Urteil des OLG Köln vom 23.09.1997
OLG Köln (stpo, person, strafkammer, zeuge, polizei, nichtigkeit, beschwerde, verwaltungsakt, staatsanwaltschaft, stelle)
Oberlandesgericht Köln, 2 Ws 513/97
Datum:
23.09.1997
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
2. Strafsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 Ws 513/97
Vorinstanz:
Landgericht Aachen, 61 KLs 11 Js 405/96 - 9/97
Tenor:
Die angefochtenen Beschlüsse werden aufgehoben. Die Kosten des
Beschwerdeverfahrens und die dem Beschwerdeführer hierin
entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.
G r ü n d e
1
I.
2
Derzeit findet vor der 1. großen Strafkammer des Landgerichts Aachen die
Hauptverhandlung gegen eine größere Zahl von Angeklagten statt, denen Untreue
beziehungsweise Anstiftung und Beihilfe zur Untreue - begangen in den S. und D.-H. -
vorgeworfen wird. Vor Einleitung des Ermittlungsverfahrens in dieser Sache trat in dem
S. eine von dem Polizeipräsidenten Köln eingesetzte V-Person "R." in Erscheinung, die
den Anfangsverdacht von Manipulationen beim Black-Jack-Spiel an den Direktor der
Spielbank, den jetzigen Zeugen C., weitergab. Der Zeuge C. nahm daraufhin Kontakt zu
dem Polizeipräsidenten Köln auf; im Anschluß hieran wurden die Ermittlungen durch die
Polizei in Aachen im März 1996 eingeleitet. Vom 20. Mai 1996 datiert eine Niederschrift
über eine förmliche Verpflichtung des Zeugen C. durch den Polizeipräsidenten Aachen
gemäß § 1 des Verpflichtungsgesetzes vom 2. März 1974, die für den
Polizeipräsidenten Aachen durch den KHK H. unterzeichnet ist. Die aufgenommenen
Ermittlungen wurden durch die Festnahmen von Tatverdächtigen am 26. September
1996 bekannt.
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Im Verlauf der Hauptverhandlung hat der Innenminister des Landes Nordrhein-
Westfalen gegenüber dem Vorsitzenden der Strafkammer mit Schreiben vom 8. August
1997 eine Sperrerklärung gemäß § 96 StPO analog, bezogen auf den Kriminalbeamten
KOK M. als Zeugen, abgegeben, da die Identität der eingesetzten V-Person "R."
geheimgehalten werden müsse. Am Ende dieser Sperrerklärung ist ausgeführt, daß sie
"auch für sonstige bereits geladene oder weitere Zeugen" gelte, soweit ihnen eine
Aussagegenehmigung erteilt ist. Einer Gegenvorstellung des Vorsitzenden der
Strafkammer hat der Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen mit Schreiben vom
11. August 1997 nicht stattgegeben.
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Bei seiner ersten Vernehmung im Hauptverhandlungstermin vom 19. August 1997 hat
der Zeuge C. die Niederschrift über die förmliche Verpflichtung vom 20. Mai 1996 sowie
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eine beschränkte Aussagegenehmigung des Polizeipräsidenten Aachen vom 14.
August 1997 vorgelegt, nach der u.a. erlangte Informationen über ihn gegebenenfalls
bekannte V-Personen der Polizei von der Aussagegenehmigung ausgenommen sind,
sofern der Zeuge im Rahmen seiner Einbindung in die Ermittlungen entsprechende
Kenntnisse erlangt habe. Seitens der Verteidigung ist in diesem
Hauptverhandlungstermin geltend gemacht worden, daß der Zeuge C. nicht unter den
Personenkreis des § 54 StPO falle und uneingeschränkt und umfassend auszusagen
habe.
