene
Urteil, soweit die Klage abgewiesen worden ist. Er hält einen Behand-
lungsfehler für nicht bewiesen und daher die Zuer-kennung eines
Schmerzensgeldes für nicht gerecht-fertigt.
37
Wegen aller übrigen Einzelheiten wird auf den vorgetragenen Inhalt der
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften, die
schriftlichen erstatteten Gutachten, das angefoch-tene Urteil und die
Krankenunterlagen Bezug ge-nommen.
38
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
39
Die zulässige Berufung hat hinsichtlich des Schmerzensgeld- und
Feststellungsantrages nur im erkannten Umfang Erfolg; der Antrag auf Ersatz
des Verdienstausfallschadens ist dem Grunde nach gerechtfertigt, so daß
darüber durch Teilurteil zu befinden ist. Wegen der Höhe des
Verdienstausfall-schadens ist die Klage noch nicht entscheidungs-reif.
Insoweit ist der Rechtsstreit gemäß § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO an das
Landgericht zurückzuver-weisen.
40
Der Beklagte haftet dem Kläger aus unerlaubter Handlung nach § 823 Abs. 1
BGB für die materiel-len Schäden und nach § 823 Abs. 1 in Verbindung mit §
847 BGB für die immateriellen Schäden, die dieser dadurch erlitten hat, daß
der Beklagte ihn nicht schon am 24. Dezember 1985, spätestens aber am 25.
Dezember 1985 in stationäre Krankenhausbe-handlung eingewiesen hat.
41
1.
42
Die Behandung des Klägers durch den Beklagten sowohl am 23. als auch am
24. Dezember 1985 war fehlerhaft. Der Beklagte hätte das am 23. Dezember
1985 gewonnene Kniegelenkspunktat zur labortechni-schen Überprüfung auf
eine bakterielle Infektion des Kniegelenks einschicken müssen. Die Sachver-
ständigen Prof. Dr. Sch. und Dr. F. haben in ihren schriftlichen Gutachten vom
11. Juni 1990 und 22. März 1991 an dieser Verpflichtung des Be-klagten
keinen Zweifel gelassen. Die Sachverstän-digen rügen als fehlerhaft, daß der
Beklagte keine differentialdiagnostische Abklärung durch Punktat-analyse,
gegebenenfalls auch durch die zusätzliche Bestimmung der
Blutsenkungsgeschwindigkeit veran-laßt hat, denn eine zuverlässige
Unterscheidung, ob lediglich ein Reizerguß oder eine beginnende Infektion
vorliege, sei auf anderem Weg nicht möglich (Bl. 169 d. A.). Das Erfordernis
der dif-ferentialdiagnostischen Abklärung gilt erst recht für das Punktat vom
24. Dezember 1985 (Bl. 170 d. A.). Bei seiner Anhörung hat der
Sachverständige Dr. F. seine Ausführungen dahin präzisiert, (bereits) am 23.
Dezember 1985 hätte zu diagno-stischen Zwecken eine Punktion
vorgenommen werden müssen. Es sei erforderlich gewesen, das Punktat
sofort, notfalls durch Boten, den für die Auswer-tung zuständigen Institut zu
überbringen. Das sei sowohl aus therapeutischen Gründen, aber auch des-
halb geboten, weil die Probe, wenn sie nicht un-mittelbar danach ausgewertet
werde, infolge Verän-derungen an Aussagekraft verliere (Bl. 257 d.A.).
