Urteil des OLG Köln vom 23.08.1995

OLG Köln (gegenstand des verfahrens, vollstreckbarerklärung, zpo, bundesrepublik deutschland, 1995, vollstreckung, beschwerde, aviv, zwangsvollstreckung, anerkennung)

Oberlandesgericht Köln, 16 W 38/95
Datum:
23.08.1995
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
16. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 W 38/95
Schlagworte:
Zulässige Einwendungen im Verfahren auf Vollstreckbarkeitserklärung;
Zwangsvollstreckung, Ausland
Normen:
AVAG § 13
Leitsätze:
Im Verfahren auf Vollstreckbarkeitserklärung eines israelischen
Unterhaltsurteils in der Bundesrepublik Deutschland können nur solche
Einwendungen geltend gemacht werden, die einerseits die Rechtskraft
des Titels nicht berühren, andererseits nicht durch § 767 Abs. 2 und 3
ZPO präkludiert wären, handelte es sich um einen deutschen Titel.
Einwendungen, die nach deutschem Recht gem. § 323 ZPO geltend zu
machen wären, sind in diesem Verfahren unzulässig.
Gründe :
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Die Parteien sind oder waren miteinander verheiratet. Aus der Ehe stammen zwei
gemeinschaftliche Kinder, welche im Haushalt der Mutter in Israel leben und dort betreut
und versorgt werden. Der in der Bundesrepublik lebende Antragsgegner ist durch eine
Entscheidung des Bezirksgerichts Tel-Aviv vom 28.12.1993 verpflichtet, ab dem
20.11.1991 einen monatlichen Kindesunterhalt von insgesamt 900,-- DM zu bezahlen,
und zwar in neuen israelischen Schekel, nach dem Tageswert, fällig jeweils am 20.
eines jeden Monats. Das Urteil ist dem Antragsgegner am 1.4.1995 zugestellt worden.
Die Antragstellerin beantragte mit Schriftsatz vom 11.4.1995, die vorbezeichnete
Entscheidung für vollstreckbar zu erklären, und mit der Vollstreckungsklausel zu
versehen. Diesem Antrag entsprach der Vorsitzende der angerufenen Zivilkammer des
Landgerichts durch Beschluß vom 5.5.1995. Die Klausel wurde am 29.5.1995 erteilt. Die
vorgenannten Entscheidungen sind dem Antragsgegner am 13.6.1995 zugestellt
worden. Mit seiner dagegen am 26.6.1995 erhobenen Beschwerde erstrebt der
Antragsgegner die Aufhebung der landgerichtlichen Beschlüsse. Er macht geltend, die
Antragstellerin sei nicht berechtigt, die Vollstreckung im eigenen Namen zu betreiben,
aktivlegetimiert seien ausschließlich die Kinder. Der vorgelegten Entscheidung fehle der
Nachweis der Vollstreckbarkeit. Bei der vom Landgericht erteilten Vollstreckungsklausel
sei nicht berücksichtigt worden, daß der Antragsgegner in der Zeit von April 1992-
August 1993 durch Quittung belegte Zahlungen in Höhe von insgesamt 14.539 DM
erbrachte. Auch weitere finanzielle Leistungen an die Antragstellerin, 1.500 DM aus
einer Sparbuchabhebung und 15.000 DM aus dem Verkauf eines Autos seien zu
Unrecht nicht beachtet worden. Unabhängig von alledem sei er ab 1.4.1994 nicht mehr
leistungsfähig und könne deshalb Abänderung des israelischen Unterhaltsurteils
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verlangen. Der Abänderungsgrund liege darin, daß sich seine im Zeitpunkt der
Ausgangsentscheidung bestehende Erwartung nicht realisiert habe, bald wieder Arbeit
zu finden. Damit sei das der ursprünglichen Unterhaltsbemessung zugrundegelegte
Einkommen nicht mehr vorhanden. Er habe trotz intensiven Bemühens keine neue
Arbeit finden können. Unabhängig von alledem sei der vom Landgericht angenommene
Streitwert unrichtig.