Durch Beschluß vom 26. August 1997 (Anlage 4 zum Hauptverhandlungsprotokoll von
diesem Tage) hat die Strafkammer entschieden, daß für die Person des Zeugen C. die
Voraussetzungen des § 54 StPO nicht vorlägen, da die Verpflichtung dieses Zeugen
vom 20. Mai 1996 unwirksam sei. Die Strafkammer hat diese Entscheidung darauf
gestützt, daß die Verpflichtung vom 20. Mai 1996 in der Person des dem gehobenen
Dienst angehörenden KHK H. von einer unzuständigen Stelle vorgenommen worden
sei, weil nach § 1 der Verordnung über die zuständige Stelle für die förmliche
Verpflichtung nicht beamteter Personen nach dem Verpflichtungsgesetz im
Geschäftsbereich der Polizei vom 28. Juli 1992 (GVBl. NW 92, 342), die aufgrund des §
1 Abs. 4 Nr. 2 des Verpflichtungsgesetzes erlassen worden ist, die Aufgaben nach § 1
Abs. 1 bis 3 des Verpflichtungsgesetzes den Behördenleitern/-innen oder von ihnen
beauftragten Beamten/innen des höheren Dienstes der Polizeibehörde, bei der die zu
verpflichtende Person beschäftigt oder für sie tätig ist, obliege; daher handele es sich -
so die Strafkammer - um einen rechtlich nicht existent gewordenen Bescheid (Nicht-Akt),
der einem nichtigen Verwaltungsakt gleiche.
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Daraufhin nahm der Polizeipräsident Aachen unter dem 29. August 1997 erneut eine
förmliche Verpflichtung des Zeugen C. gemäß § 1 des Verpflichtungsgesetzes vor,
deren Niederschrift durch den KOR E. unterzeichnet ist. In einem Schreiben vom selben
Tage an den Vorsitzenden der Strafkammer hat der Polizeipräsident Aachen festgestellt,
daß die erneut durchgeführte Verpflichtung vorsorglich wegen möglicherweise
bestehender Formfehler bei der Verpflichtung vom 20. Mai 1996 ausgestellt worden sei.
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Mit Beschluß vom 2. September 1997 (Anlage 5 zum Hauptverhandlungsprotokoll von
diesem Tage) hat die Strafkammer entschieden, daß die neuerliche Verpflichtung des
Zeugen C. vom 29. August 1997 unwirksam sei und daß die tatsächlichen
Voraussetzungen des § 54 StPO in der Person dieses Zeugen auch hiernach nicht
vorlägen. Die Strafkammer hat in dieser Entscheidung die Ansicht vertreten, daß die
bloße Tatsache, daß der Zeuge C. die Identität der V-Person "R." wahren soll, keine
Tätigkeit im Sinne des Verpflichtungsgesetzes darstelle und es daher jedenfalls zum
jetzigen Zeitpunkt an einer gesetzlichen Ermächtigung für eine Verpflichtungserklärung
fehle; die nunmehr erfolgte Verpflichtung könne auch nicht als ein bloßer Akt der
Heilung eines früheren fehlerhaften Verpflichtungsaktes angesehen werden.
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Unter dem 8. September 1997 hat der Polizeipräsident Aachen gegen den Beschluß
vom 2. September 1997 das Rechtsmittel der Beschwerde eingelegt; aus den Anträgen
dieser Beschwerdeschrift ergibt sich allerdings, daß der Polizeipräsident Aachen
sowohl den Beschluß vom 2. September 1997 als auch die vorangegangene
Entscheidung vom 29. August 1997 aufgehoben wissen will.
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Der Senat hat auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft durch Beschluß vom 16.
September 1997 die Vollziehung des angefochtenen Beschlusses gemäß § 307 Abs. 2
10
StPO bis zur endgültigen Entscheidung über die Beschwerde ausgesetzt.
II.
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Die Beschwerde des Polizeipräsidenten Aachen vom 8. September 1997 ist statthaft
und auch im übrigen zulässig. In der Sache hat das Rechtsmittel Erfolg.
