Urteil des OLG Köln vom 03.07.2008
OLG Köln: nachteilige veränderung, genehmigung, balkon, verwalter, eigentum, gestaltung, verwaltung, hochhaus, ermächtigung, linienführung
Oberlandesgericht Köln, 16 Wx 51/08
Datum:
03.07.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
16. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 Wx 51/08
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 29 T 138/07
Tenor:
Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner gegen den
Beschluss der 29. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 11.02.2008 -
29 T 138/07 - wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegner haben die Gerichtskosten des
Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten wird nicht angeordnet.
Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf
3.000,00 € festgesetzt.
G r ü n d e
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I.
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Die Antragsgegner sind Wohnungseigentümer einer im 7. Obergeschoss des Hauses A-
Weg der im Rubrum bezeichneten größeren Wohnungseigentumsanlage. Zu baulichen
Veränderungen enthält § 8 der Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung u. a. folgende
Regelungen:
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"1. Der Eigentümer ist verpflichtet, vor Beginn von baulichen Veränderungen
an seinem Eigentum (Um-, An- und Einbauten) den Verwalter über seine
Absichten schriftlich zu unterrichten. Der Verwalter ist berechtigt, solchen
baulichen Veränderungen zu widersprechen, falls Bauteile, die nicht zum
Sondeeigentum gehören (…) nachteilig berührt werden oder der ästhetische
oder einheitliche Eindruck der Anlage gestört wird.
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…
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2. Widerspricht der Verwalter nach Maßgabe der Ziffer 1 baulichen
Veränderungen am Sondereigentum, hat der Eigentümer den ursprünglichen
Zustand auf seine Kosten wiederherzustellen, wenn er die Maßnahmen
bereits durchgeführt hat."
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In der Vergangenheit wurden durch verschiedene Eigentümer an Balkonen
Verglasungen vorgenommen und in 2 Fällen die Zustimmung der
Eigentümergemeinschaft für Abschlüsse von Balkonen durch Verglasung
("Wintergärten") beantragt. Ein entsprechender Genehmigungsbeschluss wurde mit
bestandskräftigem Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 15.09.2003 für unwirksam
erklärt. In Kenntnis dieses Beschlusses brachten die Antragsgegner Ende 2004 an dem
zur Straßenseite gelegenen Balkon ihrer Wohnung einen "Wintergarten" an. Ferner
montierten sie an dem rückwärtigen Balkon ein rahmenloses Glaselement als
Windschutz.
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Nach einem Wechsel auf die derzeitige Verwalterin und nach Beschwerden von
Eigentümern wurden in der Eigentümerversammlung vom 29.06.2005 bestandskräftig
beschlossen, dass alle Wohnungseigentümer, die bereits bauliche Veränderungen
durchgeführt hatten, aufgefordert werden sollten, Anträge auf nachträgliche
Genehmigung zu stellen, über die in der nächsten Eigentümerversammlung
entschieden werden sollte. Die Verwalterin wurde ermächtigt, außergerichtlich und
gerichtlich die Beseitigungsansprüche der Eigentümergemeinschaft gegen nicht
genehmigte bauliche Veränderungen geltend zu machen. Ferner beschloss die
Gemeinschaft in der Versammlung vom 30.11.2005 ebenfalls bestandskräftig, dass
Glaselemente ähnlich demjenigen, das die Antragsgegner an dem rückwärtigen Balkon
angebracht hatten, generell als "Durchsteigeschutz" an den Balkonen montiert werden
können, die unmittelbar an die Fluchtbalkone der Nottreppenhäuser angrenzen.
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In der Eigentümerversammlung vom 07.06.2006 wurden Anträge des Antragsgegners
und verschiedener anderer Miteigentümer auf Genehmigung ihrer "Wintergärten"
mehrheitlich abgelehnt. Ein daraufhin von den Antragsgegnern eingeleitetes
Anfechtungsverfahren ruht derzeit, weil sie u. a. auch den Beschluss über die
Jahresabrechnung 2005 angefochten haben und hierzu weitere Anfechtungsverfahren
anhängig sind. Wegen des rahmenloses Glaselements an dem rückwärtigen Balkon war
von den Antragsgegnern ein Genehmigungsantrag nicht gestellt worden.
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Die Wohnungseigentümergemeinschaft begehrt vertreten durch die Verwalterin die
Entfernung der von den Antragsgegnern an beiden Balkonen angebrachten
Verglasungen. Das Amtsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Eine hiergegen
eingelegte sofortige Beschwerde der Antragsgegner blieb ohne Erfolg. Mit ihrer weiteren
Beschwerde verfolgen sie ihr Zurückweisungsbegehren weiter.
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II.
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Die zulässig sofortige weitere Beschwerde ist nicht begründet.
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Die Entscheidung des Landgerichts hält im Ergebnis rechtlicher Überprüfung gem. § 27
Abs. 1 FGG i. V. m. § 546 ZPO stand.
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Der Antragstellerin steht der geltend gemachte Beseitigungsanspruch zu. Grundlage
hierfür sind allerdings nicht nur die gesetzlichen Regelungen der §§ 1004 BGB, 22 Abs.
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1, 14 Nr. 1 WEG, da die vereinbarte Regelung in § 8 Abs. 1, 2 der Teilungserklärung
Vorrang hat. Diese entspricht zwar, indem hierin auf eine nachteilige Veränderung des
gemeinschaftlichen Eigentums und einen einheitlichen Eindruck abgestellt wird, der
gesetzlichen Regelung bzw. den hierzu in der Rechtsprechung entwickelten
Grundsätzen, ist aber weitergehender; denn auch der ästhetische Eindruck der Anlage
soll ein Kriterium sein, das zu einer Versagung der Verwalterzustimmung und damit zu
einer Rückbauverpflichtung führen kann. Ästhetische Fragen können aber subjektiv
geprägt sein und sind deshalb in den Fällen, in denen sich die Zulässigkeit einer
baulichen Veränderung nur nach § 22 Abs. 1 S. 1 WEG (früher S. 2) i. V. m. § 14 Nr. 1
WEG richtet, kein taugliches Kriterium (Senat MDR 2000, 760 u. OLGR Köln 2006, 593).