Das Rechtsmittel des Antragsgegners ist zulässig. Die Anerkennung und
Vollstreckbarerklärung eines israelischen Unterhaltsurteils richtet sich nach dem
bilateralen Abkommen über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von
gerichtlichen Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, welches die Bundesrepublik
mit Israel am 20.7.1977 abgeschlossen hat, und seit dem 1.1.1981 in Kraft gesetzt ist (
BGBl. 80 II, S. 925 ). In Abweichung von den §§ 722, 723 ZPO ist das Verfahren der
Vollstreckbarerklärung im Gesetz zur Ausführung zwischenstaatlicher Anerkennungs-
und Vollstreckungsverträge in Zivil- und Handelssachen ( AVAG, BGBl. 88 I, S.662 ),
geregelt. Namentlich die §§ 50-55 AVAG befassen sich ausschließlich mit der
Ausführung des vorgenannten Abkommens. Nach §§ 11, 51 AVAG findet gegen die
Zulassung der Zwangsvollstreckung die Beschwerde des in Anspruch genommenen
Schuldners statt, welche im Streitfall überdies form- und innerhalb der vorgesehenen
Monatsfrist ab Zustellung auch fristgerecht eingelegt wurde.
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In der Sache bleibt die Beschwerde ohne Erfolg. Das Landgericht hat das Urteil des
Bezirksgerichts Tel-Aviv vom 28.12.1993 zu Recht für vollstreckbar erklärt. Die dagegen
vorgebrachten Einwendungen des Antragsgegners sind unerheblich.
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Ohne Zweifel kommt der deutsch-israelische Vertrag von 1977 hier zur Anwendung. Er
gilt für Entscheidungen der Gerichte in Zivil- und Handelssachen. Dazu zählt das
vorbezeichnete Unterhaltsurteil. Zwar definiert das Abkommen nicht genau, welche
Entscheidungen Zivil- und Handelssachen beinhalten. Doch aus Art. 4 Abs. 2 der
Vereinbarung ergibt sich unmißverständlich, daß jedenfalls Ansprüche des
Unterhaltsrechts dazugehören. Keine der vertraglich vorgesehenen Gründe, nach denen
eine Entscheidung nicht anerkannt werden darf, kommen im vorliegenden Fall zum
Tragen. Anders als im autonomen Anerkennungsrecht gehen bilaterale Anerkennungs-
und Vollstreckungskonventionen nach ihrem Sinn und Zweck davon aus, daß die
ausländische Entscheidung grundsätzlich anzuerkennen ist, und bestimmen in einem
abschließenden Katalog lediglich, wann die Anerkennung nicht mehr versagt werden
darf. Der deutschisraelische Vertrag von 1977 macht hiervon keine Ausnahme. Keiner
der allein zu prüfenden Versagungsgründe greift jedoch ein.
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So kann der Antragsgegner nicht mit Erfolg geltend machen, eine
Vollstreckbarerklärung habe schon deshalb zu unterbleiben , weil die Rechtskraft des
israelischen Urteils nicht nachgewiesen sei. Der vorbezeichnete Vertrag mit Israel setzt
zwar im Prinzip voraus, daß die zur Vollstreckung gestellte Entscheidung mit
ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr angefochten werden kann. Doch dieser
Grundsatz ist für Unterhaltsentscheidungen ausdrücklich durchbrochen. Art. 20, 21 des
Vertrages regeln die bevorzugte Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen, auch
wenn diese noch nicht endgültig sind. Diese Sachlage erfordert nach § 52 Abs. 1 Ziff. 1
AVAG lediglich die ergänzend ausgesprochene Anordnung, daß die Vollstreckung erst
nach Vorlage einer israelischen Rechtskraftbescheinigung nebst Übersetzung
unbeschränkt stattfinden darf. Kein Zweifel besteht überdies daran, daß die hier
entscheidende israelische Instanz international zuständig war, Art. 7 Abs. 1 Ziff. 4, 7
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Abs. 2, 8 des Vertrages. Daß von seiten des Landgerichts die in Art. 1218 des Vertrages
formulierten Erfordernisse nicht eingehalten worden sind, ist weder ersichtlich, noch
dargetan. Es ist nicht erkennbar, daß die danach beizubringenden Unterlagen
unvollständig oder fehlerhaft gewesen waren. Ferner ist nicht ersichtlich, daß die für den
Inhalt einer Vollstreckbarerklärung vorgesehenen Förmlichkeiten in der angefochtenen
Entscheidung nicht beachtet wurden. Zu Unrecht macht der Antragsgegner letztendlich
geltend, daß die Antragstellerin nicht befugt ist, das Vollstreckungsverfahren im eigenen
Namen zu betreiben. Nach Art. 13 des Abkommens kann den Antrag, die
Zwangsvollstreckung zuzulassen, jeder stellen, der in dem Entscheidungsstaat
berechtigt ist, Rechte aus der Entscheidung geltend zu machen. Das ist die
Antragstellerin, weil sie im vorliegenden Urteil des Bezirksgerichts Tel Aviv als
Berechtigte aufgeführt ist. Die Bedenken des Antragsgegners gegen die Berechtigung
der Antragstellerin, den Unterhaltsanspruch ihrer Kinder auch zu vollstrecken, ergeben
sich aus der Anwendung deutschen Rechts, namentlich von § 1629 Abs. 3 BGB.