43
Außerdem beanstanden die Sachverständigen als fehlerhaft, daß der
Beklagte am 23. Dezember 1985 erneut das Medikament D. S intraartikulär
injiziert hat, obwohl bereits ein Gelenkerguß vorlag und der Kläger zwei Tage
zuvor wegen des aufgetretenen Ergusses und der Beschwerden einen
Notarzt aufgesucht hatte. Im besonderen Maß rügen die Sachverständigen
die weitere Injektion am 24. Dezember 1985, da der Beklagte hier zusätzlich
die Dosierungsrichtlinien des Herstellers mißach-tet habe und wiederum die
dringende Notwendigkeit der diagnostischen Abklärung des persistierenden
Gelenkergußes nicht genutzt worden sei. Es seien auch nicht die erweiterten
diagnostischen und the-rapeutischen Möglichkeiten einer stationären Be-
handung realisiert worden, wie es durch notfall-mäßige Einweisung möglich
sei (Bl. 170). Diesen überzeugenden Ausführungen schließt sich der Senat
an.
44
Erfolglos verteidigt sich der Beklagte mit dem Hinweis, weder am 23.
Dezember noch am 24. De-zember 1985 hätten die klinischen Parameter für
eine Infektion gesprochen. Das Knie sei weder überwärmt noch gerötet
gewesen, eine differential-diagnostische Überprüfung des Punktats sei daher
nicht geboten gewesen. Die Sachverständigen haben unabhängig davon, ob
sämtliche Parameter für ei-ne Infektion sprachen, eine differentialdiagnosti-
sche Abklärung gefordert. Das überzeugt, weil nur auf diesem Wege eine
zuverlässige Unterscheidung, ob lediglich ein Reizerguß oder eine
beginnende Infektion vorlag, möglich war, und im Fall einer Infektion zur
Vermeidung eines irreversiblen Scha-dens unverzüglich die Einleitung einer
entspre-chenden Therapie geboten war. Im übrigen fehlten nicht sämtlichen
klinischen Parameter für eine Infektion, sie waren lediglich unvollständig. Zu
berücksichtigen ist nämlich, daß der Kläger - was er dem Beklagten mitgeteilt
hatte - erst zwei Tage vor dem 23. Dezember 1985, nämlich am Samstag,
dem 21. Dezember 1985, wegen des aufgetretenen Er-gusses und der
Schmerzen im Knie den Notarzt auf-gesucht hatte und bereits am 24.
Dezember 1985 er-neut ein Erguß vorlag. Ein rasch nachlaufender und
schmerzhafter Kniegelenkerguß ist, worauf die Gut-achterkommission für
Ärztliche Behandlungsfehler bei der Ärtzekammer Nordrhein in ihrem
Bescheid vom 27. Juni hinweist (Bl. 22, 23 d. A.), auch oh-ne Überwärmung
des Kniegelenks auf eine Infektion verdächtig.
45
Dem Einwand des Beklagten, es habe wegen der Weih-nachtsfeiertage keine
Möglichkeit bestanden, das Punktat untersuchen zu lassen, ist der Sachver-
ständige Dr. F. mit Nachdruck entgegengetre-ten. Wie der Sachverständige in
Erfahrung gebracht hat, besteht an dem Hygiene-Institut der Univer-sität K.
sowohl am Wochenende als auch an Fei-ertagen von 9.00 Uhr bis 13.00 Uhr
ein regulärer Bereitschaftsdienst, so daß Befundeingänge mit der üblichen
Geschwindigkeit bearbeitet werden. Dieser Möglichkeit hat sich auch das
Dreifaltigkeitskran-kenhaus am 2. Weihnachtsfeiertag bedient. Demnach hätte
das Punktatergebnis wenn nicht schon am 23., so doch am 24. Dezember und
das Ergebnis des Punk-tats vom 24. Dezember 1985 am 25. Dezember 1985
abgerufen werden können.
46
2.
47
Weitere Behandlungsfehler des Beklagten hat der Kläger nicht bewiesen.
48
a)
49
Daß die Infektion durch mangelnde Sterilisation bei den Injektionen
schuldhaft verursacht worden ist, steht nicht fest. Zu Gunsten des Klägers
streitet nicht der Beweis des ersten Anscheins. Auch bei sorgfältiger
Sterilisation kann durch die Injektion eine Infektion verursacht werden, indem
mittels der Punktionsnadel Keime in das Kniegelenk gedrückt werden.
