Urteil des OLG Köln vom 18.11.2009
OLG Köln (kläger, einlage, höhe, culpa in contrahendo, zahlung, verhältnis zu, betrag, auszahlung, agio, umfang)
Oberlandesgericht Köln, 2 U 128/08
Datum:
18.11.2009
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
2. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 U 128/08
Vorinstanz:
Landgericht Bonn, 3 O 65/08
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 29.07.2008 verkündete Urteil
der 3. Zivilkammer des Landgerichts Bonn - 3 O 65/08 - abgeändert und
wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 22.412,03 € nebst Zinsen in
Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
01.07.2005 sowie weitere 1.004,71 € nebst Zinsen in Höhe von fünf
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.12.2007 zu zahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Die Anschlussberufung des Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Kosten beider Instanzen des Rechtsstreits trägt der Beklag-te.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach diesem Urteil
beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die jeweils andere
Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils
beizutreibenden Betrages leistet.
Die Revision des Klägers wird zugelassen.
G r ü n d e :
1
I.
2
Der Kläger ist Verwalter in dem auf Antrag vom 11.03.2005 am 01.07.2005 eröffneten
Insolvenzverfahren (AG Frankfurt 810 IN 300/05 P) über das Vermögen der Q.
Kapitaldienst GmbH, Gesellschaft für die Durchführung und Vermittlung von
Vermögensanlagen (im Folgenden: Schuldnerin). Er macht einen
Rückforderungsanspruch nach Insolvenzanfechtung geltend.
3
Ab Ende des Jahres 1992 bot die Schuldnerin unter der Bezeichnung "Q. N. B." (QNB)
eine Kollektivanlage mit der Möglichkeit an, am Erfolg oder Misserfolg von
Termingeschäften (Futures/Options) teilzunehmen. Sie warb mit jährlich zu erzielenden
Renditen zwischen 8,7 v.H. und 14,07 v.H. Der Schuldnerin sollte eine
Verwaltungsgebühr von 0,5 % von dem jeweiligen Vermögenstand des QNB zustehen.
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Am 22.08.1994 unterzeichnete der Beklagte einen Vertrag über die Beteiligung am
QNB. Seine im Zeitraum 09.09.1994 bis 03.02.1997 geleisteten Einlagen betrugen
insgesamt 22.496,83 €, das Agio insgesamt 1.472,53 €.
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Ab 1997 wurden die Anlegergelder überwiegend nicht mehr für Termingeschäfte
eingesetzt; von den Anlegergeldern wurden vielmehr im Wege eines
Schneeballsystems Auszahlungen an Altanleger getätigt und laufende Geschäfts- und
Betriebskosten bestritten.
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Am 31.03.2002 wurde dem Beklagten ein Betrag von 40.000,- DM (20.451,68 €)
ausgezahlt. Nachdem der Beklagte seine Beteiligung am 30.04.2001 gekündigt hatte,
wurde ihm 08.06.2001 der von der Schuldnerin zu seinen Gunsten ausgewiesene
Gewinn von 47.834,08 DM (24.457,18 €) ausgezahlt.
7
Nach seiner Bestellung zum Insolvenzverwalter erklärte der Kläger mit Schreiben vom
09.11.2007 gegenüber dem Beklagten die Anfechtung der Auszahlungen im Zeitraum
11.03.2001 und 11.03.2005 unter Berufung auf § 134 InsO und forderte ihn zur Zahlung
eines Betrages in Höhe von 22.412,03 € (Auszahlungen von zusammen 44.908,86 €
abzüglich der Einlage von 22.496,83 €) auf.
