Urteil des OLG Köln vom 04.05.2009

OLG Köln: radiologische untersuchung, diagnose, behandlungsfehler, hypertonie, vergleich, aufteilung, beratung, vollstreckbarkeit, abrechnung, eingriff

Oberlandesgericht Köln, 5 U 113/08
Datum:
04.05.2009
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
5. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 U 113/08
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 25 O 202/06
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 7. Mai 2008 verkündete Urteil
der 25. Zivilkammer des Landgerichts Köln (25 O 202/06) unter
Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise abgeändert und
wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird unter Klagabweisung im übrigen verurteilt, an die
Klägerin 1.424,55 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz seit dem 10. November 2004 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen die Klägerin zu
79 % und der Beklagte zu 21 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e :
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I.
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Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 2 ZPO i.
V. m. § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
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II.
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Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet.
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Der Klägerin steht gegen den Beklagten aus übergegangenem Recht ein An-spruch auf
Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 1.424,55 Euro wegen eines ärztlichen
Behandlungsfehlers zu.
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1.
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Dem Beklagten ist bei der Behandlung der Zeugin N-O im Januar 2003 ein
Behandlungsfehler dahin unterlaufen, dass er bei einer orthopädisch veranlassten
Injektion mit der Spritze in die linke Niere der Zeugin gestochen und dadurch dort ein
Nierenhämatom ausgelöst hat. Dies hat der Beklagte dadurch zumindest deklaratorisch
anerkannt, dass er der Zeugin noch im Januar 2003 zur Schadenswiedergutmachung
wegen seines Behandlungsfehlers 5.000 Euro in bar gezahlt hat. Hiervon ist der Senat
aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme überzeugt. Denn die Zeugin F N-O und
deren Tochter, die Zeugin G H, haben im Kern übereinstimmend ausgesagt, dass der
Beklagte der Zeugin N-O am 27. Januar 2003 einen Betrag in Höhe von 5.000 Euro in
bar zur Schadenswiedergutmachung übergeben hat. Der Senat hält beide Zeuginnen
für glaubwürdig und ist von der Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen überzeugt. Denn sie
haben beide in sich schlüssig, detailreich und gut nachvollziehbar die fraglichen
Vorgänge am 27. Januar 2003 geschildert, wobei ihre Aussagen im wesentlichen Kern
übereinstimmen. Die Aussagen der Zeuginnen weichen zwar in einem Einzelpunkt
voneinander ab, weil die Zeugin N-O ausgesagt hat, dass sie nach dem Besuch beim
Beklagten ihrer im Auto wartenden Tochter das Geld übergeben habe, während die
Zeugin H bekundet hat, dass ihre Mutter ihr das Geld nicht unmittelbar gegeben sondern
gesagt habe, dass sie das Geld zu dem von der Tochter beabsichtigten Autokauf
beisteuern werde, was sie denn auch kurze Zeit später getan habe. Dieser Umstand
schränkt aber die Glaubwürdigkeit der Zeuginnen und die Glaubhaftigkeit ihrer
Aussagen nicht zuletzt deshalb nicht ein, weil es zum einen gut nachvollziehbar ist,
dass die Erinnerung daran, wann und wie genau die Mutter der Tochter den Betrag von
5.000 Euro für den Autokauf zur Verfügung gestellt hat, in der langen zwischenzeitlich
vergangenen Zeit verblasst ist, und weil zum anderen die Divergenz der Aussagen in
diesem Punkt den Eindruck des Senats bestätigt hat, dass die Zeuginnen die fraglichen
Vorgänge jeweils aus ihrer eigenen Erinnerung geschildert und ihre Aussagen nicht
abgesprochen haben.
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2.