Derartige Infektionen stellen, wie der Senat aus anderen Verfahren weiß, ein
allgemeines Risiko bei Gelenkpunktionen dar und können trotz Einhaltung
aseptischer Kautelen auftreten. Daher sehen die Sachverständigen in der
Infektion keinen Hinweis auf einen Behandlungsfeh-ler und sprechen von
dem schicksalsmäßigen Ein-tritt einer Infektion. Außerdem ist nicht auszu-
schließen, daß die Infektion durch die Injektion, die Dr. Bienentreu dem
Kläger am 21. Dezember 1985 verabreicht hat, verursacht worden ist.
50
b)
51
Die Behauptung des Klägers, das Medikament D. S habe wegen der
erheblichen Nebenwir-kungen nicht appliziert werden dürfen, wird durch die
Sachverständigen widerlegt (Bl. 206 d. A.). Ein spezifisches Infektionsrisiko
besteht bei der Verabreichung des Medikaments nicht. Vielmehr verzichtete
der Hersteller wegen lokaler und gene-ralisierter allergischer Reaktionen auf
das Medi-kament.
52
3.
53
Die Ursächlichkeit der fehlerhaften Behandlung durch den Beklagten für den
eingetretenen Gesund-heitsschadens des Klägers steht allerdings nicht fest.
54
Soweit es um die zwei fehlerhaften intraartikulä-ren Injektionen am 23. und
24. Dezember 1985 als solche geht, waren diese nach der Auffassung des
Sachverständigen Dr. F. nicht geeignet, das Krankheitsbild zu verschlimmern,
jedenfalls ging hiervon keine entscheidende Verschlimmerung aus (Bl. 258 d.
A.).
55
Auch steht die Ursächlichkeit der Unterlassung der diagnostischen
Abklärungen nicht fest, denn es ist nicht bewiesen, daß bei der Untersuchung
des Punktats vom 23. oder 24. Dezember 1985 eine Kniegelenksinfektion
festgestellt worden wäre. Die Sachverständigen haben in ihrem
Ergänzungsgutach-ten ausgeführt, aufgrund des Originalbefundes des
Hygiene-Instituts der Universität K. bezüglich des Punktats vom 26.
Dezember 1985 könne man davon ausgehen, daß eine massive
Keimvermehrung noch nicht stattgefunden habe. Das spreche im Zusammen-
hang mit dem klinischen Befund vom 26. Dezember 1985 "keine
Überwärmung, ebenso keine Rötung" für ein frühes Stadium der Infektion. Ob
somit ein am 23. oder 24. Dezember 1985 gewonnenes Punktat über eine
Infektion Aufschluß gegeben hätte, ist zwei-felhaft, jedenfalls ist es nicht
bewiesen.
56
4.
57
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesge-richtshofes (BGH Z 99,
391, 395), welcher sich der Senat anschließt, können dem Geschädigten für
die Frage der Kausalität Beweiserleichterungen, die bis zur Umkehr der an
sich bei ihm liegenden Be-weislast zum Nachteil der Behandlungsseite
reichen können, zugute kommen, wenn die Behandlung des Beklagten grob
fehlerhaft war. Das ist keine Sank-tion für Arztverschulden, sondern ein
Ausgleich dafür, daß das Spektrum der für die Schädigung in Betracht
kommenden Ursachen gerade durch den Fehler besonders verbreitet bzw.
verschoben worden ist (Steffen, Neue Entwicklungslinien der BGH-
Rechtsprechung zum Arzthaftungsrecht, 5. Auflage, Seite 153 m. w. N.). Der
Wertung als grob fehler-hafte Behandlung unterliegen vor allem Verstöße
gegen elementare Behandlungsregeln, gegen elemen-tare Erkenntnisse der
Medizin; es handelt sich um Fehler, die aus objektiver ärztlicher Sicht nicht
mehr verständlich sind. Dabei kommt es auf das Gesamtgeschehen an; auch
nicht grobe Einzelfehler können zusammen die Aufklärung so belasten, daß
eine Beweislastumkehr gerechtfertigt ist (Steffen, a. a. O., Seite 154, 155).
