Urteil des OLG Köln vom 24.08.2001
OLG Köln: einstweilige verfügung, vertragsstrafe, zustellung, widerklage, abmahnung, abgabe, unterlassen, fremder, antwortschreiben, pastor
Oberlandesgericht Köln, 6 U 227/00
Datum:
24.08.2001
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 U 227/00
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 84 O 58/00
Tenor:
I.) Auf die Berufung der Beklagten wird das am 30.11.2000 verkündete
Urteil der vierten Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 84
O 58/00 - abgeändert und im Hauptausspruch wie folgt neu gefasst: 1.)
Die Klage wird abgewiesen. 2.) Auf die Widerklage der Beklagten wird
festgestellt, dass zwischen den Parteien ein Vertragsstrafevertrag des
Inhalts, dass die Beklagte verpflichtet ist, es bei Meidung einer für jeden
Fall der Zuwiderhandlung fälligen Vertragsstrafe von 20.000,00 DM zu
unterlassen, die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten im Sinne
des Rechtsberatungsgesetzes vorzunehmen, insbesondere hierbei
gegenüber Behörden, Versicherungen oder Vermietern tätig zu werden
und/oder hiermit zu werben, nicht besteht. II.) Die Kosten des
Rechtsstreits beider Instanzen hat der Kläger zu tragen. III.) Das Urteil ist
vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann jedoch die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung oder Hin-terlegung in Höhe von 30.000 DM
abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in
derselben Höhe leistet. Beiden Parteien wird nachgelassen, die
Sicherheiten auch durch Stellung ei-ner selbstschuldnerischen
Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlich-rechtlichen
Sparkasse zu erbringen. IV.) Die Beschwer des Klägers wird auf
220.000 DM festgesetzt.
T a t b e s t a n d
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Der Kläger ist ein in O. ansässiger Rechtsanwalt. Die Beklagte ist eine private
Fernsehsendeanstalt mit Sitz in K., die durch Anwachsung und Umfirmierung aus der
früheren R. P. Deutschland Fernsehen GmbH & Co KG entstanden ist. Die Parteien
streiten im wesentlichen über die Wirksamkeit eines Unterlassungsvertrages, nach
dessen Wortlaut die Beklagte sich strafbewehrt verpflichtet hat, es zu unterlassen, die
Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten im Sinne des Rechtsberatungsgesetzes
vorzunehmen. Dem liegt Folgendes zugrunde:
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Die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin strahlte in der Vergangenheit die Sendungen
"Wir kämpfen für Sie!" und "Wie bitte?!" aus. In diesen Sendungen setzte sie sich in
einer bestimmten Weise für Privatpersonen ein, die Ansprüche gegen Behörden,
Wirtschaftsunternehmen oder sonstige Institutionen zu haben glaubten und
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Schwierigkeiten bei deren Durchsetzung hatten. Der Kläger sah und sieht in diesem
Einsatz für Privatpersonen eine der Beklagten nach dem Rechtsberatungsgesetz
unerlaubte rechtsbesorgende Tätigkeit. Mit Schreiben vom 22.03.1996, dessen Wortlaut
auf den Seiten 2 bis 5 der angefochtenen Entscheidung wiedergegeben ist, mahnte er
die Rechtsvorgängerin der Beklagten mit Fristsetzung zum 28.3.1996 ab. Nachdem
diese innerhalb der Frist nicht reagiert hatte, vereinbarte der Kläger am Folgetage, dem
29.03.1996, telefonisch mit ihrem damaligen Justitiar, dass die geforderte
Unterlassungserklärung noch bis zum 1.4.1996 abgegeben werden könne. Insoweit ist
streitig, ob die Fristverlängerung sich bis zum Ablauf jenes Tages erstreckte oder - wie
die Beklagte behauptet - nur den Vormittag erfasste. Die Rechtsvorgängerin der
Beklagten gab daraufhin durch ihren Justitiar zwar nicht am Vormittag, wohl aber am
Nachmittag des 1.4.1996 eine Unterlassungserklärung ab. In der die
Unterlassungsverpflichtung regelnden Ziffer 1) dieser Erklärung, wegen deren
vollständigen Wortlauts auf Bl.8 der Beiakte 6 U 174/00 OLG Köln = 84 O 36/00 LG Köln
verwiesen wird, heißt es:
"Wir verpflichten uns Ihnen gegenüber, es bei Meidung einer für jeden Fall der
Zuwiderhandlung fälligen Vertragsstrafe von 20.000,00 DM zu unterlassen, die
Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten im Sinne des Rechtsberatungsgesetzes
vorzunehmen, insbesondere hierbei gegenüber Behörden und Versicherungen oder
Vermietern tätig zu werden und/oder hiermit zu werben."
