Urteil des OLG Köln vom 09.11.2000

OLG Köln: aufrechnung, vorverfahren, darlehen, kündigung, beweismittel, kopie, bindungswirkung, vollstreckung, sicherheitsleistung, unterliegen

Oberlandesgericht Köln, 18 U 41/00
Datum:
09.11.2000
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
18. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
18 U 41/00
Vorinstanz:
Landgericht Aachen, 41 O 37/99
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das am 21.12.1999 verkündete Urteil
der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Aachen(41 O
37/99) wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt
der Beklagte. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die
Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 185.000 DM
abwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in
gleicher Höhe erbringt. Die Sicherheitsleistung kann auch durch die
selbstschuldnerische, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete
Bürgschaft eines als Zoll- oder Steuerbürgen im Inland zugelassenen
Kreditinstituts erbracht werden.
T a t b e s t a n d
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Die Klägerin und der Beklagte, der Kommanditist der Klägerin ist, schlossen am
3.1.1996 einen Vertrag über die Gewährung eines Darlehens durch die Klägerin an den
Beklagten in Höhe von 160.981,76 DM zur Ablösung eines privaten Darlehens des
Beklagten bei der Dresdner Bank. Wegen des weiteren Inhalts des Vertrags wird auf die
als Anlage zur Klageschrift überreichte Kopie der Vertragsurkunde Bezug genommen.
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Nach Kündigung des dem Beklagten gewährten Darlehens hat die Klägerin Klage im
Urkundenprozess. Mit Urkundenvorbehaltsurteil vom 17.8.1999, auf dessen Inhalt auch
wegen des weiteren Bezug genommen wird, ist der Beklagte - bis auf einen weiter
gehenden Zinsanspruch entsprechend dem Klageantrag - zur Zahlung von 160.981,76
DM nebst 4% Zinsen seit dem 6.6.1999 verurteilt worden. Zur Begründung hat das
Landgericht - Kammer für Handelssachen - u.a. ausgeführt, die Klage sei zulässig und
das Darlehen wirksam gekündigt worden. Abweichende Vereinbarungen zur
Kündigungsmöglichkeit des Darlehens seien - entgegen den Darlegungen des
Beklagten - zwischen den Parteien nicht getroffen worden. Die von dem Beklagten
hilfsweise erklärte Aufrechnung mit Gegenansprüchen greife nicht.
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Im Nachverfahren hat der Beklagte erstmals die Einrede des Schiedsvertrags erhoben
und sich auf eine schiedsgerichtliche Vereinbarung vom 26.9.1995 berufen, wegen
deren Inhalts auf die mit Beklagtenschriftsatz vom 20.10.1999 in Kopie vorgelegte
notarielle Urkunde des Notars Dr. V. vom 26.9.1995 (UR-Nr.) verwiesen wird.
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Der Beklagte hat beantragt,
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das Vorbehaltsurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin hat beantragt,
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das Vorbehaltsurteil für vorbehaltlos zu erklären.
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Das Landgericht hat mit am 21.12.1999 verkündeten Urteil das Vorbehaltsurteil vom
17.8.2000 für vorbehaltlos erklärt. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt, der Einrede
des Schiedsvertrags stehe die Bindungswirkung des Vorbehaltsurteils entgegen; zudem
betreffe der Schiedsvertrag nicht den vorliegenden Rechtsstreit. Die Frage eine
vertraglichen Ausschlusses des Kündigungsrechts sowie die hilfsweise zur
Aufrechnung gestellten Gegenansprüche seien Gegenstand des Urkundenverfahrens
gewesen und könnten deshalb im Nachverfahren nicht erneut geltend gemacht werden.
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Gegen dieses dem Beklagten am 27.12.1999 zugestellte Urteil hat dieser mit bei Gericht
am 26.1.2000 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der
verlängerten Frist begründet.
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Der Beklagte beruft sich in erster Linie auf die Unzulässigkeit der Klage im Hinblick auf
die Schiedsvertragsvereinbarung und vertritt den Standpunkt, das Darlehen sei
vereinbarungsgemäß nicht kündbar gewesen. Anders als in der ersten Instanz
beanstandet er nicht mehr die funktionale Zuständigkeit der Kammer für
Handelssachen, die Statthaftigkeit des Urkundenprozesses sowie die
Vollmachterteilung im Zusammenhang mit der Kündigung.
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Der Beklagte beantragt,
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unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Wegen des weiteren Parteienvortrags wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten
Schriftsätze Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.
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Das Landgericht hat dem Klagebegehren zu Recht stattgeben. Auf die im wesentlichen
zutreffende und nicht ergänzungsbedürftige Begründung wird zur Vermeidung von
Wiederholungen Bezug genommen. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere
Entscheidung.