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Dieser Betrag und die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten waren Gegenstand der
Klage.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des in erster Instanz gehaltenen Vortrages und der
dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug
genommen.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zwar habe der Kläger ursprünglich einen
Rückzahlungsanspruch aus §§ 143 Abs. 1, 134 Abs. 1 InsO gehabt. Bei dem an den
Beklagten ausgezahlten Gewinn habe es sich um einen Scheingewinn gehandelt. Der
Kläger habe detailliert dargelegt, dass die Schuldnerin seit 1993/1994 keine Gewinne
mit Optionsgeschäften, sondern nur noch hohe Verluste erwirtschaftete und seit 1997
die Einlagebeträge im Rahmen eines Schneeballsystems zum größten Teil nur noch zur
Bedienung der Anleger verwendet wurden. Dass ein geringer Prozentsatz noch in
Termingeldern angelegt worden sei, spreche nicht gegen die Annahme der Auszahlung
eines bloßen Scheingewinns; der Beklagte habe nicht dargelegt, wie es der
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Schuldnerin möglich gewesen sein solle, durch Anlage eines derart geringen Betrages
von 0,5 % tatsächliche Gewinne zu erzielen, wobei noch die Verwaltungsgebühr von 0,5
% je Monat von dem jeweiligen Vermögensstand abgezogen worden sei. Der
ausgezahlte Scheingewinn habe auch eine unentgeltliche Leistung dargestellt. Die
Schuldnerin habe die von ihr auf dem Konto ausgewiesenen Gewinne ausgezahlt,
obwohl objektiv keine Gegenleistung vorgelegen habe. Da die Schuldnerin spätestens
seit dem Jahr 1997 nur in geringem Umfang Termingeschäfte vorgenommen habe, sei
die Auszahlung der Scheingewinne nicht auf der Grundlage eines zwischen ihr und
dem Beklagten geschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrages erfolgt. Die Frage der
Unentgeltlichkeit sei allein objektiv zu beurteilen, weshalb die Annahme des Beklagten,
die Schuldnerin habe tatsächlich Gewinne ausgewiesen, unerheblich sei. Der Beklagte
könne sich nicht auf Entreicherung berufen. Die Forderung des Klägers sei jedoch durch
die vom Beklagten erklärte Hilfsaufrechnung erloschen. Entgegen § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO
sei zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen mit § 814 BGB ausnahmsweise die
Aufrechnung mit dem auf Täuschung beruhenden Schadensersatzanspruch des
Beklagten aus culpa in contrahendo zulässig.
Der Kläger hat gegen das am 31.07.2008 zugestellte Urteil mit am 28.08.2008
eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der
Berufungsbegründungsfrist auf den 30.10.2008 mit am 24.10.2008 eingegangenem
Schriftsatz begründet.
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Er wendet sich gegen die Auffassung des Landgerichts, wonach der Beklagte so zu
stellen sei, als ob er mit Schadensersatzansprüchen aufrechnen könnte.
13
Er hat die Klage auf den gesamten am 08.06.2001 ausgezahlten Betrag erweitert.
14
Er beantragt,
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den Beklagten unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zu verurteilen, an
ihn 24.457,18 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit dem 01.07.2005
sowie 1.004,71 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit dem 22.12.2007
zu zahlen.
16
Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Dem Beklagten ist eine verlängerte Frist zur Berufungserwiderung auf den 20.02.2009
gesetzt worden. Mit am 19.02.2009 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz hat er
Anschlussberufung eingelegt.
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Er wendet sich dagegen, dass das Landgericht einen Rückzahlungsanspruch des
Klägers für gegeben erachtet und die Klage nur mit der Begründung der
Hilfsaufrechnung abgewiesen hat. Zu Unrecht habe das Landgericht eine
Gläubigerbenachteiligung angenommen. Der Kläger habe keinen Nachweis dafür
erbracht, dass die Zahlung an den Beklagten aus dem freien und pfändbaren Vermögen
der Schuldnerin und nicht nur aus einer Überziehung der Kreditlinie erbracht worden
sei. Auch sei die Unentgeltlichkeit äußerst fraglich; in einer anderen beim Landgericht
Bonn anhängigen Sache hätten die vom Kläger ausgerechneten, jedoch nicht
überprüfbaren, tatsächlichen Gewinne zwischen 12 und 22 % der von der Schuldnerin
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ausgewiesenen Gewinne und damit deutlich mehr als die vom Kläger vorgetragenen 0,5
% betragen. Zu Unrecht habe das Landgericht die Entreicherung verneint. Die
erhaltenen Beträge seien aus seinem Vermögen ausgeschieden; er habe sie bei der D.-
Bank investiert, wobei durch den großen Börseneinbruch im Jahre 2001 die Aktien bis
auf einen minimalen Restbestand wertlos geworden seien. Aufgrund des engen
zeitlichen Zusammenhangs zwischen der Auszahlung durch die Schuldnerin und der
Einzahlung in etwa gleich hoher Beträge in die Aktiendepots sei hinreichend dargelegt,
dass die Beträge aus seinem Vermögen ausgeschieden seien. Zu Unrecht habe das
Landgericht von seiner Parteivernehmung von Amts wegen abgesehen. Ferner könne er
dem Klageanspruch die geleistete Einlage nebst Agio entgegenhalten. Unzutreffend sei
die Ansicht des Klägers, dass die Einlage die älteste Schuld sei und folglich bereits mit
der nicht anfechtbaren Zahlung vom 31.03.2000 zurückgewährt worden sei; § 366 Abs.