58
Bei Anwendung dieser Grundsätze stellt sich die Behandlung des Beklagten
als grob fehlerhaft dar.
59
Schon für den 23. Dezember 1985 haben die Sachver-ständigen die
differentialdiagnostische Abklärung durch Punktatanalyse gefordert. Dazu
bestand wegen der Kniegelenksschmerzen, die den Kläger zum Auf-suchen
des Notarztes veranlaßt hatten und wegen des zwei Tage zuvor
aufgetretenen Gelenkergußes, aber auch weil bei einer Infektion Eile geboten
ist, um durch Einleitung einer entsprechenden Therapie irreversible Schäden
zu vermeiden, An-laß. Die Forderung der differentialdiagnostischen
Abklärung bestand erst recht für den 24. Dezember 1985. Die
Sachverständigen haben für diesen Tag eine dringende Notwendigkeit der
diagnostischen Abklärung gesehen und werten diese Unterlassung
zusammen mit der weiteren intraartikulären Injek-tion unter Mißachtung der
Dosierungsrichtlinien des Herstellers des injizierten Medikaments als im
besonderen Maße fehlerhaft. Auch hat der Beklagte nicht die erweiterten
diagnostischen und therapeu-tischen Möglichkeiten einer stationären
Behandlung durch notfallmäßige Einweisung realisiert. Diese Fehler
gewinnen dadurch noch an Gewicht, daß der Beklagte gegen die
Empfehlungen verstoßen hat, die erst im Juni 1985, also nur ein halbes Jahr
vor der Behandlung im Rahmen der 35. Jahrestagung der Vereinigung
Nordwestdeutscher Orthopäden aufgrund jahrelanger Vorarbeiten und
öffentlicher Meinungs-bildung in Kongressen und Publikationen vorge-stellt
worden sind (Bl 170 d. A.).
60
Danach entfiele eine Haftung des Beklagten nur, wenn er bewiesen hätte,
daß eine bakterielle Untersuchung des Punktats nicht den Nachweis einer
bakteriellen Kontamination erbracht hätte oder die therapeuthische Reaktion
auf ein positives Ergeb-nis in dem Sinn zu spät gekommen wäre, daß sich am
weiteren Krankheitsverlauf zugunsten des Klägers nichts geändert hätte.
Beides ist indessen nicht der Fall.
61
Selbst wenn am 23. und 24. Dezember 1985 die typi-schen klinischen
62
Entzündungszeichen (Überwärmung, Rötung, starke Schmerzempfindlichkeit,
sich rasch wiederholender Erguß) nur unvollständig vorlagen, spricht dies
nicht gegen eine bereits am 23. oder 24. Dezember 1985 im Anfangsstadium
befind-liche bakterielle Infektion. Immerhin litt der Kläger unter starken
Schmerzen und einem rasch nachlaufenden Gelenkerguß, was für eine
Infektion sprach (vgl. Bescheid der Gutachterkommission vom 27.Juni 1988,
Bl. 23 d. A). Auch die Feststellung des Sachverständigen, das Ergebnis des
Punktats vom 26. Dezember 1985 und der klinische Befund "keine
Überwärmung, ebenso keine Rötung" sprächen für ein relatives frühes
Stadium der Infektion, steht der Annahme, eine am 23. oder 24. Dezember
1985 vorgenommene Abklärung hätte über eine Infek-tin Aufschluß bringen
können, nicht entgegen. Dem Senat ist aus dem Verfahren - 27 U 104/91 -,
dem ein ähnlicher Fall zugrunde lag, bekannt, daß die Infektion eines
Kniegelenks in den ersten Tagen schleichend verlaufen kann. Das besagt
aber nicht, daß durch eine differentialdiagnostische Abklärung eine
beginnende Infektion nicht hätte nachgewiesen werden können. Auch die
massive Beschleunigung der Blutsenkungsgeschwindigkeit von 110/127 am
27. Dezember 1985 (Bl. 210 d. A.) spricht für eine bereits am 23. Dezember
oder 24. Dezember 1985 initiale Infektion. Die Sachverständigen gehen
ebenso wie die Gutachterkommission dementsprechend davon aus, daß die
Punktatanalyse die Aufklärung über eine Infektion hätte bringen können.