12
1.
13
Die Beschwerde ist gemäß § 304 Abs. 1 StPO zulässig. § 305 Satz 1 StPO steht der
Statthaftigkeit des Rechtsmittels nicht entgegen.
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Der Polizeipräsident Aachen ist - jedenfalls soweit er sich auf eine Fürsorgepflicht
gegenüber der eingesetzten V-Person "R." beruft - als dritte Person im Sinne des § 305
Satz 2 StPO anzusehen, die durch die angefochtenen Entscheidungen betroffen ist (vgl.
auch OLG Celle HESt 2, 79; Gollwitzer in Löwe-Rosenberg, StPO, 24. Aufl., § 305 Rdn.
24; Engelhardt in Karlsruher Kommentar, StPO, 3. Aufl., § 304 Rdn. 28). Die Beschwer,
die darin liegt, daß nach den angefochtenen Beschlüssen der Zeuge C. nicht der Pflicht
zur Verschwiegenheit nach § 54 Abs. 1 StPO unterliegen würde und daher die - nur
eingeschränkte - Aussagegenehmigung des Polizeipräsidenten Aachen vom 14. August
1997 gegenstandslos wäre, liegt auch bereits mit dem Erlaß der angefochtenen
Beschlüsse vor und dauert an, solange die Vernehmung des Zeugen C. nicht
abgeschlossen ist.
15
2.
16
In der Sache ist die Beschwerde des Polizeipräsidenten Aachen begründet. Entgegen
den angefochtenen Beschlüssen liegen in der Person des Zeugen C. die
Voraussetzungen des § 54 StPO vor, da die Verpflichtung dieses Zeugen vom 20. Mai
1996 gemäß § 1 des Verpflichtungsgesetzes - jedenfalls nach dem Sachstand, wie er
sich nunmehr aus der Beschwerdebegründung vom 8. September 1997 ergibt - nicht
unwirksam ist. Schon der Beschluß der Strafkammer vom 26. August 1997 unterliegt
daher der Aufhebung. Damit ist auch der weitere Beschluß der Strafkammer vom 2.
September 1997 - betreffend die erneute Verpflichtung vom 29. August 1997 -
gegenstandslos und muß gleichfalls aufgehoben werden.
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Entgegen der Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft geht es allerdings nicht
darum, ob die Erteilung einer beschränkten Aussagegenehmigung durch den
Polizeipräsidenten das Strafgericht bindet und ob die Erteilung einer unbeschränkten
Aussagegenehmigung im Weigerungsfalle erzwungen werden könnte (im übrigen
wären auch die von der Generalstaatsanwaltschaft wie von der Staatsanwaltschaft
Aachen vermißten Gegenvorstellungen seitens der Strafkammer durch diese bereits
erhoben gewesen, wie sich aus dem erneuten Schreiben des Innenministers des
Landes Nordrhein-Westfalen vom 11. August 1997 bezüglich der Sperrerklärung ergibt).
Vielmehr ist Gegenstand des Beschwerdeverfahrens die Frage, ob der Zeuge C.
überhaupt einer Aussagegenehmigung durch den Polizeipräsidenten Aachen als eine
"andere Person des öffentlichen Dienstes" deswegen bedarf, weil er nach dem
Verpflichtungsgesetz vom 2. März 1974 wirksam besonders zur Verschwiegenheit
verpflichtet worden ist (vgl. hierzu Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Aufl., § 54 Rdn.
11 m. w. N.). Dies ist zu bejahen, weil die förmliche Verpflichtung vom 20. Mai 1996 - die
einen (mitwirkungsbedürftigen) Verwaltungsakt darstellt - weder ein Nicht-Akt im Sinne
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der Entscheidungsgründe des Beschlusses vom 26. August 1997 noch ein nichtiger
Verwaltungsakt ist.
