Urteil des OLG Köln vom 20.02.2009
OLG Köln: tod, firma, statuten, witwenrente, wiederverheiratung, auskunft, staatsangehörigkeit, ehescheidung, rechtsgeschäft, surrogat
Oberlandesgericht Köln, 10 UF 99/08
Datum:
20.02.2009
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
10. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
10 UF 99/08
Vorinstanz:
Amtsgericht Aachen, 25 F 5/07
Tenor:
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des
Amtsgerichts - Familiengericht - Aachen vom 31. März 2008 - 25 F 5/07 -
wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
G r ü n d e
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I.
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Die Antragstellerin, eine deutsche Staatsangehörige, ist die geschiedene Ehefrau des
im November 2006 verstorbenen Herrn Dr. S.F., der ebenfalls deutscher
Staatsangehöriger gewesen war. Die Scheidung erfolgte in den Niederlanden nach
niederländischem Recht. Seit Februar 1994 ist die Antragstellerin wiederverheiratet.
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Die Antragsgegnerin ist die Witwe des Herrn Dr. F.. Sie bezieht eine
Hinterbliebenenversorgung von der Firma G., einer überstaatlichen
Flugsicherungsbehörde mit Sitz in C..
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Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerin im Wege der Stufenklage auf
verlängerten schuldrechtlichen Versorgungsausgleich wegen der von G. gezahlten
Rente in Anspruch (der schuldrechtliche Versorgungsausgleich betreffend den Zeitraum
bis zum Tod des Herrn Dr. F. ist Gegenstand des vor dem Senat unter dem
Aktenzeichen 10 UF 83/06 anhängigen Parallelverfahrens 25 F 30/03 Amtsgericht
Aachen). Sie begehrt Auskunft über die Höhe der von der Antragsgegnerin bezogenen
Witwenrente, Zahlung des danach zu ermittelnden Ausgleichsbetrages sowie
Feststellung, dass die Antragsgegnerin wegen verspäteter Auskunft
schadensersatzpflichtig ist. Die Antragstellerin hat ihren Anspruch zunächst auf § 3a
Abs. 5 VAHRG gestützt, später auch auf eine zwischen ihr und Herrn Dr. F. am 16.
November 1984 in den Niederlanden privatschriftlich getroffene
Scheidungsfolgenvereinbarung.
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Das Amtsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass die Firma G.
keine Hinterbliebenenversorgung an wiederverheiratete frühere Ehegatten zahle und
mithin die Voraussetzungen für einen verlängerten schuldrechtlichen
Versorgungsausgleich nach § 3a VAHRG nicht erfüllt seien.
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Mit ihrer Beschwerde hält die Antragstellerin ihre Anträge aus erster Instanz aufrecht.
Abzustellen sei nicht auf die Versorgungsregularien der G., sondern auf Art. 5 der
Vereinbarung vom 16. November 1984, in der der verstorbene Herr Dr. F. sich ihr
gegenüber zur Zahlung der Hälfte der ehezeitlichen Versorgungsbezüge verpflichtet
habe. Die Vereinbarung lautet wie folgt:
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"Partijen zullen de verrekening van hun tot de Zugewinngemeinschaft behorende
pensionsrechten realisieren, mits en nadat de waarde van deze pensionsrechten
per mart 1979 zal zijn vastgesteld en de man de pensionsberechtigde leeftijd zal
hebben bereikt, waartoe partijen reeds thans voor alsdan overeenkomen daarbij een
verdeling bij helfte te zullen aanhouden, met dien verstande dat de man nimmer
verpflicht zal kunnen worden aan de vrouw te dezer zake anders dan in de vorm van
een mandelijkse uitkering te betalen"
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Übers.: "Die Parteien werden die zur Zugewinngemeinschaft gehörenden
Rentenansprüche verrechnen, sofern und nachdem der Wert dieser Ansprüche zum
29. März 1979 ermittelt worden ist und der Mann das Rentenalter erreicht haben
wird, wobei die Parteien bereits jetzt im voraus vereinbaren, eine Aufteilung zu
gleichen Hälften beizubehalten, unter der Bedingung, dass der Mann niemals
verpflichtet werden kann, der Frau ihren Anteil in einer anderen Form als in
monatlichen Beiträgen zu zahlen."