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Dieser Text ist mit der verlangten Unterlassungserklärung bis auf den Umstand
identisch, dass die Worte "im Sinne des Rechtsberatungsgesetzes" in dem von dem
Kläger mit der Abmahnung übersandten Entwurf nicht enthalten gewesen waren.
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Ebenfalls am 1.4.1996, und zwar vor Eingang jener Erklärung, hatte der Kläger bei dem
Landgericht Duisburg einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt
und die Zustellung der noch am selben Tage erlassenen Eilentscheidung an die
Beklagte veranlasst. Nach seiner nach Schluss der mündlichen Verhandlung
vorgebrachten Behauptung hat der Justitiar der Beklagten am Nachmittag des 1.4.1996
noch vor Abgabe der Unterlassungserklärung telefonisch in seinem Büro in Erfahrung
gebracht, dass ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt worden sei.
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Der Kläger reagierte auf die Unterlassungserklärung mit dem auf der Seite 6 f des
angefochtenen Urteils wiedergegebenen Antwortschreiben vom 2.4.1996. In diesem
Schreiben, das eine ausdrückliche Annahme der Erklärung nicht enthielt, wies der
Kläger darauf hin, dass er - unter anderem, weil die Sendung "Wir kämpfen für Sie!"
entgegen einer angeblichen Zusage nicht abgesetzt worden sei - bereits am 1. 4. 1996
den erwähnten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt habe. Diese sei
auch am selben Tage noch erlassen und von ihm per Boten dort abgeholt worden. Eine
Zustellung sei schon erfolgt oder stehe bevor.
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Dieses Schreiben beantwortete die Beklagte durch ihren Justitiar mit dem aus Bl.198 f
der erwähnten Beiakte ersichtlichen Antwortschreiben vom 3.4.1996. Darin heißt es:
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"Ich habe großes Verständnis dafür, dass Sie angesichts der von uns fristgerecht
abgegebenen Erklärung die unnötig erwirkte einstweilige Verfügung auch ‚an den
Mann bringen' möchten. Dies wird leider zu einem überflüssigen Prozess führen."
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In der Folgezeit kam es noch zu weiteren Ausstrahlungen beider Sendereihen. Diese
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sind sodann im Jahre 1999 eingestellt worden.
Der Kläger ist in der Vergangenheit mehrfach gegen die Rechtsvorgängerin der
Beklagten wegen aus seiner Sicht durch einzelne Sendungen vorliegender Verstöße
gegen die geschilderte Unterlassungserklärung vorgegangen und hat die Verwirkung
der Vertragsstrafe geltendgemacht. Wegen der Einzelheiten wird beispielhaft auf die
Akten der Verfahren 84 O 92/97 LG Köln = 6 U 17/98 OLG Köln und 84 O 7/99 LG Köln
= 6 U 134/99 Bezug genommen. Aus der erwähnten einstweiligen Verfügung, gegen die
ein Widerspruch nicht eingelegt und die auch nicht aufgehoben worden ist, hat der
Kläger demgegenüber Rechte auf Grund der angeblichen Verstöße nicht hergeleitet.
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Fast zwei Jahre nach Abgabe der Unterlassungserklärung, nämlich unter dem 12.2.
1998, widerrief und kündigte die Beklagte diese mit dem aus der Anlage B 7 der
erwähnten Beiakte ersichtlichen Schreiben ohne Begründung und erklärte deren
Anfechtung.
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Mit dem vorliegenden Verfahren nimmt der Kläger wegen einer am 02.05.1999
ausgestrahlten Folge von "Wir kämpfen für Sie" die Beklagte auf Zahlung von
Vertragsstrafe in Höhe von 20.000,00 DM Anspruch. Mit der Widerklage begehrt die
Beklagte demgegenüber die Feststellung, dass ein Vertragsverhältnis der geschilderten
Art zwischen den Parteien nicht bestehe.
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Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass die Vereinbarung wirksam zustande
gekommen und die Vertragsstrafe durch jenen Fernsehbeitrag verwirkt worden sei.
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Er hat b e a n t r a g t,
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1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 20.000,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem
26.04.2000 zu zahlen;
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1. die Widerklage abzuweisen.
