Urteil des OLG Köln vom 29.09.1995
OLG Köln (treu und glauben, geltendmachung des anspruchs, zpo, wartungsvertrag, hardware, ausdrücklich, buchhaltung, beseitigung, lieferant, rechnung)
Oberlandesgericht Köln, 19 U 34/95
Datum:
29.09.1995
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
19. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
19 U 34/95
Vorinstanz:
Landgericht Aachen, 12 O 510/93
Schlagworte:
Verwirkung Vergütungsanspruch Wartungsvertrag
Normen:
ZPO §§ 138 III, 288 I; BGB § 242
Leitsätze:
Der Abschluß eines Hardware-Wartungsvertragesist eine einfache
Rechtstatsache,die von den Parteien äzugestandenô werden kann( §§
138 Abs. 3, 288 Abs. 1 ZPO ). Ein Wartungsunternehmer verstößt gegen
Treu und Glauben, wenn er die Wartungsgebühr rückwirkend ab
Vertragsbeginn für einen längeren Zeitraum (hier 2 ¢ Jahre) fordert, in
dem ihm der Wille zur Ausführung des Vertrages deshalb fehlte, weil er
sich des Abschlusses des Wartungsvertrages gar nicht bewußt war.
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 12. Zivilkammer des
Landgerichts Aachen vom 27. Oktober 1994 - 12 O 510/93 - abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits werden der
Klägerin auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige Berufung des Beklagten hat Erfolg.
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Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin Wartungsgebühren für ein von ihr
geliefertes Datenverarbeitungssystem von monatlich 280,-- DM für die Zeit von April
1991 bis Dezember 1993 beanspruchen kann, die sie von dem Beklagten erstmals mit
Rechnung vom 17.6.1993 angefordert hat. Der Beklagte meint, die Klägerin könne keine
Wartungsgebühren beanspruchen, weil sie niemals irgendeine Überprüfung i.S. des
Wartungsvertrages vorgenommen habe. Es habe überhaupt nur eine Wartung am
17.2.1993 am Drucker stattgefunden, die ihr auch in Rechnung gestellt worden sei. Die
Klägerin meint, es sei unerheblich, ob der Beklagte Wartungsleistungen in Anspruch
genommen habe; gleichwohl habe es sie gegeben. Durch organisatorische Mängel in
ihrer Buchhaltung sei die monatliche Zahlungspflicht des Beklagten übersehen worden;
deshalb seien die Raten während der Vertragslaufzeit nicht angemahnt worden.
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1. Die erstinstanzlich streitige und vom Landgericht nach dem Ergebnis der
Beweiserhebung bejahte Frage, ob zwischen den Parteien ein Wartungsvertrag
abgeschlossen worden ist, hat der Beklagte ausdrücklich unstreitig gestellt. Damit ist der
Vertragsschluß als "zugestanden" anzusehen (§§ 138 Abs. 3, 288 Abs. 1 ZPO). Zwar
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können Gegenstand eines Geständnisses nur Tatsachen sein; hierunter fallen aber
auch ganz einfache Rechtsbegriffe, die jedem Teilnehmer im Rechtsverkehr geläufig
sein müssen, wie z.B. der Abschluß eines Vertrages (vgl. Thomas-Putzo, ZPO, 17. Aufl.,
§ 288 Anm. 1 unter Hinweis auf BGH WM 1980, 193; Baumbach/Lauterbach-Hartmann,
ZPO, 48. Aufl., § 288 Anm. 1).
1. Gleichwohl kann die Klägerin die von ihr geforderten Wartungsgebühren nicht
beanspruchen, weil sich ihr Verlangen als unzulässige Rechtsausübung darstellt
(§ 242 BGB); ihr Anspruch ist verwirkt.
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Zur Annahme der Verwirkung genügt grundsätzlich nicht allein der Ablauf eines
längeren Zeitraums, innerhalb dessen der Anspruch nicht geltend gemacht worden ist.
Der Verstoß gegen Treu und Glauben besteht nämlich in der Illoyalität der verspäteten
Geltendmachung des Anspruchs, die darin zu sehen ist, daß die Forderung noch
geltend gemacht wird, obwohl der Vertragspartner bereits darauf vertrauen durfte, daß
keine Forderungen mehr geltend gemacht werden und er sich hierauf auch bereits
eingerichtet hat. Diese Voraussetzungen können bereits zu einem Zeitpunkt vorliegen,
in dem die Forderung noch nicht verjährt ist (vgl. BGH NJW 1984, 1684 m.w.N.; Palandt
- Heinrichs, BGB, 54. Aufl., § 242 Rn 87 u. 93 ff.).