Entgegen der Beschwerdebegründung vom 8. September 1997 ist die förmliche
Verpflichtung des Zeugen C. sehr wohl auch von den Strafgerichten wenigstens
daraufhin überprüfbar, ob sie nicht nur rechtsfehlerhaft, sondern sogar nichtig ist (vgl.
BGH NJW 80, 846 für einen Fall, in dem die etwaige Nichtigkeit der Verpflichtung
allerdings nicht nur wegen ihrer Vornahme durch einen Kriminalbeamten lediglich des
gehobenen Dienstes, sondern auch wegen weiterer fehlender zwingender
Förmlichkeiten in Rede stand). Von einer solchen Nichtigkeit der förmlichen
Verpflichtung vom 20. Mai 1996 deswegen, weil sie in der Person des KHK H. von einer
unzuständigen Stelle vorgenommen worden sei, kann jedoch aus den nachstehenden
Gründen nicht ausgegangen werden. Inwieweit die jedenfalls nicht nichtige förmliche
Verpflichtung vom 20. Mai 1996 ansonsten verfahrensfehlerhaft zustande gekommen
sein könnte, ist hingegen für das Strafgericht unbeachtlich, weil sie gemäß § 43 Abs. 2
VwVfG wirksam bleibt, solange und soweit sie nicht zurückgenommen, widerrufen,
anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist; eine
Aufhebung durch die Strafgerichte kommt nicht in Betracht.
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Das Vorliegen eines Nicht-Aktes als eines rechtlich nicht existent gewordenen
Bescheides mit der etwaigen Folge, daß ein solcher Nicht-Akt in seiner rechtlichen
Unwirksamkeit einem nichtigen Verwaltungsakt im Sinne des § 43 Abs. 3 VwVfG
gleichen könnte und dann unwirksam wäre (vgl. hierzu BVerwG NVwZ 87, 330;
Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 4. Aufl., § 41 Rdn. 7),
ergibt sich nicht schon daraus, daß die förmliche Verpflichtung vom 20. Mai 1996
ausschließlich durch KHK H. erfolgt wäre. Zwar konnte die Strafkammer noch bei Erlaß
des Beschlusses vom 26. August 1997 davon ausgehen, daß ausschließlich KHK H. -
und damit lediglich ein Beamter des gehobenen Dienstes - die förmliche Verpflichtung
vom 20. Mai 1996 für den Polizeipräsidenten Aachen vornahm, da ihr andere
Unterlagen als die Niederschrift vom 20. Mai 1996 zum damaligen Zeitpunkt nicht zur
Verfügung standen. Aus der Beschwerdebegründung des Polizeipräsidenten Aachen
vom 8. September 1997 ergibt sich jedoch schon in tatsächlicher Hinsicht, daß die
Entscheidung, den Zeugen C. zu verpflichten, nicht durch KHK H., sondern durch KOR
E. - und somit durch einen Beamten des höheren Dienstes - getroffen wurde, und daß
erst anschließend die Durchführung der Verpflichtung des Zeugen C. (Belehrung und
Fertigung sowie Aushändigung der Niederschrift) durch KHK H. vorgenommen wurde.
Wenngleich auch hierin sehr wohl ein Verstoß gegen die Verordnung über die
zuständige Stelle für die förmliche Verpflichtung nicht beamteter Personen nach dem
Verpflichtungsgesetz im Geschäftsbereich der Polizei vom 28. Juli 1992 (GVBl. NW 92,
342) zu sehen ist - weil nach dieser Verordnung nämlich alle Aufgaben nach § 1 Abs. 1
bis 3 des Verpflichtungsgesetzes (also auch die mündliche Vornahme der Verpflichtung
und die Belehrung nach Abs. 2 und die Aufnahme der Niederschrift nach Abs. 3) nur
Beamten des höheren Dienstes der Polizeibehörde obliegen -, so führt dies doch nicht
schon zur Nichtigkeit der förmlichen Verpflichtung vom 19. August 1997. Gerade nach
der von der Strafkammer in dem angefochtenen Beschluß vom 26. August 1997 in
Bezug genommenen Entscheidung BFH NVwZ 87, 632 sowie auch nach der
entsprechenden Kommentierung (Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs § 44 Rdn. 90 und
Stelkens a. a. 0. § 41 Rdn. 7) kommt es entscheidend darauf an, ob nicht nur die
Willensäußerung, sondern auch schon die Willensbildung der den Verwaltungsakt
erlassenden Behörde auf die Entscheidung eines für den Erlaß des Verwaltungsaktes
zuständigen Bediensteten zurückzuführen ist. Dies war nach dem Vorbringen der
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Beschwerdebegründung, wonach die Entscheidung zur Verpflichtung des Zeugen C.