Danach kann der gemeinschaftliche Kinder betreuende Elternteil in Prozeßstandschaft
für diese deren Unterhaltsansprüche im eigenen Namen geltend machen, aber nicht
ohne weiteres auch vollstrecken ( vgl. zum Streitstand, Münch.-Komm., 3. Aufl. , BGB, §
1629 Rdnr. 39 ). Im Ergebnis bleiben die Bedenken des Antragsgegners aus
mehrfachen Gründen ohne Erfolg. Deutsches Recht kommt nicht zur Anwendung. Nach
deutschem internationalen Privatrecht ist das maßgebende Unterhaltsstatut im Streitfall
israelisches Recht, weil die Kinder dort wohnen, Art. 18 Abs. 1 EGBGB. Nach
israelischem Recht gilt nichts anderes ( vgl. Bergmann-Ferid, internationales Ehe-und
Familienrecht, Israel, S. 30 ). § 1629 Abs. 3 BGB würde eine Vollstreckung des
Kindesunterhaltes durch die Antragstellerin auch nur dann hindern, wenn die Parteien
geschieden sind. Dazu ist nichts vorgetragen. Sollte noch keine Scheidung
ausgesprochen sein, bleibt der Antragstellerin auch nach deutschem Recht die Befugnis
erhalten, die Ansprüche der Kinder als Prozeßstandschafterin durchzusetzen. Im
Ergebnis wäre das Unterhaltsurteil des Bezirksgerichts Tel-Aviv nach alledem in der
Bundesrepublik anzuerkennen. Damit ist die Zwangsvollstreckung zuzulassen, Art. 10
des Vertrages.
Unerheblich bleibt der Einwand des Antragsgegners, er sei wegen seines geringen
Einkommens nicht mehr leistungsfähig; der Sachverhalt, welcher der israelischen
Entscheidung zugrundeliege, habe sich so entwickelt, daß diesem Urteil die Grundlage
genommen sei. Im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens können nach § 13 AVAG nur
solche Einwendungen vorgebracht werden, die den Anspruch selbst beseitigen, die
also in einem Verfahren nach § 767 ZPO geltend zu machen wären. Demgegenüber
handelt es sich bei dem vom Antragsgegner eingangs erhobenen Einwand um Gründe
für eine Abänderungsklage nach § 323 ZPO. In § 13 AVAG kommt der Grundsatz zum
Ausdruck, daß Einwendungen, die den Anspruch selbst betreffen, nicht notwendig im
Entscheidungsstaat erhoben werden müssen, sondern in einem bestimmten Umfang
auch in dem Verfahren geltend gemacht werden können, in dem die ausländische
Entscheidung zur Vollstreckung im Inland zugelassen wird, wobei nicht die
Gesetzmäßigkeit der ausländischen Entscheidung in Frage gestellt, sondern nur
geltend gemacht werden kann, daß dem ausländischen Titel die Vollstreckbarkeit nicht
mehr verliehen werden dürfe, wenn feststeht, daß sie in einem Verfahren nach § 767
ZPO sogleich wieder zu entziehen wäre. Dann ist ein solches Verfahren aus Gründen
des Schuldnerschutzes und der Prozeßökonomie nicht mehr vertretbar. In allen Fällen,
auch soweit sie die Vollstreckbarerklärung ausländischer Unterhaltsurteile zum
Gegenstand haben, werden als zulässige Einwendungen jedoch nur solche behandelt,
welche die Rechtskraft des ausländischen Urteils unberührt lassen, allerdings den
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Anspruch in seiner Durchsetzbarkeit hemmen oder vernichten. Das sind Einwendungen
im Sinne von § 767 ZPO ( vgl. insbesondere BGHZ 100, 211 ). Solche zulässige
Einwendungen hat der Antragsgegner mit seiner Behauptung, nicht mehr leistungsfähig
zu sein, nicht erhoben. Dies zielt auf einen Einbruch in die Rechtskraft des zur
Anerkennung gestellten Unterhaltsurteils und kann nur über ein Abänderungsverfahren
nach § 323 ZPO durchgesetzt werden. Dafür ist im Vollstreckbarerklärungsverfahren
kein Raum. Es entspricht allgemeiner Auffassung, daß der in dem ausländischen Urteil
titulierte materielle Anspruch nicht Gegenstand des Verfahrens zur
Vollstreckbarerklärung sein kann, weil er keiner sachlichen Nachprüfung unterliegt, (
vgl. Art. 8 des deutsch-israelischen Vertrages ). Der Antragsgegner ist damit auf eine
Abänderungsklage verwiesen. Ob diese mit dem derzeitigen Vorbringen Erfolg haben
kann, hat der Senat nicht zu entscheiden.