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Der Abschluß eines Hardware-Wartungsvertrages dient neben der Beseitigung von
Störungen dazu, in Verbindung mit der Instandhaltung und der Wartungsbereitschaft
dem Anwender eine möglichst hohe Verfügbarkeit zu schaffen. Der Lieferant übernimmt
deshalb die Pflicht, die Hardware betriebsbereit zu halten; insofern handelt es sich um
ein Dauerschuldverhältnis mit werkvertraglichem Charakter (vgl. Zahrnt, DV-Verträge,
Kap. 13.3.1). Hieraus kann allerdings nicht gefolgert werden, daß der Lieferant in
regelmäßigen, zeitlich nicht zu lang bemessenen Abständen warten muß, wie die
Beklagte meint, und daß seine Vergütung schon dann entfällt, wenn er diese Intervalle
nicht einhält. Denn bei der Instandhaltung elektronischer Bauteile geht es nicht um die
klassischen Maßnahmen, die regelmäßig durchgeführt werden (Reinigen, Schmieren,
Justieren); eine Instandhaltung seitens eines Wartungsunternehmers ist bei
Mikrocomputern deshalb kaum noch erforderlich. Sofern sie (bei größeren Einheiten)
z.B. durch vorbeugenden Austausch erfolgt, weil ein baldiger Ausfall droht, geschieht
dies weitgehend gelegentlich von Instandsetzungsarbeiten, also Beseitigung von
Störungen (Zahrnt a.a.O.), die wiederum auf Abruf erfolgen.
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Letztlich kann aber die Frage, ob und welche Wartungsintervalle die Klägerin einhalten
mußte, auf sich beruhen. Denn aus dem Verhalten der Klägerin nach Abschluß des
Wartungsvertrages und ihren Erklärungen hierzu ergibt sich hinreichend deutlich, daß
sie bis zu der erst 2 1/2 Jahre nach Abschluß des Vertrages erfolgten
Rechnungserstellung den Vertrag überhaupt nicht in Vollzug setzen wollte und gesetzt
hat, weil ihr offensichtlich gar nicht bewußt geworden ist, daß ein solcher Vertrag
existierte. Das zeigt sich darin, daß die fälligen Raten nicht angemahnt wurden. Die
Klägerin hat sich zur Erklärung hierzu zwar auf organisatorische Mängel der
Buchhaltung berufen; sie ist der an sie durch Verfügung des Senats ergangenen
Aufforderung, diese Mängel zu erläutern, jedoch nicht nachgekommen. Die Klägerin hat
auch keinerlei Nachweise dafür erbracht, daß sie vor dem 17.2.1993 zweimal Wartungs-
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und Instandsetzungsarbeiten an der Anlage des Beklagten durchgeführt hat, wie sie
behauptet. Irgendwelche Buchungsunterlagen oder sonstige Belege hierzu hat sie nicht
vorlegen können, wie sie auch keinen Wartungstechniker benannt hat. Die Vernehmung
der als einzige Zeugin von der Klägerin benannten Frau Sch. verspricht keine weitere
Aufklärung. Sie soll lediglich bekunden können, daß die Wartungsarbeiten "an diesen
Tagen" ohne Zusatzberechnung erfolgt seien, was einen rein buchhalterischen
Gesichtspunkt betrifft. Das ist unerheblich, solange nicht feststeht, daß überhaupt und an
welchen Tagen kostenfreie Wartungsarbeiten durchgeführt worden sind.
Damit steht fest, daß der Klägerin trotz des - von dem Senat zu unterstellenden -
Vertragsschlusses jeder Wille zur Ausfüllung des Vertrages fehlte. Deshalb verstieß sie
gegen Treu und Glauben, als sie 2 1/2 Jahre nach Vertragsschluß die Raten für einen
Zeitraum einforderte, in dem sie selbst nicht vertragsbereit war. Angesichts dessen
bedarf es keiner weiteren Vertiefung, daß auch der Beklagte darauf vertrauen durfte, sie
werde Rechte hieraus nicht geltend machen, weil die Klägerin 2 1/2 Jahre keinerlei
Raten abbuchte und auch sonst in keiner Weise zu erkennen gab, daß sie den ihm nicht
ausdrücklich bestätigten Wartungsvertrag durchführen wollte.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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Beschwer für die Klägerin: 10.567,20 DM
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