durch den KOR E. und damit durch einen Beamten des höheren Dienstes getroffen
worden ist, der Fall. An der tatsächlichen Richtigkeit dieses Vorbringens zu zweifeln, hat
der Senat keinen Anlaß, zumal die von dem Polizeipräsidenten unterschriebene
Beschwerde von KOR E. als Sachbearbeiter selbst formuliert worden ist. Eine
Nichtigkeit der förmlichen Verpflichtung vom 20. Mai 1996 nach § 44 Abs. 1 VwVfG (die
Voraussetzungen des § 44 Abs. 2 VwVfG kommen ohnehin nicht in Betracht) liegt also
wegen des Formmangels nicht vor.
Die förmliche Verpflichtung vom 20. Mai 1996 ist darüber hinaus auch nicht etwa nach §
44 Abs. 1 VwVfG nichtig, soweit es um die Frage geht (die die Strafkammer allein in
dem zweiten Beschluß vom 2. September 1997 erörtert hat, die sich aber auch schon für
den Beschluß vom 26. August 1997 stellt), ob für die förmliche Verpflichtung des
Zeugen C. eine Rechtsgrundlage nach dem Verpflichtungsgesetz gegeben war
(nämlich, ob der Zeuge C. wenigstens im Jahre 1996 für die Polizeibehörde "tätig" war
oder werden sollte, was angesichts der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft Aachen
vom 8. September 1997 - wonach sich sein "Tätigwerden" für die öffentliche Verwaltung
im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 Verpflichtungsgesetz beziehungsweise § 11 Abs. 1 Nr. 4 a
StGB darauf beschränken sollte, die von Polizei und Staatsanwaltschaft zugesagte
Anonymität der V-Person zu wahren - noch in Zweifel gezogen werden könnte, während
aber andererseits der Sachbearbeiter des Polizeipräsidenten Aachen auf telefonische
Anfrage des Senats am 22. September 1997 mitgeteilt hat, der Zeuge C. sei nicht nur
durch seine erste Kontaktaufnahme zu dem Polizeipräsidenten Köln tätig geworden,
sondern habe auch im weiteren Verlauf der Ermittlungen Unterlagen zur Verfügung
gestellt). Eine Auseinandersetzung hiermit kann dahinstehen. Selbst wenn nämlich die
Voraussetzungen für eine förmliche Verpflichtung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 des
Verpflichtungsgesetzes nicht vorgelegen hätten - wobei aber die Anwendbarkeit des
Verpflichtungsgesetzes auf den Einsatz von V-Personen jedenfalls in der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich durchaus anerkannt ist (vgl.
