Urteil des OLG Köln vom 25.09.2000
OLG Köln: zugesicherte eigenschaft, arglistige täuschung, aufrechnung, dachgeschoss, hotel, stadt, einfluss, gegenforderung, verjährung, konzession
Oberlandesgericht Köln, 16 U 122/99
Datum:
25.09.2000
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
16. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
16 U 122/99
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 3 O 106/99
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 9. November 1999
verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 3 O 106/99
- abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst: Die Klage wird
abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits I. und II. Instanz tragen die
Kläger. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
1
Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg, da die klägerische Forderung durch
Aufrechnung erloschen ist, § 389 BGB.
2
Nachdem der Beklagte seine Einwendungen gegen die Klageforderung fallengelassen
hat, die Aufrechnung mit einem Schadensersatz aus dem notariellen Kaufvertrag vom
26.11.1998 als Primäraufrechnung behandelt wissen will und sich für diese Instanz nicht
mehr auf ein Zurückbehaltungsrecht beruft, war nunmehr nur noch über die zur
Aufrechnung gestellte Schadensersatzforderung zu entscheiden. Der klägerischen
Forderung über 27.568,11 DM zuzüglich Zinsen abzüglich bereits gezahlter 6.324,06
DM steht ein aufrechenbarer, fälliger Gegenanspruch des Beklagten in mindestens
gleicher Höhe gegenüber. Dies ist ein Schadensersatzanspruch wegen arglistigen
Vorspiegelns einer Eigenschaft in entsprechender Anwendung des § 463 Abs. 2 BGB,
der auf die Fälle des Vorspiegelns einer Eigenschaft ausdehnend angewendet wird (vgl.
Palandt/Putzo, 59. Aufl., § 463 Rdz. 13 m.w.N.). Hierbei muß es sich nicht um eine
zugesicherte Eigenschaft handeln (vgl. Palandt-Putzo, a.a.O.).
3
Die Kläger haben dem Beklagten bei Abschluss des notariellen Kaufvertrages vom
26.11.1998 arglistig einen nicht vorhandenen Umfang der Gaststättenkonzession
bezüglich des Hotels vorgespiegelt, indem sie das von ihrer Maklerin erstellte Exposé
vom 9.11.1998 (Bl. 216 ff.) zum Gegenstand der Vertragsverhandlungen gemacht
haben, das unrichtige Angaben zur Nutzung der im Dachgeschoss befindlichen Räume
enthielt. Tatsächlich war eine Hotelnutzung lediglich für folgende Stockwerke und
Räume zulässig: Für die Empfangshalle im Erdgeschoss, für Konferenzraum, Salon und
Restaurant im ersten Obergeschoss sowie für Fremdenzimmer im ersten bis vierten
Obergeschoss (vgl. Bl. 144 d.A.). Hingegen war eine Nutzung des Dachgeschosses
nicht gestattet, da dort die baulichen Voraussetzungen (Deckenhöhe) nicht ausreichend
waren, was zwischen den Parteien unstreitig ist. Demgegenüber weist das genannte
4
Exposé für das Hotel "F. Hof" auf dem Grundstück F.er Strasse in K. ein Hotel mit
Hotelzimmern vom ersten Obergeschoss bis zum Dachgeschoss aus (Bl. 216 d. GA).
Für die Aufteilung im einzelnen werden für das Dachgeschoss "zwei Doppel-/ein
Einzelzimmer, Pächterwohnung und anderes" ausgewiesen. Dementsprechend wird
auch die Nutzfläche des Hotels einschließlich der Räume im Dachgeschoss berechnet;
ebenso werden die drei Hotelzimmer im Dachgeschoss der Gesamtzimmerzahl des
Hotels zugerechnet, so dass nach dem Exposé das Hotel über 36 Hotelzimmer verfügt.
Diese Angaben wurden bis zum Abschluss des notariellen Kaufvertrages am
26.11.1998 weder von den Klägern, noch von der von ihnen beauftragten Maklerin
richtig gestellt. Somit wurde durch Verwendung dieses Exposés mit Kenntnis der Kläger
- Gegenteiliges ist weder ersichtlich, noch wurde es von ihnen behauptet - eine
Eigenschaft des Kaufgegenstandes vorgespiegelt, die tatsächlich nicht vorhanden war.