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Die Beklagte hat b e a n t r a g t,
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1. die Klage abzuweisen.
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1. festzustellen, dass zwischen den Parteien ein Vertragsstrafevertrag des Inhalts,
dass sie verpflichtet ist, es bei Meidung einer für jeden Fall der Zuwiderhandlung
fälligen Vertragsstrafe von 20.000,00 DM zu unterlassen, die Besorgung fremder
Rechtsangelegenheiten im Sinne des Rechtsberatungsgesetzes vorzunehmen,
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insbesondere hierbei gegenüber Behörden, Versicherungen oder Vermieterin tätig
zu werden und/oder hiermit zu werben, nicht besteht.
Sie hat u.a. die Auffassung vertreten, dass aus im einzelnen dargelegten Gründen das
Vertragsstrafeversprechen nicht wirksam zustande gekommen sei.
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Das L a n d g e r i c h t hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt und die Widerklage
abgewiesen.
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Zur Begründung ihrer gegen dieses Urteil gerichteten B e r u f u n g wiederholt die
Beklagte ihre Auffassung, wonach die Unterlassungsvereinbarung schon gar nicht
zustande gekommen ist. Im übrigen liege durch die streitgegenständliche Sendung mit
Rücksicht auf neuere höchstrichterliche Rechtsprechung ein Verstoß gegen eine
etwaige Vereinbarung auch nicht vor.
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Die Beklagte b e a n t r a g t,
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1. die Klage abzuweisen,
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1. auf die Widerklage festzustellen, dass zwischen den Parteien ein
Vertragsstrafenvertrag des Inhalts, dass sie verpflichtet ist, es bei Minderung einer
für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Vertragsstrafe von 20.000,00 DM zu
unterlassen, die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten im Sinne des
Rechtsberatungsgesetzes vorzunehmen, insbesondere hierbei gegenüber
Behörden, Versicherungen oder Vermietern tätig zu werden und/oder hiermit zu
werben, nicht besteht.
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Der Kläger b e a n t r a g t,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er begründet mit Rechtsausführungen, auf die - soweit erforderlich - sogleich
einzugehen ist, seine Auffassung, wonach die Unterlassungsvereinbarung zustande
gekommen ist und Bestand hat. Was die Frage des Verstoßes durch die Sendung vom
02.05.1999 angehe, so habe die Beklagte durch ihr aus Bl. 44 ersichtliches
Anerkenntnis in dem Verfahren 45 O 103/99 LG Duisburg selbst eingeräumt, dass ein
Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz vorliege. In jenem Verfahren hat der Kläger
wegen der Ausstrahlung vom 2.5.1999 einen weiteren Unterlassungsanspruch geltend
gemacht.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die bis zur mündlichen
Verhandlung gewechselten Schriftsätze und die Akten der Verfahren 84 O 92/97 LG
Köln = 6 U 17/98 OLG Köln, 84 O 7/99 LG Köln = 6 U 134/99 OLG Köln und 84 O 36/00
LG Köln = 6 U 174/00 OLG Köln, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung
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waren, sowie den ihm gem. §§ 523,283 ZPO nachgelassenen Schriftsatz des Klägers
vom 21.5.2001 sowie den weiteren Schriftsatz des Klägers vom 12.7.2001 Bezug
genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Berufung ist zulässig und begründet. Die Klage hat keinen Erfolg und die
Widerklage ist demgegenüber begründet, weil ein wirksamer Unterlassungsvertrag
zwischen den Parteien nicht besteht. An der im Verfahren 6 U 17/98 zugrundegelegten
gegenteiligen Rechtsauffassung hält der Senat nicht mehr fest.