Hierauf wird es aber – wie noch auszuführen sein wird - letztlich nicht ankommen.
Die Antragstellerin ist aktivlegitimiert. Ansprüche auf Beseitigung einer baulichen
Veränderung sind grundsätzlich Individualansprüche der übrigen Eigentümer, da die
Gemeinschaft als solche nicht (Mit-)Eigentümerin ist und daher nicht in ihrem Eigentum
gestört werden kann mit der Folge, dass es für die Rechtsverfolgung durch die
Gemeinschaft aufgrund des bis zum 30.06.2007 geltenden Rechts eines
ermächtigenden Beschlusses der Eigentümerversammlung bedurfte (BGH NJW 2006,
2187). Auch nach neuem Recht, das mit Ausnahme der Verfahrensvorschriften der §§
43 ff. WEG auf den vorliegenden Fall anzuwenden ist (BGH NJW 2007, 3492), gilt nichts
anderes; denn Beseitigungsansprüche gehören zu denjenigen Rechten, die der
teilrechtsfähige Verband gem. § 10 Abs. 6 S. 3 WEG n. F. an sich ziehen kann, wobei es
allerdings auch hierzu eines entsprechenden Beschlusses bedarf (vgl. z. B
Bamberger/Roth/Hügel, Beck´scher Online-Kommentar, 8. Edition, § 22 WEG Rdn. 24;
Bärmann/Pick, WEG 18. Auflage, § 22 Rdn. 27).
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Ein Beschluss zur Ermächtigung der gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen
auf Beseitigung nicht genehmigter baulicher Veränderungen durch die Verwalterin
wurde bestandskräftig bereits in der Eigentümerversammlung vom 29.06.2005 gefasst.
Die Verwalterin ihrerseits hatte die Wahl, ob sie selbst die Ansprüche in
Verfahrensstandschaft oder – wie vorliegend geschehen - im Namen der Gemeinschaft
geltend machte. Wegen des Ermächtigungsbeschlusses kann es auch offen bleiben, ob
nicht in Abweichung von den dargestellten allgemeinen Grundsätzen wegen der
Regelung in § 8 Abs. 2 der Teilungserklärung die Geltendmachung von
Beseitigungsansprüchen zu den "geborenen" Rechten der Gemeinschaft nach § 10
Abs. 6 S. 2, 2. Alt. WEG n. F. gehört.
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Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht festgestellt, dass die von den Antragsgegnern
angebrachten Verglasungen das einheitliche Bild der Anlage stören. Auf die
diesbezüglichen Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss wird zur Vermeidung
von Wiederholungen Bezug genommen. Insbesondere konnte es seine Feststellungen
anhand der zu den Akten gereichten Fotos treffe, da diese Groß- und Detailaufnahmen
enthalten und sich hieraus ein aussagekräftiges Bild über die äußere Gestaltung der
Anlage ergibt (vgl. auch OLGReport Hamm 2006, 593; Senat WuM 2006, 537 u. OLGR
Köln 2005, 701). Darauf, ob und inwieweit weitere Balkonverglasungen vorhanden sind,
kommt es nicht an. Diese sind unstreitig jedenfalls teilweise nicht genehmigt. Zudem hat
die Eigentümergemeinschaft in der Eigentümerversammlung vom 29.06.2005
beschlossen, gegen den eingerissenen "Wildwuchs" in der Gestaltung der Fassaden
Maßnahmen zu ergreifen. Unabhängig von der Bestandskraft der Entscheidung wurde
damit ein Ziel verfolgt, das ordnungsgemäßer Verwaltung entsprach; denn bei einem
Hochhaus, dessen Gesamteindruck maßgeblich von der Struktur und Linienführung der
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Fensteranlagen geprägt wird und bei dem in der Vergangenheit Veränderungen an
Fensteranlagen hingenommen worden sind, handelt die Eigentümergemeinschaft nicht
treuwidrig, wenn sie "das Maß als voll ansieht" und von einem Wohnungseigentümer
den Rückbau einer weiteren ohne Zustimmung angebrachten und nicht dem
ursprünglichen Erscheinungsbild entsprechenden Fensteranlage verlangt (Senat NZM
2005, 790 = FGPrax 2005, 203). Unabhängig von dem in der Teilungserklärung als
Kriterium genannten ästhetischen Eindruck wird nach alledem jedenfalls der
einheitliche Bild der Anlage durch die Verglasungen gestört.
Dass das derzeit ruhende Anfechtungsverfahren wegen der Versagung der
Genehmigung des "Wintergartens" in der Eigentümerversammlung vom 07.06.2006
dem Beseitigungsbegehren nicht entgegensteht, hat bereits das Landgericht mit nicht
ergänzungsbedürftigen Erwägungen zutreffend ausgeführt. Wegen der rückwärtigen
Verglasung haben die Antragsgegner ohnehin nicht um eine Genehmigung
nachgesucht.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG a. F.. Es entspricht billigem Ermessen,
den unterlegenen Antragsgegnern die Gerichtskosten des Verfahrens dritter Instanz
aufzuerlegen. Eine Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten war nicht
veranlasst.
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Die Festsetzung des Geschäftswerts folgt aus § 48 Abs. 3 WEG a. F.
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