2 BGB sei nicht anwendbar. Soweit der Kläger die Einlagenrückgewähr auf die erste
Zahlung anrechne, verlege er den Anfechtungszeitraum des § 134 InsO unzulässig
nach vorn, da ihm – dem Beklagten – diese Zahlung anfechtungsfest zugestanden
habe.
Im Wege der Anschlussberufung beantragt er,
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die Klage insgesamt abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
23
die Anschlussberufung zurückzuweisen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen
den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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Die Akte LG Bonn 2 O 497/08 war beigezogen und Gegenstand der mündlichen
Verhandlung vor dem Senat.
26
II.
27
A.
28
Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache teilweise Erfolg.
29
Ihm steht gegenüber dem Beklagten ein Rückzahlungsanspruch aus § 143 Abs. 1 i.V.m.
§ 134 Abs. 1 InsO in Höhe von 22.412,02 € zu.
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Die beiden Auszahlungen der Schuldnerin an den Beklagten vom 13.04.2000 und vom
08.06.2001 führten zu einer Benachteiligung der Gläubiger (§ 129 Abs. 1 InsO). Eine
Gläubigerbenachteiligung tritt ein, wenn die Insolvenzmasse durch eine
Rechtshandlung verkürzt wird, so dass sich die Befriedigungsmöglichkeiten der
Insolvenzgläubiger bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet hätten. Ist
die angefochtene Zahlung über ein Bankkonto erfolgt, hat der Insolvenzverwalter bei
bestrittener Gläubigerbenachteiligung nach bislang geltender höchstrichterlicher
Rechtsprechung darzulegen und zu beweisen, dass die Zahlung aus einem Guthaben
oder im Rahmen einer eingeräumten Kreditlinie erbracht wurde (BGHZ 170, 276; NZI
2007, 283). Diese Voraussetzungen hat der Kläger auf den mit Beschluss des Senats
vom 03.04.2009 erteilten Hinweis hin nachgewiesen. Ausweislich der vorgelegten
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Kontoauszüge vom 13.04.2000 und vom 08.06.2001 bestanden Guthaben von über 10
Mio. DM bzw. über 20 Mio. DM. Am 13.04.2000 wurde ein Überweisungsbetrag in Höhe
von 259.163,17 DM (Anl. BK 5, Bl. 390) und am 08.06.2001 ein solcher in Höhe von
107.876,65 DM (Anl. BK 6, Bl. 394) abgebucht. Aus den Ausgabeprotokollen von diesen
Tagen ergibt sich, dass diese Sammelbeträge u.a. die Auszahlungen an den Beklagten
vom 13.04.2000 in Höhe von 40.000,- DM (Anl. BK 7, Bl. 396) und vom 08.06.2001 in
Höhe von 47.834,08 DM (Anl. BK 7, Bl. 397) umfassten.
Darauf kommt es nach der neuesten Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs
allerdings nicht mehr an: Unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung hat der
Bundesgerichtshof mit Urteil vom 06.10.2009 – IX ZR 191/05 – ausgeführt, dass im Falle
einer lediglich geduldeten Kontoüberziehung eine Gläubigerbenachteiligung ohne
Rücksicht darauf in Betracht kommt, ob aus der Einräumung des Überziehungskredits
für die Masse ein pfändbarer Anspruch gegen die Bank entsteht oder durch die
Valutierung von Sicherheiten ein entsprechender Rückübertragungsanspruch verloren
geht.
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Es handelte sich bei den Zahlungen um unentgeltliche Leistungen der Schuldnerin im
Sinne des § 134 Abs. 1 InsO. Auszahlungen auf Scheingewinne in
"Schneeballsystemen" durch den späteren Insolvenzschuldner sind als objektiv
unentgeltliche Leistungen nach § 134 Abs. 1 InsO anfechtbar (BGHZ 113, 98; 179, 137).