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Der somit dem Grunde nach gegebene Anspruch der Klägerin konnte aber nur in der
aus dem Tenor ersichtlichen Höhe zugesprochen werden. Denn die Klägerin hat nicht
vorgetragen inwiefern die Untersuchungen und Behandlungen der Zeugin N-O, die sie
ausweislich der Klageschrift beigefügten Aufstellung für die Zeugin im Rahmen des
Krankenversicherungsverhältnisses bezahlt hat, auf den Behandlungsfehler des
Beklagten und das dadurch verursachte Hämatom der linken Niere der Zeugin
zurückzuführen sind. Und aus den von der Klägerin in Kopie ohne schriftsätzliche
Aufbereitung zu den insgesamt 15 Positionen der genannten Aufstellung vorgelegten
Rechnungen ergibt sich nur hinsichtlich eines relativ geringfügigen Teils der
Einzelpositionen ein Bezug zu dem Nierenhämatom mit der Folge, dass die
Klageforderung lediglich in Höhe eines Teilbetrages von 1.424,55 Euro zugesprochen
werden kann, der sich wie folgt ermittelt:
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Zu Position/Beleg 1:
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Die hierzu vorgelegte Rechnung bezieht sich ebenso wie die Rechnung zu Position 6
auf einen Krankenhausaufenthalt im Juni 2002, wobei in der Rechnung zu Position 6 als
Diagnose neben einem Hämatom in der linken Niere zwei weitere Umstände aufgeführt
sind, wobei aufgrund der Angaben zu den Einzelpositionen in den Belegen eine
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Halbierung des Rechnungsbetrages angemessener erscheint als eine Drittelung. Somit
zu berücksichtigen: (660,27 Euro : 2 =) 330,14 Euro.
Zu Position/Beleg 2:
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Die hierzu vorgelegte Rechnung über 1.224,99 Euro bezieht sich auf Untersuchungen
eines Strahleninstituts im Juli 2002. Dieser Rechnungsbetrag kann nicht berücksichtigt
werden, weil der Beklagte unbestritten vorgetragen hat, dass es sich insoweit um
diejenigen Untersuchungen handele, die er empfohlen habe, und die ohnehin auch
unabhängig von der Frage eines Behandlungsfehlers hätten durchgeführt werden
müssen.
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Zu Positionen 3 und 4:
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Diese Positionen mit Beträgen von 9,15 Euro und 13,98 Euro können nicht
berücksichtigt werden, weil insoweit keinerlei Belege vorgelegt worden sind.
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Zu Position/Beleg 5:
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Der Betrag in Höhe von 440,43 Euro aus der hierzu vorgelegten Rechnung ist in vollem
Umfang zu berücksichtigen, weil er eine radiologische Untersuchung wegen eines
Hämatoms der linken Niere betrifft.
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Zu Position/Beleg 6:
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Aus den oben zu Position/Beleg 1 ausgeführten Gründen kann der Betrag in Höhe von
363,24 Euro aus der zu dieser Position vorgelegten Rechnung zur Hälfte berücksichtigt
werden. Somit zu berücksichtigen: (363,24 Euro : 2 =) 181,62 Euro.
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Zu Position/Beleg 7:
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In der zu dieser Position vorgelegten Rechnung, die sich auf urologische
Untersuchungen bezieht, sind als Diagnose neben einem Hämatom der linken Niere
zwar zwei weitere Umstände aufgeführt. Die Diagnose Nierenzyste fällt aber im
Vergleich zu den beiden anderen Diagnosen nicht wesentlich ins Gewicht mit der Folge,
dass eine Halbierung des Rechnungsbetrages angemessener ist als eine Drittelung.
Somit zu berücksichtigen: (232,03 Euro : 2 =) 116,02 Euro.
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Zu Position/Beleg 8:
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Die zu dieser Position vorgelegte Rechnung bezieht sich auf ambulante ärztliche
Krankenhausleistungen in der Zeit vom 13. Juni bis 19. September 2002 und kann
lediglich zu 10 % berücksichtigt werden. Denn in der Rechnung sind neben einem
Nierenhämatom drei weitere Diagnosen aufgeführt, wobei sich aber die abgerechneten
Einzelleistungen im Wesentlichen auf die als Diagnose angegebene Kachexie bei
exokriner Pankreasinsuffizienz beziehen, während die weiteren Diagnosen, nämlich die
arterielle Hypertonie, das Nierenhämatom, die Nierenzyste rechts eine eher
untergeordnete Rolle spielen mit der Folge, dass eine prozentuale Aufteilung der
Rechnung 70 % : 10 % : 10 % : 10 % als angemessen erscheint. Somit zu
berücksichtigen: (10 % von 893,98 Euro =) 89,40 Euro.
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Zu Position/Beleg 9:
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Die hierzu vorgelegte Rechnung bezieht sich auf radiologische Untersuchungen am 11.