Für dieses Vorspiegeln ist es unerheblich, in welcher Weise die Dachgeschossräume
zum Zeitpunkt der Besichtigung des Hotels durch den Beklagten tatsächlich genutzt
wurden. Selbst wenn sie zu diesem Zeitpunkt als Privaträume des Pächters verwendet
wurden, blieb aus der Sicht eines potentiellen Käufers jederzeit die Möglichkeit, die
Räume wieder als Hotelzimmer einzusetzen. Art und Umfang der zulässigen
gewerblichen oder sonstigen Nutzung eines Gebäudes stellen eine
verkehrswesentliche Eigenschaft der Kaufsache dar (vgl. Palandt/Putzo, a.a.O., § 459,
Rdz. 24; MünchKomm/Wester-mann, BGB, 3. Aufl., § 459, Rdz. 35 m.w.N.). Hierunter
fallen auch objektbezogene Versagungen oder Einschränkungen einer
Gaststättenerlaubnis (so BGH NJW-RR 87, 908). Eine solche ist hier gegeben, wenn die
Räume aus baulichen Gründen - zu niedrige Deckenhöhe - nicht als Hotelzimmer
genutzt werden können. Für den wirtschaftlichen Wert eines Hotels ist die Anzahl der
Zimmer von wesentlicher Bedeutung, da diese sowohl Einfluss auf die laufenden
Erträge (Pachteinnahmen oder Einkünfte aus Gewerbebetrieb) als auch auf den
Verkehrswert des Grundstücks/Gebäudes haben. Die Art der Nutzung, die der jeweilige
Käufer zunächst ins Auge gefasst hat, d.h. ob Eigennutzung oder Verpachtung, spielt
dabei keine Rolle.
Die Kläger haben diese nicht vorhandene Eigenschaft auch arglistig im Sinne des § 463
S. 2 BGB vorgespiegelt. Arglistiges Handeln verlangt Vorsatz, wobei Handeln mit
bedingtem Vorsatz ausreicht. Diese Voraussetzung wird nicht erfüllt, wenn gutgläubig
unrichtige Angaben gemacht werden. Indes ist zur Arglist nicht unbedingt das Wissen
erforderlich, dass die angegebene Tatsache nicht der Wahrheit entspricht. Arglistig kann
auch der derjenige handeln, der einem anderen versichert, Kenntnis von Vorgängen
oder Umständen zu haben, tatsächlich aber nicht über diese Kenntnis verfügt. So reicht
es für eine arglistige Täuschung bereits aus, dass Angaben oder Zusicherungen über
Tatsachen gegeben werden, die einer sachlichen Grundlage entbehren. Dies ist auch
dann der Fall, wenn der Handelnde sich einer möglichen und zumutbaren Erkenntnis
der die Täuschung begründenden Umstände verschliesst, gleichwohl über diese
Umstände blindlings vertragliche Zusicherungen abgibt. Hierbei kommt es nicht darauf
an, ob diese Umstände ihm tatsächlich bekannt waren (so die herrschende Meinung,
vgl. BGH NJW 80, 2460, BGH NJW 81, 1441). Wenngleich das Schreiben der Stadt
Köln vom 12.3.1990, dass an die "Grundstücksgemeinschaft Fürstenberger Hof" und
zugleich namentlich an die Kläger gerichtet war, dafür spricht, dass die Kläger über den
Umfang der zulässigen Nutzung des Hotels informiert waren - den Erhalt dieses
Schreibens haben sie nicht in Abrede gestellt -, kommt es letztlich nicht darauf an, ob
ihnen bei den Vertragsverhandlungen Ende 1998 dies noch positiv bekannt war. Denn
selbst wenn ihnen der genaue Umfang der Gaststättenkonzession nicht mehr
gegenwärtig gewesen sein sollte, haben sie durch Verwendung des Exposés vom
5
9.11.1998 blindlings einen Umfang der zulässigen gewerblichen Nutzung vorgespiegelt,
der tatsächlich nicht der Wahrheit entsprach. Es wäre ihnen nämlich ohne weiteres
möglich und zumutbar gewesen, durch Einsicht in ihre Unterlagen oder ggf. durch
gezielte Nachfragen ( bei der Stadt K. oder dem Pächter ) den genauen Umfang der
gaststättenrechtlichen Konzession zu erfragen und diesen zur Grundlage eines Exposés
zu machen. Wenn sie gleichwohl ohne diese Grundlage konkrete Angaben über die
zulässige Nutzung der Räumlichkeiten machen, liegt darin ein arglistiges Verhalten
i.S.d. § 463 S. 2 BGB.