Den Auszahlungen der Schuldnerin stand objektiv keine Gegenleistung des Beklagten
gegenüber, da es sich bei den von der Schuldnerin auf dem Konto des Beklagten
ausgewiesenen Gewinnen um Scheingewinne handelte; einseitigen Vorstellungen des
Leistungsempfängers über eine Entgeltlichkeit der Leistung kommt anfechtungsrechtlich
selbst dann keine Bedeutung zu, wenn der Irrtum durch den Schuldner hervorgerufen
worden ist (BGH a.a.O.). Das Landgericht hat mit zutreffenden Erwägungen, die der
Senat teilt, begründet, dass es sich bei den Zahlungen an den Beklagten um Leistungen
auf Scheingewinne im Rahmen eine sog. "Schneeballsystems" handelte; auf die
Ausführungen auf Seiten 7, 8 des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen.
Spätestens seit 1993/1994 wurden nur noch hohe Verluste erzielt. Optionsgeschäfte
wurden tatsächlich nur in geringem Umfang ausgeführt; die daraus erzielten
Handelsergebnisse lagen im Verhältnis zu den eingesammelten Geldern unter 0,5 %
(Ausnahme: Oktober 2002: 0,59 %). Etwaige Gewinne wurden noch um die
Verwaltungsgebühr von 0,5 % je Monat des jeweiligen Vermögensstandes des QNB
gekürzt. Die dagegen gerichteten Angriffe des Beklagten greifen nicht durch. Wenn der
Beklagte des Weiteren mit der Berufungserwiderung geltend macht, in einem anderen
Verfahren vor dem Landgericht Bonn (2 O 497/08) habe der Kläger vorgetragen, die
tatsächlichen Gewinne hätten zwischen 12 und 22 % gelegen, so vermochte der Senat
diesen Vortrag der betreffenden beigezogenen Akte nicht zu entnehmen, worauf er im
Verhandlungstermin hingewiesen hat; abgesehen davon handelt es sich mangels der
Bezeichnung der Blattzahl nicht um einen ordnungsgemäßen Beweisantritt. Die an ihn
geleisteten Zahlungen können auch nicht einem Gewinn aus Handelsgeschäften
zugeordnet werden. Bei dem Konto, auf welches er ausweislich der Beitrittserklärung
(Bl. 166) seine Einlage eingezahlt hat und von welchem die Auszahlungen an ihn
bewirkt wurden (Nr. 251017 bei der Frankfurter Sparkasse), handelte es sich um ein
Sammelbecken für die Einlagen einer Vielzahl von Anlegern.
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Ein auf Täuschung gestützter Schadensersatzanspruch des Anfechtungsgegners gegen
den Insolvenzschuldner kann dem Rückzahlungsanspruch des Insolvenzverwalters
aufgrund der Regelung des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO nicht entgegengehalten werden, wie
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der Bundesgerichtshof nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils entschieden hat (BGHZ
179, 137; bestätigt in weiteren Urteilen vom 02.04.2009 und 25.06.2009 – IX ZR 157/08
- ), sodass die Einlage nur im Rahmen des § 143 Abs. 2 Satz 1 InsO Berücksichtigung
finden und auch ein Schadensersatzanspruch hinsichtlich des Agios der
Klageforderung nicht entgegengesetzt werden kann.
Gemäß § 143 Abs. 2 Satz 1 InsO hat der Empfänger einer unentgeltlichen Leistung
diese nur zurückzugewähren, soweit er durch sie bereichert ist. Dies führt zur
Anwendung der Saldotheorie, im Rahmen derer die geleistete Einlage auf Seiten des
Anfechtungsgegners zu berücksichtigen ist (BGH, Urt. v. 25.06.2009 – IX ZR 157/08 - ).
Bei Eintritt in den Anfechtungszeitraum ergab sich ein Guthaben des Beklagten von
2.045,15 €, nämlich in Höhe der Einlage von 22.496,83 € abzüglich der ersten
Auszahlung von 20.451,68 €. Innerhalb des Anfechtungszeitraums hat die Schuldnerin
hierauf die zweite Auszahlung von 24.457,18 € geleistet, woraus sich ein rechtsgrundlos
gezahlter Betrag von 22.412,03 € ergibt; dabei handelt es sich um den ursprünglichen
Klagebetrag.