BGHSt 31, 148, 156; BGHSt 40, 211, 213; BGH NJW 80, 846) -, ergäbe sich hieraus
nicht eine Nichtigkeit der förmlichen Verpflichtung. Es sind weder die absoluten
Nichtigkeitsgründe des § 44 Abs. 2 VwVfG einschlägig noch kommt die Generalklausel
des § 44 Abs. 1 VwVfG zur Anwendung. Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes tritt nur ein
bei besonders schweren formellen und materiellen Fehlern, die mit der Rechtsordnung
unter keinen Umständen vereinbar sind (Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs,
Verwaltungsverfahrensgesetz, § 44 Rdn. 51); etwa bei einem gesetzlosen
Verwaltungsakt, bei dem unter keinen Umständen eine gesetzliche Ermächtigung
vorgelegen haben kann (Sachs a. a. 0. Rdn. 52). Schon davon kann im vorliegenden
Fall nicht ausgegangen werden, weil sehr wohl ein Tätigwerden des Zeugen C. -
erstmals möglicherweise bereits mit der Weitergabe des von der V-Person "R."
erlangten Anfangsverdachts an die Polizei - in Betracht kommt. Es kommt hinzu, daß die
Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes nach § 44 Abs. 1 VwVfG weiterhin voraussetzen
würde, daß ein etwaiger besonders schwerwiegender Fehler des Verwaltungsaktes
"offenkundig" ist. Hierbei handelt es sich um eine zusätzliche
Nichtigkeitsvoraussetzung, die nicht schon aus der Schwere eines etwaigen Fehlers bei
der Beurteilung der Ermächtigungsgrundlage selbst abgeleitet werden könnte (vgl.
Sachs a. a. 0. Rdn. 59). An einer solchen Offenkundigkeit eines etwaigen Fehlers des
Verwaltungsaktes fehlt es vorliegend in Ansehung des Textes der Niederschrift vom 20.
Mai 1996 in jedem Fall.
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Ist nach alledem die förmliche Verpflichtung vom 20. Mai 1996 nicht nichtig, so bleibt
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ihre Wirksamkeit durch die Strafgerichte - die auch nicht selbst den
Verwaltungsgerichtsrechtsweg beschreiten können (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, §
54 Rdn. 28) - zu beachten. Demgemäß bedarf der Zeuge C. der Aussagegenehmigung
durch den Polizeipräsidenten Aachen und ist diese nur eingeschränkte
Aussagegenehmigung Grundlage für eine Verschwiegenheitspflicht des Zeugen nach §
54 StPO. Die Beschlüsse, wonach für die Person des Zeugen C. (generell) die
Voraussetzungen des § 54 StPO wegen Unwirksamkeit der förmlichen Verpflichtung
des Zeugen nicht vorliegen, müssen daher aufgehoben werden. Da nur die Frage,
inwieweit überhaupt die Voraussetzungen des § 54 StPO in der Person des Zeugen C.
vorliegen, Gegenstand dieses Beschwerdeverfahrens sind, hat der Senat nicht darüber
zu entscheiden, in welchem Umfang tatsächlich ein Aussageverweigerungsrecht des
Zeugen C. bei seiner weiteren Vernehmung nach § 54 StPO besteht. Zutreffend hat
schon der Polizeipräsident Aachen in der - eingeschränkten - Aussagegenehmigung
vom 14. August 1997 formuliert, daß von der Aussagegenehmigung nur Informationen
über V-Personen der Polizei ausgenommen sind, sofern der Zeuge C. entsprechende
Kenntnisse im Rahmen seiner Einbindung in die Ermittlungen erlangt hat. Der Zeuge ist
nur - so auch die Staatsanwaltschaft Aachen in ihrer Stellungnahme vom 8. September
1997 - über sein gesamtes "in Ausübung seiner Funktion" erlangtes Wissen (also nach
Beginn seiner Tätigkeit für die Polizei) zur Verschwiegenheit verpflichtet. Der Beginn
der Tätigkeit des Zeugen C. für die Polizei, der Gegenstand seiner förmlichen
Verpflichtung ist und seine Einbindung in die Ermittlungen liegen jedenfalls nicht vor
seiner eigenen erstmaligen Kontaktaufnahme zu dem Polizeipräsidenten Köln, die
erfolgte, nachdem der Zeuge C. seinerseits von der V-Person über Verdachtsmomente
in dem S. ins Vertrauen gezogen worden war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO analog.
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