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Diese vertragliche Verpflichtung sei auf die Antragsgegnerin als Alleinerbin
übergegangen.
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II.
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Das gemäß § 621e ZPO statthafte und zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet. Ein
Zahlungsanspruch der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin folgt weder aus einem
verlängerten schuldrechtlichen Versorgungsausgleich nach § 3a Abs. 1 und 5 VAHRG
noch aus Art. 5 der Vereinbarung vom 16. November 1984. Folglich entfällt auch ein
Auskunftsanspruch.
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Anwendbar ist ausschließlich deutsches Recht, so dass als Anspruchsgrundlage (nur) §
3a Abs. 1 und 5 VAHRG in Betracht kommt; auf Art. 5 der Vereinbarung vom 16.
November 1984 kann sich die Antragstellerin schon deshalb nicht berufen, weil diese
gemäß §§ 1587o Abs. 2, 125 BGB mangels notarieller Beurkundung formnichtig ist.
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Da die Scheidung der Antragstellerin vor dem 01. September 1986 lag, ist das auf den
Versorgungsausgleich anwendbare Recht nach dem Kollisionsrecht in der bis dahin
geltenden Fassung zu bestimmen, Art. 220 Abs. 1 EGBGB (vgl. Palandt-Thorn,
Kommentar zum BGB, 68. Aufl., Art. 17 EGBGB Rn. 6; BGH FamRZ 2005, 1467; FamRZ
2006, 321). Als Scheidungsfolge unterliegt der Versorgungsausgleich Art. 17 EGBGB
a.F. in seiner verfassungskonform weiterentwickelten Auslegung (s. dazu Palandt-
Heldrich, Kommentar zum BGB, 45. Aufl., Art 17 EGBGB Anm. 5b m.w.N.), so dass
aufgrund der gemeinsamen deutschen Staatsangehörigkeit der Antragstellerin und ihres
verstorbenen früheren Ehemannes das deutsche Recht anwendbar ist (auch nach Art.
17 Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 Satz 1, Art 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB n.F. unterliegt der
Versorgungsausgleich dem als Scheidungsstatut berufenen Ehewirkungsstatut, das in
erster Linie an eine gemeinsame Staatsangehörigkeit anknüpft). Dass die Ehe in den
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Niederlanden nach niederländischem Recht geschieden worden ist, ist unerheblich. Die
Scheidungsfolgen bestimmen sich gemäß Art 17 EGBGB a.F. nach dem
Scheidungsstatut und nicht nach dem auf die Ehescheidung tatsächlich angewandten
Recht (Art. 17 Abs. 3 EGBGB n.F. knüpft den Versorgungsausgleich ebenfalls an das
nach Art. 17 Abs. 1, Art. 14 anzuwendende Recht an und nicht an das angewandte
Scheidungsstatut, s. Palandt-Thorn, 68. Aufl., Art. 17 EGBGB Rn. 19).