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Die Klage ist zulässig. Die Schiedsvertragsvereinbarung der Parteien vom 26.9.1995
steht der Zulässigkeit des ordentlichen Rechtswegs nicht entgegen.
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Es kann dahinstehen, ob es sich bei dem vorliegenden Rechtsstreit um eine
gesellschaftsspezifischen Streitigkeit handelt, die von der Schiedsvereinbarung erfasst
ist. Der Senat teilt jedenfalls die Auffassung des Landgerichts, dass die Einrede des
Schiedsvertrages im Nachverfahren nicht mehr wirksam erhoben werden kann. Nach
der in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs üblicherweise verwendeten Formel
entfaltet das Vorbehaltsurteil im Urkundenprozess insoweit Bindungswirkung für das
Nachverfahren, als es nicht auf den eigentümlichen Beschränkungen der Beweismittel
im Urkundenprozess beruht (BGH NJW 82, 183). Prozessvoraussetzungen werden
weder von § 592 ZPO noch von § 595 Abs. 2 und 3 ZPO erfasst. Das gilt auch für
prozesshindernde Einreden, die der Disposition des Beklagten unterliegen wie die
Einrede des Schiedsvertrags (BGH NJW 86, 2765; 82, 183). Dem Nachverfahren kann
die Entscheidung über diese prozesshindernde Einrede nicht überlassen werden, da
eine nur beschränkte Nachprüfung mit ihrer Natur nicht vereinbar wäre. Eine Vorbehalt
(§ 599 ZPO) könnte die Einrede nicht für die Zukunft erhalten, sondern würde sie
gegenstandslos machen. Ist aber der Vorbehalt ausgeschlossen, so entfällt auch die
Anwendbarkeit des § 595 Abs. 2 ZPO. Soweit die Rechtsprechung aus § 599 Abs. 1
ZPO ableitet, dass der Beklagte im Vorverfahren dem geltend gemachten Anspruch -
ohne Begründung - nur zu widersprechen braucht, um sich seine Rechte im
Nachverfahren wirksam vorzubehalten, gilt dies gemäß § 282 Abs. 3 ZPO nicht
hinsichtlich der Zulässigkeitsrügen.
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Darüber hinaus erstreckt sich das Nachverfahren auch nicht auf den Einwand, die
Kündigung des Darlehens sei vertraglich ausgeschlossen. Dieser war bereits
Gegenstand des Vorverfahrens und ist im Vorbehaltsurteil vom 17.8.1999 - dort auf
Seite 7 - ausdrücklich beschieden worden. Der Vortrag des Beklagten ist nicht wegen
der Beschränkung der Beweismittel im Urkundenprozess, sondern ohne Rücksicht
darauf als materiell unbegründet angesehen worden. Nach ständiger Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs kann sich das Nachverfahren deshalb auf dieses Vorbringen
des Beklagten nicht mehr erstrecken (vgl. BGH WM 1979, 272). Dabei kommt es nicht
darauf an, dass das Landgericht darauf abgestellt hat, es habe für die Annahme einer
vertraglichen Ausschlussvereinbarung eines weiter gehenden Vortrags bedurft. Auch
die Zurückweisung eines unschlüssigen beziehungsweise unsubstanziierten Vortrags
ist eine bindende Entscheidung. Ausschlaggebend in diesem Zusammenhang ist, ob im
Vorverfahren der Beklagte in tatsächlicher Hinsicht bereits vollständig vorgetragen hat
(vgl. BGH NJW 1960, 576). Dies ist der Fall. Schon in der Klageerwiderung ist unter
Darlegung des Verhältnisses zwischen Darlehen und Refinanzierung unter Einbezug
der Gesellschaftergewinnansprüche die Unkündbarkeit des Darlehens nach Sinn und
Zweck der Vereinbarung geltend gemacht worden. Der spätere Vortrag des Beklagten
im Nachverfahren und im Berufungsverfahren enthält keine wesentlichen neuen
Tatsachen, sondern stellt sich lediglich als eine Wiederholung und Vertiefung des
Vortrags aus dem Vorverfahren dar. Soweit auf die Vereinbarung vom 1.10.1998
abgestellt wird, so ist das Protokoll der Gesellschafterversammlung vom 1.10.1998 auch
bereits im Vorverfahren von dem Beklagten vorgelegt worden.
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Ausführungen zu der erstinstanzlich erklärten Aufrechnung, die das Landgericht zu
Recht aus den genannten Gründen gleichfalls im Nachverfahren für unbeachtlich
gehalten hat, erübrigen sich, weil der Beklagte die Aufrechnung im Berufungsverfahren
offensichtlich nicht aufrecht erhalten hat.
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Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO
zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.
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Streitwert des Berufungsverfahrens und Beschwer für den Beklagten: 160.981,76 DM
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