32
A
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Die Widerklage ist entgegen den von dem Kläger in erster Instanz geäußerten Zweifeln
zulässig. Die Beklagte hat angesichts der Berühmung des Klägers, der Vertrag sei
wirksam und ihm stehe wegen verschiedener in der Vergangenheit ausgestrahlter
Sendungen zumindest möglicherweise die vereinbarte Vertragsstrafe zu, im Sinne des §
256 Abs.1 ZPO ein rechtliches Interesse an der Feststellung, dass der Vertrag nicht
wirksam ist. Dass der Kläger, der selbst das Feststellungsinteresse der Beklagten nicht
in Abrede stellt, sich dieser potenziellen Rechte berühmt, ergibt sich aus seinem
Begehren in der Parallelsache 6 U 174/00, in der er u.a. Auskunft über weitere
ausgestrahlte Sendungen verlangt. Der Geltendmachung des Feststellungsanspruches
steht auch nicht entgegen, dass über diesen bereits - wie der Kläger vorgetragen hat -
im Verfahren 84 O 7/99 = 6 U 134/99 OLG Köln "eine rechtskrafterstreckende
Entscheidung" ergangen wäre. Der Kläger hatte zwar auch in jenem Verfahren eine
entsprechende Widerklage erhoben, über diese ist jedoch nicht rechtskräftig
entschieden worden. Vielmehr ist das Verfahren durch einen vor dem Senat
geschlossenen Vergleich beendet und in jenem Vergleich ausdrücklich hervorgehoben
worden, dass zum einen Ansprüche aus der Zeit vor dem Vergleichsschluss noch
geltend gemacht werden können und zum anderen die Parteien ihre konträren
Rechtsauffassungen bezüglich des Vertragsschlusses aufrechterhalten.
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B
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Der Unterlassungsvertrag ist nicht wirksam zustandegekommen, weil die
Geschäftsgrundlage der Unterlassungserklärung der Beklagten entfallen ist (§ 242 BGB)
und dies für den Kläger beim Zugang dieser Erklärung auch ohne weiteres erkennbar
war. Aus diesem Grunde kann offenbleiben, ob in dem vorgetragenen Schriftwechsel
überhaupt deckungsgleiche Vertragserklärungen liegen, die im Sinne der §§ 145 ff BGB
einen Vertragsschluss hätten bewirken können, und muss die Berufung in vollem
Umfange Erfolg haben.
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Es ist anerkannt, dass das auf § 242 BGB gründende Institut des Wegfalls der
Geschäftsgrundlage wie im übrigen Zivilrecht auch im Wettbewerbsrecht Anwendung
findet (vgl. für den Fall einer nachträglichen Gesetzesänderung z.B. Teplitzky,
Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Auflage, Kap.20, RZ 25 m.w.N.; ausführlich
Pastor/Ahrens/Schulte, Der Wettbewerbsprozess, 4. Auflage, Kap.14, RZ 94 ff m.w.N.).
Geschäftsgrundlage eines Vertrages sind die nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt
erhobenen, jedoch bei Vertragsschluss bestehenden gemeinschaftlichen Vorstellungen
beider Vertragsparteien oder die dem Geschäftsgegner erkennbaren und von ihm nicht
beanstandeten Vorstellungen einer Vertragspartei vom Vorhandensein oder dem
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künftigen Eintritt gewisser Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf diesen
Vorstellungen aufbaut (vgl. z.B. BGH NJW-RR 90,386 f; GRUR 90,1005 f - "Salome").
Zu diesen Vorstellungen gehörte die Erwartung der Beklagten, mit der
Unterlassungserklärung die wettbewerbsrechtliche Auseinandersetzung zu beenden.
Diese Vorstellung hat sich indes angesichts des parallel betriebenen Verfahrens auf
Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht realisiert. Die Vertragserklärung der
Beklagten ist daher der eingetretenen Situation anzupassen. Die Beklagte hätte indes
bei Kenntnis des Umstandes, dass ihr Versuch, das Wirksamwerden der einstweiligen
Verfügung zu verhindern, durch die Erklärung nicht erreicht werden konnte, diese nicht
abgegeben.
Die auf eine Abmahnung hin abgegebene Unterlassungserklärung verfolgt das Ziel, die
wettbewerbsrechtliche Auseinandersetzung zu beenden und insbesondere zu
verhindern, dass es zu einem gerichtlichen Verfahren kommt (vgl. Teplitzky a.a.O. Kap.
8 RZ 1; Pastor/Ahrens/Schulte, a.a.O. Kap.14 Rz. 4 ff). Der sich unterwerfende
Schuldner sieht sich - zumindest regelmäßig - berechtigten wettbewerbsrechtlichen
Vorwürfen ausgesetzt und nimmt so die Gelegenheit wahr, einer kosten- und
zeitaufwändigen gerichtlichen Auseinandersetzung mit für ihn voraussichtlich negativem
Ausgang zu entgegen. Das gilt gleichermaßen für drohende Eilverfahren, wie für
Hauptsacheklagen. Demgegenüber ist es nicht Ziel der Unterwerfungserklärung, dem
Gläubiger neben einem gerichtlichen Titel einen weiteren schuldrechtlichen Anspruch
zu verschaffen. Ist vielmehr der Gläubiger bereits im Besitz eines derartigen - auch
vorläufigen - Titels, so besteht für den Schuldner kein Anlass, zusätzlich eine
Unterlassungserklärung abzugeben und so die Stellung des Gläubigers aus seiner
Sicht unnötig zu stärken. Diese Motivationslage ist dem abmahnenden Gläubiger auch
bekannt. Dieser bietet durch die Abmahnung nämlich gerade an, die
Auseinandersetzung auf die geschilderte Weise und ohne Einschaltung der Gerichte zu
beenden.