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Das über den Einlagebetrag (22.496,83 €) hinaus vom Beklagten eingezahlte Agio
(1.472,53 €) ist nicht in Abzug zu bringen. Dies ergibt sich aus dem genannten Urteil des
Bundesgerichtshofs vom 25.06.2009 - IX ZR 157/08 - : In dem zugrunde liegenden Fall
hatte der Insolvenzverwalter ausweislich des Tatbestandes den "Differenzbetrag
zwischen den an die Beklagte geleisteten Auszahlungen und ihrer um das Agio
reduzierten Einlage (47.894,03 €)" (Hervorhebung durch den Senat) eingeklagt. Genau
diesen Betrag hatte der Bundesgerichtshof dem Kläger zuerkannt, woraus folgt, dass
nur die eigentliche Einlage, nicht aber auch darüber hinaus das Agio den erhaltenen
Auszahlungen gegenüberzustellen ist, anderenfalls im damaligen Fall der Klagebetrag
von 47.894,03 € noch um den Betrag des Agios (14.060,53 €) zu reduzieren gewesen
wäre.
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Einer Bereicherung steht nicht entgegen, dass dem Beklagten ein
Schadensersatzanspruch gegen die Schuldnerin zugestanden haben mag. Die
Auszahlungen sind nicht auf einen Schadensersatzanspruch, sondern auf die angeblich
erzielten Gewinne sowie die Einlage erfolgt. Damit hat die Schuldnerin die Zahlung
einem bestimmten (fiktiven) Schuldverhältnis zugeordnet (vgl. BGHZ 179,137).
37
Ohne Erfolg macht der Beklagte geltend, er sei im Zusammenhang mit einer
Reinvestition der von der Schuldnerin geleisteten Auszahlungen entreichert. Es kann
nämlich nicht festgestellt werden, dass die Aktienpakete, die er im Zeitraum 19.04.2002
bis 02.07.2003 mit Verlusten veräußert haben will, mit den Mittel angeschafft worden
sind, die er durch die Zahlungen der Schuldnerin erlangt hatte. Zur erforderlichen
Kausalität mangelt es an geeignetem Beweisantritt; eine Vernehmung des Beklagten
als – beweisbelastete - Partei von Amts wegen (§ 448 ZPO) kam nicht in Betracht. Eine
Parteivernehmung von Amts wegen darf nur angeordnet werden, wenn aufgrund einer
vorausgegangenen Beweisaufnahme oder des sonstigen Verhandlungsinhalts
wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die zu beweisende Tatsache spricht, so
dass bereits "einiger Beweis" erbracht ist (BGH NJW 1989, 3222). Hieran fehlt es im
Streitfall. Insbesondere mangelt es an Angaben des Beklagten zum Umfang seines
sonstigen Privatvermögens; mit Schriftsatz vom 12.03.2008 (Bl. 187) hat er vorgetragen,
er habe die Zahlungen "nebst weiterem Privatvermögen" in Aktien investiert. In welchem
Umfang durch Reinvestition bedingte Verluste einerseits auf die mit den Auszahlungen
der Schuldnerin erlangten Mittel und andererseits auf weiteres Privatvermögen des
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Beklagten entfallen, ist vor diesem Hintergrund nicht feststellbar. Auf diesen Umstand
hat bereits das Landgericht auf S. 8, 9 des angefochtenen Urteils abgestellt; die
entsprechenden Zusammenhänge ergeben sich auch nicht aus dem Vorbringen des
Beklagten im Berufungsverfahren, insbesondere auch nicht aus dem Vortrag zu den
erlittenen Verlusten im Schriftsatz vom 02.10.2009.