Nach den eben dargestellten Grundsätzen ist dem Antragsgegner nicht der Einwand
verwehrt, der Unterhaltsanspruch sei hinsichtlich der Vergangenheit im wesentlichen
erfüllt. Allerdings wird dies nur für die durch Quittung belegten Leistungen von
Barunterhalt gelten können. Soweit der Antragsgegner darauf verweist, die
antragstellende Mutter habe von ihm nicht unerhebliche vermögenswerte Leistungen
erhalten, ist nicht ersichtlich, weshalb sich die Kinder des Antragsgegners diese
Leistungen an ihre Mutter unterhaltskürzend anrechnen lassen müssen. In der Sache
führt der Erfüllungseinwand jedoch nicht zum Erfolg der Beschwerde. Nach § 13 AVAG
kann sich der Antragsgegner nur auf solche Einwendungen berufen, deren Gründe erst
nach dem Erlaß der Entscheidung entstanden sind. Das ist hier nicht gegeben. Alle vom
Antragsgegner behaupteten Zahlungen sind zu Zeiten erfolgt, als die Entscheidung des
Bezirksgerichtes Tel-Aviv noch nicht ergangen war. Damit ist es dem Antragsgegner
unbenommen gewesen, diese Zahlungen im einzelnen bereits in jenem Verfahren
anzubringen.
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Die Kosten der nach alledem erfolglosen Beschwerde hat nach §§ 8 und 10 AVAG der
Antragsgegner zu tragen.
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Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 10.800 DM festgesetzt. Dies
entspricht der zutreffenden Festsetzung des Landgerichts. Der Wert des Verfahrens auf
Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Urteils bestimmt sich nach den allgemeinen
Grundsätzen der Streitwertfestsetzung ( vgl dazu auch Schneider, Streitwert, 10. Aufl.
Stichw. " Vollstreckbarerklärung " im Anschluß an BGH, Rechtspfleger 57, 15 ).
Vorliegend handelt es sich bei dem zugrundeliegenden israelischen Titel um ein Urteil
auf Leistung von Kindesunterhalt. Diese Verurteilung ist nicht wegen Rückständen
erfolgt, sondern hat lediglich den laufenden Kindesunterhalt erfaßt. Demgemäß ist nach
der Bewertungsregel des § 17 Abs. 1 GKG der Wert aus dem einjährigen Betrag ohne
Hinzurechnung von Rückständen zu nehmen. Daß der Antrag auf
Vollstreckbarerklärung nach deutschem Recht erst zu einem späteren Zeitpunkt gestellt
worden ist, in dem noch nicht bezahlte Unterhaltsraten zu erbringen waren oder wie hier
bereits geleistet wurden, kann den Wert des im ausländischen Urteil zugesprochenen
Unterhaltsanspruchs nicht erhöhen. oder vermindern. Nach dem streitbefangenen Urteil
hat der Antragsgegner ab einen monatlichen Kindesunterhalt von 900,-- DM zu zahlen.
Das ergibt einen Jahresbetrag von 10.800 DM .
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