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Vor diesem Hintergrund ist der Unterlassungsvertrag deswegen nicht wirksam
zustandegekommen, weil der Gläubiger in dem maßgeblichen Zeitraum zu Beginn des
Monats April 1996 die parallel erwirkte einstweilige Verfügung der Beklagten hat
zustellen und so wirksam werden lassen und nicht umgehend von sich aus auf die
Rechte aus diesem Titel verzichtet hat. Dabei kann es auf sich beruhen, ob sich die
Unterlassungserklärung bereits als Annahme eines in der Abmahnung zu sehenden
Angebotes, oder als Angebot der Beklagten darstellt, das dann durch das
Antwortschreiben des Klägers vom 2.4.1996 angenommen worden ist. Mit Rücksicht auf
die vorgeschilderte Rechtslage ist nämlich durch die bewirkte Zustellung der
einstweiligen Verfügung entweder die Geschäftsgrundlage des bereits
zustandesgekommenen Vertrages oder aber der Vertragserklärung der Beklagten
entfallen. In beiden Fällen besteht ein wirksamer Vertrag nicht (mehr). Aus diesem
Grunde kann auch auf sich beruhen, ob die Abmahnfrist tatsächlich - wie der Kläger
behauptet - nur bis zum Mittag des 1.4.1996 verlängert worden war.
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Es trifft allerdings zu, dass es gängiger Praxis auf Gläubigerseite entspricht, neben der
Abmahnung - parallel oder schon vorher - den Erlass einer einstweiligen Verfügung zu
beantragen. Ebenso geben Schuldner in bestimmten Fallkonstellationen bewusst
Unterlassungserklärungen ab, obwohl ihnen bereits eine einstweilige Verfügung
zugestellt worden ist. Ebenso ist der Verletzte unter bestimmten Umständen parallel
sowohl Vertragsstrafeversprechen als auch gerichtlichen Titeln ausgesetzt. All dies
ändert indes nichts daran, dass aus den vorstehenden Gründen ein Vertragsverhältnis
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zwischen den Parteien nicht besteht.
Was zunächst den Fall der vor der Abmahnung oder innerhalb der Abmahnfrist
vorsorglich - und regelmäßig in Unkenntnis des Schuldners - erwirkten sog. "Vorrats-
oder Schubladenverfügung" angeht, so dient diese dem Zweck, nach erfolglosem
Ablauf der Abmahnfrist und damit - abweichend vom vorliegenden Fall - ohne dass sich
der Schuldner unterworfen hat, den gerichtlichen Titel schnell zustellen und so wirksam
machen zu können. Demgegenüber kommt die Unterwerfungserklärung nach Zustellung
einer einstweiligen Verfügung in den Fällen in Betracht, in denen der Schuldner, sei es
im Widerspruchsverfahren, sei es im Aufhebungsverfahren gem. § 927 ZPO, die
Beseitigung der einstweiligen Verfügung erstrebt. Auch diese Fallkonstellation liegt
indes nicht vor: Die Schuldnerin wusste bei Abgabe der Unterlassungserklärung nichts
davon, dass die für ihre Wirksamkeit maßgebliche Zustellung der einstweiligen
Verfügung bereits bewirkt war. Das gilt auch unter Berücksichtigung des
diesbezüglichen, ihm nicht nachgelassenen Vorbringens des Klägers in dessen
Schriftsatz vom 12.7.2001, weswegen sich die Frage einer etwaigen Wiedereröffnung
der mündlichen Verhandlung nicht stellt. Nach der dortigen Behauptung des Klägers
soll der damalige Justitiar der Beklagten am Nachmittag des 1.4.1996 und noch vor
Abgabe der Unterlassungserklärung in seinem Büro in Erfahrung gebracht haben, dass
eine einstweilige Verfügung beantragt worden sei. Diese angebliche Kenntnis
vermittelte der Beklagten indes nicht das Bewusstsein, auch durch Abgabe der
Unterlassungserklärung das Wirksamwerden eines gerichtlichen Titels nicht mehr
verhindern zu können, weil die einstweilige Verfügung nicht nur beantragt, sondern
auch schon erlassen und ihre Zustellung bewirkt worden sei.