Der mit der Klageerweiterung im Berufungsverfahren geltend gemachte weitere Betrag
in Höhe von 2.045,15 € steht dem Kläger nicht zu. Ein weitergehender
Rückzahlungsbetrag käme nur dann in Betracht, wenn im Rahmen der Saldotheorie auf
Seiten des Beklagten nicht die volle, ursprünglich eingezahlte Einlage, sondern nur eine
geminderte Einlage abzuziehen wäre. Aus der vom Kläger vorgelegten Berechnung (K
11, Bl. 164) ergibt sich ein Einlagenwert unmittelbar vor der ersten Auszahlung von nur
12.425,52 €. Im Rahmen der Saldotheorie ist die Einlage jedoch in ursprünglicher Höhe
anzusetzen. Ausweislich der genannten Berechnung beruht die Minderung auf
negativen Handelsergebnissen und dem Ansatz von Bestandsprovisionen. Deren
Berücksichtigung würde dazu führen, den Vertrag zwischen der Schuldnerin und dem
Beklagten als gültig zu behandeln. Der Vertrag ist hingegen wegen Sittenwidrigkeit
nichtig, § 138 Abs. 1 BGB. Denn der Anlage lag ein Schneeballsystem zugrunde,
welches von der Schuldnerin darauf angelegt war, dass frühere Anleger aus den
Einlagezahlungen späterer Anleger bedient wurden, wobei letztere nicht nur keinen
Gewinn erzielen, sondern darüber hinaus ihrer Einlage verlustig gehen würden; der
Senat schließt sich insoweit der Beurteilung des Oberlandesgerichts München (ZIP
2009, 1918) an. Die beabsichtigte Schädigung späterer Anleger ist vergleichbar mit der
Sachlage bei Gewinnspielen, welche nach dem "Schneeballprinzip" angelegt sind;
deren Sittenwidrigkeit ist allgemein anerkannt (st. Rspr. seit BGH NJW 1997, 2314).
Wenn das Oberlandesgericht Jena (NZI 2009, 726, 728) nur eine entsprechend der
Berechnung des Insolvenzverwalters aufgezehrte Einlage ansetzt, so setzt es sich nicht
mit der Frage der Sittenwidrigkeit auseinander.
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Der Zinsanspruch hinsichtlich der Hauptforderung ergibt sich aus § 143 Abs. 1 Satz 2
InsO i. V. m. §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 291, 288 Abs. 1 BGB.
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Der Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren ergibt sich
aus dem Gesichtspunkt des Verzuges aufgrund der fristbewehrten Mahnung des
Klägers vom 09.11.2007.
41
B.
42
Die zulässige Anschlussberufung des Beklagten hat keinen Erfolg, da die Klage – wie
ausgeführt – in dem Umfang, in dem sie zur Entscheidung des Landgerichts gestellt war,
begründet ist.
43
C.
44
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 i.V.m. § 97 Abs. 1 ZPO; die
Klageerweiterung hat nicht zu einem Gebührensprung geführt. Die Entscheidung über
die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Wegen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer
einheitlichen Rechtssprechung hinsichtlich des Umfangs des Einlagenabzugs auch mit
Blick auf die genannten Entscheidungen des OLG München und des OLG Jena war die
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Revision des Klägers zuzulassen. Diese Frage betrifft aber nur den vom Kläger mit der
Klageerweiterung im Berufungsrechtszug verfolgten Anspruch, so dass die Zulassung
der Revision auf den Gegenstand der Klageabweisung zu beschränken war.
Die übrigen maßgeblichen Fragen sind in der obergerichtlichen Rechtsprechung
abschließend geklärt; insoweit beruht die Beurteilung des Streitfalles nur auf einer
Würdigung der tatsächlichen Umstände des vorliegenden konkreten Einzelfalles.
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Die Streitwertfestsetzung im Urteil des Landgerichts ist im Hinblick auf § 45 Abs. 3 GKG
nicht zu beanstanden. Denn der Beklagte hatte in der Klageerwiderung ausdrücklich
eine Hilfsaufrechnung erklärt (Bl. 187 GA). Einen Gegenanspruch hatte der Kläger in
seiner Replik (Bl. 211 f. GA) in Abrede gestellt. Da das Landgericht im Urteil eine
rechtskraftfähige Entscheidung über die Aufrechnungsforderung getroffen hat, lagen die
Voraussetzungen des § 45 Abs. 3 GKG vor. Für die Streitwertbemessung ist
maßgeblich, dass der Beklagte eine Hilfsaufrechnung tatsächlich erklärt hat;
unerheblich ist, ob es der Hilfsaufrechnung nicht bedurft hätte, da der
Anfechtungsgegner nach der zur Konkursordnung ergangenen – durch BGHZ 179, 137
überholten – Entscheidung BGHZ 113, 98 zur Vermeidung eines Normwiderspruchs (§
814 BGB) so zu stellen war, als hätte er aufrechnen können.
48
Wegen des Streitwerts für das Berufungsverfahren wird auf den Beschluss des Senats
vom 26.02.2009 verwiesen.
49