Schließ-lich ist auch nicht bewiesen, daß sich am weiteren Krankheitsverlauf
bei der gebotenen bakteriellen Untersuchung nichts geändert hätte.
Der Sachverständige Dr. F. hat bei seiner An-hörung bekundet, zwar könnten
über die Auswirkun-gen einer nicht rechtzeitig einsetzenden Behand-lung
keine genauen Angaben in gradueller Hinsicht gemacht werden. Man wisse
aber, daß schon 3 oder 4 Tage nach Einsetzung eines infektiösen Prozes-ses
Schäden aufträten. Je früher eine Behandlung einsetze, desto größer seien
die Chancen einer erfolgreichen Therapie. Diese Einschätzung stimmt mit der
der Gutachterkommission überein. Hätte der Beklagte das Punktat vom 23.
Dezember 1985 unter-suchen lassen, hätte er spätestens am 24. Dezember
1985 das Ergebnis abrufen können. Noch am selben Tag hätte demgemäß
der positive Befund einer The-rapie mit Antibiotika beginnen können. Daß
trotz eines positiven Befundes bei einer stationären Krankenhauseinweisung
mit einer Antibiotikathera-pie gewartet worden wäre, hat der Beklagte nicht
bewiesen. Dafür ergibt sich auch nichts. Daß die Antibiotikabehandlung im
Dreifaltigkeitskranken-haus erst am 27. Dezember 1985 aufgenommen
wurde, beruht darauf, daß erst an diesem Tag der positive Befund festgestellt
wurde.
63
5.
64
Zu Unrecht wendet der Beklagte ein, für die Versteifung des Kniegelenks
hafte er nicht, weil dieser Gesundheitsschaden ihm nicht zuzurechnen sei.
Der Zurechnungszusammenhang wird in der Regel nicht schon unterbrochen,
wenn bei der der ambu-lanten Behandlung nachfolgenden
Krankenhausbehand-lung auch den Krankenhausärzten Fehler unterlaufen
sind (OLG Köln AHRS 0910/7; vgl. auch BGH AHRS 0810/11). Nur wenn der
Schaden entscheidend durch ein völlig ungewöhnliches und unsachgemäßes
Ver-halten einer anderen Person ausgelöst worden ist, kann die Grenze
65
überschritten sein, bis zu der dem Erstschädiger der Zweiteingriff und dessen
Auswir-kungen als haftungsausfüllender Folgeschaden sei-nes Verhaltens
zugerechnet werden können. Insoweit ist eine wertende Betrachtung
angeboten. Hat sich aus dieser Sicht im Zweiteingriff nicht mehr das
Schadensrisiko des Ersteingriffs verwirklicht, war dieses Risiko vielmehr
schon gänzlich abgeklungen und besteht deshalb zwischen beiden Eingriffen
bei wertender Betrachtung nur ein "äußerlicher", gleichsam "zufälliger"
Zusammenhang, dann kann von dem Erstschädiger billigerweise nicht
verlangt werden, dem Geschädigten auch für die Folgen des Zweiteingriffs
einstehen zu müssen (BGH NJW 1989, 768). Die Grenze wird in aller Regel
erst überschritten, wenn es um die Behandlung einer Krankheit geht, die mit
dem Anlaß für die Erstbe-handlung in keinem inneren Zusammenhang steht
oder wenn der die Zweitschädigung herbeiführende Arzt in außergewöhnlich
hohem Maß die an ein gewissen-haftes ärztliches Verhalten zu stellenden
Anforde-rungen außer Acht gelassen und derart gegen alle ärztlichen
Richtlinien und Erfahrungen verstoßen hat, daß der Schaden
haftungsrechtlich-wertend al-lein seinem Handeln zugeordnet werden muß
(BGH a. a. O.). Was für einen Eingriff gilt, gilt im glei-chen Maße für das
Unterlassen einer an sich gebo-tenen Behandlung. Überträgt man diese
Grundsätze auf den vorliegenden Fall, ist der Zurechnungszu-sammenhang
nicht unterbrochen worden.