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Die Unterlassungserklärung ist nach alledem in der Phase abgegeben worden, in der
die Beklagte noch annahm und annehmen konnte, durch sie die Angelegenheit zu
erledigen. In dieser Situation konnte der Kläger nicht unter Ausnutzung seines
Wissensvorsprunges bezüglich der Zustellung der einstweiligen Verfügung die
Vertragserklärung der Beklagten annehmen und es zugleich bei der Zustellung der
einstweiligen Verfügung belassen. Es oblag ihm vielmehr, sich zu entscheiden und
entweder sofort klarzustellen, dass auf die Rechte aus der einstweiligen Verfügung
verzichtet werde, oder die Annahme des Vertrages abzulehnen bzw. der Beklagten
mitzuteilen, dass auf etwaige Rechte aus dem Vertrag verzichtet werde.
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Dem steht auch nicht entgegen, dass in Einzelfällen sich Schuldner parallel sowohl
gerichtlichen Unterlassungstiteln als auch Vertragsstrafeansprüchen ausgesetzt sehen,
weil es sich dabei - soweit hier von Interesse - regelmäßig um Fälle handelt, in denen
der Schuldner durch einen nachträglichen Verstoß gezeigt hat, dass trotz der
Unterlassungserklärung erneut Wiederholungsgefahr besteht (vgl. Teplitzky, a.a.O. ,
Kap.8 RZ 53 m.w.N.). Auch die Situation, in der durch einen Vergleichsschluss eine
Vertragsstrafevereinbarung getroffen wird und der Gläubiger damit zugleich einen gem.
§ 890 ZPO zu vollstreckenden Titel erhält (vgl. BGH GRUR 98, 1053 -
"Vertragsstrafe/Ordnungsgeld"), ist mit der vorliegenden Fallkonstellation nicht
gleichzusetzen, weil dort sehenden Auges zwei Titel geschaffen werden, während dies
vorliegend gerade nicht der Fall war.
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Vor diesem Hintergrund kann der Vertrag auch nicht mit der Begründung als wirksam
angesehen werden, die Beklagte habe sich auf die vorstehend dargelegte Rechtslage
nicht berufen und der Kläger habe im Anschluss niemals Rechte aus der einstweiligen
Verfügung geltend gemacht.
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Dass die Beklagte sich nicht aus zwei Rechtsgründen Ansprüchen ausgesetzt sehen
wollte, zeigt ihre Reaktion im Schreiben vom 3.4.1996, in der zum Ausdruck gebracht
wird, dass der Kläger die einstweilige Verfügung nutzlos erwirkt habe. Dass schließlich
der Kläger aus der einstweiligen Verfügung trotz der von ihm angenommenen Verstöße
keine Rechte hergeleitet hat, ändert nichts daran, dass sich mit Blick auf die Existenz
der Eilentscheidung, aus der der Kläger jederzeit hätte vorgehen können, die
erkennbare Vorstellung der Beklagten, durch die Unterlassungserklärung die Gefahr
anderweitiger Inanspruchnahme durch den Kläger zu beseitigen, nicht erfüllt hat.
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Letztlich ist der Vertrag auch nicht etwa durch das soeben erwähnte Schreiben der
Beklagten vom 3.4.1996 zustande gekommen. Dabei ist schon zweifelhaft, ob das
Schreiben des Klägers vom 2.4.1996 als Angebot zu werten sein könnte. Unabhängig
davon stellte dessen Beantwortung unter dem 3.4.1996 nicht eine Annahme dar, weil
die Beklagte - in der Vorstellung, der Vertrag sei bereits zustande gekommen - nicht das
Bewusstsein hatte, eine rechtswirksame Vertragserklärung abzugeben. Hätte die
Beklagte indes gewusst, dass bis dahin ein strafbewehrter Unterlassungsvertrag nicht
zustande gekommen war, so hätte sie in Kenntnis des gerichtlichen Titels die
Unterlassungserklärung - wovon nach der Lebenserfahrung auszugehen ist -auch nicht
mehr abgegeben.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1 ZPO.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.
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Die gemäß § 546 Abs.2 ZPO festgesetzte Beschwer des Klägers entspricht dem Wert
seines Unterliegens im Rechtsstreit.
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Streitwert für das Berufungsverfahren: 220.000 DM.
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