Urteil des OLG Köln vom 02.02.1996
OLG Köln (stpo, beschwerde, person, hauptverhandlung, strafkammer, antrag, pflichtverteidiger, sache, abweichung, wohnung)
Oberlandesgericht Köln, 2 Ws 53/96
Datum:
02.02.1996
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
2. Strafsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 Ws 53/96
Vorinstanz:
Landgericht Aachen, 71 Ns 11 Js 1184/94 - 4/96
Tenor:
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben. Dem Angeklagten wird für
das Berufungsverfahren Rechtsanwalt R. in K. als Pflichtverteidiger
beigeorndet. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem
Angeklagten hierin entstandenen notwendigen Auslagen hat die
Staatskasse zu tragen.
G r ü n d e
1
I.
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Durch Urteil des Amtsgericht Monschau vom 4. Dezember 1995 wurde gegen den
Angeklagten wegen Betruges eines Freiheitsstrafe von drei Monaten unter
Strafaussetzung zur Bewährung verhängt. Der bis dahin durch Rechtsanwalt R. als
Wahlverteidiger vertretene Angeklagte hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt. Mit
der Berufungsschrift beantragt er, ihm Rechtsanwalt R. als Pflichtverteidiger
beizuordnen.
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Durch Beschluß vom 9. Januar 1996 hat der Vorsitzende der 1. kleinen Strafkammer
des Landgerichts Aachen den Antrag auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers
abgelehnt, weil ein Fall des § 140 Abs. 2 StPO nicht vorliege. Gegen diese
Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Angeklagten vom 17. Januar 1996.
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II.
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Die gemäß § 304 Abs. 1 StPO statthafte und auch durch § 305 StPO nicht
ausgeschlossene Beschwerde ist begründet.
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Die Voraussetzungen für die Beiordnung eines Pflichtverteidigers liegen - in
Übereinstimmung mit der von der Generalstaatsanwaltschaft vertretenen Ansicht - vor.
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Zwar rechtfertigt die Schwere der Tat im Hinblick auf die erstinstanzlich verhängte und
im Berufungsverfahren allenfalls zu erwartende Rechtsfolge ebensowenig für sich allein
die Beiordnung eines Pflichtverteidigers wie die Schwierigkeit der Sach- oder
Rechtslage in dem vorliegenden Fall. In Verbindung mit dem Tatvorwurf - der in dem
Urteil des Amtsgerichts Monschau eine ausführliche Würdigung erfahren hat und
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jedenfalls nicht einfach gelagert ist - ist aber die zweite Alternative des § 140 Abs. 2 S. 1
StPO erfüllt. Zu den Fällen, in denen der Beschuldigte sich aus Gründen in seiner
Person nicht selbst verteidigen kann - weil nicht sicher gewährleistet ist, daß er in der
Lage ist, der Verhandlung zu folgen, seine Interessen zu wahren und alle seiner
Verteidigung dienenden Handlungen vorzunehmen - zählen regelmäßig diejenigen von
Ausländern, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind und die für die
Hauptverhandlung der Zuziehung eines Dolmetschers bedürfen (vgl. Laufhütte in
Karlsruher Kommentar, StPO, 3. Aufl., § 140 Rdnr. 24 mit ausführlichen Nachweisen aus
der Rechtsprechung). Schon das Schlußwort des Angeklagten in der Hauptverhandlung
vor dem Amtsgericht - in dem es ihm darum ging, daß das Gericht ihm eine Wohnung
verschaffe - zeigt, daß der Angeklagte auch trotz der Beiziehung eines Dolmetschers -
die im übrigen schon im ersten Rechtszug erst auf Anregung des damaligen
Wahlverteidigers hin erfolgt ist, der auch Beweisantritte gestellt hat - eines
Pflichtverteidigers bedarf.
In Abweichung von dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft kann der Senat in der
vorliegenden Sache die Person des Pflichtverteidigers selbst bestimmen, statt seine
Auswahl dem Vorsitzenden der Strafkammer zu überlassen. Es ist nämlich der von dem
Beschuldigten bezeichnete Verteidiger als Anwalt seines Vertrauens zu bestellen, wenn
nicht wichtige Gründe entgegenstehen (§ 142 Abs. 1 S. 3 StPO). Ein wichtiger
entgegenstehender Grund liegt nicht etwa deswegen vor, weil Rechtsanwalt R. aus
Köln nicht der Zahl der in dem Landgericht Aachen zugelassenen Rechtsanwälte (§ 142
Abs. 1 S. 1 StPO) angehört. Da Gerichtsort und Sitz des Rechtsanwaltes nicht weit
voneinander entfernt sind, hat die Rücksicht auf das Vertrauensverhältnis den Vorrang
vor der Ortsnähe (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 42. Aufl., § 142 Rdnr. 12 mit
weiteren Nachweisen); zudem steht der Termin zur Berufungshauptverhandlung
unmittelbar bevor.
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Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 467 Abs. 1
StPO.
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