Die Versäumnisse des Beklagten wirkten insoweit weiter fort, als bei dem
Kläger erst mit drei- bis viertägiger Verspätung die konservative The-rapie
eingeleitet worden ist, die bei früherer Einleitung eine gute Erfolgschance
gehabt hätte. Die Tatsache, daß die nachbehandelnden Kranken-hausärzte
das Knie nicht operiert haben, nachdem die konservative Therapie nicht
überzeugend ange-sprochen hatte, erscheint auch nicht so ungewöhn-lich,
daß der Schaden haftungsrechtlich-wertend allein ihnen zugeordnet werden
muß. Der Sachver-ständige Dr. F. hat zwar schwerwiegende Ver-säumnisse
der Krankenhausärzte festgestellt. Er hat zunächst beanstandet, daß nach
Eingang des bakteriellen Befundes aus dem Hygieneinstitut am 27.
Dezember 1985 keine sofortige Gelenkspülung vorgenommen worden sei,
obwohl laut Anamnesee-rhebung die klinische Symptomatik am 21. Dezem-
ber 1985 begonnen hatte. Die erste Spülung hätte, woran der
Sachverständige keine Zweifel gelassen hat, entschieden früher stattfinden
müssen. Obwohl aufgrund der zweiten Lavage am 2. Januar 1986 das
entnommene Punktat neuerlich einen positiv kulturellen Keimnachweis
erbrachte und weiterhin eine Temparaturerhöhung, Leukozytose und eine
mas-sive Blutsenkungsgeschwindigkeit bestanden, wurden zunächst keine
operativen Maßnahmen ergriffen. Nach der Krankenhausaufnahme des
Klägers war zwar der Versuch einer konservativen Behandlung von drei bis
vier Tagen nach entsprechender Diagnosestellung durchaus vertretbar. Wenn
dann jedoch keine Besserung eintrat, mußte operativ, und zwar sofort,
eingeschritten werden. Diese Be-handlungsstrategien, publiziert im
Deutschen Ärz-teblatt 1987, fassen, wie die Sachverständigen ausführen, die
Erkenntnisse jahrelang vorausge-gangener Diskussionen auf
Fachkongressen und die Ergebnisse von zahlreichen Publikationen
zusammen. Danach ist die frühzeitige operative Behandlung, gegebenenfalls
kombiniert mit einer Synovektomie und anschließender Spülung mit und ohne
Antibioti-kazusatz der ausschließlich konservativen Therapie deutlich
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überlegen. Daraus folgt, daß den Kranken-hausärzten zwei erhebliche
Versäumnisse anzulasten sind. Doch reichen diese Versäumnisse nicht aus,
die Haftung des Beklagten entfallen zu lassen. Der Senat ist in
Übereinstimmung mit dem Ober-landesgericht Hamm (Urteil vom 5.
November 1990, veröffentlicht in AHRS 0810/17) der Auffassung, daß für eine
Unterbrechung des Kausalzusammenhangs mehr erforderlich ist als die
Annahme eines groben Behandlungsfehlers, wie er im Arzthaftpflichtrecht
eine Umkehr der Beweislast rechtfertigt. Ein gro-ber Behandlungsfehler des
nachbehandelnden Arztes ist nicht so außergewöhnlich, daß er allein schon
rechtfertigte, die Haftung des erstbehandelnden Arztes entfallen zu lassen.