Die inhaltliche Wirksamkeit der Vereinbarung vom 16. November 1984 zum
Versorgungsausgleich richtet sich ebenfalls nach dem Scheidungsstatut (s. Palandt-
Heldrich, 45. Aufl., Art 17 Anm. 5b), die Formwirksamkeit nach Art. 11 Abs. 1 EGBGB
a.F. (vergleichbar Art. 11 Abs. 1 EGBGB n.F.). Danach bestimmt sich die Form eines
Rechtsgeschäfts zunächst nach dem inhaltlich maßgeblichen Recht, wobei auch die
Beachtung der Gesetze am Ort der Vornahme genügt. Allerdings bleibt es bei der
alleinigen Maßgeblichkeit des Geschäftsrechts, wenn – wie im vorliegenden Fall – das
Ortsrecht ein derartiges Rechtsgeschäft überhaupt nicht kennt, also eine Orts-form nicht
bereithält (Palandt-Heldrich, 45. Aufl., Art. 11 EGBG Anm. 4b; ebenso Palandt-Thorn,
65. Aufl., Art. 11 EGBGB Rn. 11; BGH NZG 2005, 41). Das niederländische Recht
kannte im Zeitpunkt der Vereinbarung vom 16. November 1984 zu Art. 5 betreffend den
Ausgleich der Rentenansprüche des Herrn Dr. F. kein mit dem deutschen
Versorgungsausgleich in den wesentlichen typischen Merkmalen auch nur annähernd
übereinstimmendes Institut. Erst mit Wirkung ab 01. Mai 1995 ist mit dem "Wet
verevening pensioenrechten bij scheiding" (WPV) eine Regelung zur Verteilung von in
der Ehezeit aufgebauten Rentenanwartschaften bei Privat- oder
Betriebspensionskassen, Art. 1 Abs. 4, 5 WPV, nach Scheidung eingeführt worden.
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Im übrigen könnte aus Art. 5 der Vereinbarung vom 16. November 1984 selbst dann kein
Anspruch gegen die Antragsgegnerin hergeleitet werden, wenn er formwirksam wäre.
Dass Herr Dr. F. sich bzw. seine Erben zu Rentenzahlungen an die Antragstellerin auch
über seinen Tod hinaus – unabhängig von den Regularien und Leistungen der Firma G.
– verpflichtet hat, kann weder dem Wortlaut der Vereinbarung noch deren Sinn und
Zweck entnommen werden.
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Ein Anspruch aus § 3a Abs. 1, 5 VAHRG besteht aus den vom Amtsgericht zutreffend
dargelegten Gründen nicht; die Antragstellerin greift die Entscheidung insoweit letztlich
auch nicht an. Eine Ausgleichsrente kann nur unter der Voraussetzung einer fiktiven
Hinterbliebenenversorgung verlangt werden, so dass versorgungsrechtliche
Leistungsbeschränkungen wie z.B. Wiederverheiratungsklauseln zu berücksichtigen
sind (Palandt-Brudermüller, 68. Aufl., Anh. I zu § 1587b, § 3a VAHRG Rn. 6). Die
Statuten der Firma G. sehen zwar in Art. 26 und 27 eine Hinterbliebenenversorgung für
Witwe und geschiedene Ehefrau vor, der Anspruch entfällt jedoch jeweils mit der
Wiederverheiratung.
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Die Antragstellerin, die im Februar 1994 erneut geheiratet hat, kann auch nicht deshalb
eine verlängerte schuldrechtliche Ausgleichsrente von der Antragsgegnerin verlangen,
weil gemäß Art. 26 der Statuten der G. die "echte" Witwe für den Fall der
Wiederverheiratung eine Kapitalabfindung in Höhe einer zweijährigen Jahrespension
erhalten kann. Ob eine als Hinterbliebenenversorgung zugesagte Kapitalleistung bis zu
deren Ausschöpfung überhaupt als Grundlage für einen verlängerten schuldrechtlichen
Versorgungsausgleichs in Betracht kommt (so z.B. Palandt-Brudermüller, 68. Aufl.,§ 3a
VAHRG Rn. 8), kann hier dahinstehen. Eine solche Sichtweise scheidet jedenfalls dann
aus, wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte bereits vor dem Tod des
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ausgleichspflichtigen Ehegatten wieder geheiratet hat, da nach dem System der
Hinterbliebenenversorgung die Abfindung als Surrogat an die Stelle der Witwenrente
tritt und daher stets voraussetzt, dass der Anspruch auf Witwenrente zunächst überhaupt
entstanden ist (s. BGH FamRZ 2005, 189). Dementsprechend sieht Art. 27 der G.-
Statuten im letzten Satz für die geschiedene Ehefrau eine Abfindung nach Art. 26
ausdrücklich nur dann vor, wenn sie erst nach dem Tod des Ausgleichspflichtigen
erneut heiratet.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG.
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Beschwerdewert: 2.000,00 €.
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