September 2002 und ist zu einem Drittel zu berücksichtigen. Denn in der Rechnung sind
etwa ebenso viele Einzeldiagnosen wie abgerechnete Einzelleistungen angegeben,
wobei ein Schwerpunkt schwer festzulegen und die Zuordnung der abgerechneten
Einzelleitungen zu den einzelnen Diagnosen schwierig ist. Da sich aber mehrere
Diagnosen auf die Nieren beziehen und ein Zusammenhang mit dem Hämatom nicht
ausgeschlossen ist, erscheint es im Rahmen einer Schätzung entsprechend § 287 ZPO
als angemessen, ein Drittel zu berücksichtigen. Somit zu berücksichtigen: (649,97 Euro :
3 =) 216,66 Euro.
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Zu Position/Beleg 10:
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Die zu dieser Position vorgelegte Rechnung betrifft eine radiologische Untersuchung
am 8. Oktober 2002 und kann insgesamt nicht berücksichtigt werden. Denn der Beklagte
hat zu dieser Rechnung unbestritten vorgetragen, dass es sich bei den Auftrag
gebenden Ärzten um HNO-Ärzte handele mit der Folge, dass ein Zusammenhang der
Untersuchung mit dem Nierenhämatom nicht festgestellt werden kann.
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Zu Position/Beleg 11:
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Die zu dieser Position vorgelegte Rechnung bezieht sich auf eine urologische
Behandlung im September 2002 und kann zur Hälfte berücksichtigt werden. Denn als
Diagnosen sind ein Nierenhämatom links und eine Nierenzyste rechts angegeben,
wobei es als angemessen erscheint, den Rechnungsbetrag im Rahmen einer
Schätzung zu halbieren, weil die Zuordnung der abgerechneten Einzelpositionen zu
den beiden Diagnosen schwierig ist. Somit zu berücksichtigen: (100,56 Euro : 2 =) 50,28
Euro.
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Zu Position/Beleg 12:
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Die zu dieser Position vorgelegte Rechnung betrifft ambulante ärztliche
Krankenhausleistungen in der Zeit vom 4. November 2002 bis 11. Dezember 2002 und
kann insgesamt nicht berücksichtigt werden. Zwar ist das Nierenhämatom links als eine
der Diagnosen angegeben. Aber zum einen ist nicht ersichtlich, welche der
abgerechneten Einzelleistungen sich hierauf beziehen könnten, und zum anderen ist als
Schwerpunkt der abgerechneten Leistungen die Bronchoskopie mit operativem Eingriff
einschließlich der damit zusammenhängenden weiteren Maßnahmen (Beratung,
Lokalanästhesie etc.) anzusehen.
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Zu Position/Beleg 13:
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Die zu dieser Position vorgelegte Rechnung betrifft internistische Behandlungen in der
Zeit vom 21. Oktober 2002 bis zum 3. Dezember 2002 und kann nicht berücksichtigt
werden. Denn das Nierenhämatom ist als Diagnose nicht ausdrücklich genannt;
genannt sind lediglich drei Diagnosen, die sich zwar auf Nieren beziehen, aber ihrer Art
nach und auch hinsichtlich des zeitlichen Abstandes zu der umstrittenen Behandlung
(Juni 2002, d. h. vier bis sechs Monate vor den hier abgerechneten Leistungen) wohl
eher nicht mit dem Hämatom in Verbindung zu bringen sind.
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Zu den Positionen/Belegen 14 und 15:
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Die zu diesen Positionen vorgelegten Belege, nämlich die Laborrechnung (Beleg 14)
und die Abrechnung einer internistischen Behandlung (Beleg 15) stehen in
Zusammenhang mit den internistische Behandlungen in der Zeit vom 21. Oktober 2002
bis zum 3. Dezember 2002 gemäß Beleg 13 und können aus den oben zu
Position/Beleg 13 ausgeführten Gründen insgesamt nicht berücksichtigt werden.
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Zusammenfassung:
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Insgesamt ergibt sich dementsprechend der zuzusprechende Betrag von [330,14 Euro
(Position 1) + 440,43 Euro (Position 5) + 181,62 Euro (Position 6) + 116,02 Euro
(Position 7) + 89,40 Euro (Position 8) + 216,66 Euro (Position 9) + 50,28 Euro (Position
11) =] 1.424,55 Euro.
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Der zuerkannte Zinsanspruch beruht auf § 288 ZPO.
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3.
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Prozessuale Nebenentscheidungen:
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, §§ 711, 713 ZPO.
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Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO
hierfür nicht vorliegen. Die entscheidungserheblichen Fragen sind solche des
Einzelfalls.
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Berufungsstreitwert: 6.739,39 Euro
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