Dementsprechend hat der 7. Senat des Oberlandesgerichts Köln die Haftung
des vorbehandelnden Arztes auch dann an-genommen, wenn die
Behandlung, die dem Patienten von den nachbehandelnden Ärzten im
Krankenhaus zuteil wurde, außerhalb aller ärztlicher Erfahrung lag (OLG Köln
AHRS 0810/7), der Krankheitsverlauf durch die Behandlung im Krankenhaus
aber keine richtungsgebende Veränderung erfuhr. Den nachbe-handelnden
Krankenhausärzten aber eine noch über den groben Behandlungsfehler
hinausgehende Sorg-faltspflichtverletzung anzulasten, ist nach den
Ausführungen des Sachverständigen Dr. F. nicht gerechtfertigt.
Der Beklagte hat daher für den gesamten Schaden einzustehen, den der
Kläger infolge der Versäum-nisse des Beklagten und der nachbehandelnden
Kran-kenhausärzte erlitten hat.
67
6.
68
Bei der Behandlung des Schmerzensgeldes ist vor allem zu berücksichtigen,
daß eine weitgehende Zerstörung der Gelenkstrukturen mit nachfolgen-dem
Funktionsverlust, nämlich einer inkompletten Versteifung in Streckstellung,
eingetreten ist. Eine Überlastung des rechten Kniegelenks kann nach den
dem Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. Sch. und Dr. F. hieraus aber
nicht abgeleitet werden, da auch vier Jahre nach der Erkrankung keine
funktionellen Ausfälle und keine degenerativen Veränderungen nachweisbar
sind. Wegen der Wackelsteife des linken Kniege-lenks kann der Kläger seiner
beruflichen Tätigkeit als Maler und Anstreicher nicht mehr nachgehen. Zu
berücksichtigen ist auch die lang andauernde stationäre Behandlung bis zum
13. März 1986. Es ist davon auszugehen, daß bei einer sofort ein-gesetzten
adäquaten Therapie oder einer alsbald durchgeführten Operation die
stationäre Behandlung zumindest um rund einem Monat kürzer gewesen
wäre. Der Senat hält daher ein Schmerzensgeld von 25.000,00 DM für
angemessen. Es bewegt sich im Rahmen dessen, den die Rechtsprechung
für ähnlich gelagerte Fälle als angemessen angesehen hat (vgl. ADAC-
Schmerzensgeldtabelle, 15. Aufl., Nr. 869 und 905; vgl. auch Urteil des
Senats vom 18.01.1993 - 27 U 104/91 -). Daraus folgt zu-gleich, daß die
Anschlußberufung unbegründet ist.
69
Der Antrag auf Ersatz des Verdienstausfallschadens ist aus den
vorstehenden Gründen dem Grunde nach gerechtfertigt. Hinsichtlich des
Schadensi,famgs wird das Landgericht zu klären haben, in welcher Höhe
dem Kläger ein Schaden entstanden ist. Nach der Bescheinigung des
Arbeitsamtes B. vom 08.05.1989 (Bl. 92) ist davon auszugehen, daß der
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Kläger ohne seine Erkrankung im Dezember 1985 in einer Arbeitsstelle in
seinem Beruf - wenn auch möglicherweise nur vorübergehend - hätte vermit-
telt werden können.
Der Feststellungsantrag ist zulässig und begrün-det. Wegen des
Dauerschadens liegt es nahe, daß in Zukunft sowohl weitere materielle als
auch noch nicht überschaubare immaterielle Schäden entstehen werden.
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Der Zinsausspruch folgt aus §§ 291, 288 ZPO.
72
Die Entscheidung über die Kosten ist dem Landge-richt vorzubehalten, da
noch nicht abzusehen ist, in welchem Umfang die Parteien obsiegen oder un-
terliegen werden.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreck-barkeit folgt aus §§ 708 Nr.
10, 711 ZPO.
74
Wert der Beschwer: Für den Beklagten über 60.000,-- DM; für den Kläger
unter 60.000,-- DM.
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