Die unrichtigen Angaben zur möglichen Nutzung der Räumlichkeiten waren auch
ursächlich für den Kaufentschluss des Beklagten. Auch wenn die Einzelheiten der
gaststättenrechtlichen Nutzung nicht besprochen wurden und der Umfang der
Konzession nicht Gegenstand der Vertragsverhandlungen war, ändert dies nichts daran,
dass die Anzahl der nutzbaren Hotelzimmer ein wesentlicher Umstand für die
wirtschaftliche Ertragskraft des Hotels ist- wie oben gezeigt wurde - und damit Einfluss
auf den Kaufpreis des Grundstücks hat. Bei Kenntnis der wahren Umstände hätte der
Erwerber zumindest auf einer Reduzierung des Kaufpreises bestanden und damit die
Vertragsverhandlungen in eine andere Richtung gelenkt.
6
Soweit die Kläger sich hinsichtlich möglicher Gewährleistungsansprüche auf
Verjährung berufen, bleibt diese Einrede angesichts der Regelung des § 477 Abs. 1
BGB ohne Erfolg, da Schadensersatzansprüche wegen arglistigen Verschweigens oder
Vorspiegelns nicht der kurzen Verjährung unterliegen.
7
Der Senat schätzt den Schadensumfang gemäß § 287 ZPO auf mindestens 28.000,-
DM. Der Beklagte macht vorliegend als Minderwert des Objekts den sogenannten
"kleinen Schadensersatz" geltend. Die genaue Höhe dieses Schadens wird sich nur mit
Hilfe eines Sachverständigengutachtens ermitteln lassen. Der Senat geht indes davon
aus, dass ein Mindestschaden in Höhe der ursprünglichen Gegenforderung gegeben ist.
Hierbei wurde berücksichtigt, dass sich die Zimmerzahl gegenüber den Angaben im
Exposè um 1/12 reduziert hat. Berücksichtigt man weiter, dass bei einer geringeren
Zimmerzahl ein entsprechend reduzierter Pachtzins zu erwarten ist, so wäre die jährlich
zu erwartende Pacht - damals 180.000,- DM - um mindestens 10.000,-, wenn nicht
15.000,- DM zu reduzieren, so dass der Pachtzinsausfall spätestens nach drei Jahren
die klägerische Forderung überschreiten würde. Der Senat hat deshalb keine
Bedenken, von einem Schaden in Höhe von mindestens der ursprünglichen
Klageforderung auszugehen. Zinsansprüche auf diese Forderung waren nicht zu
berücksichtigen, da der Schadensersatzanspruch mit Abschluss des notariellen
Kaufvertrages entstand und fällig wurde, so dass durch die in § 389 BGB geregelte
Rückwirkung der Aufrechnung die klägerische Forderung unmittelbar nach ihrer
Entstehung zum Erlöschen kam, mithin kein Verzug mehr eintrat.
8
Auf die übrigen vom Beklagten zur Aufrechnung gestellten Schadensersatzforderungen
kommt es nicht mehr an.
9
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Eine Anwendung des § 97 Abs. 2
ZPO kam nicht in Betracht, da der Beklagte unwiderlegt vorgetragen hat, er habe die
Unterlagen, insbesondere das Schreiben der Stadt K. vom 12.3.1990, aus dem sich die
eingeschränkte Konzessionierung der Räumlichkeiten ergebe, erst nach Ende der
mündlichen Verhandlung erster Instanz, d.h. nach dem Termin vom 28.9.1999 erhalten.
Eine frühere Geltendmachung der Gegenforderung war ihm somit nicht möglich.
10
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713
ZPO.
11
Streitwert für das Berufungsverfahren und Beschwer der Kläger: 21.244,05 DM.
12